Tribologie und Schmierungstechnik
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0724-3472
2941-0908
expert verlag Tübingen
0601
2017
643
JungkEinfluss des Schmiermittels auf die Ausbildung von Grenzschichten im Wälzkontakt
0601
2017
René Greschert
Christian Brecher
Christoph Löpenhaus
Reibung und Verschleiß von Zahnflanken werden durch Grenzschichten beeinflusst, die sich während der Fertigung und während des Betriebs in der Bauteilrandzone ausbilden und einen direkten metallischen Kontakt verhindern können. In dieser Arbeit wird untersucht, inwiefern Grenzschichten durch die Betriebsparameter sowie durch das in der Applikation eingesetzte Getriebeöl beeinflusst werden. Dazu werden Versuche auf dem Zwei-Scheiben-Wälzfestigkeitsprüfstand und auf dem Zwei-Scheiben-Reibkrafttribometer durchgeführt. Die begleitende Grenzschichtanalyse erfolgt durch hochauflösende mikro- und nanoanalytische Messverfahren. Schichteigenschaften wie die Gefügestruktur und das Tiefenprofil der enthaltenen chemischen Bestandteile erlauben eine Unterscheidung der endbearbeiteten und der im Prüfstand tribologisch belasteten Prüfkörper.
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Aus der Praxis für die Praxis 1 Forschungsziel und Vorgehensweise In diesem Bericht werden die Einflussfaktoren der Ausbildung betriebsbedingter Grenzschichten analysiert. Dazu wird zunächst die mikrobis nanoskopische Ausbildung der Grenzschicht für die Prozesse der Fertigung, des Einlaufs und eines Prüflaufs unter Wälzbeanspruchung betrachtet. Beispielhaft für eine betriebsbedingte Modifikation der äußeren Grenzschicht wird im zweiten Schritt die Additivierung des Schmiermittels bei sonst gleich bleibenden Randbedingungen variiert. Anhand von Prüfstandsversuchen werden die Hilfsgrößen Reibung und Verschleiß analysiert, um die Entwicklung und die Wirkung verschiedener Grenzschichtsysteme zu beschreiben und gegeneinander zu gewichten. Das oben dargestellte Vorgehen soll einen Beitrag dazu leisten, die Potenziale einer zielgerichteten Kombination aus Vorkonditionierung und Applikation aufzudecken und für den industriellen Anwender nutzbar zu machen. 2 Prüfkörper und Prüfmittel Die Untersuchungen werden im Zwei-Scheiben-Prüfstand unter zahnradtypischen Belastungen an Prüf- und Gegenwellen aus dem Zahnradstahl 16MnCr5 durchgeführt, Bild 1. Die Vorbearbeitung und Wärmebehandlung erfolgt für alle Prüfkörper mit den gleichen Prozessparametern und in einer gemeinsamen Charge. Die Endbearbeitung der Prüfteile erfolgt im Außenrund-Einstechschleifverfahren. Als Schleifscheibe wird für alle hergestellten Teile eine keramisch gebundene Edelkorundscheibe mit feiner Körnung (120) genutzt. Korund zählt neben cBN zu den in der Praxis am häufigsten eingesetzten Schleifscheibenwerkstoffen für Zahnräder aus Einsatzstahl. Die Einstellparameter des Schleifprozesses entsprachen denen der Referenzvariante bestehender Untersuchungen zur Schleifparameter- und KSS-Variation Tribologie + Schmierungstechnik 64. Jahrgang 3/ 2017 63 * René Greschert M.Sc. Prof. Dr.-Ing. Christian Brecher Dr.-Ing. Dipl.-Wirt.-Ing. Christoph Löpenhaus Lehrstuhl für Werkzeugmaschinen Werkzeugmaschinenlabor (WZL) der RWTH Aachen 52056 Aachen Einfluss des Schmiermittels auf die Ausbildung von Grenzschichten im Wälzkontakt R. Greschert, Ch. Brecher, Ch. Löpenhaus* Reibung und Verschleiß von Zahnflanken werden durch Grenzschichten beeinflusst, die sich während der Fertigung und während des Betriebs in der Bauteilrandzone ausbilden und einen direkten metallischen Kontakt verhindern können. In dieser Arbeit wird untersucht, inwiefern Grenzschichten durch die Betriebsparameter sowie durch das in der Applikation eingesetzte Getriebeöl beeinflusst werden. Dazu werden Versuche auf dem Zwei-Scheiben-Wälzfestigkeitsprüfstand und auf dem Zwei-Scheiben-Reibkrafttribometer durchgeführt. Die begleitende Grenzschichtanalyse erfolgt durch hochauflösende mikro- und nanoanalytische Messverfahren. Schichteigenschaften wie die Gefügestruktur und das Tiefenprofil der enthaltenen chemischen Bestandteile erlauben eine Unterscheidung der endbearbeiteten und der im Prüfstand tribologisch belasteten Prüfkörper. Schlüsselwörter Reibung, Verschleiß, Schmierstoff, Grenzschicht, Reaktionsschicht, Zwei-Scheiben-Versuch, Zahnrad Gear transmissions are usually run under mixed friction, i. e. the tooth flanks are not fully separated by oil films. Boundary layers, which develop on the surfaces during manufacturing and operation, can protect tooth flanks from metal-metal contacts. In this paper, the influence of the lubricant on the formation of boundary layers and on the frictional behavior of gear analogy test parts is investigated. The boundary layers are analyzed after manufacturing and after testing by FIB-SEM regarding their structure and by SNMS regarding their chemical composition. Efficiency measurements (friction) are conducted on the two-disk test rig. In this way, correlations between boundary layer and frictional behavior are investigated to establish a more sustainable and economical design of gears. Keywords Friction, Wear, Lubricant, Boundary Layer, Reaction Layer, Two-Disk Test, Gear Kurzfassung Abstract T+S_3_17 03.04.17 15: 13 Seite 63 Aus der Praxis für die Praxis [BREC14, BREC15], um eine Einordnung der Untersuchung in frühere Forschungsergebnisse zu ermöglichen. Als Kühlschmierstoff wird eine Kombination aus einem Hydrocrack-Grundöl und 2 % eines marktüblichen Schwefeladditivs ausgewählt. Das Grundöl weist die Viskositätsklasse ISO VG 8 auf. Das Additiv wird hinsichtlich seiner Schmierfilmbildung als „aktiv“ klassifiziert, sodass auch bei niedrigen Temperaturen und kurzen Kontaktzeiten eine Anlagerung an die Oberfläche und eine Schmierwirkung zu erwarten ist [SCHU10]. Nach dem Schleifprozess wird die Oberflächenrauheit jeweils mittig auf den Kontaktabsätzen von Prüf- und Gegenwelle quer zur Richtung der Schleifriefen gemessen. Die weiteren Prüfbedingungen werden in Anlehnung an die Zahnradmessung gemäß der VDI-Richtlinie 2615 eingestellt. Die Prüfkörper werden einer 100 %-Prüfung unterzogen. Die erzielten Rauheitswerte befinden sich im Bereich um Ra = 0,30 µm (Rz = 2 µm). Die Werte streuen innerhalb der Menge der in diesem Bericht eingesetzten Prüfkörper um ΔRa = ± 0,02 µm (ΔRz = ± 0,1 µm). Für jede Variante wird der Mittelwert gebildet. Um den Einfluss Grenzschicht auf das Einsatzverhalten bei konstanten Beanspruchungsbedingungen isoliert zu betrachten, werden Versuche auf dem Zwei-Scheiben- Prüfstand durchgeführt. Die Prüfkörper werden zahnradnahen Belastungen und Drehzahlen ausgesetzt. Die Schmierung erfolgt standardmäßig durch Umlaufschmierung. Das Additivpaket des Schmierstoffs ist Gegenstand der Variation. Die Versuche werden unter Mischreibung durchgeführt, um die Einsatzbedingungen von Leistungsgetrieben abzubilden. Allen Versuchen geht eine konstante Einlaufprozedur bei reduzierter Beanspruchung voraus, um die Einflüsse der anfänglich hohen Einglättung des Rauheitsprofils zu minimieren und einen stationären Betriebszustand zu gewährleisten. Zur Untersuchung der Grenzschichtentwicklung infolge der Betriebsbelastung werden ermüdungskritische Betriebsbedingungen gewählt, d. h. ein negativer Schlupf und eine hohe Kontaktpressung. Durch eine ballig ausgeführte Gegenwelle wird ein Punktkontakt eingestellt, um die Beanspruchung zu konzentrieren und Beanspruchungsüberhöhungen an den Laufbahnrändern zu vermeiden. Zusätzlich werden Versuche zur Ermittlung des Reibkoeffizienten durchgeführt. Die Versuche werden auf einem Zwei-Scheiben-Prüfstand mit erweiterter Messtechnik zur Bestimmung der Reibkraft durchgeführt. Für die Reibkraftversuche wird mittels einer zylindrischen Laufbahn auf der Gegenwelle ein Linienkontakt eingestellt, um eine eindeutige Bestimmung der Kontaktfläche und somit des Reibkoeffizienten sicherzustellen. 3 Veränderung der Grenzschicht bei tribologischer Belastung Um die Wirkmechanismen der Grenzschichtbildung näher zu betrachten, werden nach dem Schleifprozess und nach der Beanspruchung im Zwei-Scheiben-Prüfstand nanoanalytische Untersuchungen an den Bauteilgrenzschichten durchgeführt. Zum Messumfang gehören eine Betrachtung der Oberfläche und der Gefügestruktur mittels Rasterelektronenmikroskopie (FIB-REM) sowie eine Untersuchung der chemischen Zusammensetzung mithilfe der Sekundärneutralteilchen-Massenspektrometrie (SNMS). Vor der Messung werden die Prüfkörper mit Hexan und Isopropanol gereinigt, um Verunreinigungen und Ölfilme zu entfernen. Oberflächenbeschaffenheit und Gefügestruktur Bild 2 zeigt die Aufnahmen des Oberflächen- und Gefügezustands nach der Endbearbeitung durch Außenrund- 64 Tribologie + Schmierungstechnik 64. Jahrgang 3/ 2017 Seite 1 © WZL/ Fraunhofer IPT Hartfeinbearbeitung der Prüfkörper Prüfwelle Gegenwelle n Schleifscheibe 53A 120 L 15 V PMF Edelkorund weiß (53A) Körnung fein (120) Mittelhart (L) Gefügestruktur offen (15) keramische Bindung (V) Maschine Studer S12 Außenrundschleifen Prüfkörper n Prüfkörper 16MnCr5, einsatzgehärtet Härte = 58 HRC EHT 550V = 1,0 mm d = 42 mm b = 18 mm n Schleifparameter v c = 50 m/ s n w = 200 min -1 v f = 0,05 mm/ s Q‘ w = 6,6 mm³/ mm∙s n Kühlschmierstoff Hydrocracköl +2% Schwefel Studer AG Seite 1 © WZL/ Fraunhofer IPT Hartfeinbearbeitung der Prüfkörper Prüfwelle Gegenwelle n Schleifscheibe 53A 120 L 15 V PMF Edelkorund weiß (53A) Körnung fein (120) Mittelhart (L) Gefügestruktur offen (15) keramische Bindung (V) Maschine Studer S12 Außenrundschleifen Prüfkörper n Prüfkörper 16MnCr5, einsatzgehärtet Härte = 58 HRC EHT 550V = 1,0 mm d = 42 mm b = 18 mm n Schleifparameter v c = 50 m/ s n w = 200 min -1 v f = 0,05 mm/ s Q‘ w = 6,6 mm³/ mm∙s n Kühlschmierstoff Hydrocracköl +2% Schwefel Studer AG Seite 1 © WZL/ Fraunhofer IPT Hartfeinbearbeitung der Prüfkörper Prüfwelle Gegenwelle n Schleifscheibe 53A 120 L 15 V PMF Edelkorund weiß (53A) Körnung fein (120) Mittelhart (L) Gefügestruktur offen (15) keramische Bindung (V) Maschine Studer S12 Außenrundschleifen Prüfkörper n Prüfkörper 16MnCr5, einsatzgehärtet Härte = 58 HRC EHT 550V = 1,0 mm d = 42 mm b = 18 mm n Schleifparameter v c = 50 m/ s n w = 200 min -1 v f = 0,05 mm/ s Q‘ w = 6,6 mm³/ mm∙s n Kühlschmierstoff Hydrocracköl +2% Schwefel Studer AG Bild 1: Endbearbeitung der Prüfkörper T+S_3_17 03.04.17 15: 13 Seite 64 Aus der Praxis für die Praxis schleifen. In der Ansicht der Prüfkörperoberfläche sind in Umfangsrichtung orientierte Schleifriefen zu sehen. Ferner zeichnen sich Materialaufwerfungen des Schleifprozesses zwischen den Riefen ab. Dieses Erscheinungsbild entspricht der typischen Mikrotopographie einer außenrundgeschliffenen Oberfläche. Mittels FIB-Technik (Focused Ion Beam) wird keilförmig Material aus der Oberfläche geschnitten, sodass bei einer schrägwinkeligen Betrachtung eine Ansicht des Aufbaus der Grenzschicht ermöglicht wird. In den Grenzschichtaufnahmen ist unterhalb des verfahrensbedingten FIB-Schutzstreifens eine ca. 300 nm dicke, feinkörnige Schicht zu erkennen. Dabei handelt es sich um eine Tribomutationsschicht, die vorwiegend aus der mechanisch-thermischen Einwirkung auf den Werkstoff während des Schleifprozesses resultiert [BREC15, BERL10]. Unterhalb dieser feinkörnigen Schicht schließt sich das Grundmaterial an, das eine wesentlich gröbere Gefügestruktur aufweist. Im nächsten Schritt wird ein Prüfkörper im Zwei-Scheiben-Wälzfestigkeitsprüfstand unter zahnradnahen Bedingungen belastet und erneut hinsichtlich seines Grenzschichtzustands analysiert. Maßgeblich für die Oberflächenbeanspruchung des betrachteten Prüfkörpers sind die Drehzahl n = 3000 rpm, der Schlupf s = -28 % und die Kontaktpressung p = 2500 MPa. Die Lastwechselzahl beträgt LW = 1.080.000. Dem Prüflauf geht eine Einlaufprozedur unter reduzierter Pressung von p = 1100 MPa von LW = 180.000 voraus, welche aus der Richtlinie zum Pittingtest für die Tragfähigkeitsermittlung von Getriebeölen abgeleitet wurde [HÖHN10]. Während des Einlaufs und Prüflaufs wird der Zwei- Scheiben-Kontakt durch ein marktübliches Getriebeöl der Viskositätsklasse VG 68 und der Klassifizierung CLP geschmiert. Das Öl enthält Additive zur Verbesserung seiner Alterungsbeständigkeit sowie des Reibungs- und Verschleißverhaltens und wird über Einspritzschmierung bei T = 90 °C in den Scheibenkontakt gegeben. Der Ölvolumenstrom beträgt Q = 2 l/ min. Die Analyse der Prüfkörperoberfläche und grenzschicht wird am Rand der im Versuch entstehenden Verschleißspur vorgenommen. Insbesondere die Analyse dieses Bereichs liefert Erkenntnisse über die Wirkmechanismen bei der Grenzschichtbildung, da die Oberfläche im Übergangsbereich noch nicht vollständig zerklüftet ist, sich aber dennoch im Wandel infolge der Betriebsbelastung befindet. Bild 3 zeigt den Oberflächenzustand. Analog zu bestehenden Untersuchungen bzgl. der Abnahme der Rauheitskennwerte [BREC16, LOEP15, STAH15] ist die Oberflächeneinglättung auch in der REM-Aufnahme erkennbar. Die in Umfangsrichtung verlaufenden Schleifriefen sind deutlich schwächer ausgeprägt als im Neuzustand der Probe. Demgegenüber treten vereinzelte Furchen hervor, die ebenfalls in Umfangsrichtung verlaufen, d. h. in Richtung der Reibkraft im Zwei-Scheiben-Versuchs. Ursächlich für diese Risse können Abrasionsprozesse durch den Gegenkörper oder durch Verschleißpartikel sein. Ferner ist die Oberfläche durch zahlreiche Materialausbrüche im µm-Bereich gekennzeichnet, welche sich dem Verschleißbild der Graufleckigkeit zuordnen lassen. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal der belasteten Oberfläche gegenüber dem Neuzustand ist die Bedeckung mit einer dunklen Schicht. Die REM-Aufnahmen zeigen, dass die Schichtdicke lokal unterschiedlich ausgeprägt ist. Insbesondere im Bereich von Riefen und Materialausbrüchen ist die dunkle Schicht abgetragen. Bei Betrachtung der Belastungsrichtung durch die wirkende Reibkraft fällt auf, dass der Schichtabtrag stets schattenförmig hinter den Ausbrüchen liegt. Zur weiteren Analyse wird mittels FIB-REM der Probenquerschnitt betrachtet. Um auch die Graufleckigkeit Tribologie + Schmierungstechnik 64. Jahrgang 3/ 2017 65 Seite 2 © WZL/ Fraunhofer IPT 5 µm Oberfläche und Gefügestruktur nach dem Schleifen (FIB-REM, NMI Tübingen) n Schleifstruktur in Umfangsrichtung n Materialaufwerfungen durch den Schleifprozess 1 µm n feinkörnige Gefügeschicht an der Oberfläche bis in ca. 300 nm Tiefe n grobkörniges Grundgefüge FIB-REM Schutzstreifen Feinkörnige Schicht Oberfläche Gefüge Schleif- und Umfangsrichtung Bild 2: Oberflächenbeschaffenheit und Gefügestruktur nach dem Schleifen (FIB-REM, NMI Tübingen) T+S_3_17 03.04.17 15: 13 Seite 65 Aus der Praxis für die Praxis mit in die Betrachtung einzubeziehen, erfolgt der Schnitt an einer Rissflanke. Die Querschnittsaufnahme zeigt, dass sich das Rissnetzwerk bis in 5 µm Tiefe erstreckt und ca. 30° zur Oberfläche geneigt ist. Diese Beobachtung lässt sich in bestehende Forschungsergebnisse zur Rissentwicklung an einsatzgehärteten Zahnrädern einordnen [OILA05]. Darüber hinaus stimmt die Rissneigung mit der Ausrichtung des durch Tribomutation im Betrieb veränderten oberflächennahen feinkörnigen Gefüges überein. Dies ist ein Hinweis darauf, dass der Riss von der Oberfläche ausgeht und durch den gleichen Spannungszustand hervorgerufen wurde, der auch für die Kornfeinung und Gefügeorientierung verantwortlich ist [BUGI09]. Ferner lässt sich auch das Risswachstum entgegen der auf die Oberfläche wirkenden Reibkraft in den Stand der Technik einordnen [BUGI09]. Am Ort des Risseintritts in die Oberfläche zeichnet sich eine Stufe ab, sodass von einer erhöhten Kerbwirkung und Folgeschädigungen durch den Riss auszugehen ist. Im Gegensatz zur Gefügestruktur des Neuzustands weist die Probe nach dem Prüfstandsversuch eine deutlich weitreichendere Kornfeinung auf. Darüber hinaus ist der Übergang zwischen feinkörnigem und grobkörnigem Gefüge nach Betriebsbelastung weniger scharf ausgeprägt als nach der Fertigung. Beide Beobachtungen deuten darauf hin, dass die mechanisch-thermische Beanspruchung im Bauteilbetrieb in Tiefenrichtung eine stärkere Gefügebeeinflussung erzielt als die Beanspruchung durch den Fertigungsprozess. Dieser Effekt wird in der Literatur insbesondere auf die erhöhte Einwirkdauer der Prozesse der Kornscherung und des mechanischen Mischens zurückgeführt, die bei ausreichend hohen wirksamen Schubspannungen zu einer Kornfeinung und Kornscherung im oberflächennahen Material führen [BUES05, REIC11]. Weiterhin erlaubt die Querschnittsaufnahme eine Dickenbestimmung der dunklen Schicht auf der Prüfkörperoberfläche. Die Schichtdicke liegt bei ca. 150 nm vor der Rissstufe und bei 0 nm hinter der Rissstufe (Schichtabtrag). In der Detailaufnahme sind außerdem Poren innerhalb der dunklen Schicht zu erkennen, was darauf hindeutet, dass sich die dunkle Schicht nicht nur in ihrer Zusammensetzung, sondern auch in ihrer Gefügestruktur von der ursprünglichen Oberfläche unterscheidet. Aufgrund des lokalen Schichtabtrags ist davon auszugehen, dass entweder die Bindung der dunklen Schicht zur Metalloberfläche oder die dunkle Schicht selbst eine geringere Festigkeit als der Grundwerkstoff besitzt. Chemische Zusammensetzung Mithilfe des Verfahrens der Sekundärneutralteilchen- Massenspektrometrie (SNMS) wird auf einer ca. 5 mm großen Messfläche mittig über der Verschleißspur die chemische Zusammensetzung der Probenoberfläche und das Tiefenprofil der chemischen Elemente bestimmt. Es wird zunächst das Elementenspektrum an der Prüfkörperoberfläche aufgenommen, siehe Bild 4. Gegenüber der chemischen Zusammensetzung des Grundmaterials aus gehärtetem 16MnCr5 weist das oberflächennahe Gefüge aller drei untersuchten Prüfkörper erhöhte Gehalte an Elementen aus dem Schmierstoff und Kühlschmierstoff (C, S, P), der Umgebungsluft (O, OH) sowie ihrer Adsorptions- oder Reaktionsprodukte auf (FeO, PO) [SCHU10]. Bereits für die geschliffene Variante können auf der Bauteiloberfläche reduzierte Massenanteile an Eisen (Fe) und erhöhte Massenanteile von Kohlenstoff (C), Schwefel (S), Sauerstoff (O) und Silizium (Si) nachgewiesen werden. Während Kohlenstoff und Schwefel aus den Kühlschmierstoffmolekülen (Kohlenwasserstoffketten 66 Tribologie + Schmierungstechnik 64. Jahrgang 3/ 2017 Seite 3 © WZL/ Fraunhofer IPT Oberfläche und Gefügestruktur nach dem Prüfstandsversuch (FIB- REM, NMI Tübingen) n viele kleine Ausbrüche (Graufleckigkeit) n dunkle Schicht auf der Oberfläche n Abtrag der dunklen Schicht schattenförmig hinter Rissen und Ausbrüchen 100 µm Gefüge Oberfläche F R n Rissnetzwerk bis in 5 µm Tiefe, ca. 30° geneigt n weitreichende Kornfeinung des Gefüges n ca. 150 nm dicke, dunkle Schicht n Stufe und Schichtabtrag am Rissstartpunkt 1 µm dunkle Schicht ca. 150 nm Risstiefe 5 µm Stufe FIB-Schutzstreifen Gefügeorientierung Bild 3: Zustand nach dem Prüfstandsversuch (FIB-REM, NMI Tübingen) T+S_3_17 03.04.17 15: 13 Seite 66 Aus der Praxis für die Praxis und Schwefeladditiv) stammen können, weist der angelagerte Sauerstoff auf Adsorption oder chemische Reaktionen mit der Umgebung hin [SCHU10]. Die Bildung von Oxidschichten auf Metallen wird durch den thermischen Energieeintrag während des Schleifprozesses begünstigt [BRIN00]. Die oberflächennahe chemische Zusammensetzungen der im Prüfstand belasteten Prüfkörper zeichnen sich durch einen noch weiter reduzierten Eisengehalt und durch erhöhte Kohlenstoff- und Phosphorgehalte aus. Da die Proben im Prüfstand mit einem additivierten Getriebeöl geschmiert wurden, liegt die Vermutung nahe, dass Kohlenstoff und Phosphor zentrale chemische Bestandteile der eingesetzten Additivierung sind. Ferner gibt das Signal des detektierten Sauerstoffs einen Hinweis darauf, dass das Phosphoradditiv seine Wirkung in Form einer Reaktionsschicht (P, PO) erzielt, während die Anhäufung von Kohlenstoff im Einlauf bereits ohne wesentliche Begleitelemente und ohne erhöhte tribologische Belastungen auskommt, möglicherweise bedingt durch den Mechanismus der Adsorption. Zur weiteren Klärung der Schichtentstehung wird die Oberfläche schichtweise mittels Ionenstrahlätzen abgesputtert und sukzessive die chemische Zusammensetzung aufgezeichnet. Die Entwicklung der chemischen Tiefenprofile der Elemente Kohlenstoff, Sauerstoff und Phosphor macht deutlich, wie sich die Dicke und die Bindungsmechanismen der äußeren Grenzschicht über den Bauteillebenszyklus aus Fertigung , Einlauf und Betrieb entwickeln, siehe Bild 5. Um die Grenzschichtbil- Tribologie + Schmierungstechnik 64. Jahrgang 3/ 2017 67 Seite 4 © WZL/ Fraunhofer IPT Chemische Oberflächenanalyse (NMI Tübingen, SNMS) n Werkstoff: 16MnCr5 einsatzgehärtet n Umgebungseinfluss n Vorwiegend aus KSS (Hydrocracköl, 2% Schwefeladditiv) n Vorwiegend aus Prüfstandsöl CLP VG 68 mit Additivpaket n Messtiefe: 0-2 nm n Messunsicherheit: Gew.-% rel. Fehler 20-100 2% 5-20 10% 0,5-5 20% Schleifen Einlauf (180.000 LS) Prüflauf (1.080.00 LS) Element Gew.-% Gew.-% Gew.-% Fe 84,5% 28,0% 18,8% Mn 2,0% 2,1% 1,6% Cr 0,9% 2,0% 1,7% FeO 2,3% 1,2% 0,6% O 3,8% 3,8% 5,5% S 1,5% 1,4% 1,4% C 1,4% 42,1% 11,6% P 0,1% 7,4% 34,4% PO 0,0% 1,6% 8,7% Ca 0,0% 5,2% 10,8% Mg 0,3% 0,9% 1,6% B 0,0% 0,2% 0,9% Na 0,0% 1,0% 0,4% Si 0,6% 2,5% 1,9% Bild 4: Chemische Oberflächenanalyse (SNMS, NMI Tübingen) Bild 5: Tiefenprofil chemischer Elemente nach Beanspruchung (SNMS, NMI Tübingen) Seite 5 © WZL/ Fraunhofer IPT Tiefe [nm] Gew.-% 25 50 75 100 10 20 30 0 P C O 0 Tiefenprofil chemischer Elemente nach Beanspruchung (SNMS, NMI Tübingen) Tiefe [nm] Gew.-% 25 50 75 100 10 20 30 0 0 Prüflauf Einlauf Fertigung Tiefe [nm] Gew.-% 25 50 75 100 10 20 30 0 P C O 0 P C O n äußerste 5 nm weichen vom Grundmaterial ab n geringer Gehalt an Fremdelementen n 18.000 Lastspiele n äußerste 50 nm zeigen erhöhte Gehalte an Fremdelementen (C, P, O) n maximaler Gehalt an Kohlenstoff n 1.080.000 Lastspiele n äußerste 100 nm zeigen erhöhte Gehalte an Fremdelementen (C, P, O) n maximaler Gehalt an Phosphor T+S_3_17 03.04.17 15: 13 Seite 67 Aus der Praxis für die Praxis dung zu Betriebsbeginn herauszustellen, wird die mit Einlauflast beanspruchte Probe bereits nach 18.000 Lastzyklen entnommen. Die nach dem Schleifprozess erhöhten Gehalte an Kohlenstoff und Sauerstoff betreffen vornehmlich die äußersten 5 nm der Probenoberfläche. Vor dem Hintergrund, dass die durchschnittliche Länge eines Schmierstoffmoleküls im Bereich von ca. 3 nm liegt [SCHU10] und dass die Kontaktzeiten und Temperaturen im Außenrundschleifprozess vergleichsweise kurz sind, liegt die Vermutung nahe, dass es sich nicht um reaktive, sondern um adsorptive Anlagerungen aus dem Kühlschmierstoff (KSS) handelt. Auch der detektierte Bindungszustand nach dem Schleifen (FeO) deutet darauf hin, dass der Sauerstoff nicht mit dem KSS, sondern mit der Metalloberfläche gebunden ist. Da alle untersuchten Prüfkörper vor der Messung in Hexan und Isopropanol gereinigt und im Vakuum analysiert werden, sind die beobachteten Bindungsmechanismen, Adsorption und Reaktion, als vergleichsweise beständig einzuschätzen. Bei den durch den Einlauf und den Prüflauf belasteten Proben liegen deutlich größere Eindringtiefen der Fremdelemente in die Bauteiloberfläche vor. Der nach dem Einlauf dominierende Gehalt an Kohlenstoff weist bis in 50 nm Tiefe eine Überhöhung auf; die Gehalte an Phosphor und Sauerstoff sind 15 nm weit in die Probenoberfläche hineingetragen. Bei der durch den Prüflauf belasteten Probe kehren sich die Verhältnisse zugunsten eines dominierenden Phosphorgehalts um. Ferner reichen die detektierten Überhöhungen bis in Materialtiefen von mehr als 100 nm. Insbesondere die Größenordnung des Phosphoreintrags korreliert mit der mittels FIB-REM festgestellten dunklen Gefügeschicht an der Prüfkörperoberfläche. Es ist wahrscheinlich, dass es sich bei der dunklen Schicht um eine Reaktionsschicht aus Phosphaten und Oxiden handelt, die mit zunehmender Betriebsdauer in ihrer Schichtdicke anwächst. Diese Beobachtung deckt sich mit vergleichbaren Betrachtungen an Wälzlagern [REIC11]. Insbesondere der hohe Phosphorgehalt ist den Reibungs- und Verschleißschutzadditiven des Industriegetriebeöls zuzuschreiben [BART10, BUGI09]. 4 Einfluss des Schmiermittels auf das Einsatzverhalten Zur Untersuchung der Wirkungsmechanismen der Getriebeölschmierung und ihrem Einfluss auf die äußere Grenzschicht wird eine Variation der Additivierung des Schmiermittels für den Prüfstandsversuch vorgenommen, Bild 6. Da die Schmierstoffadditive den zentralen Gegenstand der Variation darstellen, werden alle drei Versuchsöle aus der gleichen Viskositätsklasse von VG 68 gewählt. Bei dem additivierten Mineralöl, welches auch in den Versuchen zur Grenzschichtanalyse eingesetzt wird, handelt es sich um ein marktübliches Produkt mit CLP- Klassifizierung. Dementsprechend ist das Öl zur Umlaufschmierung geeignet und enthält ein Additivpaket, welches die Alterungsbeständigkeit, sowie das Reibungs- und Verschleißverhalten optimiert. Demgegenüber weisen die anderen beiden Versuchsöle keine Additive auf. Bei dem unadditivierten Mineralöl handelt es sich um das Grundöl des Industrie-Getriebeöls. Es enthält dennoch einen Restgehalt an Schwefel, der durch die Raffination prozessbedingt nicht entfernt wird und von dem keine reibungs- oder verschleißmindernde Wirkung zu erwarten ist. Das Mineralöl entspricht damit weitgehend dem FVA-Referenzöl Nr. 3 [FVA85] mit Ausnahme der reduzierten Viskosität von VG 68. Um den reinen Viskositätseinfluss eines gänzlich additivfreien Öls auf den 68 Tribologie + Schmierungstechnik 64. Jahrgang 3/ 2017 Weißöl Mineralöl unadditiviert Mineralöl additiviert Viskositätsklasse VG 68 Industriegetriebeöl DIN-Klassifizierung: CLP - Umlaufschmieröl (C) - Additive gegen Korrosion und Alterung (L) - Additive für Reibungs- und Verschleißschutz (P) Viskositätsklasse VG 68 Grundöl des Industrie- Getriebeöls (ähnlich FVA3) Aromatengehalt 7% Rest-Schwefel 0,4 - 0,7% Viskositätsklasse VG 68 Medizinisches Weißöl nach deut. Arzneibuch (DAB 10) Hoher Raffinationsgrad Frei von Aromaten und Schwefel Bild 6: Übersicht der eingesetzten Schmiermittel T+S_3_17 03.04.17 15: 13 Seite 68 Aus der Praxis für die Praxis Wälzkontakt zu untersuchen, wird als drittes Versuchsöl ein Weißöl eingesetzt. Das Weißöl ist frei von Aromaten und Schwefelrückständen und wird üblicherweise im medizinischen und pharmazeutischen Bereich eingesetzt. Es wird spezifiziert durch das deutsche Arzneibuch 10 [HART91] und weist ebenfalls die Viskositätsklasse VG 68 auf. Zur Untersuchung des resultierenden Reibungs- und Verschleißverhaltens werden mit allen drei Getriebeölen je zwei Versuche auf dem Zwei-Scheiben-Reibkrafttribometer durchgeführt. Durch Einstellung eines positiven Schlupfs von s = 60 % wird für den Scheibenkontakt die tribologische Beanspruchung nachgestellt, die im reibungs- und fresskritischen Bereich einer belasteten Zahnflanke vorliegt. Für jeden Versuch wird zunächst ein Einlauf bei der Kontaktpressung von p = 800 MPa durchgeführt und der Reibkoeffizient über der Versuchszeit aufgezeichnet. Nach dem Einlauf wird die Pressung auf p = 1200 MPa erhöht und einmalig erneut der Reibkoeffizient bestimmt. Bild 7 zeigt für alle drei Versuchsöle die gemittelten Reibkoeffizienten in Abhängigkeit der Versuchszeit und der Kontaktpressung. Die drei Öle unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich der Höhe des sich im Versuch einstellenden Reibkoeffizienten, sondern auch im zeitlichen Verlauf des Reibkoeffizienten. Während der Reibkoeffizient bei Schmierung mit dem additivierten Industriegetriebeöl stetig über die Einlaufdauer abnimmt, fällt sein Wert bei Verwendung der beiden unadditivierten Öle bereits am ersten Messpunkt sprunghaft auf ein niedriges Niveau und verweilt in diesem Bereich bis zum Einlaufende. Hinsichtlich der Höhe des Reibkoeffizienten liegen die unadditivierten Öle tiefer als das Industriegetriebeöl. Insbesondere der Einsatz von Weißöl führt zu einem um 7 % reduzierten Reibkoeffizienten gegenüber dem Industriegetriebeöl. Der unterschiedliche zeitliche Verlauf des Reibkoeffizienten lässt jedoch vermuten, dass sich die Oberflächen- und Schmierungszustände der drei Versuchsvarianten ebenfalls voneinander unterscheiden. Die Erhöhung der Kontaktpressung führt für die beiden Mineralölvarianten zu einem Abfall der Reibung. Dieser Zusammenhang kann anhand des Druck-Viskositäts-Verhaltens des Schmierstoffs bei höheren Pressungen erklärt werden, woraus eine verbesserte Oberflächentrennung und ein somit geringerer Festkörperreibanteil resultiert [LOEP15]. Bei Schmierung durch das medizinische Weißöl kommt es hingegen spontan zu einem Fressschaden. Eine mögliche Erklärung liegt darin, dass durch den hohen Raffinationsgrad des Weißöls trotz gleicher Viskositätsklasse die Schmierfähigkeit herabgesetzt wird, da weder Additive, noch schmierfähigere, ungesättigte Molekülgruppen wie z. B. Aromate im Öl zurückbleiben [BART10]. Diese Beobachtung verdeutlicht, dass das Reibungsverhalten und die Fresstragfähigkeit und somit der Oberflächenzustand unabhängig voneinander zu untersuchen sind. Der niedrige Wert des Reibkoeffizienten korreliert mit Rauheitsmessungen, die nach dem Versuch über der Laufspur durchgeführt wurden. Für alle drei Öle zeigt sich eine Abnahme des arithmetischen Mittenrauwerts Ra über der Laufzeit. Während die Abnahme des Ra- Wertes nach Einsatz des Industriegetriebeöls 17 % des Ausgangswertes beträgt, liegt sie für das unadditivierte Mineralöl bei 57 % und für das Weißöl bei 67 %. Eine mögliche Erklärung für diese Beobachtung liegt darin, dass es bei Einsatz der unadditivierten Öle nicht nur zu der im Einlauf üblichen Einglättung des Rauheitsprofils kommt [BREC16, LOEP15], sondern thermisch und chemisch bedingt zu einer höheren Materialbeanspruchung. Dass eine erhöhte Materialbeanspruchung während des Tribologie + Schmierungstechnik 64. Jahrgang 3/ 2017 69 Bild 7: Einsatzverhalten nach Getriebeöladditivierung Seite 7 © WZL/ Fraunhofer IPT Reibkoeffizient nach Getriebeöladditivierung Einsatzverhalten nach Getriebeöladditivierung n Reibkraftmessung n 1 = 2445 rpm s = +60 % T Öl = 60°C Q Öl = 2 l/ min N tests = 2 Viskosität: ISO VG 68 n Prüfkörper d = 42 mm b Steg = 3,8 mm R a = 0,3 µm Mineralöl additiviert Mineralöl unadditiviert Weißöl 0,05 0,08 0,07 0,06 Fressschaden p H = 800 MPa p H =1200 MPa Reibkoeffizient µ Laufzeit [·10 4 LS] 0,06 0,09 0,08 0,07 0 4 12 16 p H = 800 MPa Mineralöl additiviert Mineralöl unadditiviert Weißöl Seite 7 © WZL/ Fraunhofer IPT Reibkoeffizient nach Getriebeöladditivierung Einsatzverhalten nach Getriebeöladditivierung n Reibkraftmessung n 1 = 2445 rpm s = +60 % T Öl = 60°C Q Öl = 2 l/ min N tests = 2 Viskosität: ISO VG 68 n Prüfkörper d = 42 mm b Steg = 3,8 mm R a = 0,3 µm Mineralöl additiviert Mineralöl unadditiviert Weißöl 0,05 0,08 0,07 0,06 Fressschaden p H = 800 MPa p H =1200 MPa Reibkoeffizient µ Laufzeit [·10 4 LS] 0,06 0,09 0,08 0,07 0 4 12 16 p H = 800 MPa Mineralöl additiviert Mineralöl unadditiviert Weißöl T+S_3_17 03.04.17 15: 13 Seite 69 Aus der Praxis für die Praxis Einlaufprozesses zu einem besseren Einsatzverhalten im späteren Bauteilbetrieb führen kann, wurde bereits anhand von Zeitfestigkeitsversuchen [BREC13] und Reibkraftmessungen [STAH15] gezeigt. Das Auftreten des Fressschadens für die Weißölvariante zeigt jedoch, dass der Effekt der Reibungsminderung nicht als alleiniges Qualitätskriterium zur Schmierstoffauswahl genügt. Ein Kompromiss zur Erzielung einer Reibungsminderung im Einlauf bei gleichzeitiger Erhaltung der Tragfähigkeit im Betrieb wäre eine Trennung von Einlauf- und Betriebsöl oder eine Zugabe der Verschleißschutzadditive, die erst nach dem Einlauf erfolgt. 5 Zusammenfassung Gegenstand dieser Arbeit ist es, die Veränderungen der Bauteilgrenzschicht unter tribologischer Belastung zu untersuchen. Die Untersuchung umfasst Grenzschichtanalysen über dem Bauteillebenszyklus aus Fertigung, Einlauf und Betrieb und Prüfstandsversuche unter Variation der tribologischen Beanspruchung und des Schmiermediums. Die Prüfkörper und Versuchsbedingungen (Zwei-Scheiben-Versuch) werden in enger Analogie zum Zahnrad eingestellt. Die Oberflächenanalyse zeigt, dass die Bauteilgrenzschicht durch die Prozessschritte der Fertigung, des Einlaufs und des Betriebs wesentlich verändert wird. Die Veränderungen betreffen die Oberflächenbeschaffenheit, die Gefügestruktur und die chemische Zusammensetzung der Oberfläche und des Tiefenprofils. Die Veränderungen können anhand des tribologischen Belastungskollektivs und anhand der Wirkungsmechanismen des Schmierstoffs und Kühlschmierstoffs erklärt werden. Zur weiteren Untersuchung des Schmiermitteleinflusses auf das Einsatzverhalten wird eine Variation der Getriebeöladditivierung durchgeführt. Messungen des Reibkoeffizienten im Zwei-Scheiben-Kontakt sowie des Mittenrauwerts nach dem Prüfstandsversuch zeigen eine Reibungsminderung und Oberflächeneinglättung bei Einsatz unadditivierter Schmierstoffe. Dennoch wird aus den Versuchsergebnissen ersichtlich, dass zur Beurteilung der Schmierfähigkeit von Getriebeölen die Reibung nicht unabhängig von Oberflächenveränderungen und Schadensmechanismen wie z. B. dem Fressen zu betrachten ist. Danksagung Die Autoren danken der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) [BR2905/ 44-2] für die Bereitstellung der finanziellen Mittel zur Durchführung des den vorgestellten Ergebnissen zugrunde liegenden Forschungsprojekts. Literatur [BART10] Bartz, W.J.: Einführung in die Tribologie und Schmierungstechnik. Tribologie - Schmierstoffe - Anwendungen. Expert Verlag, Renningen, 2010 [BERL10] Berlet, P.; Dienwebel, M.; Scherge, M.: The effect of sample finishing on the tribology of metal/ metal lubricated contacts. In: Wear 268 (2010), S.1518- 1523 [BREC16] Brecher, C.; Renkens, D.; Löpenhaus, C.: Method for Calculating Normal Pressure Distribution of High Resolution and Large Contact Area. 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