eJournals Tribologie und Schmierungstechnik 64/5

Tribologie und Schmierungstechnik
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0724-3472
2941-0908
expert verlag Tübingen
1001
2017
645 Jungk

Methode zur Ermittlung der anwendungsspezifischen Leistungsgrenze trockenlaufender Friktionspaarungen

1001
2017
Albert Albers
Sascha Ott
Michael Basiewicz
Nina Schepanski
Das Streben nach immer grenzwertigerer Auslegung sowie der Steigerung der bauraum- und massenspezifischen Leistungsdichte führt zu permanent steigenden Anforderungen an die Reib- und Verschleiß -e igenschaften der Friktionspaarungen. Durch dieg leichzeitige Zunahme der thermischen und mecha-n ischen Beanspruchung rückt die Untersuchung derL eistungsgrenze immer mehr in den Fokus, da zurE rfüllung der steigenden Anforderungen die zulässigeB eanspruchbarkeit der Friktionspaarung ausgenutztw erden muss. Dieser Beitrag beinhaltet die Beschreibung der Methode zur Ermittlung der Leistungsgrenze trockenlaufender Friktionspaarungen am Beispiel organischer Reibbeläge. Neben der Versuchsumgebung, wird die Versuchsplanung, -durchführung und die Auswertung der experimentellen Untersuchungen zur Identifizierung der Leistungsgrenze beschrieben.
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6 Tribologie + Schmierungstechnik 64. Jahrgang 5/ 2017 den Ursprungseigenschaften erreicht oder überschritten wird“ [6]. Diese Definition bedingt dabei eine genaue Festlegung der Ursprungseigenschaften und der zulässigen bzw. unzulässigen Abweichungen, die nach Bröde durch die Anwendung definiert werden müssen. Veröffentlichte Untersuchungen bezüglich der Leistungsgrenze von trockenlaufenden Friktionspaarungen gibt es nur wenige. Gauger [5] untersuchte organische Reibbeläge zur Ermittlung von Kennwerten, um die thermische Beanspruchbarkeit zu beurteilen. Gauger [5] definiert die Beanspruchungsgrößen Reibarbeit qA, Reibleistung qA’̇ und Temperatur T als „Grundgrößen der thermischen Belastung“, deren Einfluss auf das tribologische Verhalten durch die Parameter Reibgeschwindigkeit v R , Flächenpressung p, Schalthäufigkeit Sh, Schließzeitverhältnis δ und Massenträgheitsmoment J [5] eingestellt bzw. variiert werden kann. Nach Gauger [5] ist das Erreichen der Leistungsgrenze bei organischen Reibbelägen trockenlaufender Friktionspaarungen durch einen Reibungszahlabfall und Verschleißanstieg gekennzeichnet. Nach Musiol [3] hat die Reibleistung zu Beginn einer Schaltung einen wesentlichen Einfluss auf das Reibverhalten der Paarung, da die thermische Beanspruchung am höchsten ist. Als Ergebnis der Untersuchungen von Gauger wurden die Grenzwerte für Reibleistung und Reibarbeit mit qA’̇ = 4 W/ mm 2 und qA = 1,5 J/ mm 2 und für die Temperatur mit T = 150 °C angegeben. Diese Grenzwerte stellen dabei Richtwerte zur Dimensionierung eines Friktionssystems mit organischen Reibbelägen dar. Die Grenzwerte wurden unter der Annahme definiert, dass bei einer funktionstüchtigen Friktionspaarung von einer mittleren Reibungszahl von μ m = 0,3 und einem Verschleißkoeffizienten k von 0,1 cm 3 / kWh auszugehen ist. Die Grenzwerte gelten jedoch nur, wenn die anderen Größen deutlich unter ihren Grenzwerten liegen. Die komplexen Vorgänge und die Abhängigkeit des Reib- und Verschleißverhaltens von der Friktionspaarung, dem Beanspruchungskollektiv und der Beanspruchungshistorie sind nur wenig verstanden und untersucht. Das Zusammenwirken von Reibarbeit, Reibleistung und Temperatur, sowie der Einfluss auf das tribologische Verhalten sind sehr komplex. Hinzu kommen die unterschiedlichen Anforderungen aus der Anwendung an das tribologische Verhalten, die die Leistungsgrenze definieren, sodass eine Definition fester Grenzwerte für verschiedene Reibmaterialien und Anwendungen nicht zielführend ist. Die bisherigen Untersuchungen zeigen die allgemeinen Zusammenhänge zwischen der Beanspruchung und dem tribologischen Verhalten, es fehlt jedoch eine Methode zur sicheren und effizienten Ermittlung und Identifizierung der Leistungsgrenze von trockenlaufenden Friktionssystemen, die für verschiedene Friktionspaarungen und Anwendungen anwendbar ist. Die im Folgenden beschriebene Methode [7] beinhaltet dabei die Schritte bei der Planung und Durchführung der experimentellen Untersuchungen. Das Vorgehen wird durch die zu durchlaufenden und vorgegebenen Schritte, bei Anwendung der Methode, strukturiert. Ausgehend von der Definition der anwendungsspezifischen Leistungsgrenze wird das Vorgehen zur Identifizierung der Leistungsgrenze trockenlaufender Friktionspaarungen beschrieben und exemplarisch bei organischen Reibbelägen angewandt. 2 Definition der anwendungsspezifischen Leistungsgrenze Die anwendungsspezifische Leistungsgrenze einer trockenlaufenden Friktionspaarung definiert die Grenze zwischen zulässigen und unzulässigen Abweichungen des tribologischen Verhaltens für die Anwendung. Die Identifizierung der Leistungsgrenze erfolgt anhand der Beurteilungskriterien Reibungszahl μ, Reibungszahlgradient μ’ und Verschleißkoeffizient k. Wobei die zulässigen Abweichungen des tribologischen Verhaltens bzgl. μ, μ’ und k durch die Anwendung festgelegt und quantifiziert werden. Die Definition basiert auf den Formulierungen von Bröde [6], der bereits anmerkt, dass die Leistungsgrenze einer Friktionspaarung nur in Abhängigkeit von der Anwendung definiert werden kann. Die Anwendung definiert dabei die Anforderungen an das tribologische Verhalten. Im Rahmen der Forschungsarbeit wurde diese Definition konkretisiert und um die dafür relevanten Beurteilungskriterien erweitert. 3 Vorgehen zur Identifizierung der anwendungsspezifischen Leistungsgrenze Die Methode beschreibt das Vorgehen zur Identifizierung der Leistungsgrenze trockenlaufender Friktionspaarungen. Eingesetzt wird die Methode dann, wenn keine Kenntnisse über das Leistungspotenzial und die Leistungsgrenze trockenlaufender Kupplungen oder Bremsen vorliegen bzw. das tribologische Verhalten von Friktionspaarungen charakterisiert werden soll. Für eine Charakterisierung ist zum Start der Untersuchungen der grobe Parameterraum der spezifischen Beanspruchungsparameter Reibarbeit, Reibleistung und Temperatur im Reibkontakt für die Friktionspaarung, aus Datenblättern der Hersteller und aus der Literaturrecherche zu bisherigen Untersuchungen, bekannt. Das tribologische Verhalten wird im Weiteren unter systemnahen Bedingungen hinsichtlich Prüfumgebung und Parameterraum untersucht. Anhand des ermittelten tribologischen Verhaltens kann das Leistungspotenzial ermittelt und die Leistungsgrenze anhand der für eine vorgesehene Anwendung relevanten Beurteilungskriterien identifiziert werden. Das Vorgehen ist in Bild 1 zusammengefasst und wird im Folgenden beschrieben. Aus Wissenschaft und Forschung T+S_5_17 31.07.17 10: 58 Seite 6 Tribologie + Schmierungstechnik 64. Jahrgang 5/ 2017 3.1 Festlegung der Versuchsumgebung Es muss gewährleistet sein, dass die Versuchsumgebung alle Anforderungen zur experimentellen Untersuchung der Friktionspaarung wie z. B. die Betriebsmodi Synchronisation oder Bremsung, Leistungsdaten des Prüfstands, Messtechnik zur Erfassung der relevanten Größen und Topologie erfüllt. Durch die Versuchsumgebung werden somit alle Randbedingungen, die zur Durchführung der experimentellen Untersuchungen notwendig sind, festgelegt und dokumentiert. Im Rahmen der Forschungsarbeit werden die Untersuchungen am institutseigenen Trockenreibprüfstand TRP mit Schwungmassenmodul, wie in Bild 2 dargestellt, durchgeführt. Der Trockenreibprüfstand bildet anwendungsnahe Bedingungen, die im Friktionskontakt wirken, ab. Der Prüfstand verfügt über zwei Elektromotoren, die als Antrieb und Abtrieb fungieren. Somit können neben Bremsungen auch Synchronisationsschaltungen untersucht werden. Der Prüfkopf wird über den Axialkraftsteller geschlossen. Die Torsionswelle bildet mit ihrer Steifigkeit in Kombination mit der Massenträgheit die 1. Eigenfrequenz des Antriebsstrangs, in diesem Fall eines PKWs, ab. Zur Realisierung von Drehzahlen bis 6000 U/ min ist eine Übersetzung über einen Riementrieb implementiert. Die Klimakammer, um den Prüfkopf, dient der Vorgabe konstanter und reproduzierbarer Umgebungsbedingungen. Die Untersuchungen werden im Bremsbetrieb durchgeführt. Bei einer Bremsung beschleunigt der Antriebsmotor die Schwungmassen und den Belagträger mit Belag auf Drehzahl. Die Elektromagnetkupplung wird vor dem Schließen des Prüfkopfes geöffnet, sodass die hochbeschleunigten Schwungmassen und der Belagträger inkl. Belag vom Antriebsmotor entkoppelt werden. Der Prüfkopf wird über den Axialkraftschlitten geschlossen und die Axialkraft aufgebracht. Der Abtrieb des Prüfstands ist mechanisch verblockt, sodass der rotierende Reibbelag gegen die stehende Gegenreibscheibe abgebremst wird. Die Schaltung ist beendet, wenn die Antriebsseite abgebremst und der Prüfkopf über den Axial- 7 Aus Wissenschaft und Forschung Festlegung der Versuchsumgebung Identifizierung der Leistungsgrenze anhand der Beurteilungskriterien Festlegung der Versuchsdurchführung Festlegung des Versuchsablaufs Screening des Parameterraums Ermittlung der Schädigungsgrenze Ermittlung des tribologischen Verhaltens Charakterisierung der Friktionspaarung Bild 1: Vorgehen zur Ermittlung und Identifizierung der Leistungsgrenze Bild 2: CAD-Modell des Trockenreibprüfstands mit Schwungmassenmodul T+S_5_17 31.07.17 10: 58 Seite 7 8 Tribologie + Schmierungstechnik 64. Jahrgang 5/ 2017 kraftschlitten wieder geöffnet ist. Die Messnaben zur Erfassung der Axialkraft und des Drehmoments befinden sich auf der Abtriebsseite. Die nächste Schaltung beginnt entweder temperaturgeregelt, wenn eine bestimmte, zuvor festgelegte Temperatur unterschritten wird oder schaltzeitgeregelt nach einer zuvor festgelegten Pause zwischen den Schaltungen. Zur Erfassung der Temperaturen sind Bohrungen für 16 Thermoelemente radial und zirkular verteilt in der Gegenreibscheibe eingebracht. Um oberflächennah die Temperaturen zu erfassen, werden die Bohrungen bis 0,2 mm unterhalb der Reibfläche des metallischen Reibpartners eingebracht, zur Messung der Massentemperatur der Gegenreibscheiben bis 4 mm unterhalb der Reibfläche. Die Temperatursignale geben dabei nicht nur Informationen über die Temperaturverläufe innerhalb der Schaltungen, sondern liefern auch Informationen zu Vorgängen im Reibkontakt, wie bspw. dem Auf- und Abbau der Reibschicht [5]. Die metallische Gegenreibscheibe ist außen und innen verschraubt, um thermische Verformungen (bspw. Topfungseffekte) zu minimieren. Vor Beginn der Untersuchungen am Prüfstand erfolgt die Integration der Friktionspaarung in die Prüfumgebung. Die organischen Reibbeläge werden als Ringe untersucht. Die Belagringe werden mittels hitzeaktivierbarer Folie auf den Belagträger geklebt. Die Reibbelagsoberfläche wird nach dem Aufkleben abgeschliffen. Dabei werden fertigungsbedingte Toleranzabweichungen (Variation der Dicke des Belags durch Herstellungsprozess und/ oder durch das Verkleben) eliminiert. In Abhängigkeit von den Bedingungen in der Anwendung und des Friktionsbelags kann auch eine Anfederung der Reibmaterialien realisiert werden, wodurch die Belastung homogener über die Reibfläche verteilt wird [8]. 3.2 Festlegung des Versuchsablaufs Ziel der experimentellen Untersuchungen ist zunächst, den Einfluss der Beanspruchungsgrößen Reibarbeit und Reibleistung, sowie die Sensitivitäten der Einflussfaktoren zu ermitteln. Die zu untersuchenden Beanspruchungsgrößen und deren Einflussfaktoren, die im Rahmen der Arbeit untersucht werden, sind in Bild 3 zusammengefasst. In Bild 4 ist der Versuchsablauf der experimentellen Untersuchungen grafisch aufbereitet. Der Einlauf dient der Vorkonditionierung der Friktionspaarung, mit dem Ziel eines konstanten und stabilen Reibungszahlniveaus nach 1000 Schaltungen. Nach dem Einlauf der Friktionspaarungen werden die Laststufen durchfahren. In den Laststufen wird der Einfluss der Beanspruchungsgrößen Reibarbeit, Reibleistung und Temperatur auf das tribologische Verhalten der Friktionspaarung untersucht. Dazu werden die Parameter Axialkraft, Drehzahl und Massenträgheitsmoment variiert. In jeder Laststufe werden 100 Schaltungen bei festgelegten, konstanten Beanspruchungsgrößen gefahren. Nach jeder Laststufe erfolgen eine Sichtprüfung der Friktionspaarung und die Dokumentation der Reibflächen von Belag und Gegenreibscheibe mittels Fotokamera. In den Laststufen wird das tribologische Verhalten ermittelt, auf Basis dessen die Leistungsgrenze anhand der Beurteilungskriterien identifiziert wird. Die Schaltungen beginnen bei gleicher Starttemperatur. Die Referenzstufen werden jeweils nach einer Laststufe gefahren. Durch den Vergleich der Referenzstufen kann eine Aussage darüber getroffen werden, inwieweit sich das tribologische Verhalten durch die vorangegangene Laststufe verändert hat (Einfluss Beanspruchungshistorie) und ob eine temporäre oder dauerhafte Schädigung der Friktionspaarung aufgrund der Laststufe vorliegt. Weiteres Ziel der Referenzstufen ist es, den Einfluss der Beanspruchungshistorie zu reduzieren. In jeder Referenzstufe werden 100 Schaltungen durchlaufen. Bei Schädigung der Reiboberfläche des Belags werden weitere Referenzschaltungen gefahren bis die geschädigte Schicht vollständig abgetragen ist. Vor und nach Einlauf, sowie nach jeweils 100 Referenzschaltungen wird das Gewicht des Reibbelags gemessen und der Verschleißkoeffizient berechnet. Aus Wissenschaft und Forschung Reibleistung Gleitgeschwindigkeit v Gleit Flächenpressung p Reibarbeit Gleitgeschwindigkeit v Gleit Massenträgheitsmoment J Bild 3: Beanspruchungsgrößen und deren Einflussfaktoren Laststufe anschließend Sichtprüfung Einlauf Referenzstufe anschließend Sichtprüfung und Gewichtsmessung Start Versuchsende Nächste Laststufe Bild 4: Versuchsablauf der experimentellen Untersuchungen T+S_5_17 31.07.17 10: 58 Seite 8 Tribologie + Schmierungstechnik 64. Jahrgang 5/ 2017 Die Verschleißmessung erfolgt nach den Referenzstufen, um die geschädigte Reibschicht in der Referenzstufe für die anschließende Verschleißmessung abzutragen. Der Verschleißkoeffizient berechnet sich aus dem Quotienten des gemessenen Gewichtsverlusts und der kumulierten eingetragenen Energie in der gefahrenen Last- und Referenzstufe. Die Referenzstufen werden bei gleichen spezifischen Beanspruchungsgrößen gefahren, damit der relative Vergleich der Verschleißkoeffizienten möglich ist. Dabei müssen die spezifischen Beanspruchungsgrößen in Abhängigkeit der Friktionspaarung so gewählt werden, dass es in der Referenzstufe nicht zu einer thermomechanischen Überlastung kommt. Bei den organischen Reibbelägen liegen die spezifischen Werte der Reibarbeit und -leistung bei 1 J/ mm 2 und 1 W/ mm 2 . Die Flächenpressung sollte dabei nicht größer als 0,3 MPa sein. Die Schaltungen werden temperaturgeregelt bei 80 °C durchgeführt. Zur Vermeidung einer thermischen Überlastung beim Konditionieren in der Referenzstufe, erfolgt zudem die Regelung der Schaltungen über die Schaltzeit mit einer Pausenzeit zwischen den Schaltungen von 20 s. Ausgewertet werden neben dem Verschleiß, die mittlere Reibungszahl der Schaltungen, sowie der Reibungszahlverlauf über der Gleitgeschwindigkeit. Zur Beurteilung des eingelaufenen Zustands der Friktionspaarung werden das Reibungszahlniveau und die Reibungszahlstabilität herangezogen. Ein stabiles Reibungszahlniveau stellt dabei den Indikator für die eingelaufene Friktionspaarung dar. 3.3 Festlegung der Versuchsdurchführung Die Versuchsdurchführung ist in zwei Schritte unterteilt, die im Folgenden beschrieben werden. 3.3.1 Screening des Parameterraums Im ersten Schritt erfolgt das Screening des Parameterraums, um die Schädigungsgrenze der Friktionspaarun- 9 Aus Wissenschaft und Forschung Bild 5: Vorgehen beim Screening des Parameterraums zur Festlegung der Schädigungsgrenze der zu untersuchenden Friktionspaarung gen in Abhängigkeit von den Beanspruchungsgrößen zu ermitteln. Auf Basis der ermittelten Schädigungsgrenze wird der Parameterraum für die nachfolgenden DoE (Design of Experiment) gestützten Untersuchungen definiert. Somit kann bei den weiteren Untersuchungen ausgeschlossen werden, dass die Beanspruchung zu einer Schädigung führt. Die Vorgehensweise beim Screening des Parameterraums ist schematisch in Bild 5 zusammengefasst. Aus den Datenblättern der Friktionspaarungen werden die minimalen und maximalen Werte für die spezifische Reibarbeit und -leistung abgeleitet und der initiale Parameterraum festgelegt. Schrittweise wird dieser Parameterraum abgefahren, um die Schädigungsgrenze der Friktionspaarungen zu ermitteln. Dabei werden das Massenträgheitsmoment, die Flächenpressung und die Gleitgeschwindigkeit stetig erhöht, bis die Paarung geschädigt ist. Hierfür wird jeweils eine neue Friktionspaarung untersucht. In Abhängigkeit vom Typ des Reibbelags werden vom Hersteller unterschiedliche Angaben zur Verfügung gestellt. Bspw. werden die empfohlenen Parameter der Flächenpressung und Gleitgeschwindigkeit angegeben. Die Grenzwerte gelten dabei meist nur, wenn die weiteren angegebenen Parameter deutlich geringer sind, d.h. dass eine Kombination der maximalen Werte i. d. R. nicht möglich ist. Sind die Grenzwerte für die spezifische Reibarbeit und -leistung nicht definiert, werden bei organischen Reibbelägen die Grenzwerte aus [5] herangezogen. Diese Grenzwerte dienen der groben Orientierung zur Aufstellung der Laststufen für das Screening. Die Ausgangsbeanspruchung stellt die minimale Beanspruchung hinsichtlich Reibarbeit und Reibleistung für die Friktionspaarung dar. Entlang der drei eingezeichneten Richtungen werden das Massenträgheitsmoment (1), die Belastung (2) und die Gleitgeschwindigkeit (3) schrittweise bis zur Schädigung T+S_5_17 31.07.17 10: 58 Seite 9 10 Tribologie + Schmierungstechnik 64. Jahrgang 5/ 2017 erhöht. Im ersten Schritt wird dabei die Reibarbeit bei geringer Reibleistung erhöht, im zweiten Schritt die Reibleistung bei geringer Reibarbeit und im letzten Schritt die Reibarbeit und Reibleistung, bis im jeweiligen Schritt das wirkende Beanspruchungskollektiv zur Schädigung führt. Um zu prüfen, ob eine Schädigung vorliegt, wird nach jeder Laststufe eine Referenzstufe gefahren. Die Friktionspaarung ist geschädigt, wenn sich das tribologische Verhalten in der anschließenden Referenzstufe nicht mehr dem Reib- und Verschleißverhalten vor der Laststufe annähert. Das Ergebnis des Screenings ist die Abgrenzung des Parameterraums durch die Schädigungsgrenze. Diese Abgrenzung ist für die weiteren experimentellen Untersuchungen wichtig, da eine Schädigung ausgeschlossen werden soll. Nachdem der Parameterraum definiert ist, kann das Versuchsprogramm für die Ermittlung der anwendungsspezifischen Leistungsgrenze aufgestellt und untersucht werden. 3.3.2 Ermittlung des tribologischen Verhaltens Zur Aufstellung des Versuchsplans wird die statistische Versuchsplanung genutzt. Der zu erwartende nichtlineare Zusammenhang zwischen den Einflussfaktoren und der Zielgröße wird mit einem quadratischen Modellansatz [9] abgebildet. Als Zielgröße kann die Reibungszahl, der Reibungszahlgradient oder der Verschleißkoeffizienten definiert werden. In Bild 6 ist der Aufbau des Versuchsplans für die Faktoren Axialkraft und Drehzahl dargestellt. Die Einflussfaktoren werden in fünf Faktorstufen variiert. Ergebnis aus dem Versuchsplan ist ein empirisches Modell, welches die Abhängigkeit der Zielgröße von den Einflussfaktoren abbildet. Der Versuchsplan ist drehbar und orthogonal [9]. Durch die Orthogonalität können die Haupt- und Wechselwirkungseffekte der Einflussfaktoren getrennt voneinander ermittelt werden. Damit kann anhand des Modells die Sensitivität der Einflussfaktoren abgeleitet werden. Durch die Drehbarkeit ist die Breite des Vertrauensbereichs der Zielgröße nur abhängig vom Abstand und nicht von der Richtung vom Zentrum. Der Zentralpunkt des Versuchsraums wird daher fünfmal im Versuchsprogramm wiederholt, so dass bei zwei Faktoren 13 Laststufen untersucht werden. Die Untersuchung von mehr als zwei Faktoren ist möglich, die Anzahl an Laststufen erhöht sich jedoch entsprechend. Für die Untersuchung von drei Faktoren ergeben sich 21 Laststufen. Die Anzahl an Faktoren und der damit verbundene Versuchsumfang sollten an den gewünschten Informationsgewinn angepasst werden. Die Drehbarkeit und Orthogonalität wird über den α-Wert und die Anzahl an Wiederholungen des Zentrumspunkts erzielt [9]. Um den Einfluss der Beanspruchungshistorie zu minimieren, wird die Reihenfolge der Laststufen randomisiert. Zur Ermittlung der Sensitivität der Einflussfaktoren auf die mittlere Reibungszahl der Laststufe können bei der Auswertung entweder alle 100 berechneten mittleren Reibungszahlen aus den 100 Schaltungen der Laststufe oder die Schaltungen 51 bis 100 zur Berechnung der mittleren Reibungszahl der Laststufe miteinbezogen werden. Der Einbezug aller Schaltungen ist bei Anwendungen mit Lastwechseln wichtig, sodass Veränderungen im tribologischen Verhalten zu Beginn der Laststufe mitberücksichtigt werden. Bei Anwendungen mit konstanten Lastkollektiven, in denen sich ein quasistationärer Zustand und somit ein stabiles Reib- und Verschleißverhalten einstellt, werden bei der Auswertung die mittleren Reibungszahlen der Schaltungen 51-100 berücksichtigt. Hierdurch werden die zu Beginn eines Lastwechsels auftretenden Einlaufeffekte eliminiert. In Bild 7 sind das Haupteffektediagramm und das Konturdiagramm als Ergebnis aus dem Versuchsplan für einen organischen Reibbelag dargestellt. Im Haupteffektediagramm ist der Einfluss der Faktoren Axialkraft und Drehzahl auf die mittlere Reibungszahl dargestellt. Anhand der beiden Diagramme ist der nicht lineare Zusammenhang zwischen den Faktoren und der Zielgröße deutlich zu erkennen. Die Reibungszahl steigt mit zunehmender Axialkraft bis 4000 N (p = 0,9 MPa) an und sinkt mit Zunahme der Drehzahl bis 2400 U/ min (v Gleit = 19 m/ s) ab. Mit Hilfe des Konturdiagramms kann die mittlere Reibungszahl für den kompletten Parameterraum prognostiziert werden. Die Varianz der Prognose ist über den kompletten Versuchsraum kon- Aus Wissenschaft und Forschung Bild 6: Aufbau eines zentral zusammengesetzten Versuchsplans für 2 Faktoren - Axialkraft x 1 und Drehzahl x 2 Z Stern Zentrum Quadrat T+S_5_17 31.07.17 10: 58 Seite 10 Tribologie + Schmierungstechnik 64. Jahrgang 5/ 2017 stant. Bezogen auf den Einfluss der Faktoren auf die Zielgröße Reibungszahl treten keine Wechselwirkungseffekte der Faktoren auf. D. h. der Einfluss der Faktoren auf die mittlere Reibungszahl kann unabhängig voneinander betrachtet werden. Um den Einfluss der Temperatur im Reibkontakt zu ermitteln, kann der aufgestellte Versuchsplan bei definierten Starttemperaturen in den Laststufen durchgeführt werden. Somit können zusätzliche Informationen über die Abhängigkeit der Reibungszahl, des Reibungszahlgradienten und des Verschleißkoeffizienten von der Temperatur gewonnen werden. Anhand der Ergebnisse aus den experimentellen Untersuchungen kann zunächst das tribologische Verhalten der Friktionspaarung charakterisiert werden. 3.4 Identifizierung der Leistungsgrenze anhand der Beurteilungskriterien Die Identifizierung der Leistungsgrenze erfolgt anhand der definierten Beurteilungskriterien Reibungszahl μ, Reibungszahlgradient μ’ und Verschleißkoeffizient k. Das ermittelte Reib- und Verschleißverhalten aus der DoE bildet dafür die Grundlage. Je nach Anwendung können bei der Reibungszahl entweder die mittlere Reibungszahl μ m und/ oder die maximale bzw. die minimale Reibungszahl μ max , μ min relevant sein. Abhängig von den Anforderungen der Anwendung, werden die relevanten Kriterien ausgewählt und Grenzwerte definiert. Ein mögliches Beurteilungskriterium zur Identifizierung der Leistungsgrenze ist das mittlere Reibungszahlniveau μ mean einer Laststufe. In Bild 8 ist das mittlere 11 Aus Wissenschaft und Forschung Bild 7: Haupteffekte- und Konturdiagramm der Einflussgrößen Axialkraft in N und Drehzahl in min -1 auf die Zielgröße mittlere Reibungszahl μ m der Laststufe Bild 8: Beurteilungskriterium mittleres Reibungszahlniveau μ mean zur Identifizierung der Leistungsgrenze anhand zweier exemplarisch definierter zulässiger Streubänder der Anwendung 5000 4000 3000 2000 0,34 0,32 0,30 0,28 0,26 0,24 0,22 2600 2400 2200 2000 1800 Axialkraft Drehzahl Haupteffektediagramm Mittlere Reibungszahl μ m 0,4 MPa 0,7 MPa 0,9 MPa 14,4 m/ s 16,7 m/ s 19,1 m/ s Axialkraft Drehzahl 4500 4200 3900 3600 3300 3000 2700 2400 2100 2500 2400 2300 2200 2100 2000 1900 1800 1700 > - - - - - < 0,2 > - - - - - < 0,22 0,22 0,24 0,24 0,26 0,26 0,28 0,28 0,30 0,30 0,32 0,32 5 Mittlere Reibungszahl Konturdiagramm 3 Beanspruchungskollektiv und Streuband 10 % Anwendung A Streuband 30 % Anwendung C μ mean = 0,25 T+S_5_17 31.07.17 10: 58 Seite 11 12 Tribologie + Schmierungstechnik 64. Jahrgang 5/ 2017 Reibungszahlniveau exemplarisch dargestellt. μ mean ergibt sich aus dem Mittelwert der mittleren Reibungszahlen μ m der Schaltungen innerhalb einer Laststufe. Das zulässige Streuband legt die zulässige prozentuale Abweichung der mittleren Reibungszahlen vom mittleren Reibungszahlniveau fest und wird anhand der Anforderungen der Anwendung quantifiziert. Die exemplarischen Streubänder sollen dabei verdeutlichen, dass die zulässige Abweichung und damit die Leistungsgrenze von den Anforderungen, die durch die Anwendung definiert sind, abhängen. Das mittlere Reibungszahlniveau kann um die minimale und maximale mittlere Reibungszahl in der Laststufe ergänzt werden. Eine Häufigkeitsverteilung der Reibungszahlen für jede Laststufe ist ebenso möglich. Sind die relevanten Beurteilungskriterien festgelegt und Grenzwerte definiert kann die Auswertung zur Identifizierung der Leistungsgrenze automatisiert erfolgen. 4 Zusammenfassung und Ausblick Die Methode beschreibt die Planung und die Durchführung experimenteller Untersuchungen trockenlaufender Friktionspaarungen. Als Ergebnis kann das Leistungspotenzial ermittelt und charakterisiert und die Leistungsgrenze anhand der relevanten Beurteilungskriterien identifiziert werden. Dem Anwender wird durch die Methode eine konkrete Vorgehensweise zur experimentellen Untersuchung trockenlaufender Friktionssysteme zur Verfügung gestellt. Die Methode kann dabei jederzeit an die zu untersuchende Friktionspaarung bzw. an die Anwendung und die damit verbundenen Randbedingungen wie u.a. Versuchsumgebung, Parameterraum, Anzahl an Einflussfaktoren und Beurteilungskriterien angepasst werden und ermöglicht eine zeit- und kosteneffiziente Durchführung experimenteller Untersuchungen. Auf Basis der Ergebnisse kann das Friktionssystem grenzwertiger ausgelegt werden, da die zulässige thermomechanische Beanspruchbarkeit bekannt ist. Die Erkenntnisse aus den experimentellen Untersuchungen vertiefen zudem das Verständnis über den Zusammenhang zwischen der wirkenden thermomechanischen Beanspruchung und dem tribologischen Verhalten. 5 Danksagung Die Autoren danken für die Unterstützung des Forschungsprojekts. Das IGF-Vorhaben 18481-N der Forschungsvereinigung Antriebstechnik e.V. (FVA) wird über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Literatur [1] GfT-Arbeitsblatt 7: Tribologie - Definitionen, Begriffe, Prüfung. Gesellschaft für Tribologie e. V., 2003. [2] Rakowski, W. A.: The surface layer of friction plastics. Wear 65 (1980), pp. 21-27. [3] Musiol, F.: Erklärung der Vorgänge in der Kontaktzone von trockenlaufenden Reibpaarungen über gesetzmäßig auftretende Phänomene im Reibprozeß. Dissertation. Berlin 1994. [4] Eriksson, M., Jacobson, S.: Tribological surfaces of organic brake pads. Tribological International 33 (2000), pp. B17-B27. [5] Gauger, D.: Wirkmechanismen und Belastungsgrenzen von Reibpaarungen trockenlaufender Kupplungen. Dissertation. Berlin 1998. [6] Bröde, J.: Versagenserscheinungen und Versagenskriterien bei den bisher bekannten Arbeiten über das Verhalten und die Leistungsgrenze von Reibkupplungen. FVA-Nr. 9, Forschungsheft Nr. 27, Frankfurt/ Main-Niederrad, 1975. [7] Lindemann, U.; Methodische Entwicklung technischer Produkte. Berlin: Springer Verlag, 2009. [8] Albers, A; Ott, S.; Schepanski, N.: Einfluss der Tragschicht auf das Reibwertverhalten organischer Friktionswerkstoffe in trockenlaufenden Kupplungen. VDI-Bericht 2206, 2013. [9] Kleppmann, W.: Taschenbuch Versuchsplanung: Produkte und Prozesse optimieren. 8., überarbeitete Auflage. München: Hanser Verlag, 2013. Aus Wissenschaft und Forschung Aktuelle Informationen über die Fachbücher zum Thema „Tribologie“ und über das Gesamtprogramm des expert verlags finden Sie im Internet unter www.expertverlag.de Anzeige T+S_5_17 31.07.17 10: 58 Seite 12 Tribologie + Schmierungstechnik 64. Jahrgang 5/ 2017 1 Introduction For sliding contacts using polymer materials or polymer coatings against steel surfaces, R a roughness values lower than 0.4 µm are normally recommended for the steel counter-body in the literature. The use of rougher surfaces having R a values between 0.6 and 0.8 µm is rather untypical, but may offer some economic advantages. For example, machining times of milling or turning operations can be decreased by the reduction of finishing steps, or expensive rectifications of surfaces, as those necessary in the case of additive manufacture, can be avoided. The greatest challenge in polymer-steel contacts having rough surfaces is a sufficient wear resistance of the softer polymer, which is a prerequisite for an efficient running-in of the contact surfaces and a long service life. 2 State of the art In the literature, very smooth steel surfaces are recommended for use in sliding contacts against high-performance polymer coatings, which are frequently tested at low temperatures (ambient temperature) [1-4]. In one of these studies, three different PAI / PTFE polymer coatings deposited on a grey cast iron substrate were evaluated against steel in dry oscillating sliding contact under a CO 2 atmosphere [1]. The investigations showed that during the first two minutes of testing, all the polymer coatings were worn out. The abrasive particles produced out of the polymer coating remained nevertheless in the tribo-contact and avoided any direct steel-steel contact, and thus enabled a better performance than a hard diamond-like carbon coating (which was also tested in the mentioned study). In a continuation of the aforementioned study [2], the effects of the base material on the performance of the same three polymer coatings were 13 Aus Wissenschaft und Forschung * Dr. Igor Velkavrh DI (FH) Stefan Klien DI (FH) Florian Ausserer Dr. Joel Voyer DI Alexander Diem V-Research GmbH, Stadtstrasse 33, 6850 Dornbirn, Austria DI (FH) Uwe Wuitz DI (FH) Christian Busch DI Christian Schmälzle Obrist Engineering GmbH, 6890 Lustenau, Austria DI Pierre Forêt Linde AG, Linde Gases Division, 85716 Unterschleißheim, Germany Friction and wear behaviour of polymer coatings in contact with rough surfaces under starved lubrication in CO 2 atmosphere I. Velkavrh, S. Klien, F. Ausserer, J. Voyer, A. Diem, U. Wuitz, C. Busch, C. Schmälzle, P. Forêt* Eingereicht: 17. 11. 2016 Nach Begutachtung angenommen: 20. 12. 2016 Verschiedene Polymerbeschichtungen wurden unter gleitender Beanspruchung im Kontakt mit rauen Gussoberflächen unter Mangelschmierung in CO 2 Atmosphäre evaluiert. Im Gegensatz zu Studien mit Polymerbeschichtungen im Kontakt mit glatten Oberflächen, in denen PAI-basierte Polymerbeschichtungen den geringsten Verschleiß bzw. Reibungskräfte aufweisen, zeigen unter abrasiven Bedingungen PAEK-basierte Polymerbeschichtungen die beste Performance. Schlüsselwörter Polymerbeschichtungen, CO 2 Atmosphäre, Oberflächenrauheit, Mangelschmierung, Reibung, Verschleiß Various polymer coatings were investigated under sliding conditions in contact with rough grey cast iron surfaces under starved lubrication in CO 2 atmosphere. Contrary to previous studies focused on polymer coatings in contact with smooth surfaces which showed that PAI-based polymer coatings typically yielded the best wear and friction properties, in the present study where more abrasive conditions are present, PAEKbased polymer coatings provided the best performance. Keywords polymeric coatings, CO 2 atmosphere, surface roughness, boundary lubrication, friction, wear Kurzfassung Abstract T+S_5_17 31.07.17 10: 58 Seite 13