Tribologie und Schmierungstechnik
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expert verlag Tübingen
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2017
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JungkDer Schmierspalt zwischen planparallelen Platten
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2017
Franz Peters
Sören Kunde
Die zwischen planparallelen Platten befindliche Flüssigkeit wird bei Annäherung der Platten nach einem laminaren Strömungsgesetz verdrängt. Es wird experimentell untersucht, ob das Gesetz im Spaltweitenbereich unter 100μm Gültigkeit besitzt. Die Untersuchungen setzen glatte Glasplatten und raue Stahlplatten ein. Als Flüssigkeiten werden zwei Motoröle, ein Referenzöl und Glycerol verwendet. Die Theorie wird bis hinunter zu wenigen μm bestätigt. Dabei gelingt es die rauen Stahlplatten kontaktfrei zu halten.
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Tribologie + Schmierungstechnik 64. Jahrgang 6/ 2017 5 Aus Wissenschaft und Forschung 1 Einleitung Maschinenteile aus Metall, die sich relativ zueinander bewegen und dabei Kräfte übertragen, sollen sich nicht berühren, da der Kontakt zu Verschleiß oder zur Verschweißung (Fressen) führt. Seitdem der Mensch mit Metall arbeitet weiß er, dass dünne Schichten aus Fett oder Öl den Kontakt mindern oder ganz vermeiden [1]. Mit der Industrialisierung begannen Ingenieure das Verhalten von Schmierspalten wissenschaftlich zu untersuchen. Besonders interessierte man sich für die tangentiale Relativbewegung von Maschinenteilen, da diese in Arbeitskraftmaschinen, beginnend mit der Dampfmaschine, vielfältig auftraten. Wichtige Beispiele sind die Linearführung und das schnell laufende Gleitlager. Das hydrodynamische Verständnis der Gleitlager begann mit den Arbeiten von Reynolds [2]. Er zeigte durch Reduzierung der allgemeinen Bewegungsgleichungen auf schleichende Strömung und zwei Dimensionen wie die Schubkräfte in einem sich verengenden Schmierspalt ein Druckprofil bedingen, das radiale Lagerkräfte im Gleichgewicht hält und den Kontakt vermeidet. Diese Arbeiten wurden durch Sommerfeld [3] fortgeführt, der eine analytische Lösung der Reynolds-Gleichung entwickelte. Die Übertragung dieser Lösung auf andere Geometrien (z. B. Kugel-Fläche-Kontakt) gelang erst durch die Kombination mit der Hertz’schen Theorie der Verformung der Kontaktpartner. Dies führte zur sogenannten Elastohydrodynamischen Schmierungstheorie [4]. Sie liegt heute zu vielen geometrischen Konstellationen vor und ist der numerischen Behandlung zugänglich. Trotz großer Fortschritte sind die Strömungsvorgänge in sehr engen Spalten im μm-Bereich nicht vollständig verstanden. Ein ernstes Problem besteht in der Ausgasung oder Verdampfung von Öl, Vorgänge, die unter dem Begriff Kavitation laufen. Ein weiteres Problem ist die Wechselwirkung der Polymermoleküle mit der Wand, bekannt als „slip“ bzw. „no-slip“ Bedingung. Ein schon frühzeitig unter dem Eindruck der Zweidimensionalität der Sommerfeldlösung attackiertes Thema (zur Geschichte s.[1]) ist der Einfluss der axialen Begrenzung der Gleitlager. Neue experimentelle Forschung mit modernen Methoden widmet sich diesem Feld [5]. Jede Schmierung ist auf die zuverlässige Haftung des Schmiermittels an der Wand angewiesen. (Ölhersteller verwenden Additive um Haftung abzusichern.) Haftung vorausgesetzt stellt sich die Frage wie weit sich die miteinander wechselwirkenden Flächen annähern können bevor sie sich berühren, bzw. wie dünn der Ölfilm werden * Prof.Dr.-Ing.Franz Peters Sören Kunde, M.Sc. Ruhr-Universität Bochum, Fakultät für Maschinenbau Institut für Thermo- und Fluiddynamik, 44801 Bochum Der Schmierspalt zwischen planparallelen Platten F. Peters, S.Kunde* Eingereicht: 7. 1. 2017 Nach Begutachtung angenommen: 15. 3. 2017 Die zwischen planparallelen Platten befindliche Flüssigkeit wird bei Annäherung der Platten nach einem laminaren Strömungsgesetz verdrängt. Es wird experimentell untersucht, ob das Gesetz im Spaltweitenbereich unter 100 μm Gültigkeit besitzt. Die Untersuchungen setzen glatte Glasplatten und raue Stahlplatten ein. Als Flüssigkeiten werden zwei Motoröle, ein Referenzöl und Glycerol verwendet. Die Theorie wird bis hinunter zu wenigen μm bestätigt. Dabei gelingt es die rauen Stahlplatten kontaktfrei zu halten. Schlüsselwörter Quetschströmung, Öl, Viskosität, enger Spalt The squeeze flow between flat parallel plates follows a laminar solution of the flow equations. We investigate experimentally the validity of this solution for gap widths smaller than 100 μm. Smooth glass plates and rough steel plates are employed. For fluids we choose two motor oils, a reference oil and glycerol. The theory is approved in all cases down to gap widths of a few μm. Contact between steel plates could be prevented successfully. Keywords squeeze flow, oil, viscosity, small gap Kurzfassung Abstract T+S_6_17 16.10.17 10: 39 Seite 5 6 Tribologie + Schmierungstechnik 64. Jahrgang 6/ 2017 kann bevor er nicht mehr trägt. Reale Flächen, z. B. geschliffene, werden immer rau sein mit Höhenschwankungen im μm-Bereich. Rauheitsspitzen werden sich im Grenzfall berühren, wodurch der Film unterbrochen wird. Dies muss noch nicht zum Versagen führen, wenn die Spitzen gebrochen werden und das Lager „einläuft“. Wenn allerdings die Flächen ideal eben und glatt sind, was man durch kristalline Flächen (Quarz) nahezu erreicht, so wird es einen trennenden Film geben solange ein Fluid verdrängt wird. Hier trennt man sinnvollerweise die tangentiale von der normalen Bewegung der ebenen Flächen. Im tangentialen Fall kann es je nach Schmierung und Anpressdruck zu einem Gleichgewicht mit stabilem Film kommen. Die Normalbewegung der Flächen aufeinander zu mag von der Anwenderseite her gesehen trivial erscheinen, sie ist allerdings geeignet die Frage nach dem Verbleib des Films zu untersuchen, was in dieser Arbeit unternommen werden soll. Um realen Situationen des Maschinenbaus nahe zu kommen haben wir die Messungen mit zwei Motorölen und einem FVA- Referenzöl durchgeführt. Da Öle aus vielen Komponenten bestehen, wurde Glycerol als Reinstoff hinzugenommen, dessen physikalische Eigenschaften sehr gut bekannt sind. Die Strömung zwischen planparallelen Platten wurde zuerst von Stefan [6] untersucht. Er ging von der Frage aus, ob die Platten gegeneinander eine Adhäsion auf molekularer Ebene aufweisen. Durch Versuche fand er schnell heraus, dass hier hydrodynamische Kräfte dominant sind, die er wegweisend modellierte. Die Frage nach den molekularen Kräften stellt sich allerdings immer wieder. Wir haben durch Berechnung der Hamakerkonstante zwischen Glasplatten [7] abgesichert, dass erst unterhalb eines Abstandes von 1/ 10 μm Wirkungen zu erwarten sind, im gegenwärtigen Fall bei einer Grenze von einem μm also keine Rolle spielen. In der Strömungsmechanik kann die Verdrängungsströmung zwischen Platten als Standardfall angesehen werden, der analytisch und numerisch zugänglich ist. Experimentell ist er allerdings nur sehr schwer in den Griff zu bekommen. Das liegt an der Schwierigkeit von Messungen im μm-Bereich mit Auflösung im Sub-μm- Bereich, die an die Grenze des im Maschinenbau Üblichen stoßen. Messungen mit dünnflüssigen Fluiden wie etwa Öle oder Wasser sind uns nicht bekannt. Rheologische Messungen mit nicht-Newton’schen Medien hingegen sind zahlreich [8]. Diese Medien sind sehr zäh, wodurch vergleichsweise große Spalte entstehen. Es stehen dann eher die Stoffeigenschaften im Fokus als die Grenze des Films. Die vorliegende Arbeit beginnt mit der Theorie der Spaltströmung, reduziert auf die Besonderheiten des vorliegenden Falles. Dann werden die essentiellen Komponenten des Experiments beschrieben. Schließlich wird die gemessene Spaltweite mit der Theorie verglichen. 2 Theorie Aus Wissenschaft und Forschung Bild 1: Prinzipielle Anordnung mit Koordinaten Bild 1 zeigt die Koordinaten und den prinzipiellen Aufbau. Die Platten werden mit konstanter Kraft F zusammen gepresst. Wenn R, F sowie die Dichte ρ und die kinematische Viskosität ν des Öls festliegen, ist die Höhe h(t) als Funktion der Zeit zu bestimmen. Die integrale Masseerhaltung setzt die mittlere radiale Geschwindigkeit u̅ (r) mit der Absinkgeschwindigkeit h· in folgenden Zusammenhang (1) Die Masseerhaltung in differentieller Form mit der Vertikalgeschwindigkeit v reduziert sich auf (zu den Grundgleichungen s. z. B. [9]) (2) Da nicht von r abhängt, schreibt man, bezogen auf eine infinitesimale Scheibe der Dicke Δz und des Radius r (3) womit Gl.(2) übergeht in (4) Wir betrachten enge Spalte, in denen die Trägheitsterme in der Impulserhaltung vernachlässigt werden dürfen. In r-Richtung bleibt dann mit der Viskosität μ (5) Die geklammerten Terme entfallen mit Gl.(4), so dass (6) Der Druck ist nur eine Funktion von r, d. h. für die Integration der Geschwindigkeit nach z eine Konstante. Mit der Randbedingung u = 0 bei z = 0 bzw. h folgt dann T+S_6_17 16.10.17 10: 39 Seite 6 Tribologie + Schmierungstechnik 64. Jahrgang 6/ 2017 (7) Die mittlere Geschwindigkeit ermittelt man durch Integration von z = 0 bis z = h zu (8) Der Druckgradient folgt durch Gleichsetzen der beiden mittleren Geschwindigkeiten aus den Gln.(1 und 8) (9) Da nun h· und h selbst nicht von r abhängen können, integriert man (10) Zur Bestimmung von C 1 setzt man bei R = r den atmosphärischen Druck an, p(R) = p atm womit (11) Die effektive Kraft vom Fluid auf die Platte (unter Wegfall des beidseitig wirkenden p atm ) folgt aus dem Druckintegral (12) Man beachte dass h· negativ ist. In der Schreibweise(13) ist die rechte Seite eine Konstante. Sie ist nicht dimensionslos, aber von zentraler Bedeutung. Wir setzen (14) Die Integration der linken Seite bringt dann die Lösung mit der Anfangsspalthöhe h 0 bei t = 0 (15) Aus den bisherigen Gleichungen lassen sich durch einfache algebraische Operationen weitere in Tabelle I gelistete Gleichungen ableiten, die zur Interpretation des Strömungsvorgangs hilfreich bzw. notwendig sind. Die Gültigkeit der Lösung Gl.(15) hängt davon ab, ob die Trägheitsterme vernachlässigt werden durften. Das lässt sich von Fall zu Fall durch die aktuelle Reynoldszahl beurteilen, die sinnvollerweise mit h, u- und ν gebildet wird, siehe Tabelle I. Aufgrund des extremen Einflusses von h in der dritten Potenz werden schnell ausreichend bis verschwindend kleine Reynoldszahlen erreicht. Die Lösung besitzt zwei wesentliche Eigenschaften, die hervorgehoben werden sollen. In der vorliegenden Form entnimmt man der Gl.(15), dass die Absinkkurve h(t) von der Anfangshöhe h 0 unabhängig wird sofern αt >>h 0-2 . Die enge Spaltströmung „vergisst“ woher sie kommt. Bild 2 macht dies für drei repräsentative α-Werte deutlich. Unsere Experimente liegen bei α-Werten von der Größenordnung 10 7 . Die Bedingung wird in unserem 7 Aus Wissenschaft und Forschung Tabelle I: Weitere, aus den Gleichungen (1-15) hervorgehende Größen Bild 2: Logarithmische Darstellung der Gl.(15) für drei verschiedene α (gestrichelt) und h 0 = 300 μm. Die Geraden zeigen die reduzierte Lösung mit der Steigung (-1/ 2). T+S_6_17 16.10.17 10: 39 Seite 7 8 Tribologie + Schmierungstechnik 64. Jahrgang 6/ 2017 Experiment schon nach 10 s erfüllt (bei gegebenem h 0 ). Realistische Anwendungen liegen mit höheren Kräften und kleineren Radien eher bei höheren α-Werten, so dass die Bedingung noch eher erfüllt wird. Die zweite zentrale Einsicht geht aus dem Verhältnis der Wandschubspannung zur Druckdifferenz hervor, siehe Tabelle I. Die Druckdifferenz ist eine feste Größe des ganzen Vorgangs. D. h. obwohl die treibende Ursache konstant bleibt schwindet die Schubspannung mit h als unmittelbarer Indikator der Strömung. Der Ölfilm unterliegt einem asymptotischen Vorgang. Dies ist letztlich die Ursache des Verbleibs dünner, trennender Filme. Die gern gestellte Frage nach einer entscheidenden, dimensionslosen Kennzahl des Vorgangs könnte man beantworten, indem man schreibt (16) Die Zeit könnte man nun dimensionslos machen (z. B. durch h 02 / ν) und dadurch die Kennzahl α h 04 / ν erzeugen. Das ist allerdings nicht zielführend, weil uns die dimensionsbehaftete Lösung mit der absoluten Zeit interessiert, in der h 0 verschwindet. Der Faktor α ist dann, wenn auch dimensions-behaftet, entscheidend. 3 Experiment Fluide Es wurden drei verschiedene Öle ausgesucht, die einen deutlichen Viskositätsbereich überdecken, s. Bild 3. Das Mehrbereichsöl 5W-40 hat den geringsten Viskositätsanstieg mit fallender Temperatur, was den Kaltstart von Motoren erleichtert. SAE 50 ist ein klassisches Einbereichsöl mit erheblich höherer Viskosität bei niedrigen Temperaturen. Das FVA 4 wird von der Forschungsvereinigung Antriebstechnik als Referenzöl (ohne Additive) angeboten. Die Viskositäten dieser Öle werden üblicherweise nur bei 40 und 100 °C gemessen. Auf Basis der Ubbelohde Beziehung [10], die allen Mineralölen ein ähnliches Verhalten zuschreibt, lassen sich die Gleichungen in Tabelle II erstellen, die in Bild 3 als Kurven erscheinen. In der Öl-Literatur findet man gewöhnlich eine logarithmische Darstellung, in der die Kurven zu Geraden werden [11]. Die hier verwendeten Daten stammen aus Firmenangaben bzw. einer FVA-Schrift [12]. Öle bestehen aus vielen Komponenten und zusätzlich aus Additiven. Um einen Reinstoff hinzuzunehmen, dessen Daten sehr gut bekannt sind [13], haben wir Glycerol ausgewählt. Die in Tabelle III aufgeführten Dichtefunktionen der drei Öle wurden selbst gemessen. Die Dichte von Glycerol entstammt der Literatur [13]. Mit den Tabellen II und III lässt sich die Viskosität μ durch das Produkt νρ ermitteln. Aufbau Die wesentlichen Elemente des experimentellen Aufbaus erscheinen in Bild 4. Selbstverständlich erfordern Messungen im μm-Bereich ein sehr steifes Gerüst aus präzisen Stahlsäulen und Traversen mit geringer Wärmedehnung wie sie z. B. in alten Laserkonstruktionen zu finden sind. Wichtig ist, dass alle Teile sorgfältig und spannungsfrei verschraubt sind. Der Aufbau sollte in einem Gehäuse vor konvektiven Luftströmungen im Labor geschützt werden. Der Kern der Konstruktion ist die Befestigung und Führung der Platten, die einen Durchmesser von 2R = 49.5 mm aufweisen. Es wird entweder ein Glasplattenpaar oder ein Stahlplattenpaar verwendet. Die untere der beiden Platten sitzt jeweils frei beweglich auf einer Stahlkugel, die in der Vertiefung einer Stützstange ruht. Die obere ist fest mit Aus Wissenschaft und Forschung Tabelle II: Die in Bild 3 dargestellten Kurven, (T in °C, ν in mm 2 / s) Tabelle III: Die Dichten als Temperaturfunktion (T in °C, ρ in kg/ m 3 ) Bild 3: Kin. Viskositäten der Fluide als Funktion der Temperatur T+S_6_17 16.10.17 10: 39 Seite 8 Tribologie + Schmierungstechnik 64. Jahrgang 6/ 2017 einer geführten Stange verbunden, die ausgehend von einem fein einstellbaren Anschlag absinkt. Die konstante Kraft F resultiert aus dem Eigengewicht der absinkenden Massen. Der Sinn der Kugelkonstruktion erschließt sich, wenn man die Parallelität der Platten durch eine Zwangsführung zu gewährleisten versucht. Das nämlich ist mit maßvollen Mitteln unmöglich, während sich die bewegliche Platte bei Annäherung an die obere von selbst parallelisiert. Der hierbei genutzte Effekt besteht darin, dass die im Winkel zueinander stehenden Platten eine seitlich ausweichende Strömung erzeugen, die zwangsläufig von einem Druckgradienten getrieben wird. Der höhere Druck befindet sich im engeren Bereich. So entsteht ein Rückstellmoment um die Kugelauflage. Der Spalt zwischen den beiden Platten befindet sich, wie gezeigt, im Ölbad, das an der Stützstange aufwärts bzw. abwärts verfahren werden kann. Besondere Anforderungen Wie eingangs gesagt geht es um die zeitliche Auflösung der Spaltweite im μm-Bereich. Im Vorfeld wurden optische Methoden auf interferometrischer Basis diskutiert und ausprobiert. Bei erheblichem Aufwand zeigte sich kein entscheidender Vorteil gegenüber einer mechanischen Messung mit einer Messuhr. Die digitale Messuhr der Fima Mahr (Extramess 2000) arbeitet nach dem induktiven Prinzip. Sie löst 0,2 μm auf bei einer Messunsicherheit von ±0,3 μm. Der Messbereich ist 0,8 mm. Die Uhr wird über einen USB-Port im Sekundentakt ausgelesen. Der Messweg lässt sich in Excel als Zeitfunktion darstellen, womit die Rohdaten zur Auswertung vorliegen. Die Befestigung der Uhr (hier nicht gezeigt) und der Kontakt zur Führungsstange (Stahlkugel) wurden genau und sorgfältig ausgeführt. Die Glasplatten bestehen aus Quarz, wie sie für optische Aufbauten Verwendung finden (z. B. Edmund Optics). Sie haben einen Nenndurchmesser von 50 mm bei einer Dicke von 4 mm. Durch leichte Kantenbearbeitung und minimale Verschiebung der Platten im Einbauzustand wurde der effektive Durchmesser zu 49.5 mm bestimmt. Die Planität der Quarzoberfläche beträgt 1/ 4 der Lichtwellenlänge, also etwa 1/ 10 μm bei sichtbarem Licht. Die Platten wurden auf Aluminiumträgern fixiert. Dazu wurden sie „schwimmend“ auf Zweikomponentenkleber gelegt, der langsam aushärtete. Die Quarzplatten sind zur Überprüfung der Theorie wegen ihrer Oberflächengüte bestens geeignet. Um den Einfluss einer realen Oberfläche zu studieren wurden Stahlplatten hergestellt. Sie wurden in der Dicke 20 mm (obere Platte) und 3.5 mm (untere Platte) auf der Drehbank gefertigt. Anschließend wurden die einander zugewandten Flächen auf einer Flächenschleifmaschine mit rotierendem Schleifstein bearbeitet. Die erzielte mittlere quadratische Rauheit betrug ± 0.3 μm mit einigen Spitzen bis zu ± 1.5 μm. Dies ist keine besondere, aber im Maschinenbau durchaus übliche Oberflächengüte. Durchführung der Messungen Die Messuhr misst Differenzen. Sie benötigt die Setzung eines Nullpunktes. In langen Testreihen hat sich folgendes Verfahren bewährt. Zunächst werden die Platten mit Aceton und fuselfreien Optiktüchern sorgfältig gereinigt. Es dürfen keine Partikel verbleiben! Dann werden die Platten trocken zusammengefahren. Dies entspricht der Nullpunktposition. Die verbleibende Luftschicht bewegt sich unterhalb der Messgenauigkeit. Nach Setzen des Nullpunktes wird die obere Platte mehrfach angehoben und abgesenkt. Der Nullpunkt muss jedes Mal wieder erscheinen! Der obere Anschlag wird auf 300 μm eingestellt. Anschließend wird der Ölspiegel bis zum Spalt angehoben. Um sicher zu gehen, dass der Spalt sich blasenfrei füllt wird ein Seidenfaden (Zahnseide) durch den Spalt gezogen. Zusätzlich wird der Spalt beleuchtet, wodurch er sich dem Auge als helle Linie präsentiert. Die Messung beginnt mit Freigabe der oberen Platte, die durch einen Faden mit Gegengewicht gehalten wird (nicht gezeigt). Sie endet nach 600 s. Einige Messungen wurden bis zu 3600 s ausgedehnt. 4 Ergebnisse Der Startvorgang bei 300 μm Anfangshöhe ist nicht exakt reproduzierbar. Dies liegt einerseits am Auslösemechanismus (Fadenaufhängung) aber vor allem an der Haftreibung in der Gleitbuchse. Dadurch zeigen die h(t) Daten in den ersten Sekunden u. U. deutliche Abweichungen voneinander, die nicht in der Spaltströmung begründet liegen. Dieses Verhalten gefährdet das Experiment aber nicht, denn mit zunehmender Zeit befreit sich die h(t) Funktion von h 0 und damit von dem Start- 9 Aus Wissenschaft und Forschung Bild 4: Prinzipieller Aufbau des Experiments T+S_6_17 16.10.17 10: 39 Seite 9 10 Tribologie + Schmierungstechnik 64. Jahrgang 6/ 2017 vorgang. Alle Messungen beginnen deshalb bei 300 μm, die Auftragung der Daten erfolgt aber erst ab 100 μm. Der Wert 1 ⁄ h 02 beträgt etwa 10 7 m -2 . Er wird von den αt-Werten bereits nach wenigen Sekunden überschritten. Zu dem Verhältnis αt h 02 nach 10 s siehe Bild 2 und Tabelle IV. Glasplatten Die in Bild 5a-e gezeigten experimentellen Kurven wurden aus je 4-6 Messkurven innerhalb des angegebenen Temperaturbereichs gemittelt. (Hinweis: die gepunkteten Kurven stehen für die Messwerte. Die Punkte sind nicht die Messwerte selbst.) Die Abweichungen der Messkurven untereinander lagen bei ±(0.5 -1)μm des Endwertes bei 600 s. Im ersten stark fallenden Teil der Kurve sind Abweichungen schwer zu beurteilen. Deshalb zeigen wir in Bild 5b beispielhaft eine logarithmische Darstellung der Kurve aus Bild 5a. Diese Darstellung zeigt die leichten Diskrepanzen zu Beginn unterhalb von 10 s, die nicht aus der Vereinfachung der Theorie zu erklären sind, weil die volle Theorie gegenüber der Geraden (Steigung - 1⁄2 ) nicht nach oben sondern nach unten ausweicht. Die Gültigkeit der Theorie wird in allen vier Fällen bestätigt, besonders gut bei Glycerol, was wahrscheinlich auf den sehr genau bekannten Stoffwerten beruht. Es zeigen sich keine Abweichungen, die auf nicht- Newton’sches Verhalten hinweisen. Die Streuung im Endwert von z. B. 1 μm bei 6 μm mag man als prozentual hoch bewerten, gemessen an der Messspanne ist sie al- Aus Wissenschaft und Forschung Bild 5a: h(t) zwischen Glasplatten für 5W- 40, T = 24.4 ± 0.2 °C Bild 5b: Logarithmische Darstellung zu Bild 5a Bild 5c: h(t) zwischen Glasplatten für SAE 50, T = 25.0 ± 0.2 °C Bild 5d: h(t) zwischen Glasplatten für FVA 4, T = 24.7 ± 0.2 °C Bild 5e: h(t) zwischen Glasplatten für Glycerol, T = 24.5 ± 0.2 °C T+S_6_17 16.10.17 10: 39 Seite 10 Tribologie + Schmierungstechnik 64. Jahrgang 6/ 2017 lerdings gering. Der Einfluss von α zeigt sich am deutlichsten bei den Endwerten wie in Tabelle IV aufgeführt. Die Kombination aus Dichte und kinematische Zähigkeit in der Wirkung auf α ist in diesem Experiment tragend. (Eine Variation des Radius würde die anderen Einflüsse dominieren.) Stahlplatten Bei der Nullpunktsetzung der Stahlplatten wurde genauso verfahren wie bei den Glasplatten, d. h. die Platten wurden trocken aufeinander gesetzt. Die Rauheitsstruktur könnte sich wie ein zusätzlicher Strömungsquerschnitt auswirken. Das müsste sich in den Messungen zeigen. Untersucht wurden die Öle 5W-40 und FVA 4. Da die obere Stahlplatte etwas schwerer war als die Glasplatten finden sich etwas höhere Werte von α. Die Bilder 5 und 6 zeigen die Ergebnisse. Es wurden je 3 Kurven zu einer Temperatur gemittelt und mit der Theorie verglichen. Die gemittelten Kurven neigen zu etwas mehr Streuung als im Fall der Glasplatten. Die leicht höher liegende Theorie in beiden Fällen kann nicht als signifikant gewertet werden, obwohl der Trend in die richtige Richtung geht: h fällt stärker ab als die Theorie voraussagt weil die Rauheit wie ein verschobener Nullpunkt wirkt. Die Ebenheit der Stahlplatten scheint durch den Schleifprozess gewährleistet zu sein. Im Fall Stahlplatten mit 5W-40 erreichen wir nach 600 s den niedrigsten Abstand bei 4.3 μm. Um sicher zu gehen, dass der Abstand weiterhin messbar sinkt wurde die Messzeit auf 3600 s ausgedehnt. Gleichzeitig wurde eine elektrische Gleichspannung zwischen den Platten angelegt um möglichen Kontakt zu detektieren. Es wurde gefunden, dass der Abstand im Einklang mit der Theorie um weitere zwei μm fällt. Ein Kontakt der Platten kam trotz der langen Messzeit meistens nicht zustande, manchmal aber doch. So gesehen wird die Theorie bestätigt wenn die Platten parallel bleiben. Im Einzelfall reicht offenbar aber eine kleine Störung um die Parallelität zu stören. Das heißt ein durchgehender Ölfilm existiert, oder besser kann existieren, bis hinunter zu ein oder zwei μm (im Fall von 5W-40). 5 Resümee Es wurde ein Experiment entwickelt, das die Reduktion des Ölspaltes über der Zeit zwischen planparallelen Platten bis in den μm-Bereich registriert. Die Platten bestanden aus glattem Glas bzw. rauem Stahl. Zur Erzielung der Planparallelität und zur Garantie des Nullpunktes erwies sich eine Kugelaufhängung der unteren Platte als erfolgreich. Messungen wurden mit drei verschiedenen Ölen und Glycerol durchgeführt. Die Strömung zeichnet sich durch eine anfangs rasche und dann schleichende Abnahme des Plattenabstandes aus. In allen Fällen fand sich eine Übereinstimmung mit der Theorie. Hinweise auf nicht-Newton’sches Verhalten oder „slip flow“ fanden sich nicht. Dazu sind möglicherweise die auftretenden Scherraten zu klein. Im Fall von rauen Stahlplatten mit 5W-40 Öl wurde selbst nach einer Stunde ein dünner Film bis hinunter zu zwei μm nachgewiesen, wobei die Platten sich nicht berührten. Dies ist ganz im Sinne der Theorie, in der der Film nur bei unendlich langen Zeiten verschwindet (s. Kap. 2). 11 Aus Wissenschaft und Forschung Bild 6: h(t) zwischen Stahlplatten für 5W-40, T = 27.2 ± 0.3 °C Bild 7: h(t) zwischen Stahlplatten für FVA 4, T = 26.4 ± 0.3 °C Tabelle IV: Übersicht über einige Ergebnisdaten T+S_6_17 16.10.17 10: 39 Seite 11 12 Tribologie + Schmierungstechnik 64. Jahrgang 6/ 2017 Eine Übertragung auf andere realitätsnahe Fälle kann mit der Gl.(15) ganz einfach erfolgen, solange man sich im getesteten Bereich von α bewegt. Vorsicht ist geboten, wenn die Trägheitsterme der Impulsgleichung bei zu großer Reynoldszahl ins Spiel kommen. Besondere Aufmerksamkeit ist der Parallelität der Platten zu widmen. Eine Umkehrung des Experiments in ein Viskositätsmessgerät liegt auf der Hand. Von Vorteil wäre, dass die Messung in einem tatsächlich engen Spalt stattfindet wie er z. B. in Lagern vorkommt. Hier ist allerdings zu bedenken, dass die Viskosität in α nur schwach eingeht (im Gegensatz zum Durchmesser). Wir haben berechnet, dass sich eine Abweichung in ν von 5 % gerade und eine von 10 % deutlich in den Kurvendarstellungen bemerkbar macht. Die Brauchbarkeit dieser Empfindlichkeit wäre weiter zu untersuchen. 6 Literatur [1] D.Dowson: History of Tribology. Longman London and New York, 1979 [2] O.Reynolds: On the theory of lubrication and its application to Mr. Beauchamp Tower’s experiments, including an experimental determination of the viscosity of olive oil. Phil. Trans. R. Soc., 177: 157-234, 1886 [3] A.Sommerfeld: Zur hydrodynamischen Theorie der Schmiermittelreibung. Z.Math.Phys.,50: 97-155, 1904 [4] M.Wisniewski: Elastohydrodynamische Schmierung. expert verlag, 2000 [5] M.Nobis, P.Reinke, M.Schmidt, C.Egbers: Einfluss der Wellenverlagerung auf das Strömungsfeld im Schmierspalt eines Gleitlagermodells. in: Experimentelle Strömungsmechanik, Fachtagung der GALA in Cottbus, 2016 [6] M.J.Stefan: Versuche über die scheinbare Adhäsion. Kaiserl.Akad.Wiss.Wien, Math.Nat.Kl. Sitzungsberichte Abt.2, 69: 713, 1874 [7] J.N.Israelachvili: Intermolecular and Surface Forces. Academic Press, 2011 [8] G.H.Meeten: Squeeze flow between plane and spherical surfaces. Rheol. Acta, 40: 279-288, 2001 [9] H.Schlichting: Boundary-Layer Theory. McGraw-Hill, 1968 [10] L.Ubbelohde: Zur Viskosimetrie. S.Hirzel Verlag Stuttgart, 1965 [11] G.Blenk: Motoren- und Getriebeöle (10), Krafthand Medien GmbH Bad Wörishofen, 2014 [12] FVA-Heft 660 Referenzölkatalog. Forschungsvereinigung Antriebstechnik Frankfurt, 2007 [13] K.C.Stengel, D.S.Oliver, J.R.Booker: Onset of convection in a variable-viscosity fluid. J.Fluid Mech.,120: 411-431, 1982 Aus Wissenschaft und Forschung Themenverzeichnisse Tribologie · Schmierungstechnik Konstruktion · Maschinenbau · Tribologie · Verbindungstechnik · Oberflächentechnik · Werkstoffe · Materialbearbeitung · Produktion · Verfahrenstechnik · Qualität Fahrzeug- und Verkehrstechnik Elektrotechnik · Elektronik · Kommunikationstechnik · Sensorik · Mess-, Prüf-, Steuerungs- und Regelungstechnik · EDV-Praxis Im expert verlag erscheinen Fachbücher zu den Gebieten Weiterbildung - Wirtschaftspraxis - EDV-Praxis - Elektrotechnik - Maschinenwesen - Praxis Bau / Umwelt/ Energie sowie berufs- und persönlichkeitsbildende Audio-Cassetten und -CDs (expert audio ) und Software (expert soft ) Bitte fordern Sie unser Verlagsverzeichnis auf CD-ROM an! expert verlag Fachverlag für Wirtschaft & Technik Wankelstraße 13 · D-71272 Renningen Postfach 20 20 · D-71268 Renningen Baupraxis · Gebäudeausrüstung · Bautenschutz · Bauwirtschaft/ Baurecht Umwelt-, Energie- Wassertechnik · Hygiene / Medizintechnik Sicherheitstechnik Wirtschaftspraxis Anzeige Telefon (0 71 59) 92 65-0 Telefax (0 71 59) 92 65-20 E-Mail expert@expertverlag.de Internet www.expertverlag.de T+S_6_17 16.10.17 10: 39 Seite 12
