eJournals Tribologie und Schmierungstechnik 65/1

Tribologie und Schmierungstechnik
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expert verlag Tübingen
0201
2018
651 Jungk

Gekoppelte thermische und tribologische Analyse von Schneckengetrieben

0201
2018
Manuel Oehler
Balázs Magyar
Bernd Sauer
Die Verlustleistung in Schneckengetrieben hängt von der Temperatur des verwendeten Schmierstoffs ab. Die Schmierstofftemperatur wird wiederum maßgeblich von den Verlusten und der damit entstehenden Wärme bestimmt. Diese Wechselwirkung wird am Lehrstuhl für Maschinenelemente und Getriebetechnik der Technischen Universität Kaiserslautern durch die Kopplung eines thermischen und eines tribologischen Simulationsmodells untersucht, während gleichzeitig experimentelle Untersuchungen zum Wirkungsgrad und zum thermischen Verhalten durchgeführt werden. Dieser Beitrag stellt die Simulationsmethoden sowie die aktuellen Ergebnisse vor.
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Aus der Praxis für die Praxis 1 Einleitung Schneckengetriebe zeichnen sich im Vergleich zu anderen Zahnradgetrieben durch die in einer Stufe realisierbaren großen Übersetzungen, den einfachen Aufbau, die große Überbelastbarkeit sowie durch ein schwingungs- und geräuscharmes Laufverhalten aus. Die Energieeffizienz ist ein zentraler Aspekt bei der Auslegung eines Antriebskonzeptes, wodurch der Kenntnis des Wirkungsgrades von Getrieben große Bedeutung zukommt. Im Rahmen des Forschungsvorhabens FVA 729 I „Schneckengetriebewirkungsgrade“ wird am Lehrstuhl für Maschinenelemente und Getriebetechnik (MEGT) eine physikalisch begründete, normungsfähige Berechnungsmethode zur Bestimmung der Verluste in Schneckengetrieben entwickelt. Im Schneckengetriebe entstehen im Betrieb an verschiedenen Komponenten Verluste, deren jeweilige Größe von verschiedenen Randbedingungen wie Last, Drehzahl oder Temperatur abhängt. Die Verluste eines Schneckengetriebes sind auf die Verzahnungs-, Lager-, Dichtungs- und Planschverluste zurückzuführen. Der entsprechende Leistungsfluss ist in Bild 1 dargestellt. Nach [ISO/ TR14179] können die Verluste in lastabhängige und -unabhängige Verluste eingeteilt werden. Zu den lastabhängigen Verlusten zählen die Verzahnungsverluste P VZ,P sowie ein Teil der Lagerverluste P VL,P . Unabhängig von der Last sind hingegen die Planschverluste der Verzahnungskomponenten P VZ,0 , die lastunabhängigen Lagerverluste P VL,0 , die Dichtungsverluste P VD sowie die sonstigen Verluste P VX . P V = P VZ,0 + P VZ,P + P VL,0 + P VL,P + P VD + P VX (1) Die Temperatur des Schmierstoffes wirkt sich auf alle Verlustquellen in unterschiedlichem Maße aus, da sie die Viskosität und Dichte und so beispielsweise den Schmierfilmaufbau im Zahneingriff und in den Lagern beeinflusst. Die einzelnen Verlustleistungen fließen als Wärme größtenteils in den Schmierstoff, dessen Temperatur somit von der Reibung in den restlichen Getriebekomponenten abhängt. Diese wechselseitige Abhängigkeit kann rechnerisch durch die Kopplung einer tribolo- 54 Tribologie + Schmierungstechnik 65. Jahrgang 1/ 2018 * Dipl.-Ing. Manuel Oehler Jun. Prof. Dr.-Ing. Balázs Magyar Prof. Dr.-Ing. Bernd Sauer Lehrstuhl für Maschinenelemente und Getriebetechnik (MEGT), TU Kaiserslautern, 67663 Kaiserslautern Gekoppelte thermische und tribologische Analyse von Schneckengetrieben M. Oehler, B. Magyar, B. Sauer* Die Verlustleistung in Schneckengetrieben hängt von der Temperatur des verwendeten Schmierstoffs ab. Die Schmierstofftemperatur wird wiederum maßgeblich von den Verlusten und der damit entstehenden Wärme bestimmt. Diese Wechselwirkung wird am Lehrstuhl für Maschinenelemente und Getriebetechnik der Technischen Universität Kaiserslautern durch die Kopplung eines thermischen und eines tribologischen Simulationsmodells untersucht, während gleichzeitig experimentelle Untersuchungen zum Wirkungsgrad und zum thermischen Verhalten durchgeführt werden. Dieser Beitrag stellt die Simulationsmethoden sowie die aktuellen Ergebnisse vor. Schlüsselwörter Schneckengetriebe, Verlustleistung, Wirkungsgrad, instationäre Belastung, thermisches Netzwerk The power loss in worm gear boxes depends on the temperature of the lubricant used. The lubricant temperature is in turn largely determined by the losses and thus generated heat. This interaction will be investigated at the Institute of Machine Elements, Gears and Transmissions at the Technical University of Kaiserslautern by combining a thermal and a tribological simulation model, while experimental investigations are carried out for efficiency and thermal behavior. This paper presents the simulation methods and the latest results. Keywords Worm gear, power loss, efficiency, transient load, thermal network Kurzfassung Abstract T+S_1_18 06.12.17 12: 20 Seite 54 Aus der Praxis für die Praxis gischen (Verlustleistungen) und thermischen (Komponententemperaturen) Analyse des vollständigen Getriebes erfasst werden. Zur tribologischen Untersuchung der Schmierungsbedingungen und zur Berechnung der Verzahnungsverluste von Schneckengetrieben wurden in der Vergangenheit mehrere experimentelle und simulative Arbeiten durchgeführt. W ILKESMANN [Wil74], P REDKI [Pre82] und B OUCHÉ [Bou91] entwickelten Berechnungsmethoden auf Basis der vereinfachten EHD Theorie zur Bestimmung der Zahnreibungszahl. Untersuchungen zum thermischen Haushalt von unterschiedlichen Getrieben wurden bereits von F UNCK [Fun83] durchgeführt, wobei mit Hilfe eines thermischen Netzwerks stationäre Temperaturen der Getriebekomponenten bestimmt wurden. H ERMES [Her08] stellte ein Berechnungsverfahren für die zeitabhängige Ölsumpftemperatur in Schneckengetrieben unter transienter Belastung vor. S UCKER [Suc13] verwendete ein stationäres thermisches Netzwerk zur Berechnung der Temperaturen in Schraubradgetrieben mit Kunststoffrädern. G EIGER [Gei14] wendete ebenfalls die Methode des thermischen Netzwerks an, um für Zahnradgetriebe bei instationären Betriebszuständen die Temperaturen der einzelnen Komponenten zu berechnen. R EITINGER und M ONZ [RM15] untersuchten das Verhalten von fettgeschmierten Schneckengetrieben hinsichtlich der Tragfähigkeit, des Wirkungsgrades und der Temperatur und stellten hierfür thermische Netzwerke auf. Im Folgenden werden zunächst die einzelnen Module der gekoppelten Analyse in Form der Verlustleistungsberechnung und des thermischen Netzwerks vorgestellt, bevor die Vorgehensweise sowie Ergebnisse des zusammengeführten Berechnungsmodells gezeigt werden. Anschließend werden experimentelle Untersuchungen zum Wirkungsgrad und dem thermischen Verhalten von Schneckengetrieben vorgestellt. 2 Berechnung der Verlustleistungen M AGYAR stellt in [Mag12] eine Methode zur Berechnung der lastabhängigen Verzahnungsverlustleistung P VZ,P in Schneckengetrieben vor, auf deren Grundlage am MEGT für das Forschungsvorhaben FVA 729 I ein Tribosimulationsprogramm zur Berechnung des Wirkungsgrades von Schneckengetrieben aufgebaut wurde. Die Vorgehensweise zur Berechnung der Verluste im Zahneingriff beinhaltet die Bestimmung und Diskretisierung der Eingriffsverhältnisse sowie der lokalen Reibungszahl, die sich aus Festkörper und Flüssigkeitsreibung zusammensetzt. Hierfür werden in jedem Punkt und für verschiedene Eingriffstellungen sämtliche lokale tribologische Kenngrößen wie Summen- und Gleitgeschwindigkeit, Pressung und Schmierspalthöhe berechnet. Für die Berechnung der weiteren Verluste wird auf bereits vorhandene Methoden zurückgegriffen: Die Berechnung der Lagerverlustleistungen P VL erfolgt nach der Methode des Lagerherstellers SKF [SKF08], die Reibung in den dynamischen Dichtungen P VD wird nach dem Modell von E NGELKE [Eng11] durchgeführt und die Planschverluste der Verzahnung P VZ,0 werden nach einem Modell von C HANGENET und P ASQUIER [CP02] bestimmt. Da die Verluste, die nicht innerhalb des Zahneingriffs entstehen, das Abtriebsdrehmoment, welches zu Beginn der Rechnung vorgegeben wird reduzieren, ist eine iterative Berechnung der Verlustleistungen notwendig [MS14]. In Bild 2 ist die Aufteilung der einzelnen Verlustleistungen über dem Eingriffswinkel für ein Getriebe mit Achsabstand a = 125 mm und Übersetzung i = 60 abgebildet, welches als Forschungsgetriebe für FVA 729 I ausgelegt wurde. Für die vorliegende Belastung ist zu erkennen, dass die Verzahnungsverlustleistung den größten Anteil ausmacht und die Lagerung der Schneckenwelle mit Kegelrollenlagern den zweitgrößten Anteil stellt, während Tribologie + Schmierungstechnik 65. Jahrgang 1/ 2018 55 Bild 1: Sankey-Diagramm zur Darstellung des Leistungsflusses bei einem Schneckengetriebe [MS14] T+S_1_18 06.12.17 12: 20 Seite 55 Aus der Praxis für die Praxis die restlichen Komponenten nur geringe Verluste aufweisen. Mithilfe des Simulationsprogrammes lassen sich so die Auswirkungen von konstruktiven Maßnahmen auf den Getriebewirkungsgrad untersuchen und systematische Verbesserungen hinsichtlich der Energieeffizienz realisieren. 3 Thermische Analyse Zur thermischen Analyse eines Schneckengetriebes wird innerhalb des Forschungsvorhabens FVA 729 I ein vollparametrisches thermisches Netzwerk aufgestellt, mit dem der zeitabhängige Temperaturhaushalt des Getriebes ermittelt werden kann. Die verschiedenen Verlustleistungen werden als Wärmequellen mit einem System aus thermischen Widerständen und Kapazitäten gekoppelt und so ein Netzwerk aufgebaut. Analog zu elektrischen Schaltkreisen fließt ein Wärmestrom aufgrund der Temperaturdifferenz zwischen zwei isothermen Knotenpunkten. Die Wärmekapazität eines Knotens beschreibt seine Fähigkeit, Wärme aufzunehmen. Werden die stationären Temperaturen des Getriebes für einen bestimmten Lastfall gesucht, ist eine Betrachtung ohne Wärmekapazitäten ausreichend. Für instationäre Vorgänge muss ein vollständiges Netzwerk mit Widerständen und Kapazitäten aufgebaut werden. Der Wärmefluss über einen thermischen Widerstand bzw. über eine Parallelschaltung von Widerstand und Kapazität ist schematisch in Bild 3 dargestellt. In Bild 4 ist ein Ausschnitt aus einem thermischen Netzwerk eines Schneckengetriebes dargestellt, in dem die Diskretisierung des Zahneingriffs gezeigt wird. Die Schneckenzähne (1) und Radzähne (4) sind jeweils durch einen Knotenpunkt, dem eine Wärmekapazität C i zugeordnet ist modelliert. Die Wärmequelle P VZ fließt in beide Knotenpunkte und muss entsprechend auf beide Komponenten aufgeteilt werden. Eine Möglichkeit hierzu zeigen R EIßMANN und P LOTE [RP95]. Von den Zähnen der Schnecke fließt die Wärme in die benachbarten Wellenabschnitte (2) und (3) sowie in den Schmierstoff (5), welcher wiederum mit sehr vielen weiteren Getriebekomponenten in Kontakt steht und Wärme aus den weiteren Wärmequellen wie den Lagern aufnimmt. Das Aufstellen eines thermischen Netzwerkes führt zu einem Gleichungssystem, dessen Lösung die gesuchten Komponententemperaturen sind. Im stationären Fall ergibt sich ein lineares Gleichungssystem, bestehend aus einer Leitwertmatrix L_, die die Reziprokwerte der thermischen Widerstände enthält, einem Temperaturvektor 56 Tribologie + Schmierungstechnik 65. Jahrgang 1/ 2018 Bild 2: Verlustleistungen über dem Eingriffswinkel für das Forschungsgetriebe aus FVA 729 I mit Achsabstand a = 125 mm, Übersetzung i = 60, Ölsumpftemperatur ϑ S = 60 °C, Abtriebsdrehmoment T 2 = 1500 Nm und Antriebsdrehzahl n 1 = 1400 min-1, angestellte Lagerung der Schneckenwelle mit Kegelrollenlagern Bild 3: Wärmeleitung über thermischen Widerstand (links) und Parallelschaltung von Widerstand und Kapazität (rechts) Bild 4: Ausschnitt aus einem Beispiel für ein thermisches Netzwerk eines Schneckengetriebes T+S_1_18 06.12.17 12: 20 Seite 56 Aus der Praxis für die Praxis T → und einem Verlustleistungsvektor P → . Da die einzelnen Leitwerte oft temperaturabhängig sind, ist eine iterative Vorgehensweise erforderlich. L_ · T → = P → (2) Die Betrachtung eines stationären thermischen Netzwerks zeigt die Beharrungstemperaturen der Bauteile für konstante Lasten und gibt Auskunft über die Temperatursicherheit des Getriebes. Im Falle eines instationären Netzwerks ergibt sich eine Differentialgleichung erster Ordnung, da zu den genannten Termen zusätzlich ein inhomogener Anteil in Form einer Matrix C_ mit Wärmekapazitäten und einem Vektor T → ˙, der den Temperaturgradienten enthält hinzugefügt werden muss. C_ · T → ˙ + L_ · T → = P → (3) Durch eine Lösung der entsprechenden Gleichung mit geeigneten numerischen Verfahren lässt sich so aus dem thermischen Netzwerk die Temperatur jedes Knotens zu jedem Zeitpunkt bestimmen. In Bild 5 sind die zeitlichen Verläufe der Knotentemperaturen für ein Beispielgetriebe mit Achsabstand a = 63 mm, Nennübersetzung i = 8,25 und dem Betrieb mit einem Lastkollektiv mit wechselnder Belastung zu sehen. Die Verzahnungsverlustleistung ist in diesem Beispiel noch nicht an die Ölsumpftemperatur gekoppelt. Während der Aufheizzeit t T+ = 30 min wird das Getriebe mit einem Abtriebsdrehmoment T 2 = 200 Nm und einer Antriebsdrehzahl n 1 = 1500 1/ min belastet und während der Abkühlzeit t T- = 15 min wird nicht angetrieben, es sind also die Drehmomente und Drehzahlen am An- und Abtrieb gleich null. Die Berechnung erfolgt für vier Abfolgen der beiden Fälle. Dieses Lastkollektiv ist schematisch ebenfalls in Bild 5 skizziert. Es ist erkennbar, dass die Getriebekomponenten nicht bis zur Beharrungstemperatur aufgeheizt werden, da vor Eintreten dieses Zustandes bereits wieder eine Abkühlung stattfindet. Ebenso fällt auf, dass die Abkühlphasen nicht lange genug sind, um die Temperaturen auf Umgebungsniveau abzusenken, was dazu führt, dass sie bei jeder Aufheizphase etwas höher sind als bei der vorherigen. Anhand von Bild 5 wird ersichtlich, dass bei Nicht-Erreichen der Beharrungstemperatur nicht alle Knotentemperaturen zum gleichen Zeitpunkt mit dem Abkühlvorgang beginnen. Die Knoten, an denen im Betrieb eine Verlustleistung auftritt, beginnen sofort nach dem Ende der Verlustleistungszufuhr, also mit Wegfall der Wärmequelle mit dem Abkühlen. Dies sind beispielsweise die Verzahnungskomponenten und die Lager. Die Knotenpunkte, die sich nur aufgrund des Kontakts mit anderen Knotenpunkten erwärmen, wie zum Beispiel das Gehäuse, erwärmen sich noch eine gewisse Zeit nach dem Wegfall der Wärmequellen weiter, da sie dann noch immer mit Knotenpunkten im Kontakt sind, die eine höhere Temperatur aufweisen als sie selbst. 4 Kopplung von Tribosimulation und thermischem Netzwerk Durch die Kopplung der Tribosimulation mit einem parametrischen Programm zum thermischen Haushalt kann der Verlauf der Temperaturen und Verlustleistungen in einem Schneckengetriebe über der Laufzeit für beliebige Lastfälle betrachtet werden. Die Ölsumpftemperatur, welche eine Eingangsgröße zur Berechnung aller Verlustleistungen darstellt, wird in jedem Zeitschritt neu berechnet. Anschließend werden ausgehend von dieser Temperatur die Verlustleistungen der Verzahnung, Lager Tribologie + Schmierungstechnik 65. Jahrgang 1/ 2018 57 Bild 5: Zeitlicher Verlauf der Temperaturen für vier ausgewählte Knoten für ein Schneckengetriebe mit a = 63 mm, i = 8,25, Polyglykolschmierung bei n 1 = 1500 min -1 und T 2 = 200 Nm im Aussetzbetrieb mit Aufheizzeit t T+ = 30 min und Abkühlzeit t T- = 15 min (links), Lastkollektiv schematisch (rechts) T+S_1_18 06.12.17 12: 20 Seite 57 Aus der Praxis für die Praxis und Dichtungen berechnet und für die Temperaturberechnung des nächsten Zeitschrittes herangezogen. Parallel dazu erfolgt die Lastiteration. Innerhalb jedes Zeitschrittes muss überprüft werden, ob die Lastvorgabe in Form des Abtriebsdrehmoments T 2 erreicht wurde und gegebenenfalls das Drehmoment an der Verzahnung angepasst werden. Der Ablauf der gekoppelten Berechnung ist durch ein Ablaufdiagramm in Bild 6 dargestellt. Durch Vorgabe einer konstanten Last können die Verluste für statische Betriebspunkte berechnet werden. Drehmoment und Drehzahl können jedoch auch für jeden Zeitschritt neu vorgegeben werden, so können auch veränderliche Belastungen wie zum Beispiel Lastkollektive simuliert werden, wodurch es möglich wird, den Wirkungsgrad von Schneckengetrieben instationär und somit praxisnah zu berechnen. Die Auflösung in Form der Länge der Zeitschritte kann frei gewählt und so der Rechenaufwand problemspezifisch angepasst werden. In Bild 7 sind die Verläufe verschiedener Temperaturen und Verlustleistungen über der Laufzeit für ein Schneckengetriebe mit Achsabstand a = 63 mm, Übersetzung i = 8,25 und Schmierung mit einem polyglykolbasierten Öl zu sehen. Zu Beginn der Simulation weisen alle Temperaturen im Gehäuse die Temperatur der Umgebung ϑ U = 25 °C auf. Das Getriebe wird mit einer Eingangsdrehzahl von n 1 = 1500 min -1 und einem Abtriebsdrehmoment von T 2 = 200 Nm belastet. Während der Laufzeit t = 40 min erwärmen sich die Getriebekomponenten unterschiedlich stark, die Temperatur des Schmierstoffs beträgt am Ende der Laufzeit ϑ Oel = 60 °C. Mit steigender Schmierstofftemperatur steigen auch die Verzahnungsverluste P VZ (vgl. Bild 7 links). Da in diesem Betriebspunkt der Anteil der Festkörperreibung eine entscheidende Rolle spielt, führt die sinkende Viskosität zu einer geringeren Schmierspalthöhe wodurch die mittlere Reibungszahl steigt. Im Gegensatz hierzu sinken die Lagerverlustleistungen P VL (vgl. Bild 7 rechts), da sich hier die niedrigere Viskosität positiv auf die Reibungszahl auswirkt. Die 58 Tribologie + Schmierungstechnik 65. Jahrgang 1/ 2018 Bild 6: Ablaufdiagramm der gekoppelten Berechnung zum tribologischen und thermischen Verhalten eines Schneckengetriebes Bild 7: Temperaturen ϑ i von Schmierstoff und Verzahnung und Verzahnungsverlustleistung P VZ über der Laufzeit t (links), Temperaturen ϑ i von Schmierstoff und Lagern und Lagerverlustleistung P VL über der Laufzeit t (rechts) für ein Schneckengetriebe mit a = 63 mm, i = 8,25, Polyglykolschmierung bei n 1 = 1500 min -1 und T 2 = 200 Nm T+S_1_18 06.12.17 12: 20 Seite 58 Aus der Praxis für die Praxis Veränderung liegen in einem Bereich von ΔP VZ = 2,5 W und ΔP VL = 1 W und sind somit klein im Vergleich zur gesamten Verlustleistung des Getriebes. Die Auswirkungen von Änderungen der Schmierstofftemperatur variieren stark mit der Getriebebaugröße und der anliegenden Last. Da im Schneckengetriebe Mischreibung vorliegt, können die Effekte einer niedrigeren Schmierstoffviskosität reibungszahlsteigernd oder -senkend sein, je nachdem welchen Anteil Festkörper- und Flüssigkeitsreibung besitzen. 5 Experimentelle Untersuchungen Der Wirkungsgrad und das thermische Verhalten von Schneckengetrieben unterschiedlicher Baugrößen werden am modular aufgebauten MEGT-Verspannungsprüfstand im Rahmen des Forschungsvorhabens FVA 729 I experimentell untersucht. Am Getriebe werden Drehmomente und Drehzahlen am Ein- und Ausgang sowie die Temperaturen an neun verschiedenen Stellen gemessen, darunter mittels Telemetrie die Temperatur des rotierenden Schneckenrades an zwei gegenüberliegenden Messstellen. Der Prüfaufbau ist in Bild 8 zu sehen. Die experimentellen Untersuchungen beinhalten neben der Bestimmung des Wirkungsgrades für statische Betriebspunkte und Lastkollektive auch die Messung der Verlustleistung während des Aufheizvorganges. In Bild 9 sind Messwerte der einzelnen Komponententemperaturen ϑ i über der Messzeit t mess im Aussetzbetrieb für ein Schneckengetriebe mit Achsabstand a = 40 mm, Übersetzung i = 60, Schmierung mit Polyglykol ISO VG 460 bei einer Antriebsdrehzahl von n 1 = 1400 min -1 und einem Abtriebsdrehmoment T 2 = 50 Nm dargestellt. Die Temperatur des Schmierstoffs steigt ausgehend von ϑ Oel = 60 °C auf einen Maximalwert von ca. ϑ Oel = 71 °C am Ende der Messung, wobei die Simulation einen Wert von ϑ Oel = 75 °C ausgibt, was eine sehr gute Übereinstimmung bedeutet. Während im Versuch die Radmassentemperatur des Schneckenrades gemessen wurde, wird simulativ die Temperatur der Radzahnflanke berechnet, welche deutlich wärmer ist. 6 Zusammenfassung und Ausblick Die Verlustleistung und die Schmierstofftemperatur in Schneckengetrieben beeinflussen sich wechselseitig. Dieser Beitrag zeigt eine physikalisch begründete Methode, mit der durch Verbindung einer Analyse des tribologischen Verhaltens zur Berechnung der Verlustleistungen und eines Modells zum thermischen Haushalt die Temperaturen und Verluste im Getriebe abhängig von Last und Zeit berechnet werden können. Der Vergleich der Simulation mit experimentellen Untersuchungen zeigt, dass durch das Berechnungsverfahren die Schmierstofftemperatur für instationäre Belastungen zuverlässig vorhergesagt werden kann. Die Methode ermöglicht die Wirkungsgradberechnung für Schneckengetriebe unter verschiedensten instationären, praxisnahen Tribologie + Schmierungstechnik 65. Jahrgang 1/ 2018 59 Bild 8: MEGT-Verspannungsprüfstand, Aufbau für Schneckengetriebe mit Achsabstand a = 125 mm Bild 9: Schmierstofftemperatur ϑ Oel und Verlustleistung P V,ges über der Messzeit tmess für ein Schneckengetriebe mit a = 40 mm, i = 60, Polyglykolschmierung im Aussetzbetrieb bei n 1 = 1400 / 0 min -1 und T 2 = 50 / 0 Nm bestimmt durch Experiment (links) bzw. Simulation (rechts) T+S_1_18 06.12.17 12: 20 Seite 59 Aus der Praxis für die Praxis Belastungen wie Lastkollektiven oder im Aussetzbetrieb. Danksagung Die Autoren danken der Forschungsvereinigung Antriebstechnik (FVA) und der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen „Otto von Guericke“ e.V. (AiF) für die freundliche Unterstützung im Rahmen des Forschungsvorhabens 729 I „Schneckengetriebewirkungsgrade“ (IGF-Vorhaben 18275 N). Literatur [Bou91] B OUCHÉ , B.: Reibungszahlen von Schneckengetrieben im Mischreibungsgebiet. Dissertation, Ruhr-Universität Bochum, 1991 [CP02] C HANGENET , Chr.; P ASQUIER , M.: Power Losses and Heat Exchange in Reduction Gears: Numerical and Experimental Results. In: 2nd International Conference on Gears. Düsseldorf: VDI-Verlag GmbH, 2002 (VDI Berichte 1665), S. 603-613 [Eng11] E NGELKE , T.: Einfluss der Elastomer-Schmierstoff-Kombination auf das Betriebsverhalten von Radialwellendichtringen. Dissertation, Universität Hannover, 2011 [Fun83] F UNCK , G.: Wärmeabführung bei Getrieben. FVA-Vorhaben Nr. 69/ I, Heft Nr. 162, Frankfurt/ M. 1983 [Gei14] G EIGER , J.: Wirkungsgrad und Wärmehaushalt von Zahnradgetrieben bei instationären Betriebszuständen. Dissertation, Technische Universität München, 2014 [Her08] H ERMES , J.: Tragfähigkeit von Schneckengetrieben bei Anfahrvorgängen sowie Last- und Drehzahlkollektiven. Dissertation, Ruhr-Universität Bochum, 2008 [ISO/ TR14179] ISO/ TR 14179-2: 2001: Gears - Thermal capacity - Part 2: Thermal load-carrying capacity [Mag12] M AGYAR , B.: Tribo-dynamische Untersuchungen von Schneckengetrieben. Dissertation, Technische Universität Kaiserslautern, 2012 [MS14] M AGYAR , B.; S AUER , B.: Calculation of the efficiency of worm gear drives. International Gear Conference, Volume I, pp. 15-23. Woodhead Publishing: Cambridge (UK), 2014 [Pre82] P REDKI , W.: Hertzsche Drücke, Schmierspalthöhen und Wirkungsgrade von Schneckengetrieben. Dissertation, Ruhr-Universität Bochum, 1982 [RM15] R EITINGER , M.; M ONZ , A.: Tragfähigkeit und Wirkungsgrad von Schneckengetrieben bei Fettschmierung. FVA-Vorhaben Nr. 522/ II, Heft Nr. 1129, Frankfurt/ M. 2015 [RP95] R EIßMANN , J.; P LOTE , H.: Blitztemperatur - Wärmeaufteilung der Wälz-Gleit-Paarungen. FVA-Vorhaben Nr. 231/ I+II, Heft Nr. 462, Frankfurt/ M. 1995 [SKF08] SKF Hauptkatalog - Das Wälzlagerhandbuch für Studenten. Druckschrift 6000/ I DE, 2008 [Suc13] S UCKER , J.: Entwicklung eines Tragfähigkeitsberechnungsverfahrens für Schraubradgetriebe mit einer Schnecke aus Stahl und einem Rad aus Kunststoff. Dissertation, Ruhr-Universität Bochum, 2013 [Wil74] W ILKESMANN , H.: Berechnung von Schneckengetrieben mit unterschiedlichen Zahnprofilformen. Dissertation, TU München, 1974 60 Tribologie + Schmierungstechnik 65. Jahrgang 1/ 2018 Falls Sie eine Veröffentlichung wünschen, bitten wir Sie, uns die Daten auf einer CD, zur Sicherheit aber auch als Ausdruck, zur Verfügung zu stellen. Schön ist es ferner, wenn die Bilder durchnummeriert und bereits an der richtigen Stelle platziert sowie mit den zugehörigen Bildunterschriften versehen sind. Da wir auf die Einheit von Text und Bild großen Wert legen, bitten wir, im Text an geeigneter Stelle einen sogenannten (fetten) Bildhinweis zu bringen. Das Gleiche gilt für Tabellen. Auch sollten die Tabellen unsere Art des Tabellenkopfes haben. Die Artikel dieses Heftes zeigen Ihnen, wie wir uns den Aufbau Ihres Artikels vorstellen. Vielen Dank. Bitte lesen Sie dazu auch unsere ausführlichen „Hinweise für Autoren“ (Seite 72). Aktuelle Informationen über die Fachbücher zum Thema „Tribologie“ und über das Gesamtprogramm des expert verlags finden Sie im Internet unter www.expertverlag.de Ihre Mitarbeit in Tribologie und Schmierungstechnik ist uns sehr willkommen! T+S_1_18 11.01.18 13: 29 Seite 60