eJournals Tribologie und Schmierungstechnik 65/2

Tribologie und Schmierungstechnik
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0724-3472
2941-0908
expert verlag Tübingen
0401
2018
652 Jungk

Ein neuartiges Kegel-Rotationstribometer zur Untersuchung des Reibverhaltens polymerer Werkstoffe im Linienkontakt

0401
2018
Achim Frick
Vibunanthan Muralidharan
Michael Borm
Es wurde ein neuartiges Kegel-Rotationstribometer entwickelt für tribologische Studien an ringförmigen Proben im Linienkontakt mit einem konischen Gegenlaufpartner. Das Tribometer erlaubt die Untersuchung von Proben in einem weiten Gleitgeschwindigkeitsbereich. Mit Hilfe des Tribometers wurden definierte Proben aus Nitrilbutadien-Elastomer (NBR) auf ihre Reibungseigenschaften unter Trockenlaufbedingungen untersucht und die Reibeigenschaften mit den viskoelastischen Eigenschaften der Proben korreliert.
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gebenenfalls auch zielgerichtet nach den tribologischen Anforderungen ausgewählt bzw. optimiert werden können, z. B. durch inkorporierte Reibungsmodifikatoren oder Füllstoffe. Hohe Reibung und intensiver Verschleiß würden beispielsweise bei einer dynamischen Dichtung einen Leichtlauf verhindern und eine unzulässige und wachsende Leckage bewirken und schließlich zu einem Systemausfall führen [1-4]. Tribologische Anwendungen erfordern folglich hoch verschleißbeständige polymere Werkstoffe mit extrem geringer Reibung [4, 5]. Die Untersuchung des Reibungs- und Verschleißverhaltens von potentiellen Werkstoffen für eine tribologische Anwendung erfolgt mittels eines Tribometers. Für die Nachstellung des in der Anwendung auftretenden Kontaktzustandes bedarf es dabei eines geeigneten Prüfgeräts. Pin-on-Disc-Tribometer prüfen das Reibungsverhalten einer zylindrischen Untersuchungsprobe im stirnseitigen Flächenkontakt zu einer rotierenden Scheibe. Diese Art des Kontakts entspricht keineswegs dem Berührungszustand einer dynamischen Dichtung im Kontakt mit einer rotierenden Welle; hier handelt es sich vielmehr um einen Linienkontakt zwischen Dichtung Aus der Praxis für die Praxis 54 Tribologie + Schmierungstechnik · 65. Jahrgang · 2/ 2018 1 Einleitung Reibung ist eine bekanntes Problem und in vielen technischen Anwendungen eine relevante Fragestellung. Das Phänomen Reibung wird maßgeblich durch die involvierte Werkstoffpaarung und die Kontaktbedingungen sich relativ bewegender Körperoberflächen bestimmt. Auf der Suche nach energieeffizienten Lösungen für kinetische Systeme kommt der Minimierung der Reibung große Bedeutung zu. Polymere Werkstoffe, sowohl Kunststoffe als auch Elastomere finden heute vielfältigen Einsatz auch in Anwendung mit herausragenden, tribologischen Anforderungen, z. B. für hochbeanspruchte Zahnrädern für Lenkungen oder stick-slip-freie, dynamische Wellendichtungen. Entsprechend wichtig ist es, ein grundlegendes Verständnis zum Reibungs- und Verschleißverhalten potentieller Polymerwerkstoffe zu entwickeln, damit diese ge- Ein neuartiges Kegel-Rotationstribometer zur Untersuchung des Reibverhaltens polymerer Werkstoffe im Linienkontakt A. Frick, V. Muralidharan, M. Borm* Es wurde ein neuartiges Kegel-Rotationstribometer entwickelt für tribologische Studien an ringförmigen Proben im Linienkontakt mit einem konischen Gegenlaufpartner. Das Tribometer erlaubt die Untersuchung von Proben in einem weiten Gleitgeschwindigkeitsbereich. Mit Hilfe des Tribometers wurden definierte Proben aus Nitrilbutadien-Elastomer (NBR) auf ihre Reibungseigenschaften unter Trockenlaufbedingungen untersucht und die Reibeigenschaften mit den viskoelastischen Eigenschaften der Proben korreliert. Schlüsselwörter Tribometer, Polymerwerkstoff, Elastomer, NBR; Dichtung, Linienkontakt, Ruß A novel Rotational cone tribometer is developed for tribological studies of ring shaped samples in line contact against a conical shaft. The versatile construction of the tribometer allows for a wide sliding speed range. Defined Nitrile Butadiene Rubber (NBR) compounds were tested using the tribometer and correlation between their visco-elastic and tribological properties were studied. By analyzing the forces in the XY plane, the "running-in" phase was identified. Also the wear at the contact interface was approximated. By performing FFT on the Z force component, the various instabilities in the contact interface were observed. Keywords Tribometer, Polymer, Elastomer, NBR, Sealing, Carbon-black Kurzfassung Abstract * Prof. Dr.-Ing Achim Frick Vibunanthan Muralidharan M. Sc. Michael Borm M. Sc. Hochschule Aalen, D-73430 Aalen, Germany T+S_2_2018_.qxp_T+S_2018 08.02.18 15: 35 Seite 54 und Gegenlaufpartner [6]. Die Untersuchung des Reibungsverhalten von potentiellen Polymerwerkstoffen für dynamische Dichtungen erfordert deshalb ein spezielles Tribometer, das eine tribologische Prüfung der Proben im Linienkontakt erlaubt, ähnlich dem Kontaktzustand eines Wellendichtrings [2, 3]. Der vorliegende Artikel stellt ein neuartiges Kegel-Rotationstribometer vor, das zur Untersuchung des Reibungsverhaltens von polymeren Dichtungswerkstoffen mit tribologischem Linienkontakt vorteilhaft eingesetzt werden kann, weil der Kontaktzustand im Prüfgerät weitestgehend dem einer Wellendichtung unter Einsatzbedingungen entspricht. 2. Kegel-Rotationstribometer Die Idee des Kegel-Rotationstribometers ist, bei der Untersuchung des Reibungsverhaltens einer Probe mit einem möglichst einfachen Versuchsaufbau einen definierten Linienkontakt zwischen Probe und Gegenlaufpartner herzustellen. Dies wird dadurch erreicht, dass ein rotierender Kegel mit einer zu Versuchsbeginn definierten Längskraft gegen eine ringförmige Probe wirkt, Bild 1. Mit dem Prüfgerät lassen sich ringförmige Proben unterschiedlichen Innendurchmessers untersuchen. Im vorliegenden Fall wurden 6 mm dicke Proben mit einem Außendurchmesser von 40 mm und einem Innendurchmesser (Kontaktdurchmesser) von 24 mm geprüft. Bild 1 zeigt schematisch den Versuchsaufbau des neuartigen Kegel-Rotationstribometers. Ein drehbeweglicher Kegel (Gegenlaufpartner) wird durch einen elektrischen Servomotor (A) angetrieben, die Drehzahl ist variabel bis 3000 min -1 einstellbar. Die resultierende Gleitgeschwindigkeit in der Kontaktzone zwischen Probe und Gegenlaufpartner wird durch den Kontaktdurchmesser bestimmt. Bei einem nominellen Kontaktdurchmesser von 24 mm wird eine maximale Gleitgeschwindigkeit von 3,7 m∙s -1 erreicht. Die ringförmige Untersuchungsprobe wird mittels des Probenhalters in Position gehalten, dadurch dass ein Niederhalter die Probe entlang ihres Umfangs gleichmäßig festklemmt. Der Probenhalter sitzt auf einem in drei Achsen messenden Kräfte-Momenten-Sensor, der in der Probe wirksame Kräfte F x , F y und F z und angreifende Momente M x , M y und M z misst. Die Daten werden mittels LabVIEW Software mit einer Datenerfassungsrate von 50 Hz erfasst und aufgezeichnet. Der Probenhalter (B) samt Kräfte-Momenten-Sensor (C) sind vertikal verschiebbar angeordnet, Bild 1. Durch Verschieben der im Probenhalter befindlichen ringförmigen Probe gegen den vertikal feststehenden, drehbaren Kegel lässt sich in der linienförmigen Kontaktzone der Gegenlaufpartner eine definierte Kontaktkraft (Linienpressung) einstellen, die sich aus der gewählten Vertikalkraft F z ergibt. Der Probenhalter (B) dient bei geschmierten Versuchen auch als Schmierstoffbehälter. Alle vorliegend durchgeführten Reibungsmessungen wurden bei Raumtemperatur durchgeführt. Der drehbare Kegel (Gegenlaufpartner der Untersuchungsprobe) besitzt einen Kegelwinkel (γ) von 30° ± 1° und besteht aus Stahl (100Cr6) mit einer Oberflächenhärte von 64 ± 2 HRC. Die Rauigkeit R z beträgt 2 µm. 3. Untersuchungswerkstoffe Das entwickelte Kegel-Rotationstribometer erlaubt sowohl die Untersuchung von Kunststoffen als auch Elastomeren. Zur Demonstration der Leistungsfähigkeit des Prüfgeräts wurden Reibungsuntersuchungen an Proben aus Nitril-Butadien-Elastomer (NBR) im trockenen Zustand durchgeführt. NBR ist ein üblicherweise eingesetzter elastomerer Werkstoff für ölbeständige Dichtungsanwendungen. Das untersuchte NBR-Elastomer besitzt einen Acrylnitrilgehalt von 33 Vol. % und eine Aus der Praxis für die Praxis 55 Tribologie + Schmierungstechnik · 65. Jahrgang · 2/ 2018 Bild 1: Kegel-Rotationstribometer mit Probenhalter (schematisch) T+S_2_2018_.qxp_T+S_2018 08.02.18 15: 35 Seite 55 Beim rampenartigen Geschwindigkeitsanstieg zwischen den einzelnen Geschwindigkeitsstufen betrug die Beschleunigung 2 m∙s -2 . Die Zeitdauer der einzelnen Geschwindigkeitsstufen dauerte mindestens für eine komplette Umdrehung des Rotationskegels im Kontakt mit der Untersuchungsprobe. Der Versuchsablauf berücksichtigt, dass eine Beschleunigung (> 5 m·s -2 ) zum Erreichen der unterschiedlichen Geschwindigkeitsstufen zu Kontaktinstabilitäten in der Untersuchungsprobe führt, insbesondere bei der Untersuchung von weichen gummiartigen Reibproben [7]. Neben der Messung des dynamischen Reibungskoeffizients einer Probe in Abhängigkeit der Gleitgeschwindigkeit wurde auch der Haftreibungskoeffizient bestimmt. Bild 3 zeigt die wirksamen Kräfte in der Kontaktzone zwischen Rotationskegel und Untersuchungsprobe. Die Kontakt-Normalkraft (F N ) wirkt unter einem Winkel von 30° zur eingestellten Vertikalkraft (F Z ), infolge der festgelegten Geometrie des Rotationskegels. Die wirksamen Kräfte und Momente in der Reibungskontaktzone wer- Aus der Praxis für die Praxis 56 Tribologie + Schmierungstechnik · 65. Jahrgang · 2/ 2018 Mooney-Viskosität ML(1+4) 100 °C von 42. Es wurden Mischungen mit unterschiedlichen Rußgehalten zwischen 10 phr bis 65 phr hergestellt und daraus anschließend 6 mm dicke Platten gepresst. Die Vulkanisationsbedingungen wurden entsprechend DIN 53529 gewählt. Als Füllstoff-Ruß fand Gasruß mit einer BET-Oberfläche nach Brunauer-Emmett-Teller von 77 m 2 ∙g -1 Anwendung. 4. Versuchsdurchführung Da der drehbare Kegel des Kegel-Rotationstribometers durch einen elektrischen Servomotor angetrieben wird und sich der Servomotor softwaretechnisch regeln lässt, können im Rahmen der technischen Grenzen des Antriebs beliebige Drehzahlprofile programmiert werden. Die vorliegenden Untersuchungen wurden in einem Gleitgeschwindigkeitsbereich von 1∙10 -3 m∙s -1 bis 2 m∙s -1 durchgeführt (Bild 2), die Erhöhung der Geschwindigkeit erfolgte dabei in Stufen von 150 min -1 (ca. 0,2 m∙s -1 ). 0 100 200 300 400 500 600 0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 Gleitgeschwindigkeit [m/ s] Zeit [s] Messprogram 0 50 100 150 200 250 300 0,0 0,4 0,8 1,2 1,6 2,0 1 mm/ s 1 mm/ s 1 mm/ s Bild 2: Geschwindigkeitsprofile in Abhängigkeit der Zeit (Meßprogramm) Bild 3: Kontaktzone der Gegenlaufpartner und wirksame Kräfte den zugehörig zu den Gleitgeschwindigkeitsstufen mittels des Kräfte-Momenten-Sensors kontinuierlich während des Versuchs gemessen. Aus dem gemessenen Reibmoment (M z ) und der aus der Vertikalkraft (F z ) ermittelten Normalkraft (F N ) errechnet sich der Reibkoeffizient µ nach Gleichung (1) [1]. (1) (2) Es bezeichnen µ den Reibkoeffizient, M Z das Reibmoment in N∙m, F z die Vertikalkraft in N (F z = F N ∙ sin (γ)), P L die Linienpressung in N∙m -1 und d den Innendurchmesser der Ringprobe in m. Die in der Kontaktzone wirksame Normalkraft (F N ) bestimmt die Linienpressung (P L ) des Reibkontakts und F d F Z sin M 2 Z Z sin d P F L Z γ T+S_2_2018_.qxp_T+S_2018 08.02.18 15: 35 Seite 56 ergibt sich aus der aufgebrachten Vertikalkraft (F z ). Die Literatur gibt für die Linienpressung von Wellendichtungen Werte zwischen 0,1 und 0,4 N∙mm -1 an [6]. Für die vorliegenden Untersuchungen wurde die Linienpressung zu 0.4 N∙mm -1 gewählt, was einer Vertikalkraft F Z von 15,1 N entspricht unter der Annahme dass eine Linienpressung von 0,2 N∙mm -1 wirkt bei einem Kontaktdurchmesser von 24 mm. Vor jedem Reibungsversuch wurden die Kontaktoberfläche der Elastomerprobe und die Oberfläche des Rotationskegels mit Ethanol gereinigt. Die dargestellten Reibwerte der nachfolgenden Untersuchungen sind Mittelwerte aus 5 Messungen. 5. Untersuchungsergebnisse und Diskussion Die Reibung bei Elastomeren setzt sich aus einem Deformations- und einem Adhäsionsanteil zusammen. Bei der Deformation spielt insbesondere der Hystereseverlust des Werkstoffs eine wesentliche Rolle. Im Falle einer genügend rauen Oberfläche kann der Beitrag der Adhäsion zwischen den Kontaktflächen der Gegenlaufpartner an der Gesamtreibung vernachlässigt werden. Der Hystereseverlust liegt im viskoelastischen Deformationsverhalten eines Elastomers begründet und entsteht deformationsinduziert bei der Wechselwirkung der rauen und steifen Gegenlauffläche mit der realen Kontaktfläche des Elastomers und ist eine stoffabhängige Eigenschaft [5, 8, 9]. Der Reibungskoeffizient lässt sich vereinfacht wie folgt darstellen [5, 10]. (3) C ist ein Rauheitsparameter, er bestimmt die viskoelastische Deformation der Elastomeroberfläche durch die Rauigkeiten der Gegenlauffläche. E” (ω) bezeichnet den frequenzabhängigen Verlustmodul des Elastomers und A(v) ist die geschwindigkeitsabhängige, wahre Kontaktfläche. Bild 4 zeigt den Reibkoeffizient unterschiedlich rußgefüllter NBR-Proben in Abhängigkeit der Gleitgeschwindigkeit. Der Reibkoeffizient steigt bei allen untersuchten Proben mit zunehmender Gleitgeschwindigkeit. Bei Gleitgeschwindigkeiten unterhalb 15 ∙ 10 -3 m∙s -1 weisen die hoch gefüllten Proben den höchsten Reibkoeffizient auf, der Reibwert der Probe NBR 65 (65 phr Ruß) beträgt etwa 0,5. Die Reibungszahl der Probe NBR 10 ist hingegen mit 0,25 zweifach geringer. Dieses Ergebnis lässt sich erklären, die hoch gefüllte Probe ist vergleichsweise härter (Shore-Härte 80 zu 66 Shore A, Tabelle 1) und besitzt einen höheren Verlustmodul, Bild 4 rechts. Der Einfluss des hohen Verlustmoduls auf die Reibung kompensiert den positiven Einfluss einer reduzierten wahren Kontaktfläche bei höher gefüllten und damit steiferen Probe. Folglich zeigt die Probe NBR 65 bei sehr kleinen Gleitgeschwindigkeiten eine hohe Reibung. Bei höherer Gleitgeschwindigkeit drehen sich die Verhältnisse um. Die hochgefüllten NBR-Proben NBR 50 und NBR 65 weisen im Geschwindigkeitsbereich oberhalb 0.05 m∙s -1 konsistent die geringsten Reibwerte auf. Im hohen Gleitgeschwindigkeitsbereich beisitzen die mit 10 und 20 phr Ruß gefüllten Proben die höchsten Reibwerte. Bei einem geringem Rußgehalt sind die Proben vergleichsweise weicher und verschleißempfindlicher [5]. Aus der Praxis für die Praxis 57 Tribologie + Schmierungstechnik · 65. Jahrgang · 2/ 2018 Bild 4: Links: Reibungskoeffizient als Funktion der Gleitgeschwindigkeit für NBR-Proben mit unterschiedlichem Rußgehalt; Rechts: Verlustmodul (E“) als Funktion der Frequenz, Masterkurven: ermittelt durch WLF-Horizontal-Verschiebung aus DMA-Temperatur-Frequenz-Messungen A(v)) ), ( E" f(C, T+S_2_2018_.qxp_T+S_2018 08.02.18 15: 35 Seite 57 che durch deren größere Härte [5, 10]. Zusätzlich zu den bereits angesprochenen Faktoren spielt die Temperatur in der Kontaktfläche auch eine wichtige Rolle für das Reibverhalten einer Werkstoffpaarung. Die viskoelastischen Eigenschaften von Elastomeren sind stark temperaturabhängig und deswegen ändern sich auch deren Deformationseigenschaften stark mit der Temperatur und in der Folge die tribologischen Eigenschaften [9, 11]. 5.1 Reibungskontaktzustand Bei den vorliegenden Reibungsuntersuchungen wurden neben der Normalkraft und dem Reibmoment auch die Lateralkräfte (F X and F Y ) in der Probenebene während der Experimente gemessen. Diese Kräfte zeigen die seitliche Belastung auf die ringförmige Untersuchungsprobe. Idealerweise sollten bei guter Zentrierung und Rundlauf des der Probe gegenlaufenden Rotationskegels die seitlichen Kräfte Null sein. Im praktischen Versuch stellen sich durch eine gewisse Unrundheit der Probe und Aus der Praxis für die Praxis 58 Tribologie + Schmierungstechnik · 65. Jahrgang · 2/ 2018 Die Änderung im Reibverhalten bei höherer Gleitgeschwindigkeit (> 0,1 m∙s -1 ) und vergleichsweise längerem Gleitweg (> 10 m) kann deshalb als Folge eines erhöhten Kontaktverschleißes und von Kontaktinstabilität durch Verschleißpartikel in der Kontaktzone angesehen werden. Ein erhöhter Verschleiß führt zu einer Vergrößerung der wahren Kontaktfläche, was wiederum eine erhöhte Reibung bewirkt, siehe Gleichung 4 [5]. (4) F vis bezeichnet die Reibkraft infolge des Hystereseverlustes, τ f die Scherspannung durch Reibung und A(v) die wahre Kontaktfläche. Ein Grund für die vergleichsweise geringere Reibung bei den hoch gefüllten NBR-Proben (NBR 50 und NBR 65) im Gleitgeschwindigkeitsbereich oberhalb 0,15 m∙s -1 ist auch die vergleichsweise kleinere wahre Kontaktflä- Tabelle 1: Mechanische Eigenschaften der untersuchten NBR-Proben mit unterschiedlichen Rußgehalten (CB - Carbon Black). Durometer Bruch- Bruch- Reißenergie- Heizzeit Material Härte - spannung dehnung dichte bei 170 °C Shore A σ B ε B t 95 + 2 [-] [-] [MPa] [-] [MJ/ m 3 ] [min] NBR 10 phr CB 66 3,8 3,4 5,3 9,5 NBR 20 phr CB 69 7,2 3,2 8,1 7,3 NBR 35 phr CB 72 16,2 2,8 10,4 6,9 NBR 50 phr CB 76 15,6 2,6 14,9 7,1 NBR 65 phr CB 80 16,9 2,2 13,2 7,2 -10 -8 -6 -4 -2 0 2 4 -10 -8 -6 -4 -2 0 2 4 F Y [N] F x [N] NBR 10 NBR 65 Gleitgeschwindigkeit: 50 mm/ s - 65 mm/ s -10 -8 -6 -4 -2 0 2 4 -10 -8 -6 -4 -2 0 2 4 NBR 10 NBR 65 F Y [N] F x [N] Gleitgeschwindigkeit: 50 mm/ s - 65 mm/ s Bild 5: Gemessene Lateralkraftverläufe für die NBR-Proben NBR 10 und NBR 65; links: 1.Messzyklus, rechts: 5.Messzyklus T+S_2_2018_.qxp_T+S_2018 08.02.18 15: 35 Seite 58 Exzentrizität des Versuchsaufbaus von ca. 40 µm seitliche Kräfte ein. Die während der Reibungsuntersuchungen im Geschwindigkeitsbereich 5∙10 -2 m∙s -1 bis 6,5∙10 -2 m∙s -1 für die unterschiedlich rußgefüllten NBR-Proben gemessenen Lateralkräfte zeigt Bild 5. Im ersten Messdurchlauf eines Geschwindigkeits-Sweeps von insgesamt 5 Durchläufen findet sich eine deutliche Verschiebung der Lateralkräfte vom Nullpunkt hin zu einem Zentrum bei zirka -8, -2 N im Falle der Probe NBR 10 bzw. nach 0, 2 N bei der Probe NBR 65. Bei den verschiedenen Experimenten werden unterschiedliche Lateralkraftverläufe beobachtet, die auf unterschiedliche Unrundheiten und Exzentriziäten zurückzuführen sind und die Messungen beeinflussen. Im 5. Messzyklus, d.h. nach der 4. Wiederholungsmessung des Reibversuchs nähern sich die Zentrumspunkte der Lateralkraftverläufe an und liegen für die Probe NBR 10 bei 1, -1 N und für die Probe NBR 65 bei 2,5, -2 N. Diese Beobachtung legt nahe, dass die Kontaktzonen der jeweiligen Proben während der Wiederholungsmessungen und als Folge der anfänglich existierenden Unrundheit und Exzentrizität inhomogen verschleißen. Es lässt sich ferner annehmen, dass der 1.Messzyklus eine gewisse Einlaufphase darstellt. Weiterhin bemerkenswert ist der beobachtete, zyklische Verlauf der Vertikalkraft (F Z ) während einer Reibungsmessung. Die Vertikalkraft zeigt zeitabhängig einen harmonischen Verlauf. Eine Sinusschwingung entspricht dabei einer Umdrehung des der Proben gegenlaufenden Rotationskegels. Die Frequenz der Sinusschwingung hängt von der Drehzahl ab und wird durch die Unrundheit und Exzentrizität des Versuchsaufbaus beeinflusst. Durch eine Fast-Fourier-Transformation (FFT) lässt sich der Verlauf der Vertikalkraft genauer analysieren. Die erste harmonische Frequenz von 0,63 Hz, die sich aus der FFT-Analyse ergibt, entspricht der Drehzahl des gegen die Probe reibenden Rotationskegels von 36.7 min -1 , was wiederum einer Gleitgeschwindigkeit von 4,6∙10 -2 m∙s -1 entspricht bei einem nominellen Kontaktdurchmesser von 24 mm, Bild 6. Zusätzlich zur ersten harmonischen Frequenz finden sich Störungen von 1,6 Hz und 3 Hz mit jeweils einer Amplitude von ungefähr 0,05 N. Diese Störungen können aus Instabilitäten des Reibkontaktes herrühren, möglicherweise als Folge von Verschleißpartikeln in der Reibkontaktzone. Es wurde eine FFT-Analyse des mit einer Datenerfassungsrate von 50 Hz aufgezeichneten Vertikalkraftverlaufs, bei einer Gleitgeschwindigkeit von 4,6∙10 -2 m∙s -1 , für die unterschiedlich rußgefüllten NBR-Proben durchgeführt; die Ergebnisse zeigen die Bilder 6 und 7. Bei der gering gefüllten Probe NBR 10 finden sich Störungen mit 1,3 Hz, 1,5 Hz, 3 Hz, 6,2 Hz und 7,5 Hz und deren Amplituden sind ähnlich der der ersten harmonischen Frequenz. Die Probe NBR 20 zeigt ähnliche Ergebnisse, wobei die höherfrequenten Störungen vergleichsweise weniger ausgeprägt sind. Im Fall der höher rußgefüllten Proben NBR 35, NBR 50 und NBR 65 nehmen die höherfrequenten Störungen mit wachsendem Rußgehalt weiter ab. Mit fallenden Amplitudenhöhen der höherfrequenten Störungen wächst die Amplitude der ersten harmonischen Frequenz. Mit Hilfe der FFT- Analyse des zeitlichen Vertikalkraftverlaufs lässt sich erkennen, dass bei gleicher Gleitgeschwindigkeit und einem gleichen Gleitweg, im vorliegenden Fall von Aus der Praxis für die Praxis 59 Tribologie + Schmierungstechnik · 65. Jahrgang · 2/ 2018 420 422 424 426 428 430 11,6 11,8 12,0 12,2 12,4 12,6 12,8 13,0 13,2 F Z [N] Zeit [s] NBR 65 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 0,0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 Fast Fourier Transform NBR 65 Amplitude [N] Frequenz [Hz] 0.63 Hz Bild 6: Links: Vertikalkraftverlauf (FZ) innerhalb einer Geschwindigkeitsstufe; Rechts: Fast-Fourier-Transformation des zeitlichen Vertikalkraftverlaufs bei konstanter Gleitgeschwindigkeit von 4,6·10 -2 m·s -1 ; Probe: NBR 65 T+S_2_2018_.qxp_T+S_2018 08.02.18 15: 35 Seite 59 bis 2 m∙s -1 bei einer nominellen Linienpressung von 0,4 N∙mm -1 . Ein mit dem Probenhalter verbundener Kräfte-Momenten-Sensor erlaubt während der Reibungsmessungen, die in der Reibungskontaktzone auftretenden Kräfte und Momente in allen drei Raumrichtungen zu erfassen und gestattet ein Monitoring des Kontaktzustands während der Reibungsmessung. Die Analyse der in der Kontaktzone wirksamen Kräfte (F x , F y , F z ) erlauben Aussagen zu den Kontaktbedingungen einer untersuchten Reibpaarung. Durch FFT-Analyse des Vertikalkraftverlaufs sind bei einer Reibpaarung mögliche Kontaktinstabilitäten erkennbar. Aus diesen Informationen lässt sich ein weitergehendes Verständnis über den Reibkontakt entwickeln. Es kann das Einlaufverhalten einer Reibpaarung analysiert werden, wie die Auswertung des Lateralkräfteverlaufs von wiederholten Reibungsmessungen an einer Probe zeigt. Der Lateralkräfteverlauf über die Zeit gibt Hinweise zur Verschleißentwicklung in der Kontaktzone und einer möglicherweise inhomogenen Ausprägung innerhalb der Kontaktzone. Die untersuchten NBR-Proben mit geringem Rußgehalt zeigen vergleichsweise instabi- Aus der Praxis für die Praxis 60 Tribologie + Schmierungstechnik · 65. Jahrgang · 2/ 2018 650 m, der Reibkontaktzustand zwischen Probe und gegenlaufendem Rotationskegel für unterschiedlich gefüllte NBR-Proben signifikant unterschiedlich ist. Die wenig rußgefüllten Proben (NBR 10 und NBR 20) zeigen eine unstabile Kontaktausbildung, die durch höherfrequente Störungen gekennzeichnet ist. Im Gegensatz dazu bilden die höher gefüllten Proben stabile Reibkontakte aus. Für tribologische Anwendungen scheint ein höherer Rußgehalt für NBR-Elastomere vorteilhaft [12]. 6 Zusammenfassung Mit Hilfe eines neuartigen Kegel-Rotationstribometers wurde das trockene Reibungsverhalten von unterschiedlich rußgefüllten NBR-Proben (10 bis 65 phr Rußgehalt) untersucht und dabei der tribologische Linienkontakt zwischen den ringförmigen Elastomerproben unterschiedlicher Härte und dem gegenlaufenden Rotationskegel aus Stahl erforscht. Die Messungen des Reibungsverhaltens der verschiedenen Proben erfolgten bei Raumtemperatur in Abhängigkeit der Gleitgeschwindigkeit im Geschwindigkeitsbereich von 1∙10 -3 m∙s -1 Bild 7: FFT-Analyse des zeitlichen Vertikalkraftverlaufs von unterschiedlich rußgefüllten NBR-Proben bei einer konstanten Gleitgeschwindigkeit von 4,6·10 -2 m·s -1 T+S_2_2018_.qxp_T+S_2018 08.02.18 15: 35 Seite 60 le Reibkontakte mit höherfrequenten Störungen. Eine hochgefüllte NBR-Probe hingegen weist einen stabilen Gleitkontaktzustand auf. Instabilitäten im Gleitkontakt können sich auf das Reibmoment auswirken und damit auf den existierenden Reibwert eines Werkstoffs. Deswegen sollten bei der Untersuchung und Bewertung des Reibungsverhaltens einer Reibpaarung die Kontaktbedingungen und die Stabilität eines Reibkontaktes beachtet werden. Detektierte Änderungen bei den Kraftverläufen geben direkte Hinweise auf Änderungen in der Reibkontaktzone, das ist der Vorteil des beschriebenen Versuchsaufbaus des neuartigen Kegel-Rotationstribometers. Mit Hilfe des Tribometers lassen sich neue Erkenntnisse über Reibkontakte bei polymeren Werkstoffen gewinnen. Danksagung Die Autoren bedanken sich bei Prof. Dr. rer. nat. Nikolaus Rennar von der Hochschule Würzburg-Schweinfurt für die Herstellung definierter Proben für die vorliegende Untersuchung Literatur 1. HAAS, W. Grundlehrgang Dichtungstechnik [Accessed on: 06.02.2016]. Available from: www.ima.unistuttgart.de/ pdf/ dichtungstechnik/ skript_dichtungstechnik.pdf. 2. 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Jahrgang · 2/ 2018 Im expert verlag erscheinen Fachbücher zu den Gebieten Weiterbildung - Wirtschaftspraxis - EDV-Praxis - Elektrotechnik - Maschinenwesen - Praxis Bau / Umwelt / Energie sowie berufs- und persönlichkeitsbildende Audio-Cassetten und -CDs (expert audio) und Software (expertsoft) Themenverzeichnisse o Tribologie · Schmierungstechnik o Konstruktion · Maschinenbau · Tribologie · Verbindungstechnik · Oberflächentechnik · Werkstoffe · Materialbearbeitung · Produktion · Verfahrenstechnik · Qualität o Fahrzeug- und Verkehrstechnik o Elektrotechnik · Elektronik · Kommunikationstechnik · Sensorik · Mess-, Prüf-, Steuerungs- und Regelungstechnik · EDV-Praxis o Baupraxis · Gebäudeausrüstung · Bautenschutz · Bauwirtschaft/ Baurecht o Umwelt-, Energie- Wassertechnik · Hygiene / Medizintechnik o Sicherheitstechnik o Wirtschaftspraxis Bitte fordern Sie unser Verlagsverzeichnis auf CD-ROM an! expert verlag Fachverlag für Wirtschaft & Technik Wankelstraße 13 · D-71272 Renningen Postfach 20 20 · D-71268 Renningen Telefon (0 71 59) 92 65-0 · Telefax (0 71 59) 92 65-20 E-Mail expert@expertverlag.de Internet www.expertverlag.de Anzeige T+S_2_2018_.qxp_T+S_2018 08.02.18 15: 35 Seite 61