eJournals Tribologie und Schmierungstechnik 65/2

Tribologie und Schmierungstechnik
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0724-3472
2941-0908
expert verlag Tübingen
0401
2018
652 Jungk

Grenzbelastung von thermoplastischen Gleitkontakten am Beispiel von POM – PE Paarungen

0401
2018
Ralf Bartsch
Jens Sumpf
André Bergmann
Die Auslegung von Zug- und Tragmitteln in der Stetigfördertechnik (z. B. Kunststoffketten) basiert bisher auf einer rein mechanischen Dimensionierung. Jedoch sind mechanische Grenzwerte nur bedingt zur Vermeidung von Systemversagen anwendbar. Mit höheren Geschwindigkeiten oder Flächenpressungen steigt vor allem die thermische Belastung, welche ab einer bestimmten Temperatur zu Systemversagen aufgrund von Erweichen oder Aufschmelzen der Kunststoffe führt. Anhand systematischer Untersuchungen werden Zusammenhänge zwischen der Reibtemperatur, dem Reibwert, dem Verschleiß und Prozessparametern ermittelt. Auf dieser Grundlage werden Grenzwerte festgelegt und ein Modell zur Abschätzung der Reibtemperatur entwickelt.
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Zur Ermittlung der Zusammenhänge wurde ein umfangreiches Versuchsprogramm durchgeführt, bei dem der Einfluss der Gleitgeschwindigkeit und der Kontaktpressung auf den Reibwert, den Verschleiß und die Temperatur experimentell untersucht wurden. Experimentelle Methode Versuchsprogramm Das Versuchsprogramm besteht aus einer zweidimensionalen Variation der Parameter Gleitgeschwindigkeit und Flächenpressung. Diese wurden so gewählt, dass sie die real auftretenden Zustände in Fördersystemen mit Ketten und Gleitschienen aus Kunststoffen abdecken, d. h. die Geschwindigkeit liegt im Bereich von 0,1 bis 1 m/ s und die Pressung zwischen 0,2 und 0,8 MPa [Bos12, SBB15]. Als Werkstoffe werden für Ketten Polyoxymethylen (POM) und für Gleitschienen ultrahochmolekulares Polyethylen (PE-UHMW) am häufigsten eingesetzt. Um Einflüsse durch Additive oder Füllstoffe Aus der Praxis für die Praxis 62 Tribologie + Schmierungstechnik · 65. Jahrgang · 2/ 2018 Einleitung Die Auslegung von Zug- und Tragmitteln in der Stetigfördertechnik (z. B. Kunststoffketten) basiert bisher auf einer rein mechanischen Dimensionierung [Aue06, Mit07]. Jedoch sind mechanische Grenzwerte nur bedingt zur Vermeidung von Systemversagen anwendbar. Mit höheren Geschwindigkeiten oder Pressungen steigt vor allem die thermische Belastung, welche ab einer bestimmten Temperatur zu Systemversagen aufgrund von Erweichen oder Aufschmelzen der Materialien führt. Der Ursprung der thermischen Last liegt im Reibkontakt des tribologischen Systems. Das Verständnis, wie die Reibtemperaturen durch Prozessparameter beeinflusst werden, ermöglicht die Festlegung von Grenzwerten und Auslegungskriterien. Grenzbelastung von thermoplastischen Gleitkontakten am Beispiel von POM - PE Paarungen R. Bartsch, J. Sumpf, A. Bergmann* Die Auslegung von Zug- und Tragmitteln in der Stetigfördertechnik (z. B. Kunststoffketten) basiert bisher auf einer rein mechanischen Dimensionierung. Jedoch sind mechanische Grenzwerte nur bedingt zur Vermeidung von Systemversagen anwendbar. Mit höheren Geschwindigkeiten oder Flächenpressungen steigt vor allem die thermische Belastung, welche ab einer bestimmten Temperatur zu Systemversagen aufgrund von Erweichen oder Aufschmelzen der Kunststoffe führt. Anhand systematischer Untersuchungen werden Zusammenhänge zwischen der Reibtemperatur, dem Reibwert, dem Verschleiß und Prozessparametern ermittelt. Auf dieser Grundlage werden Grenzwerte festgelegt und ein Modell zur Abschätzung der Reibtemperatur entwickelt. Schlüsselwörter Gleitreibung, Trockenreibung, Reibtemperatur, Tribologie, thermoplastischer Kunststoff, pv-Wert The design of traction mechanism and load-carrier of continuous conveying units (e. g. plastic chains) based so far on a purely mechanical dimensioning. However, mechanical thresholds are only applicable in a limited way to avoid system failure. With higher speed or pressure, especially the thermal stress increases, which results in system failure based on softening or melting of the thermoplastics at a certain temperature. By means of systematic studies correlations between friction temperature, coefficient of friction, wear and process parameters are determined. On this basis, limits are determined and a model for estimating the friction temperature is developed. Keywords Sliding friction, dry friction, frictional temperature, tribology, thermoplastic polymer, pv-value Kurzfassung Abstract * Dr.-Ing. Ralf Bartsch Dr.-Ing. Jens Sumpf Dipl.-Ing. André Bergmann Technische Universität Chemnitz, Institut für Fördertechnik und Kunststoffe (IFK), 09126 Chemnitz T+S_2_2018_.qxp_T+S_2018 08.02.18 15: 35 Seite 62 zu vermeiden, ist ein reines POM- Copolymer sowie ein reines PE- UHMW ausgewählt worden. Da reines Polyethylen wegen relativ hoher Reibwerte für höher belastete Gleitkontakte im Dauereinsatz selten zur Anwendung kommt, wurde zusätzlich ein marktübliches gleitadditiviertes PE-UHMW in die Untersuchungen aufgenommen. Das Versuchsprogramm untergliedert sich in Stufentests und 24h- Tests. Mit den Stufentests soll eine schnelle Abschätzung der Einsatzgrenze der Materialpaarungen erfolgen und die Möglichkeit validiert werden, ob diese für eine Aussage zur Grenzbelastung genügen. Im Stufentest wurde eine konstante Flächenpressung eingestellt und die Geschwindigkeit, ausgehend von 0,15 m/ s, in Schritten von 0,15 m/ s auf 1,05 m/ s stündlich erhöht, wobei die erste Geschwindigkeitsstufe zum Einlaufen eine Stunde länger lief. Sobald die Gleitpaarung einen starken Verschleiß zeigte, wurde die Versuchsreihe abgebrochen und die nächste Pressungsstufe getestet. Beginnend mit 0,2 MPa erfolgte die Erhöhung der Flächenpressung um 0,1 MPa bis 0,8 MPa. Anhand der bis zum Abbruch möglichen Parameterkombinationen ergaben sich die Versuche für die 24h-Tests. Zu jeder Parameterkombination wurden mindestens vier Versuche durchgeführt. Der Reibwert und die Reibtemperatur einer Kombination wurden über eine lineare Regression aller jeweiligen Werte der letzten 30 min der Versuche ermittelt. Prüfprinzip und Probengeometrie Die Realisierung der Versuche erfolgte auf einem oszillierenden Tribo-Prüfstand für plattenförmige Probekörper [SSW11]. Bei diesem wird die Oberprobe über eine Hublänge von 100 mm gleitend auf der Unterprobe bewegt. Die Unterprobe ist auf einem federnd gelagerten Messtisch befestigt und erfährt aufgrund der entstehenden Reibkraft eine Auslenkung. Über die Auslenkung und die auf die Oberprobe aufgebrachte Normalkraft lässt sich der Reibwert errechnen. Die Temperatur wird mit einem Pyrometer berührungslos an der Reibkontaktseite der Oberprobe gemessen. Reibwert und Temperatur werden während der gesamten Versuchsdauer kontinuierlich aufgezeichnet. In Bild 1 ist das Prüfprinzip schematisch dargestellt. Die Abmessungen der Oberprobe betrugen 15 x 10 x 3 mm und die der Unterprobe 180 x 25 x 5 mm (siehe Bild 2). Bewertung des Verschleißes Eine quantitative Bewertung des Verschleißes bei den getesteten thermoplastischen Reibpaarungen ist nicht möglich [GüL15]. Messungen von Gewicht und Dicke von konditionierten Proben vor und nach dem Versuch zeigten keine messbaren Unterschiede bzw. waren die Unterschiede so gering, dass sie innerhalb der Fehlertoleranz der Messmittel lagen. Daher ist eine subjektive Verschleißbewertung entwickelt worden. Dabei werden die Oberfläche der Unter- und Oberprobe sowie der Abrieb der Gleitpaarung anhand visueller Merkmale beurteilt und jeweils ein Verschleißwert vergeben. Dieser Wert reicht von 0 („kein Verschleiß“) bis 4 („Verschleißbedingter Abbruch“) und ist in Bild 3 schematisch dargestellt. In Bild 4 sind die typischen Verschleißbilder der vier Stufen abgebildet. Der Verschleißwert einer Paarung ermittelt sich aus dem Maximalwert der fünf Betrachtungskriterien. Werte bis 1 können für den Dauerlauf eingesetzt werden. Der Verschleißwert 2 stellt einen Grenzbereich dar, in dem die Materialpaarung für den Kurzzeitbetrieb noch verwendbar ist. Ab dem Wert 3 sind die zwei Reibpartner nicht für eine Gleitanwendung geeignet. Aus der Praxis für die Praxis 63 Tribologie + Schmierungstechnik · 65. Jahrgang · 2/ 2018 Bild 1: Schematisches Prüfprinzip Bild 2: Probengeometrie T+S_2_2018_.qxp_T+S_2018 08.02.18 15: 35 Seite 63 her, sodass die Versuchsreihe abgebrochen werden musste. Je höher die Pressung, desto höher fällt das Temperaturmaximum aus. Beim Temperaturmaximum betragen die Reibwerte ca. 0,3. Das gleitadditivierte PE-UHMW zeigt bezüglich des Reibwertes ein qualitativ ähnliches Verhalten wie das reine PE-UHMW. Die Reibwerte betragen bei niedrigen Belastungen ca. 0,19 und fallen bei erhöhten Lasten bis auf 0,08 ab. Jedoch steigen die Temperaturen nur langsam bis auf ca. 55 °C. Ab einer Geschwindigkeit von 0,75 m/ s kommt es zu einem plötzlichen Anstieg der Reibtemperatur auf über 160 °C und einer Vervierfach Aus der Praxis für die Praxis 64 Tribologie + Schmierungstechnik · 65. Jahrgang · 2/ 2018 Ergebnisse der experimentellen Untersuchung Stufentests Im Stufentest ergeben sich bei niedrigen Belastungen für die Paarung POM gegen PE-UHMW hohe Reibwerte um 0,4. Diese sinken mit steigender Geschwindigkeit sowie steigender Pressung. Dabei steigt gleichzeitig die Reibtemperatur, die ab bestimmten Belastungen ein Maximum erreicht und bei weiterer Laststeigerung wieder abfällt. Der Temperaturabfall geht immer mit einem hohen thermischen Verschleiß der PE-UHMW-Probe ein- Bild 3: Bewertungsschema für den Verschleiß Bild 4: Typische Verschleißbilder der vier Verschleißstufen am Beispiel der Unterprobe T+S_2_2018_.qxp_T+S_2018 08.02.18 15: 35 Seite 64 ung des Reibwerts. Dabei fällt die Temperatur innerhalb von 15 min unter das Niveau der vorherigen Temperatur, während sich der Reibwert auf den gleichen Wert wie vor dem Anstieg einpegelt. Durch die Erhitzung schmilzt die POM-Oberprobe auf. Mit fallender Pressung fällt die Paarung erst bei größeren Geschwindigkeiten aus. Die Ergebnisse des Stufentest sind in den Bildern 5 und 6 dargestellt. 24h-Tests Die 24h-Tests weisen hinsichtlich der Reibwerte, der Temperaturen und dem Verschleiß ein analoges Verhalten zu den Stufentests auf. Jedoch verschiebt sich die Verschleißgrenze zu geringeren Belastungskombinationen. Die pv-Matrizen sind in Bild 7 und Bild 8 dargestellt. Bei der Betrachtung des reinen PE-UHMW fällt auf, dass sich gegenüber dem Stufentest geringere Temperaturmaxima von 80 bis 100 °C ausbilden, während die Reibwerte annähernd gleich bleiben. Gute Verschleißwerte von 1 werden nur bei niedrigster Geschwindigkeit (0,15 m/ s) und geringen Pressungen von unter 0,6 MPa erreicht. Im Verschleißgrenzbereich kann in der niedrigsten Pressungsstufe bis 0,6 m/ s gefahren werden, während mit steigender Pressungslast die mögliche Geschwindigkeit kontinuierlich bis auf 0,15 m/ s absinkt. Das gleitadditivierte PE-UHMW weist in den 24h-Tests einen größeren Temperaturgradienten zu höheren Belastungen über das getestete pv-Spektrum auf. Die Reibwerte bleiben nahezu konstant. Der Verschleißgrenzbereich beginnt bei 0,3 m/ s bis 0,45 m/ s und endet bei 0,6 m/ s bzw. bei 0,9 m/ s. Die Gleitpaarung verhält sich ähnlich wie in den Stufentests. Es ist anzumerken, dass nicht alle der mindestens vier Versuche in der jeweiligen Belastungsstufe ausgefallen sind, jedoch bereits ein einziger Ausfall als Gesamtausfall gewertet wurde. Die Einlaufzeit, in der der Reibwert stark steigt, verkürzt sich mit steigender Pressung sowie steigender Geschwindigkeit. Wird die Erweichungstemperatur des Werkstoffes erreicht, stellt sich ein konstanter Reibwert ein. Liegt ein ausgedehntes Einlaufverhalten vor, so beträgt der Verschleißwert gleich 1. Im Verschleißgrenzbereich treten kurze Einlaufzeiten auf. Belastungskombinationen nahe oder mit dem Verschleißwert 3 zeigen keine Einlaufzeit und oft ein Überschwingen der Temperatur. In Bild 9 sind exemplarisch Reibwert- und Temperaturverläufe für drei Belastungskombinationen, die je einen Verschleißwert repräsentieren, dargestellt. Aus der Praxis für die Praxis 65 Tribologie + Schmierungstechnik · 65. Jahrgang · 2/ 2018 Bild 5: Reibwerte, Reibtemperatur und Verschleiß von PE-UHMW im Stufentest Bild 6: Reibwerte, Reibtemperatur und Verschleiß eines gleitadditivierten PE-UHMW im Stufentest T+S_2_2018_.qxp_T+S_2018 08.02.18 15: 35 Seite 65 bereich wird das Polyethylen weich und beginnt teilweise zu „schmieren“. Die veränderte Oberfläche führt zu einem Temperaturabfall bei steigender Belastung. Zusatzstoffe im Gleitmaterial heben diese Grenze auf und vergrößern das Belastungsspektrum. Das getestete gleitadditivierte PE-UHMW enthält Paraffin, wie die Mehrzahl auf dem Markt erhältlichen Hochleistungsgleitschienen aus PE-UHMW. Obwohl Aus der Praxis für die Praxis 66 Tribologie + Schmierungstechnik · 65. Jahrgang · 2/ 2018 Diskussion der experimentellen Ergebnisse Die Untersuchungen an der Reibpaarung POM gegen PE-UHMW zeigen, dass die Belastungsgrenze primär von der Reibtemperatur abhängt. Übersteigt diese die Erweichungstemperatur eines beteiligten Werkstoffes, steigt der Verschleiß stark an. Beim PE-UHMW liegt die Temperaturgrenze bei ca. 80 °C. In diesem Temperatur- Bild 7: Reibwerte, Reibtemperatur und Verschleiß von PE-UHMW in den 24h-Tests Bild 8: Reibwerte, Reibtemperatur und Verschleiß von gleit-additivierten PE-UHMW in den 24h-Tests Bild 9: Einlaufverhalten bei unterschiedlichen Gleitgeschwindigkeiten und Pressungen bei POM gegen PE- UHMW im 24h-Test. Links: Verschleißwert 1; Mitte: Verschleißwert 2, Grenzbereich; Rechts: Verschleißwert 3 T+S_2_2018_.qxp_T+S_2018 08.02.18 15: 35 Seite 66 die Ursache des abrupten Ausfalls noch nicht eindeutig geklärt ist, wird der Grund in diesem Zusatzstoff gesehen. Das Paraffin bildet eine Oberflächenschicht, die das Gleitverhalten positiv beeinflusst. Ein möglicher Erklärungsansatz liegt im thermischen Verhalten des Paraffins. Es besitzt ein hohes Wärmespeichervermögen (welches bei latenten Wärmespeichern genutzt wird), hat einen Phasenübergang höherer Ordnung und die Schmelztemperatur liegt im Bereich der Erweichungstemperatur des PE-UHMW. Das heißt nahe der Schmelztemperatur des Paraffins bleibt die Reibtemperatur trotz Wärmezufuhr zunächst konstant und steigt erst, wenn die flüssige Phase erreicht ist, wodurch es dann zu einem stärkeren Temperaturanstieg kommt. Das Phänomen des mit steigender Geschwindigkeit oder steigender Flächenpressung sinkenden Reibwerts ist in der Literatur bekannt und wurde mit den Untersuchungen nachgewiesen. Bis zur Temperaturgrenze weisen Reibwert, Verschleiß und Temperatur ein fast proportionales Verhalten auf. Steigt die Temperatur, sinkt der Reibwert, während der thermische Verschleiß steigt. Semi-analytisches Reibtemperatur-Modell Die rechnerische Bestimmung der Reibtemperatur zwischen zwei gleitenden Körpern ist schon lange Gegenstand der Forschung. Mit steigender Rechenleistungsfähigkeit werden die anfangs einfachen analytischen Modelle [Jae42] immer komplexer [KoH01, LGB09, OsB09] und teilweise von numerischen Methoden abgelöst. Validiert wurden die bekannten Modelle mittels Experimenten an Metall-Metall-Gleitpaarungen und einigen wenigen Metall-Kunststoff-Paarungen. Für die Kunststoff-Kunststoff-Reibung bieten diese Modelle keine realistischen Lösungen und sind daher nicht anwendbar. Deshalb wurde ein semi-analytisches Modell entwickelt, mit dem die maximale abgeschätzte Reibtemperatur im stationären Zustand bei einem periodisch wiederholenden Bewegungsablauf berechnet werden kann: mit der Reibleistungsdichte dem Kontaktanteil dem Wärmeübergangskoeffizienten an der Oberfläche des übergleitenden Körpers dem Wärmedurchgang des bewegten Körpers k 1 sowie des zu übergleitenden Körpers k 2 und der Umgebungstemperatur T U . In die Reibleistungsdichte, fälschlicherweise oft als Reibleistung bezeichnet, fließt der Reibwert, die Flächenpressung und die Gleitgeschwindigkeit ein. Der Kontaktanteil ist ein Verhältnis von Kontaktzeit zu Gesamtzeit, und kann bei einer gleichförmigen Bewegung auch mit dem Verhältnis Kontaktlänge zu übergleitender Länge substituiert werden. Der Wärmeübergangskoeffizient gilt für das Umgebungsmedium Luft und ist von der Gleitgeschwindigkeit und der freien Länge abgängig. Die Wärmedurchgangskoeffizienten setzen sich jeweils aus der Probendicke, der Wärmeleitfähigkeit und den Wärmedurchgang der Anbauteile zusammen. Anbauteile bei Nachbildung der Versuche sind z. B. der Messtisch und die Oberprobenaufnahme. Die Bestimmung des Wärmedurchgangs der Anbauten kann mit Hilfe einer numerischen Simulation erfolgen. Wird das Modell auf die Reibpaarung POM gegen PE- UHMW und den Versuchsaufbau angewandt, ergeben sich Reibtemperaturen, die in Bild 10 dargestellt sind. Dabei wurde der Reibwert bei niedrigster Belastungsstufe als Grundlage genommen und über das gesamte Belastungsspektrum konstant gesetzt. Dadurch ist es möglich, die Temperaturgrenze und damit die Belastungsgrenze sichtbar zu machen. Beispielhaft ist in Bild 10 außerdem die Verschiebung dieser Grenze durch eine Verdopplung der Wärmeleitfähigkeit des PE-UHMW unter Annahme gleicher Reibbedingungen dargestellt. Aus der Praxis für die Praxis 67 Tribologie + Schmierungstechnik · 65. Jahrgang · 2/ 2018 Bild 10: Berechnete Reibtemperatur von POM gegen PE-UHMW (links normal; rechts mit theoretisch doppelter Wärmeleitfähigkeit) T+S_2_2018_.qxp_T+S_2018 08.02.18 15: 35 Seite 67 Literatur [Aue06] Auerbach, P.: Zur Beanspruchung und Lebensdauer raumgängiger Gleitketten aus Kunststoffen, Disseration, TU Chemnitz, 2006. urn: nbn: de: swb: ch1- 200600396 [Bar17] Bartsch, R.: Erweiterung der Dimensionierungsgrundlagen für Gleitkettenfördersysteme, Disseration, TU Chemnitz, 2017. urn: nbn: de: bsz: ch1-qucosa- 229404 [Bos12] Bosch Rexroth AG: Kettenfördersysteme - Vario- Flow - Ausgabe 4.4, Mediennr. 3 842 527 828, 2012 [SBB15] Sumpf, J.; Bankwitz, H.; Bartsch, R.; Strobel, J.: Calculation Methods for Chain Conveyor Systems. Conference Proceedings of the 2. International Symposium Plastic-Slide-Chains and Tribology in Conveyor Systems, Chemnitz, 21/ 22. April 2015, S. 181-191, ISBN 978-3-945479-03-2 [SSW11] Sumpf, J.; Schumann, A; Weise, S.; Nendel, K.; Eichhorn, S.: Neues Prüfverfahren zur Reibungs- und Verschleißbewertung von Kunststoff-Gleitpaarungen. Tribologie und Schmierungstechnik 58 (2011), Heft 4, S. 47-50, ISSN 0724-3472 [GüL15] Güner, T.; Ludwig, P.: Testing of influencing factors on tribological properties of chain conveyor systems, Conference Proceedings of the 2. International Symposium Plastic-Slide-Chains and Tribology in Conveyor Systems, Chemnitz, 21/ 22. April 2015, S. 23- 35, ISBN 978-3-945479-03-2 [Jae42] Jaeger, J. C.: Moving sources of heat and the temperature at sliding contact. In: Proceedings of the Royal Society of New South Wales Bd. 76 (1942), S. 203- 224 [KoH01] Komanduri, R.; Hou, Z. B.: Analysis of heat partition and temperature distribution in sliding systems. Wear Bd. 251 (2001), Nr. 1-12, S. 925-938 [LGB09] Laraqi, N.; Alilat, N.; Garcia de Maria, J. M.; Bairi, A.: Temperature and division of heat in a pin-on-disc frictional device - Exact analytical solution. Wear Bd. 266 (2009), Nr. 7-8, S. 765-770 [Mit08] Mitzke, F.: Eigenschaftsprofile neuartiger faserverstärkter Kunststoffgleitketten für den Stückguttransport, Dissertation, TU Chemnitz, 2008. [OsB09] Osman, T.; Boucheffa, A.: Analytical solution for the 3D steady state conduction in a solid subjected to a moving rectangular heat source and surface cooling. Comptes Rendus Mécanique Bd. 337 (2009), Nr. 2, S. 107-111 Aus der Praxis für die Praxis 68 Tribologie + Schmierungstechnik · 65. Jahrgang · 2/ 2018 Die Herleitung und Beschreibung des semi-analytischen Reibtemperatur-Modells ist in [Bar17] detailliert beschrieben, ebenso wie weitere Validierungen mittels Proben mit modifizierter Wärmeleitfähigkeit sowie anhand eines Demonstrator-Gleitkettenförderers. Zusammenfassung Es wurden die Zusammenhänge zwischen Reibwert, Temperatur und Verschleiß bei veränderlichen Gleitgeschwindigkeiten und Flächenpressungen am Beispiel einer POM - PE-UHMW Gleitpaarung systematisch untersucht. Die zu Beginn durchgeführten Stufentests, bei dem eine Belastung stündlich verändert wird, können zur groben Abschätzung der Verschleiß- und Temperaturgrenze genutzt werden. Jedoch liefern sie keine Aussagen zum Langzeitverhalten, welche mit 24h-Tests getroffen wurden. Die Untersuchungen zeigten einen maßgeblichen Einfluss der Reibtemperatur auf den Reibwert, den Verschleiß und das Reibverhalten. Außerdem konnte nachgewiesen werden, dass innerhalb des praxisnahen pv-Spektrums die Gleitgeschwindigkeit einen größeren Einfluss als die Kontaktpressung besitzt. Damit liefert der übliche pv-Wert aufgrund seiner linearen Charakteristik und der Nichtbeachtung der konstruktiven sowie umgebungstechnischen Bedingungen keine Aussage zu den realen Grenzbelastungen. Es stellte sich heraus, dass es sinnvoll ist, die Belastungs- und Anwendungsgrenze einer thermoplastischen Reibpaarung anhand der Temperatur zu definieren. Mit einem geeigneten Modell kann die Reibtemperatur bestimmt und zur praxisgerechten Auslegung angewendet werden. Dazu wurde ein semi-analytisches Reibtemperatur-Modell aufgestellt, welches mit den Ergebnissen der experimentellen Untersuchungen validiert wurde. Verweisend auf die weitergeführten Untersuchungen [Bar17] wurde die Anwendbarkeit auf ein Gleitketten-Fördersystem nachgewiesen, wodurch eine thermische Auslegung anhand einer Temperaturgrenze durchgeführt werden kann. Weiterführende Untersuchungen an anderen Kunststoff- Gleitpaarungen und Kettenfördersystemen sollen noch durchgeführt werden, um so das Anwendungsspektrum und die Plausibilität der Methode zu erhöhen. Danksagung Das Forschungsprojekt wurde von der Röchling Stiftung GmbH gefördert. T+S_2_2018_.qxp_T+S_2018 08.02.18 15: 35 Seite 68