Tribologie und Schmierungstechnik
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0724-3472
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expert verlag Tübingen
0801
2018
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JungkKombinierte Tribosystemanalyse des Kontaktes Kolben-, Ringpaket/ Zylinderlaufbahn auf Basis von Floating Liner Untersuchungen
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2018
Josef Edtmayer
Hannes Hick
Simon Walch
Martin Jech
Thomas Wopelka
Siegfried Lösch
Die tribologischen Vorgänge im Verbrennungsmotor sind unter anderem aufgrund der hohen Dynamik und Temperaturbeanspruchung sehr komplex. Dies gilt insbesondere auch an der Kolbengruppe und ihrer Interaktion mit der Zylinderlaufbahn. Hier steht die Reibungsminimierung zusätzlich im Widerspruch mit den Anforderungen an die Dichtfunktion und die Dauerhaltbarkeit. Tribologische Analysemethoden sind ein bedeutender Teil des Optimierungsprozesses dieses Tribosystems, um Konfigurationen zu bewerten und auszuwählen. Oft sind jedoch deren Aussagekraft und vor allem die Übertragbarkeit in die Motoranwendung begrenzt. Die Reibungsmessung am Floating Liner Motor, in Kombination mit einer kontinuierlichen Verschleißmessung sowie Blow-by- und Ölverbrauchsmessung, stellt dabei ein ideales Werkzeug für eine rasche und präzise Bewertung unter anwendungsnahen Bedingungen dar. Zusammen mit einer Tribosimulation können damit vielfältige Herausforderungen
in der Technologieentwicklung dieses Tribosystems gemeistert werden.
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1 Tribosystemoptimierung Kolbengruppe auf Zylinderlaufbahn Das Tribosystem Kolben/ Ringpaket auf Zylinderlaufbahn trägt maßgeblich zu den Reibungsverlusten im Verbrennungsmotor bei (vgl. [1]) und bietet daher großes Potenzial für die Verbrauchsreduktion. Die Optimierung stellt jedoch aufgrund der komplexen Dynamik, Schmierungssituation, den thermischen Randbedingungen durch die Verbrennung sowie dem Zielkonflikt zwischen Reibungsreduktion, Verschleißstabilität und Dichtfunk- Aus Wissenschaft und Forschung 15 Tribologie + Schmierungstechnik · 65. Jahrgang · 4/ 2018 Kombinierte Tribosystemanalyse des Kontaktes Kolben-, Ringpaket/ Zylinderlaufbahn auf Basis von Floating Liner Untersuchungen J. Edtmayer, H. Hick, S. Walch, M. Jech, T. Wopelka, S. Lösch* Eingereicht: 14. 3. 2018 Nach Begutachtung angenommen: 20. 4. 2018 Die tribologischen Vorgänge im Verbrennungsmotor sind unter anderem aufgrund der hohen Dynamik und Temperaturbeanspruchung sehr komplex. Dies gilt insbesondere auch an der Kolbengruppe und ihrer Interaktion mit der Zylinderlaufbahn. Hier steht die Reibungsminimierung zusätzlich im Widerspruch mit den Anforderungen an die Dichtfunktion und die Dauerhaltbarkeit. Tribologische Analysemethoden sind ein bedeutender Teil des Optimierungsprozesses dieses Tribosystems, um Konfigurationen zu bewerten und auszuwählen. Oft sind jedoch deren Aussagekraft und vor allem die Übertragbarkeit in die Motoranwendung begrenzt. Die Reibungsmessung am Floating Liner Motor, in Kombination mit einer kontinuierlichen Verschleißmessung sowie Blow-by- und Ölverbrauchsmessung, stellt dabei ein ideales Werkzeug für eine rasche und präzise Bewertung unter anwendungsnahen Bedingungen dar. Zusammen mit einer Tribosimulation können damit vielfältige Herausforderungen in der Technologieentwicklung dieses Tribosystems gemeistert werden. Schlüsselwörter Reibung, Verschleiß, Tribosystem Kolben-Ringpaket/ Zylinderlaufbahn, Floating Liner Motor, Kontinuierliche Verschleißmessung, Elastohydrodynamische Schmierung, Tribosimulation, Verbrennungsmotor The optimization of the piston/ bore interface still provides big challenges within engine development. This tribological system is highly stressed by the high temperature conditions as well as highly dynamic motions and forces. Furthermore, optimization is a tradeoff between reducing friction losses, extending durability and improving the sealing properties of the ring pack. Various analysis methods are an important part of the optimization process. Eventually, they influence the decision which material combination is implemented in the engine. However, they are often very limited in terms of resolution and transferability to the engine application. The presented Floating Liner engine, together with a continuous wear measurement, lube oil consumption and blow-by measurement, is a versatile toolbox for a fast and precise evaluation under application-near conditions. Together with a complementary tribosimulation, this toolbox is capable of facing many questions occurring within the development process. Keywords Friction, Wear, Piston/ Bore Interface, Floating Liner Method, Continuous wear measurement, Elastohydrodynamic lubrication, Tribosimulation, Internal Combustion Engine Kurzfassung Abstract * DI Josef Edtmayer Univ.-Prof. DI Dr. Hannes Hick DI Simon Walch Institut für Maschinenelemente und Entwicklungsmethodik, TU Graz, 8010 Graz DI Dr. Martin Jech DI Dr. Thomas Wopelka AC 2 T research GmbH, 2700 Wiener Neustadt DI Dr. Siegfried Lösch AVL List GmbH, 8020 Graz T+S_4_2018.qxp_T+S_2018 05.06.18 11: 15 Seite 15 buchse vom Kurbelgehäuse losgelöst und schwimmend gelagert um die entstehenden Reibkräfte zwischen Kolbengruppe und Zylinderlaufbahn auf Kraftsensoren zu übertragen [2]. Der konkret eingesetzte Aufbau des AVL FRISC Floating Liner Motors (Bild 1) erlaubt durch den Einsatz von dreiachsigen Kraftsensoren zusätzlich die Erschließung der Kolbenseitenkräfte. In Bild 2 ist ein typisches Floating Liner Reibkraftsignal ersichtlich, das den Reibkraftverlauf der Kolbengruppe über ein Arbeitsspiel zeigt. Charakteristisch für diesen Verlauf ist die Reibkraftumkehr an den Totpunkten (-360°, -180°, 0°, 180° Kurbelwinkel) wobei hier durch die geringere Gleitgeschwindigkeit und dadurch vermehrten Mischreibungsanteil ein Reibkraftanstieg zu beobachten ist. Dies entspricht weitgehend einer Stribeck Charakteristik. Der zusätzliche Reibkraftanstieg um 0° Kurbelwinkel ist den höheren Gasdrücken durch Verdichtung und Verbrennung geschuldet. Zwischen den Totpunkten, im Bereich hoher Gleitgeschwindigkeiten, ist zuerst ein Abfall der Reibkraft zu erkennen (Ausklinkpunkt der Stribeckkurve) und daraufhin ein erneuter Anstieg bis zu einem Maximum im Bereich der größten hydrodynamischen Reibung. Bei der Analyse der vorliegenden Messergebnisse ist jedoch zu beachten, dass es sich dabei um ein Summensignal aus Kolbenhemdreibung, Reibung der Kolbenringe und dynamischer Einflüsse aus der Struktur des Messaufbaus handelt. 3 Analyse von Maßnahmen zur Reibungsreduktion - niederviskose Öle Eine verbreitete und wirkungsvolle Maßnahme der Reibungsminimierung ist die Verwendung niederviskoser Aus Wissenschaft und Forschung 16 Tribologie + Schmierungstechnik · 65. Jahrgang · 4/ 2018 tion nach wie vor eine große Herausforderung in der Motorenentwicklung dar (vgl. [2]). Spezifische tribologische Zusammenhänge sind in vielen Bereichen noch nicht gänzlich verstanden. In frühen Phasen des Entwicklungsprozesses und zur Untersuchung grundlegender tribologischer Eigenschaften stoßen herkömmliche Analysemethoden, wie Schleppreibungsmessung, Indizierung oder optische Verschleißmessungen, an die Grenzen ihrer Auflösung. Die niedrigen Reibungs- und Verschleißwerte aktueller Lösungen erfordern hohe Genauigkeiten von den Messmethoden. Oft können mit diesen Ansätzen nur die Auswirkungen auf Verbrauch oder Verschleiß, nicht jedoch alle Hintergründe bestimmt werden. Die Abstraktion im Zuge von Modellversuchen ist wiederum mit großen Eingriffen in die sensiblen Tribosysteme verbunden. Die Aussagen dieser Versuche sind in hohem Maße von der Wahl der Versuchsparameter abhängig, die oft nicht das reale Systemverhalten widerspiegeln können [3]. 2 Floating Liner Reibungsmessung Floating Liner Messungen stellen einen guten Kompromiss zwischen anwendungsnahem, gefeuertem Motorbetrieb und abstrahierter, hochauflösender Reibkraftmessung dar. Die Kenntnis der Beanspruchungssituation in Folge der hohen Drücke und Temperaturen während der Verbrennung sind für die tribologische Analyse unumgänglich. Insbesondere Spielsituationen, Schmierstoffrheologie, tribochemische Reaktionen und der Ölhaushalt des Ringpakets sind davon maßgeblich beeinflusst. Mit starken Auswirkungen auf Reibkräfte und Verschleiß. Verbesserungen im Bereich der Sensortechnik, der Signalverarbeitung sowie umfangreiche Optimierungen hinsichtlich Strukturdynamik und Dichtkonzept erlauben heute einen praxistauglichen Einsatz dieser Methode [4]. Prinzipiell wird dabei die Zylinderlauf- Bild 1: Querschnitt des AVL FRISC Floating Liner Motors für eine PKW - Ottoanwendung [4]. T+S_4_2018.qxp_T+S_2018 05.06.18 11: 15 Seite 16 Öle. Die Floating Liner Methode erlaubt dabei einen detaillierten Einblick in die Auswirkung der Viskositätsverringerung auf das Reibungsverhalten. In Bild 3 ist der Vergleich des gemessenen Reibkraftverlaufes zweier Öle mit unterschiedlichen Viskositätsklassen, im betriebswarmen Zustand dargestellt. Alle übrigen Motorkomponenten waren bei dieser Untersuchung identisch. Die Auswirkung beschränkt sich dadurch auf den Bereich hoher Gleitgeschwindigkeit. In diesem Bereich liegt in erster Linie das hydrodynamische Schmierregime vor. Bei genauer Betrachtung ist zu erkennen, dass der Reibkraftverlauf in den Totpunkten weitgehend deckungsgleich ist. Dieses Verhalten kann durch den hohen Mischreibungsanteil in diesem Gebiet erklärt werden. Wird nicht der detaillierte Reibkraftverlauf, sondern der Reibmitteldruck (engl. FMEP) als Kennzahl betrachtet (vgl. [1]), können Reibkennfelder und in weiterer Folge Regressionsmodelle dieser Reibkennfelder erstellt werden. Diese dienen unter anderem als Grundlage für Zyklussimulationen und Optimierungen. (1) Gleichung (1) beschreibt die Abhängigkeit des Reibmitteldruckes FMEP von der Reibkraft F R , der Gleitgeschwindigkeit v, dem Hubvolumen V H und der Anzahl der Arbeitsspiele pro Umdrehung in Form des Faktors i (0,5 für Viertaktmotoren). Aus dem Zusammenhang Aus Wissenschaft und Forschung 17 Tribologie + Schmierungstechnik · 65. Jahrgang · 4/ 2018 Bild 2: Typisches Messsignal einer Floating Liner Reibungsanalyse einer PKW - Ottoanwendung mit 0,5 l / Zylinder Hubraum, bei einem Betriebspunkt von 1750 U/ min, 5 bar indiziertem Mitteldruck und 90 °C Öl- und Kühlmitteltemperatur. Das Messsignal ist dabei ein Summensignal aus Kolbenhemdreibung, Reibung der Kolbenringe und dynamischer Einflüsse aus der Struktur des Messaufbaus. Bild 3: Vergleich der Floating Liner Reibkraftverläufe zweier Ölviskositätsklassen 0W20 und 10W30 für eine PKW - Ottoanwendung mit 0,5 l / Zylinder Hubraum, bei einer Motordrehzahl von 1750 U/ min, 5 bar indiziertem Mitteldruck und 90 °C Öl - und Kühlmitteltemperatur. ! "# $ Ê % & ' ( ' )* + ' , - Ê Ê T+S_4_2018.qxp_T+S_2018 05.06.18 11: 15 Seite 17 me im Verbrennungsmotor dar. Zur Absicherung von reibungsminimierten Konfigurationen im Hinblick auf die Lebensdauer, sind hochauflösende Messmethoden für Verschleiß unabkömmlich. Die verbreitete optische Vermessung ist nur diskret und in Verbindung mit der Demontage der relevanten Komponenten, bei begrenzter Auflösung möglich. Die vorliegenden Tribosysteme weisen jedoch in der Regel sehr geringe Konstantverschleißraten, in der Größenordnung von wenigen Nanometern pro Stunde auf [7]. Dies bedingt lange Versuchsdauern und damit hohe Kosten für Dauerlaufuntersuchungen. Den Ansprüchen einer kontinuierlichen Messung und hoher Auflösungen bei geringen Messzeiten werden derzeit nur sogenannte Tracerverfahren [2], wie die Radio Isotope Concentration Method (RIC) [8] ge- Aus Wissenschaft und Forschung 18 Tribologie + Schmierungstechnik · 65. Jahrgang · 4/ 2018 folgt, dass eine Reibungsreduktion im Hinblick auf den Reibmitteldruck und damit den Verbrauch am wirkungsvollsten ist, wenn sie im Bereich hoher Gleitgeschwindigkeiten ansetzt. Leichtlauföle sind demnach eine sehr wirkungsvolle Maßnahme zur Verbrauchssenkung, da sie genau in diesem Bereich ihre Wirkung entfalten. In Bild 4 ist der Vorteil des niederviskosen Öles im Reibmitteldruck, in Abhängigkeit der Motorbetriebsparameter Drehzahl und Last - in Form des indizierten Mitteldruckes (engl. IMEP) - ersichtlich. Im unteren und mittleren Lastbereich ist der Reibungsvorteil mit rund 20 % am größten. Dies deckt sich mit analytischen Überlegungen des Newton’schen Reibungsgesetzes (vgl. [5]), zufolge dessen die Reibungsverluste im Öl von der Viskosität und dem Geschwindigkeitsgradienten im Schmierspalt abhängig sind. Bei höheren Lasten und niedrigen Drehzahlen kommt es zu einem Anstieg des Festkörperreibungsanteils und der Vorteil der niedrigen Viskosität sinkt. Zusätzlich kommt es dadurch zu einem Verschleißanstieg (siehe Abschnitt 4). Verbrauchssenkende Betriebsstrategien und Hybridkonzepte zielen jedoch genau auf diese Lastbereiche mit ihren hohen Wirkungsgraden ab [6]. Diese sind durch die relativ niedrigeren Reibungsverluste im Verhältnis zur Nutzleistung und den geringeren Drosselverlusten, im Falle einer Ottoanwendung, begründet [1]. Somit ist die Senkung der Ölviskosität starken Einschränkungen unterworfen und kann nur im Zusammenhang mit der Entwicklung von Materialen und Oberflächen sowie einer fundierten Analyse und Absicherung des Verschleißverhaltens vorangetrieben werden. 4 Kontinuierliche Verschleißmessung am FRISC Motor Maßnahmen zur Reibungsreduktion, wie niederviskose Leichtlauföle, Betriebsstrategien zur Senkung des Drehzahlbzw. Hebung des Lastniveaus (Downspeeding, Downsizing) und Start-Stopp-Betrieb, führen tendenziell zu höheren Kontaktdrücken und schlechterem Schmierfilmaufbau. Dies stellt eine Herausforderung an die Verschleißstabilität der Tribosyste- Bild 4: Reibleistungsreduktion des niederviskosen Öles (0W20) im Vergleich zum höherviskosen (10W30) in Prozent, aufgetragen im Kennfeld für eine PKW - Ottoanwendung mit 0,5 l / Zylinder, 90 °C Öl- und Kühlmitteltemperatur. Bild 5: Schema der kontinuierlichen Verschleißmessung mit Hilfe der RIC - Tracermethode am FRISC Motor. T+S_4_2018.qxp_T+S_2018 05.06.18 11: 15 Seite 18 recht. Zusätzlich können damit Auswirkungen von Betriebspunkten und -strategien erfasst werden. Im Zuge dieses Verfahrens werden einzelne Motorkomponenten an verschleißrelevanten Stellen mittels eines Zyklotronstrahles aktiviert (Bild 5 - Aktivierte Komponente). Einzelne Atomkerne des Grundmaterials wechselwirken dabei durch Kollision mit diesen Teilchen (Protonen oder Deuteronen) zu Isotopen, welche unter Aussendung von Gammastrahlung zerfallen und als Messisotope verwendet werden. Die emittierte Gammastrahlung wird in Folge von einem Szintillationsdetektor (Bild 5 - RIC Detektor) erfasst. Über die so gemessene Konzentration der Tracerisotope im Ölkreislauf des Motors kann somit auf den Verschleiß des entsprechenden Bauteiles geschlossen werden. Einige bestehende Systeme zur kontinuierlichen Messung von Verschleiß haben den Nachteil der hohen Radioaktivität und den damit verbundenen Restriktionen. Durch eine spezielle Prozessführung bei der Aktivierung arbeitet das verwendete RIC System unter der Freigrenze der spezifischen Radioaktivität [9]. Dadurch entfallen spezielle Strahlenschutzauflagen bei der Handhabung und Entsorgung der eingesetzten Bauteile. Zusammen mit der Reibungsanalyse am Floating Liner Motor stellt die kontinuierliche Verschleißmessung einen großen Vorteil zur Erschließung von Mechanismen und Schmierregimen im Motorbetrieb dar. Bild 6 zeigt eine RIC Verschleißuntersuchung für einen Kompressionsring am FRISC Motor. Bei Einsatz eines Öles der Viskositätsklasse 5W30 tritt unter den gegebenen Betriebsbedingungen eine deutlich niedrigere Verschleißrate auf als nach dem Wechsel auf ein niederviskoses Öl der Klasse 5W20. Die Verschleißraten sind jedoch in beiden Varianten auf einem niedrigen Niveau. Bei der vergleichenden Messung der Verschleißraten wurden andere Öle verwendet als beim zuvor gezeigten Vergleich des Reibungsverhaltens. Allerdings wurde für den Vergleich nur der betriebswarme Motor (90 °C Öltemperatur) herangezogen. In diesem Zustand ist insbesondere das Hochtemperaturverhalten des Öles ausschlaggebend, welches bei den jeweiligen Varianten (hochviskos und niederviskos) vergleichbar ist und wodurch der Viskositätseinfluss auf Reibung und Verschleiß aufgezeigt werden kann. 5 Tribosimulation der Kolbengruppe Gekoppelte Mehrkörper- und Elastohydrodynamik-Simulationen zur Analyse von Reibung und Verschleiß finden für unterschiedliche Tribosysteme Anwendung und eignen sich insbesondere als Entwicklungswerkzeuge für den Kurbeltrieb bzw. die Kolbengruppe des Verbrennungsmotors (vgl. [10]). Es handelt sich dabei um die numerische Berechnung flexibler Mehrkörpersysteme mit gekoppelten Elastohydrodynamik - Verbindungsdefinitionen (EHD). Diese stellen wiederum eine Modellkombination aus Hydrodynamikmodell nach Patir/ Cheng [11], Kontaktmodell nach Greenwood/ Tripp [12] und einem Mischreibungsmodell dar [13]. Bei vorliegenden Oberflächentopografiedaten finden auch Halbraummethoden [14] bzw. Mikrohydrodynamiksimulationen Anwendung. Die verwendeten Reibungsmodelle für den Mischreibungsbereich sind mathematische Modelle und erfordern daher eine entsprechende Parametrierung und Validierung. Floating Liner Messungen bieten eine gute Möglichkeit für einen anwendungsorientierten Abgleich der Simulationsergebnisse. Ein ausreichend parametriertes und validiertes Modell steht im Gegenzug zur Analyse von Einflüssen und Verteilung der Reibungsverluste auf unterschiedliche Komponenten und Schmierregime zur Verfügung. Das kann als klarer Vorteil gegenüber dem isolierten Einsatz von Messmethoden angesehen werden, da die Erschließung dieser Anteile in Form von empirischen Untersuchungen nur mit einer Abstraktion und damit einer Beeinflussung des Tribosystems möglich ist. Bei einem derart hochdynamischen System erfordert der Abgleich von Messwerten mit Simulationen ein Modell, das neben den tribologischen Eigenschaften die strukturdynamischen Eigenschaften des Messaufbaus berücksichtigt. Für die Validierung wird unter Berücksichtigung der messtechnischen Rahmenbedingungen, wie Zugänglichkeit, in erster Linie der Abgleich des Summensignales herangezogen (Bild 7) [2]. Größen wie Kontaktdrücke oder Reibkräfte einzelner Kolbenringe sind nur in Aus Wissenschaft und Forschung 19 Tribologie + Schmierungstechnik · 65. Jahrgang · 4/ 2018 Bild 6: Kontinuierliche Verschleißmessung am FRISC Motor bei zwei unterschiedlichen Ölviskositäten für eine 0,5 l / Zylinder PKW - Ottoanwendung, bei einer Drehzahl von 1000 U/ min, einer Last von 8 bar IMEP und 90 °C Öl- und Kühlmitteltemperatur. T+S_4_2018.qxp_T+S_2018 05.06.18 11: 15 Seite 19 mit etwa 60 % den größten Anteil ein. Derartige Analysen geben Aufschluss über Potenziale von Optimierungsmaßnahmen wie Ölformulierung, Oberflächentopografie oder Geometrieanpassungen, bevor aufwändige Versuchsreihen mir teuren Versuchsträgern gestartet werden. 6 Zusammenfassung und Ausblick Die Kombination von Methoden für verschiedene Fragestellungen der Tribosystementwicklung im Verbrennungsmotor ist zur weiteren Verringerung der Reibungsverluste und der ölbasierten Emissionen entscheidend. Aus Wissenschaft und Forschung 20 Tribologie + Schmierungstechnik · 65. Jahrgang · 4/ 2018 Verbindung mit einer weiteren, konstruktiven Abstraktion und damit einer Einflussnahme auf den gefeuerten Motorbetrieb möglich. Ausgehend von einem derart validierten Modell liefert eine Parametervariation eine Vorauswahl für anschließende Komponentenvariationen am Floating Liner Motor. Bild 8 zeigt das Simulationsergebnis der Reibkraftanteile von Hydrodynamik und Mischreibungsgebiet für den Kompressionsring. Auffällig ist der hohe Festkörperreibungsanteil, vor allem bedingt durch den Zünddruck. An dieser Stelle ist in weiterer Folge auch mit Verschleiß von Laufbuchse und Ring zu rechnen. Wird der Reibmitteldruck betrachtet, nimmt jedoch die Hydrodynamik Bild 7: Abgleich von Simulation und Messung bei einem inneren Mitteldruck von 5 bar und einer Drehzahl von 1750 U/ min für eine PKW - Ottoanwendung mit 0,5 l / Zylinder, 90 °C Öl- und Kühlmitteltemperatur. Bild 8: Simulationsergebnis der Reibkraft des Kompressionsringes mit den Anteilen an Hydrodynamik und Mischreibung, bei 1750 U/ min und 5 bar IMEP. T+S_4_2018.qxp_T+S_2018 05.06.18 11: 15 Seite 20 Insbesondere die Reibungs- und Verschleißsimulation ist im Zusammenspiel mit einer hochauflösenden, anwendungsnahen Messung ein unverzichtbares Werkzeug um weitere Potenziale zu erschließen und ein umfassendes Grundlagenverständnis aufzubauen. Die Reibungsmessung am Floating Liner Motor mit einer kontinuierlichen Verschleißmessung im gefeuerten Motorbetrieb stellt hier eine Erweiterung der bisherigen Untersuchungen dar. Auf Basis von umfangreichen Untersuchungen verschiedener Materialpaarungen und Technologien wird laufend ein Datenbestand erweitert. Neben der Parametrierung von mathematischen Reibungs- und Verschleißmodellen dient diese Datenbasis als Gerüst für ein funktionales Modell zur Optimierung von Tribosystemkonfigurationen, um dadurch eine weitere Verbrauchs- und Emissionsreduktion sowie eine Kostensenkung durch eine Verkürzung der Entwicklungszeit zu erzielen. Danksagung Diese Arbeit wurde vom COMET Programm der österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft unterstützt (Project K2 XTribology, No. 849109) und resultiert aus einer Kooperation der AVL List GmbH, dem Exzellenzzentrum für Tribologie und dem Institut für Maschinenelemente und Entwicklungsmethodik der Technischen Universität Graz. Literatur [1] R. van Basshuysen und F. Schäfer, Handbuch Verbrennungsmotor, Wiesbaden: Springer Vieweg, 2015. [2] I. Sherrington, Tribology and dynamics of engine and powertrain, H. Rahnejat, Hrsg., Cambridge: Woodhead Publishing Limited, 2010. [3] H. Czichos und K.-H. Habig, Tribologie-Handbuch, Wiesbaden: Springer Vieweg, 2015. [4] H. Hick, S. Lösch, C. Priestner, B. Thonhauser und F. Zieher, „Advances in Determination of Piston Group Friction Losses at High Speeds and Loads using the AVL FRISC Single-Cylinder Engine,“ in 4. ATZ Fachtagung Reibungsminimierung im Antriebsstrang, Esslingen am Neckar, 2015. [5] H. Oertel, M. Boehle und T. Reviol, Strömungsmechanik für Ingenieure und Naturwissenschaftler, Springer, 2015. [6] P. Hofmann, Hybridfahrzeuge, Wien: Springer, 2014. [7] M. Scherge, B. Kehrwald und A. Gervé, „Tribologie und Motormechanik,“ MTZ - Motorentechnische Zeitschrift, Nr. 3, 2002. [8] F. Ditroi, S. Takacs, F. Tárkányi, E. Corniani, R. W. Smith, M. Jech und T. Wopelka, „Sub-micron wear measurement using activities under the free handling limit,“ Journal of Radioanalytical and Nuclear Chemistry, Bd. 292, pp. 1147-1152, 2012. [9] „Strahlenschutzgesetz StrSchG,“ 2015. [Online]. Available: www.ris.bka.gv.at. [Zugriff am 22 02 2018]. [10] U. Seiffert und G. Rainer, Virtuelle Produktentstehung für Fahrzeug und Antrieb im Kfz, Wiesbaden: Vieweg +Teubner, 2008. [11] N. Patir und H. S. Cheng, „An Average Flow Model for Determining Effects of Three-Dimensional Roughness on Partial Hydrodynamic Lubrication,“ Transactions of the ASME, Nr. 100, 1978. [12] J. A. Greenwood und J. H. Tripp, „The Contact of Two Nominally Flat Rough Surfaces,“ Archive: Proceedings of The Institution of Mechanical Engineers 1847-1982 (vols 1-196), Nr. 185, 01 06 1970. [13] G. Offner und O. Knaus, „A Generic Friction Model for Radial Slider Bearing Simulation Considering Elastic and Plastic Deformation,“ Lubricants, 30 06 2015. [14] D. Bartel, Simulation von Tribosystemen, Magdeburg: Vieweg Teubner, 2010. Aus Wissenschaft und Forschung 21 Tribologie + Schmierungstechnik · 65. Jahrgang · 4/ 2018 Im expert verlag erscheinen Fachbücher zu den Gebieten Weiterbildung - Wirtschaftspraxis - EDV-Praxis - Elektrotechnik - Maschinenwesen - Praxis Bau / Umwelt/ Energie sowie berufs- und persönlichkeitsbildende Audio-Cassetten und -CDs (expert audio) und Software (expertsoft) Themenverzeichnisse o Tribologie · Schmierungstechnik o Konstruktion · Maschinenbau · Tribologie · Verbindungstechnik · Oberflächentechnik · Werkstoffe · Materialbearbeitung · Produktion · Verfahrenstechnik · Qualität o Fahrzeug- und Verkehrstechnik o Elektrotechnik · Elektronik · Kommunikationstechnik · Sensorik · Mess-, Prüf-, Steuerungs- und Regelungstechnik · EDV-Praxis o Baupraxis · Gebäudeausrüstung · Bautenschutz · Bauwirtschaft/ Baurecht o Umwelt-, Energie- Wassertechnik · Hygiene / Medizintechnik o Sicherheitstechnik o Wirtschaftspraxis Bitte fordern Sie unser Verlagsverzeichnis auf CD-ROM an! expert verlag Fachverlag für Wirtschaft & Technik Wankelstraße 13 · D-71272 Renningen Postfach 20 20 · D-71268 Renningen Telefon (0 71 59) 92 65-0 · Telefax (0 71 59) 92 65-20 E-Mail expert@expertverlag.de Internet www.expertverlag.de Anzeige T+S_4_2018.qxp_T+S_2018 05.06.18 11: 15 Seite 21
