Tribologie und Schmierungstechnik
tus
0724-3472
2941-0908
expert verlag Tübingen
91
2019
664-5
JungkGfT-Förderpreis Masterarbeit
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2019
Jaacob Vorgerd
Die Topografie hochbeanspruchter Zahnradflanken ist während der gesamten Einsatzdauer stetigen Veränderungen ausgesetzt. Grübchenschäden sind das Ergebnis von Rissen im Werkstoff, die großflächig Material unterhöhlen und Partikel von der Oberfläche ablösen. Die physikalischen Zusammenhänge für den Schadensmechanismus lassen sich dabei nicht allein auf die Flächenpressung eingrenzen.
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Tribologische Untersuchungen zur örtlichen und zeitlichen Grübchen bildung an Zahnradflanken Jaacob Vorgerd * Kurzfassung Die Topografie hochbeanspruchter Zahnradflanken ist während der gesamten Einsatzdauer stetigen Veränderungen ausgesetzt. Grübchenschäden sind das Ergebnis von Rissen im Werkstoff, die großflächig Material unterhöhlen und Partikel von der Oberfläche ablösen. Die physikalischen Zusammenhänge für den Schadensmechanismus lassen sich dabei nicht allein auf die Flächenpressung eingrenzen. Schadensmechanismen auf Zahnradflanken Die örtlichen Gleitwälzkontakte von Zahnradflanken sind tribologischen Bedingungen ausgesetzt, die das Verschleißverhalten sowie die Bildung von Graufleckigkeit und Grübchen beeinflussen. Für die örtliche Simulation Nachrichten 83 Tribologie + Schmierungstechnik · 66. Jahrgang · 4/ 5/ 2019 GfT-Förderpreis Masterarbeit der Materialermüdung ist es wichtig, diese zeitlichen Oberflächenveränderungen wie Einglättung, Auskolkung und Mikrorisse sowie die Wechselwirkungen zwischen den Schadensbildern Graufleckigkeit und Grübchenbildung zu berücksichtigen. Das zeitliche Ermüdungsverhalten gleitwälzbeanspruchter Zahnflanken umfasst einen Verschleiß der kontaktierenden Oberflächen. Erste abrasive Verschleißerscheinungen entstehen bereits während der ersten Lastwechsel [1]. Die kontaktierenden Oberflächen glätten sich ein, wobei Rauheitsspitzen und Unebenheiten der Oberflächen abgetragen werden, bis ein gleichmäßiges Tragbild entsteht [2,3]. Mit fortschreitender Materialermüdung werden in der Randschicht Mikrorisse initiiert, die zu Partikelablösungen von der Oberfläche führen und Mikroporen auf der Oberfläche bilden. Mit der Zeit wird lokal immer wieder ermüdetes Material abgetragen. Dieser iterative Prozess führt zu einem stetigen Materialabtrag, kann jedoch auch stagnieren (Bild 1). Grübchen sind großflächige Ausbrüche der Oberfläche, bei dessen Entstehung ein unterhöhlender Riss mit beiden Rissenden an die Oberfläche wachsen muss. Bei hochbeanspruchten Zahnflanken ist die oberflächeninduzierte Grübchenbildung üblich [4]. Im Gleitwälzkontakt liegen zumeist Mischreibungsbedingungen vor. Rauheiten technischer Oberflächen bewirken lokale Spannungsüberhöhungen an Mikrokontakten. Durch den Materialabtrag entstehen Mikrokerben und -poren. Material im Kerbgrund bzw. an der Rissspitze wird lokal * Jaacob Vorgerd, Master of Science Lehrstuhl für Industrie- und Fahrzeugantriebstechnik Ruhr-Universität Bochum 44801 Bochum Bild 1: Verschleißverhalten, Entwicklung der oberflächentopografie, Grauflecken- und Grübchenbildung hochbeanspruchter Zahnradflanken mit steigender Lastwechselzahl [5] TuS_4_5_2019.qxp_T+S_2018 23.08.19 13: 15 Seite 83 Nachrichten 84 Tribologie + Schmierungstechnik · 66. Jahrgang · 4/ 5/ 2019 verstärkt beansprucht. Mit steigender Laufzeit können so aus den Mikroporen großflächige Grübchen entstehen. Simulation der Materialermüdung An der Ruhr-Universität Bochum wurden in den letzten Jahren Modelle gleitwälzender Zahnflanken zur Bestimmung des örtlichen Materialabtrags [6], der Grauflekkenbildung [5] und der Materialermüdung [7] entwickelt und über zahlreiche Versuche validiert. Einige Wechselwirkungen zwischen den Schadensmechanismen werden in den Modellen bereits berücksichtigt. Für die Differenzierung des Schadenseinleitungsortes der Grübchenbildung ist im Rahmen dieses Artikels ein analytisches Kontaktmodell [8] in die Simulation implementiert worden, mit dem die Materialbeanspruchung unter Mischreibungsbedingungen berechnet werden kann. Bild 2 zeigt Simulationsergebnisse einer FZG C-PT Prüfverzahnung im verschlissenen Zustand bei einer Drehmomentbelastung von T 1 = 373 Nm. In jeder Eingriffsstellung wird für den aktuellen Kontaktpunkt ein Spannungsfeld berechnet und hinsichtlich der Vergleichsspannung sowie eines Schädigungsgradienten [7] ausgewertet, der die zeitliche Wachstumsrate der Materialschädigung beschreibt. Die Bereiche nahe der Graufleckenkante werden verschleißbedingt am stärksten beansprucht. Das Beanspruchungsfeld unterhalb der Oberfläche zeigt zwei stark beanspruchte Bereiche. Das Beanspruchungsmaximum σ V,max befindet sich im Einzeleingriffsgebiet zwischen den Punkten B und C. Über einen großen Tiefenbereich liegen lokal hohe Beanspruchungen vor. Im Feld des Schädigungsgradienten ist zu erkennen, dass sich hohe Gradienten sowohl nahe der Oberfläche als auch deutlich unterhalb der Oberfläche befinden. Für diesen Last- und Verschleißzustand ist sowohl eine suboberflächenals auch eine oberflächeninduzierte Grübchenbildung möglich. Zur besseren Übersicht ist der Schädigungsgradient in dieser Darstellung logarithmiert und auf den Wert 1 normiert. Bild 2: Darstellung des simulierten örtlichen Schädigungsgradienten einer verschlissenen Zahnradflanke bei einer Drehmomentbelastung von T 1 = 373 Nm Bild 3: Tiefenbildaufnahme des Prüfritzels mit einem Drehmoment von T 1 = 373 Nm nach 77 h TuS_4_5_2019.qxp_T+S_2018 23.08.19 13: 15 Seite 84 Nachrichten 85 Tribologie + Schmierungstechnik · 66. Jahrgang · 4/ 5/ 2019 Experimentelle Untersuchung Im Rahmen der experimentellen Untersuchungen wurden Laufversuche in Anlehnung an den Pittingtest nach FVA 371/ 1 durchgeführt. Die Tiefenbildaufnahme eines Ausschnittes der Zahnflanke des Prüfritzels ermöglicht nähere Aussagen über den Entstehungsmechanismus (Bild 3). Erste, flache Ausbrüche liegen an der Ausbruchspitze vor, die aus einer Graufleckenpore entstanden sind. Links oberhalb des Ausbruchs hat sich die Zahnflankenoberfläche aufgrund unterhöhlender Risse im Gefüge bereits um wenige Mikrometer angehoben. Im weiteren Schadensverlauf würde dieser Bereich von der Oberfläche ausbrechen und das Grübchen vergrößern. Das Schliffbild (Bild 4) des graugefleckten Bereichs zeigt ein dichtes Netzwerk von der Oberfläche ausgehender Mikrorisse. Die Anrisse wachsen unter einem Winkel von α ≈ 20-40° in die Materialtiefe. Mit wachsender Risslänge entspringen abschnittsweise Sekundärrisse vom Hauptriss und schlagen unter einem steilen Winkel zur Oberfläche zurück. In der Konsequenz entstehen keilförmige Ausbrüche. Das Zusammenwachsen mehrerer Ausbrüche bewirkt das Abschälen in Form von Partikeln und das Anwachsen der Poren zu Grübchen. Im Rahmen der durchgeführten Untersuchungen zeigen sämtliche Proben eine oberflächeninduzierte Grübchenbildung. Die initialen Ausbrüche liegen stets im Bereich der Graufleckigkeit, von denen das Grübchenwachstum in Richtung Wälzpunkt verläuft. Knapp oberhalb der Graufleckenkante liegt die maximale Tiefe der Ausbrüche. Fazit Der real elastische Zahnkontakt stellt ein komplexes Kontaktproblem dar. Es existieren räumlich und zeitlich variierende tribologische Wechselwirkungen zwischen den Kontaktpartnern und dem Schmiermittel. Festkörperkontakte an den Rauheitsspitzen bewirken lokale Spannungsüberhöhungen nahe der Oberfläche. Materialabtrag durch Mikroporen entlastet zunächst lokal Bereiche hoher Beanspruchung. Die Mikroporen auf der Oberfläche erzeugen aber gleichzeitig eine Kerbwirkung. An den Ermüdungsrissen setzen weiteres Risswachstum und Partikelablösungen von der Oberfläche ein. Schließlich führt dieser iterative Schälprozess zu einer oberflächeninduzierten Grübchenbildung. In zukünftigen Arbeiten soll mit weiteren experimentellen Untersuchungen der Einfluss des Schmierstoffs auf den Entstehungsmechanismus der Grübchenbildung evaluiert werden. Durch eine Variation der Profilverschiebung werden die Wechselwirkungen zwischen Graufleckigkeit und Grübchenbildung durch eine andere Pressungsverteilung entlang der Eingriffsstrecke untersucht. Literatur [1] N.N, GfT-Arbeitsblatt 7 - Tribologie: Verschleiß, Reibung - Definition, Begriffe, Prüfung, 2002. [2] F. Klocke und C. Brecher, Zahnrad- und Getriebetechnik. 2016 [3] M. Hergesell, Grauflecken- und Grübchenbildung an einsatzgehärteten Zahnrädern mittlerer und kleiner Baugröße. Dissertation Technische Universität München, 2013. [4] K. Sommer, R. Heinz und J. Schöfer, Verschleiß metallischer Werkstoffe. 2010. [5] C. Lohmann, Zusammenhang von Ermüdung, Rissbildung, Verschleiß und Graufleckentragfähigkeit an Stirnrädern. Dissertation Ruhr-Universität Bochum, 2016. [6] M. Walkowiak, Örtliche Belastungen und Verschleißsimulation in den Zahneingriffen profilkorrigierter gerad- und schrägverzahnter Stirnradgetriebe zwischen Einfederungsbeginn und Ausfederungsende. Dissertation Ruhr- Universität Bochum, 2013. [7] M. Weibring, L. Gondecki und P. Tenberge, Simulation of fatigue failure on tooth flanks in consideration of pitting initiation and growth, 2019. [8] A. Labiau, F. Ville, P. Sainsot, E. Querlioz und T. Lubrecht, Effects of sinusoidal surface roughness under starved conditions on rolling contact fatigue, 2008. Bild 4: oberflächige initiierung und ausbreitung von Mikrorissen TuS_4_5_2019.qxp_T+S_2018 23.08.19 13: 15 Seite 85
