Tribologie und Schmierungstechnik
tus
0724-3472
2941-0908
expert verlag Tübingen
91
2019
664-5
JungkGfT-Förderpreis Dissertation
91
2019
René Greschert
Ein wirksames Mittel zur Steigerung der Zahnradtragfähigkeit stellen tribologische, selbstregenerative Grenzschichten dar, die die Bauteilrandzone vor Reibung und Verschleiß schützen. In der vorliegenden Arbeit wird deshalb der Einfluss des Schleifprozesses, des Kühlschmierstoffs und des Einlaufs auf die Grenzschicht und auf das daraus resultierende Betriebsverhalten beschrieben, um eine zielgerichtete Bauteilvorkonditionierung in der Zahnradfertigung zu ermöglichen. Die Betrachtungen umfassen experimentelle Untersuchungen auf Grundlagenebene im Zwei-Scheiben-Versuch und auf Applikationsebene im Zahnradversuch.
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Nachrichten 86 Tribologie + Schmierungstechnik · 66. Jahrgang · 4/ 5/ 2019 GfT-Förderpreis Dissertation Ausbildung tragfähigkeitssteigernder Grenzschichten in der Zahnradfertigung René Greschert * Kurzfassung Ein wirksames Mittel zur Steigerung der Zahnradtragfähigkeit stellen tribologische, selbstregenerative Grenzschichten dar, die die Bauteilrandzone vor Reibung und Verschleiß schützen. In der vorliegenden Arbeit wird deshalb der Einfluss des Schleifprozesses, des Kühlschmierstoffs und des Einlaufs auf die Grenzschicht und auf das daraus resultierende Betriebsverhalten beschrieben, um eine zielgerichtete Bauteilvorkonditionierung in der Zahnradfertigung zu ermöglichen. Die Betrachtungen umfassen experimentelle Untersuchungen auf Grundlagenebene im Zwei-Scheiben-Versuch und auf Applikationsebene im Zahnradversuch. Schlagwörter Zahnrad, Schleifen, Kühlschmierstoff, Additive, Reibung, Grenzschicht Abstract Tribological, self-regenerative boundary layers that protect the surface zone from friction and wear represent an effective means of increasing the load carrying capacity of gears. The present thesis therefore describes the influence of the grinding process, the metalworking fluid and the running-in procedure on the boundary layer and on the resulting operating behavior in order to enable targeted preconditioning in gear manufacturing. The considerations include experimental investigations on the basic level in the two-disk test and on the application level in the gear test. Keywords gear, grinding, metalworking fluid, additives, friction, boundary layer Ausgangssituation, Zielsetzung und wesentliche Erkenntnisse der Arbeit Bei Verzahnungen aus gehärtetem Einsatzstahl stellt üblicherweise die Schleifbearbeitung den Abschluss der Fertigungskette dar. Infolge der eingebrachten mechanischen und thermischen Energie kommt es dabei zu einer Veränderung der Grenzschicht [BRIN82]. Der Verzahnungsschleifprozess wird in der Regel nur durch die Maßhaltigkeit und die Oberflächenrauheit toleriert und nicht durch Grenzschichteigenschaften wie z.B. die Gefügestruktur oder die chemische Oberflächenbelegung. Mithilfe der Methoden der Grenzschichtanalytik lässt sich jedoch auch für Verzahnungen nachweisen, dass es infolge des Schleifens zu Veränderungen in der Grenzschicht kommt. Das Reibungs- und Verschleißverhalten von Zahnflanken wird durch Grenzschichten beeinflusst, die sich an der Bauteiloberfläche in der Fertigung, im Einlauf und im Betrieb ausbilden. Die Grenzschichteigenschaften werden ihrerseits durch die Parameter der Endbearbeitung und des Einlaufs beeinflusst. Eine funktionale Einstellung der Grenzschicht im Hinblick auf das Bauteilbetriebsverhalten in der späteren Applikation ist für die Kolben-Zylinder-Paarung bereits Stand der Technik [BERL09]. Für mechanisch und tribologisch hochbelastete Zahnflankenkontakte ist das Potenzial und die Wirkungsweise einer solchen Bauteilvorkonditionierung bislang jedoch nicht erforscht. Das Ziel dieser Arbeit bestand deshalb darin, ein Modellverständnis zum Zusammenhang zwischen der Fertigung, der Grenzschicht und dem Bauteilbetriebsverhalten von Zahnrädern zu entwickeln. Das Forschungsziel stellte eine wissenschaftliche Herausforderung dar, da es eine prozess- und skalenübergreifende Beschreibung der Grenzschichtbildung und -wirkung auf wälzbeanspruchten Oberflächen umfasste. Es wurden Sätze von Prüfkörpern und Prüfverzahnungen mit verschiedenen Schleifprozessvarianten und Kühlschmierstoffen (KSS) hergestellt. Die Prüfteile wurden hinsichtlich ihrer Grenzschicht analysiert und auf einem mit Getriebeöl geschmierten Prüfstand hinsichtlich ihres Betriebsverhaltens untersucht. Bei den Prüfstandsuntersuchungen wurden für die mit unterschiedlichen thermomechanischen Energieeinträgen und mit unterschiedlichen KSS geschliffenen Prüfteile reproduzierbare Unterschiede des Reibungs- und Bauteilermüdungsverhaltens im Zeitfestigkeitsgebiet ermittelt. Da die Versuchsergebnisse nicht ausreichend anhand der konventionell in der Zahnradfertigung tolerierten Bauteileigenschaften wie z.B. Rauheit, Härte und z.T. Eigenspannungen erklärt werden konnten, wurden die Unterschiede im Bauteilbetriebsverhalten auf die Wirkungsmechanismen der Ausbildung der fertigungsbedingten Grenzschicht zurückgeführt. In Bezug auf die thermomechanische Bauteilvorkonditionierung erwiesen sich die feinkörnige Tribomutati- * Dr.-Ing. René Greschert Werkzeugmaschinenlabor (WZL) der RWTH Aachen Abteilung Getriebetechnik, 52074 Aachen TuS_4_5_2019.qxp_T+S_2018 23.08.19 13: 15 Seite 86 Nachrichten 87 Tribologie + Schmierungstechnik · 66. Jahrgang · 4/ 5/ 2019 onsschicht und deren Abstützung auf dem Grundgefüge als wesentliche Einflussfaktoren auf das Bauteilbetriebsverhalten. Die Ausbildung einer tragfähigkeitssteigernden Tribomutationsschicht in der Bauteilendbearbeitung oder während des Bauteileinlaufs setzte die Einbringung eines ausreichenden thermome-chanischen Energieeintrags in die Bauteilrandzone voraus. Die Bauteilbeanspruchbarkeit in der Vorkonditionierungskette war jedoch nach oben hin begrenzt durch thermische Gefügeschädigungen beim Schleifen bzw. durch Bauteilfrühschädigungen beim Einlauf. In den Prüfstandsversuchen zeichneten sich deshalb die Prüfkörper, die mit einem moderaten Energieeintrag vorkonditioniert worden waren, als die hinsichtlich Reibung und Ermüdungsverschleiß günstigsten Varianten aus. Die Beobachtungen zum Bauteileinlauf lassen sich somit in die von B ERLET [BERL09] aufgestellte Modellvorstellung einordnen, wonach ein definierter thermomechanischer Energieeintrag eine tribologisch günstige Grenzschichteinstellung bewirken kann, siehe Bild 1. Durch die selbst unter Einsatz öllösender Reinigungsmittel wie Bremsenreiniger und Aceton nicht vermeidbare Mitnahme der KSS-Rückstände in die Endanwendung kommt es zusätzlich zu einer chemischen Vorkonditionierung der Bauteiloberfläche durch die Endanwendung. KSS und Getriebeöl weisen auf molekularer Ebene verwandte Bindungsmechanismen an die Metalloberfläche auf. Zur Beschreibung der KSS-Wirkung lässt sich dazu die Modellvorstellung nach S CHULZ [SCHU10] nutzen, deren Ursprung in der Metallbearbeitung liegt. Im Hinblick auf das Bauteilbetriebsverhalten ist jedoch zu berücksichtigen, dass KSS dahingehend ausgelegt werden, die Zerspanung effizienter zu machen, indem sie die Rissbildung in der Spanzone fördern. Dies konnte auch für die in dieser Arbeit eingesetzten KSS in Form von Schleifleistungsmessungen bestätigt werden. Die Additive des Getriebeöls werden jedoch dahingehend ausgelegt, Rissbildung zu verhindern oder für bestehende Risse das Risswachstum zu hemmen. Für ein tribologisch günstiges Bauteilbetriebsverhalten ist es deshalb wichtig, dass die Bauteiloberfläche in der Applikation schnell und flächendeckend durch die Getriebeöladditive benetzt wird und ein Schutzschichtaufbau einsetzt. Infolge der evtl. noch an der Oberfläche haftenden KSS-Moleküle kann es in der Applikation zu einer Begünstigung oder Behinderung der Anlagerung der Getriebeöladditive und des sich daran anschließenden Grenzschichtaufbaus kommen, da die Prozesse konzentrations- und zeitabhängig sind. Danksagung Der Autor dankt der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) [BR2905/ 44] für die Bereitstellung der finanziellen Mittel zur Durchführung des zugrundeliegenden Forschungsprojekts. Großer Dank gilt Herrn Prof. Christian Brecher für die Betreuung der Promotion. Weiter hervorzuheben sind die Firma Klingelnberg für die Bereitstellung einer Verzahnungsschleifmaschine und eines Verzahnungsmesszentrums, sowie die Firmen Fuchs Schmierstoffe und Fuchs Wisura für die Bereitstellung der Versuchsöle. Literatur [BERL09] Berlet, P.: Einfluss spanender Endbearbeitungen mit geometrisch unbestimmten Schneiden auf tribologische Funktionsflächen. Diss. Universität Karlsruhe, 2009 [BRIN82] Brinksmeier, E.: Randzonenanalyse geschliffener Werkstücke. Diss. Universität Hannover, 1982 [SCHU10] Schulz, J.; Holweger, W: Wechselwirkung von Additiven mit Metalloberflächen. Renningen: Expert, 2010 Bild 1: Mögliche Wege der Wechselwirkung zwischen Fertigung und Betrieb TuS_4_5_2019.qxp_T+S_2018 23.08.19 13: 15 Seite 87
