Tribologie und Schmierungstechnik
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Nachrichten 73 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 5-6/ 2022 * B. Sc. Philip Köch, M. Sc. Fabian Forsbach, Dr.-Ing. Markus Heß (federführender Autor) Technische Universität Berlin Fachgebiet Systemdynamik und Reibungsphysik Straße des 17. Juni 135, 10623 Berlin B. Sc. Philip Köch: Herr Köch hat im WS 21/ 22 seinen Bachelor im Studiengang Physikalische Ingenieurwissenschaften an der Technischen Universität Berlin mit Auszeichnung abgeschlossen. Aufgrund herausragender Leistungen in den Grundlagenmodulen zur Technischen Mechanik war er bis 2020 als Tutor am Institut für Mechanik angestellt. Seine Bachelorarbeit hat er am Fachgebiet Systemdynamik und Reibungsphysik unter Betreuung von M.Sc. Fabian Forsbach und Dr. Markus Heß geschrieben. A Hybrid-Scale Two-Dimensional Finite Element Approach for Finger Pad Contact Under Electroadhesion Philip Köch, Fabian Forsbach, Markus Heß* In seiner Bachelorarbeit [1] mit obigem Titel hat Philip Köch ein zweidimensionales FE-Modell für den elektroadhäsiven Normalkontakt zwischen Zeigefinger und kapazitivem Touchscreen entwickelt, das sowohl die physikalische Nichtlinearität der mehrschichtigen Haut geeignet berücksichtigt als auch die Geometrie auf der makroskopischen Ebene der Papillarleisten präzise abbildet. Als Grundlage dienten experimentelle Daten aktueller Literaturbeiträge und eigener Messungen mit einem 3D Laserscanning-Mikroskop. Für einen Zustand im reinen Normalkontakt ohne Elektroadhäsion ist das FE-Modell exemplarisch in Bild 1 gezeigt. Die Interdependenz zwischen mechanischer und elektrischer Domäne wurde über externe Kräfte an den Knoten der Oberfläche realisiert, deren Berechnung iterativ über eine Subroutine erfolgt. Da die Größe der elektrostatischen Anziehungskraft maßgeblich vom mikroskopisch rauen Grenzflächenspalt zwischen den Oberflächen abhängt, wurde die Berechnungsformel der Knotenkräfte des geometrisch makroskopischen Modells künstlich mit einer stochastisch verteilten, mikroskopischen Luftlücke beaufschlagt. Dazu wurden die aus der optischen Profilometrie gewonnenen Parameter der 3D-Rauigkeit auf den Papillarleisten als Eingangsgrößen zur Generierung eines 2D selbstaffin fraktalen Höhenprofils in Form einer Weierstraß-Funktion verwendet. Auch ein vereinfachter Ansatz über eine mehr empirisch definierte äquivalente Luftlücke wurde untersucht [2]. In Bild 2 ist der Einbau der Knotenkräfte zur Abbildung der elektrostatischen Anziehung anhand zweier (unterschiedlich stark) vergrößerter Ausschnitte des oberflächennahen Kontaktbereiches schematisch dargestellt. Als Grundlage der Berechnung dient das ebenfalls gezeigte Netzwerk bestehend aus den kapazitiven Widerständen der obersten Hautschicht (Stratum Corneum) C sc , des Grenzflächenluftspaltes C a und der dielektrischen Schicht des Touchscreens C i . Mit Hilfe des FE-Modells hat Herr Köch unter anderem den elektrostatischen Beitrag zur Normalkontaktkraft für verschiedene extern aufgebrachte Normalkräfte und angelegte elektrische Spannungen im Detail analysiert. Dabei ist er von einem kraftgesteuerten Versuch ausgegangen und hat zwischen Andruck- und Abziehvorgang differenziert. Bild 3 greift demonstrativ eines der Ergebnisse heraus. Bei vier verschiedenen Spannungen GfT-Förderpreis Bachelorarbeit Bild 1: FE-Modell im Zustand des Normalkontaktes ohne Elektroadhäsion einschließlich Farbverlauf der Vergleichsspannung nach von Mises Bild 2: Schematische Darstellung der Implementierung von Elektroadhäsion anhand vergrößerter Modellausschnitte im oberflächennahen Bereich einschließlich kapazitivem Netzwerk TuS_5_6_2022.qxp_TuS_5_6_2022 09.02.23 16: 31 Seite 73 Nachrichten 74 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 5-6/ 2022 U 0 = 50 V, 100 V, 150 V, 200 V wurde zunächst die extern aufgebrachte Normalkraft je Einheitslänge inkrementell von Null bis zu einem Wert von 0,2 N/ mm gesteigert und im Anschluss wieder inkrementell reduziert. Es ist ersichtlich, dass die elektrostatischen Anziehungskräfte zwischen Belastungs- und Entlastungskurve mit größer werdender elektrischer Spannung markant voneinander abweichen. Bei gleicher extern aufgebrachter Normalkraft stellt sich bei Entlastung eine größere Kontaktlänge ein. Zyklische Be- und Entlastungskurven führen zu elektroadhäsiver Hysterese, die mit Energieverlusten einhergeht. Für Adhäsion aufgrund von Vander-Waals-Kräften ist diese in der Rauheit begründete adhäsive Hysterese Gegenstand aktueller Forschung (siehe z. B. [3],[4]). Die hier vorgestellte Übertragung auf Elektroadhäsion ist insbesondere in der Softrobotik von Relevanz, in welcher elektrostatische Anziehungskräfte zur Steuerung von Greif- und Haltevorgängen beitragen können. Von fundamentaler Bedeutung ist das Modell aber für die Abbildung von Elektrovibration in der Oberflächenhaptik. Im Rahmen dieser energieeffizienten, leicht zu integrierenden Technologie wird mittels Änderung der Amplitude, Frequenz und Form der Wechselspannung die Reibung zwischen Finger und Touchscreen so angesteuert, dass der Benutzer definierte taktile Reize wahrnimmt. Aufbauend auf der Arbeit von Herrn Köch wird aktuell an der Entwicklung einer komplexeren Modellierung für den Reibkontakt unter Elektrovibration gearbeitet. Die Zielsetzung beinhaltet neben einer adäquaten Abbildung experimentell erfasster Zusammenhänge makroskopischer Kontaktgrößen auch eine Untersuchung des Einflusses der elektrostatischen Anziehung auf den Spannungszustand im Bereich der Mechanorezeptoren der Haut [5],[6]. Letzterer bestimmt im Wesentlichen die Aktivierung der Sensoren, gleichbedeutend mit dem Aussenden neuronaler Impulse, die nach Übersetzung die taktile Wahrnehmung ausmachen. Literatur: [1] Köch, P. “A Hybrid-Scale Two-Dimensional Finite Element Approach for Finger Pad Contact Under Electroadhesion,” Bachelor-Thesis, Technische Universität Berlin, Berlin, 2021. [2] Heß, M., & Popov, V. L. (2019). Voltage-Induced Friction with Application to Electrovibration, Lubricants, vol. 7, no. 12, p. 102. [3] Deng, W., & Kesari, H. (2019). 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Saskia Heermant 1 *(federführende Autorin) Orcid-ID: https: / / orcid.org/ 0000-0001-8528-9664 M.Sc. Christian Beckmann 1 Orcid-ID: https: / / orcid.org/ 0000-0002-5866-370X M.Sc. Adrian Wittrock 1 Orcid-ID: https: / / orcid.org/ 0000-0003-3915-7139 Prof. Dr.-Ing. Markus A. Wimmer 2 Orcid-ID: https: / / orcid.org/ 0000-0001-6169-3873 Prof. Dr.-Ing. Alfons Fischer 3 Orcid-ID: https: / / orcid.org/ 0000-0003-0407-2813 Dr. rer. nat. Jörg Debus 1 Orcid-ID: https: / / orcid.org/ 0000-0002-8678-4402 1 Fakultät Physik, TU Dortmund, Otto-Hahn-Str. 4a, 44227 Dortmund 2 Department of Orthopedic Surgery, Rush University Medical Center, 1611 W. Harrison St., 606012 Chicago, USA 3 Abteilung Mikrostrukturphysik und Legierungsdesign, Max-Planck-Institut für Eisenforschung GmbH, Max-Planck-Str. 1, 40237 Düsseldorf Nachrichten Organisch-anorganische Interaktionen in der Stift-Konus-Verbindung künstlicher Kegelhüftgelenke Saskia Heermant, Christian Beckmann, Adrian Wittrock, Markus A. Wimmer, Alfons Fischer, Jörg Debus* Schlüsselwörter: Stift-Konus-Verbindung, Fretting, Metall-Serum-Wechselwirkung, Raman-Streuung 1 Einleitung Die Hüfttotalendoprothese (HTEP) ist bei starker Hüft- Arthrose eine häufige und erfolgreiche Lösung. Allein in Deutschland hat sich die Anzahl der durchgeführten endoprothetischen Hüftoperationen in den letzten 10 Jahren mehr als verzehnfacht, mit einem leichten COVID- 19-pandemiebedingten Rückgang im Jahr 2021 [1]. Drei Viertel aller HTEP erreichen heute eine Lebensdauer von 15 bis 20 Jahren [2]. Jedoch steigt auch die Lebenserwartung der Menschen und das Bedürfnis nach einem mobilen Leben im Alter [3]. Das Hauptziel der Forschung an neuen HTEP ist daher die Verlängerung von deren Lebensdauer [4]. Um dies zu erreichten, muss Wissen über die Interaktion des menschlichen Körpers mit den Materialien gewonnen werden. Bei Revisionen werden z. B. oft lokale Gewebeveränderungen beobachtet. Diese werden durch die Freisetzung von Abriebpartikeln und Metallionen aus dem Implantat, bedingt durch Fretting und Korrosion an der Verbindung zwischen Femurkopf und -hals, ausgelöst [5]. Über die grundlegenden chemischen und physikalischen Mechanismen des Verschleißes und das entsprechende Verhalten der gebildeten Verschleißpartikel ist jedoch wenig bekannt. Um das Verschleißverhalten von Modellen und Materialien zu untersuchen, werden Tribometer verwendet [4]. Dabei ist eine biologische Flüssigkeit als Umgebung von großer Wichtigkeit, um realitätsnahe Resultate zu erzielen [6]. Untersucht wurden besonders Albumin (größtenteils gefaltet in α-Helices) und Globuline (β-Faltblattstrukturen), da sie den Hauptanteil der Proteine im menschlichen Serum ausmachen [4]. Viele Studien behandeln die Proteinsorten einzeln. Die Adsorption von Lipiden in Bezug auf künstliche Hüftgelenke wurde noch nicht im Detail untersucht, obwohl diese ebenfalls in Seren präsent sind [7, 8]. Da die Adsorption organischer Moleküle stark vom adsorbierenden Material abhängt [9], sind Unterschiede bei den adsorbierten Molekülen für verschiedene Materialkombinationen zu erwarten. Daher konzentriert sich diese Arbeit auf die tribologisch bedingten Wechselwirkungen zwischen der Körperflüssigkeit, simuliert durch Rinderkalbserum (RKS), und den anorganischen Oberflächen der künstlichen Hüftkomponenten. Stifte aus TiAlV und Konen aus CoCrMo oder FeCrMnMoN simulieren den Femurhals und -kopf und werden Frettingtests unterschiedlicher Dauer unterzogen. Das Tribomaterial wird inner- und außerhalb der Kratzspur mittels ortsaufgelöster Raman-Spektroskopie analysiert. Raman-Streuung beruht im Wesentlichen auf der Anregung oder Annihilation von quantisierten Gitter- oder Molekülschwingungen (Phononen). Die Energie dieser Phononen ist charakteristisch für die zugrundeliegende chemische Bindung. Damit ermöglicht Raman- Spektroskopie deren zerstörungsfreie Analyse [10, 11]. 2 Materialien und Methoden 2.1 Proben Wie in Bild 1 dargestellt besteht jeder Probensatz aus zwei Konen (Ø 12 mm x 7 mm) und einem Stift (Ø 13 mm). Die Konen, entweder gefertigt aus der kohlenstoffarmen (0,034 Gew-%) Co-Basis-Legierung CoCr29Mo6 oder dem rostfreiem Stahl X13CrMnMoN18-14-3 mit hohem Stickstoffgehalt (0,9 Gew.-%), werden so poliert, dass deren Oberflächen einen arithmetischen Mittenrauwert R a = (0,006 ± 0,001) μm und eine Krümmung mit Radien zwischen 8 und 10 m aufweisen. Alle Stifte sind aus TiAl6V4 gefertigt. Ihre Oberflächen sind feinbearbeitet [R a = (0,24 ± 0,02) μm] mit umlaufenden Rillen senkrecht zur Bewegungsachse. GfT-Förderpreis Masterarbeit TuS_5_6_2022.qxp_TuS_5_6_2022 09.02.23 16: 31 Seite 75 Nachrichten 76 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 5-6/ 2022 2.2 Methoden 2.2.1 Frettingtests Die Frettingtests werden in einem selbst angefertigten Tribometer durchgeführt, siehe [12]. Die Konen werden in einer Umgebung aus RKS mit einer Normalkraft von (17,3 ± 0,4) N gegen einen Stift gedrückt, der sich bei (37,5 ± 0,4) °C mit einer Amplitude von (50 ± 1) μm und einer Frequenz von 4 Hz bewegt. Der Proteingehalt des RKS wird auf 30 g/ l eingestellt (588 ml Serum von neugeborenen Kälbern, 3,7 g NaCl, 82,4 mg EDTA, 11,12 g Trisaminomethan, 412 ml entionisiertes Wasser, 7,6 pH). Um die tribologischen Veränderungen in Abhängigkeit von der Belastungsdauer zu analysieren, werden Tests mit 50, 500, 5 k und 40 k bzw. 50 k Zyklen durchgeführt. 2.2.2 Raman-Spektroskopie Nach den Frettingtests werden die Proben für 10 min in 70 % Wasser/ 30 % Ethanol in einem Ultraschallbad (Branson 5800, Branson 166 Ultrasonics, Brookfiled CT, USA) gereinigt. Das Tribomaterial inklusive der adsorbierten organischen Moleküle wird nicht gelöst. Die Konen und Stifte werden bei Raumtemperatur mit konfokaler Raman-Spektroskopie (MonoVistaCRS, Spectroscopy&Imaging GmbH, Warstein, 184 Germany; LabRAM HR Evolution, Horiba Scientific, Chicago, USA) untersucht. Die optische Anregung erfolgt jeweils mit einem 532 nm-Laser. Seine Ausgangsleistung wird auf die Messzeit (min bis h) abgestimmt und auf Werte zwischen 1,5 mW und 3 mW eingestellt, so dass laserinduzierte Veränderungen/ Schäden vermieden werden. Das linear polarisierte Laserlicht wird mit Mikroskopen (BX51W1, L-BXFM-HR, Olympus, Shinjuku, Japan) auf die Proben fokussiert, entweder mit einem Objektiv mit 20- oder 50-facher Vergrößerung. Das gestreute Licht wird mit Spektrometern erfasst, die mit Si-basierten charged-coupled device-Kameras ausgestattet sind. 3 Ergebnisse und Diskussion Die in Bild 2 dargestellten Raman-Spektren der CoCrMo-Konen (blau, gelb) zeigen, dass sich die Intensitäten der symmetrischen CH 3 - und asymmetrischen CH 2 -Moden bei ca. 2878 cm -1 bzw. 2934 cm -1 [13] mit der Anzahl der Fretting-Zyklen (50 vs. 40 k) stark verändern. Aus ihrem Intensitätsverhältnis lässt sich das Verhältnis zwischen Kettenenden (CH 3 ) und Kettengliedern (CH 2 ) bestimmen. Die Änderung des Verhältnisses deutet darauf hin, dass hier kurzkettige Moleküle, wie Lipide (vermutl. freie Fettsäuren), adsorbiert werden, bevor sich langkettige Moleküle anlagern. Die anschließende Verdrängung der Lipide durch Proteine zeigt sich durch das Verschwinden des Markers für Lipide um 1064 cm -1 [14]. Die Analyse des Proteinrückgrats auf der Grundlage der Amid I-Bande zeigt bei den CoCrMo-Konen eine Verschiebung von ca. 1655 cm -1 auf ca. 1665 cm -1 . Dies deutet darauf hin, dass sich die Konformation eines Proteins (hauptsächlich Albumin), sobald es an die Oberfläche gebunden ist, von einer α-Helix zu einer zufälligen oder β-Faltblattstruktur ändert [15]. Weitere Peakverschiebungen und -verbreitungen nach 40 k Zyklen weisen auf eine allgemeine Denaturierung der Proteine während der gesamten Dauer der Frettingtests hin. Im Gegensatz dazu wird auf den FeCrMnMoN-Konen (Bild 2: grün, lila) ein konstant bleibendes Intensitätsverhältnis von den symmetrischen CH 3 - und asymmetrischen CH 2 -Moden und auch nach 50 k Zyklen ein Raman-Signal bei ca. 1084 cm -1 als Anzeichen von Phospholipiden beobachtet [13]. Das Maximum der Amid I-Banden liegt zunächst bei ca. 1665 cm -1 und nach 50 k Zyklen bei ca. 1658 cm -1 . Somit kann daraus und unter Einbezug weiterer Peakveränderungen geschlossen werden, dass erst zufällig gefaltete oder β-Faltblattstruktur Bild 1: Schema des Stift-Konus-Kontaktmodells und der Kontaktsituation zwischen Femurhals und -kopf bei künstlichen Kegelhüftgelenken Bild 2: Raman-Spektren gemessen für angesammelte Abriebpartikel auf CoCrMo- und FeCrMnMoN-Konen nach verschiedenen Zyklenzahlen TuS_5_6_2022.qxp_TuS_5_6_2022 09.02.23 16: 31 Seite 76 Nachrichten 77 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 5-6/ 2022 (Globuline) adsorbiert werden und im Verlauf des Frettingprozesses eine darüber liegende Schicht von α-Helix-Strukturen (Albumin) aufgebaut wird. In den Kratzspuren werden Spektren mit intensitätsreduzierten Amid-Banden sowie D- und G-Peaks bei 1362 cm -1 bzw. 1568 cm -1 mit zunehmender Zyklenzahl häufiger gemessen. Dies deutet auf die Zerteilung der Proteinrückgrate und die Bildung von sp2-hybridisierten amorphen Kohlenstoff aus den Proteinresten hin [16]. 4 Schlussfolgerungen Dieses unterschiedliche Verhalten wird auf den hydrophoberen Charakter von CoCrMo zurückgeführt. Auf hydrophoben Oberflächen ist eine Denaturierung und damit ein Ausbreiten der Proteine wahrscheinlicher. Auch die in dem Fall schwachen Abstoßungskräfte zwischen den Proteinen ermöglichen eine dichte Bedeckung [9, 17]. Es wird die Freisetzung von Metallionen reduziert und die CoCrMo-Oberflächen weniger abgenutzt als die aus FeCrMnMoN. Denaturierte Proteine können jedoch immunologische Abwehrreaktionen auslösen [4]. Daher könnte eine hydrophile Oberfläche wie FeCrMnMoN dieses Risiko minimieren. Weitere Vorteile bieten hier die Phospholipide, die aufgrund ihrer lamellaren Anordnung die Reibung verringern [18] und die Mehrfachbeschichtung aus nativen Globulinen und Albumin, da Globuline den Verschleiß und Albumin die Reibung vermindern [19]. Beobachtungen aus In-vivo- Experimenten, wie die Bildung von freien Kohlenstoffen [3], wurden hier repliziert.. Da amorphe Kohlenstoffe als Festschmierstoffe bekannt sind [16], könnte die Zerstörung der Proteine als Verschleißschutz dienen. Insgesamt haben beide Konus-Materialien sowohl Vorals auch Nachteile hinsichtlich tribologischer und biokompatibler Aspekte. Jedoch zeigt diese Arbeit, dass bei der Auswahl der Hüftgelenkmaterialien Phänomene auf molekularer Ebene bedacht und genutzt werden können. Literatur [1] A. Grimberg, V. Jansson, J. Lützner, O. Melsheimer, M. Morlock, A. Steinbrück. Jahresbericht 2021. EPRD Deutsche Endoprothesenregister gGmbH, (2021). [2] N. Siegmund-Schultze. 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