Tribologie und Schmierungstechnik
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Nachruf 43 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 6/ 2023 Den „90er“ durfte er nicht mehr erleben. Mit tiefer Betroffenheit erreichte uns die Nachricht, dass Hon.-Prof. Dr.-Ing. Hon.DSc. Wilfried J. B ARTZ , Georg Vogelpohl-Ehrenzeichenträger (Gesellschaft für Tribologie), Ehrenmitglied der Österreichischen Tribologischen Gesellschaft und langjähriger Herausgeber der Zeitschrift „Tribologie und Schmierungstechnik“, am 31.12.2023 im 89sten Lebensjahr verstorben ist. W. J. B ARTZ stammte aus Zerbst (Anhalt), abiturierte am Bielefelder Max-Planck-Gymnasium und absolvierte das Diplomstudium der Kraftfahrzeugtechnik an der Universität Hannover. Der akademische Maschinenbau-Ingenieur B ARTZ kam wohl vor allem wegen seiner Spezialisierung auf Kraftfahrzeuge mit Schmierstoffen und deren Anwendung bei geschmierten Maschinenelementen in Kontakt. Das Wissen hierzu vertiefte er bereits in jungen Jahren nach dem Diplomstudium praxisnah in der Anwendungsberatung bei einer Schmierstofffirma (bei der Vorgängerin der heutigen FUCHS PETROLUB SE). Es lag nahe, dass er sich auch in seiner Doktorarbeit (am Institut für Erdölforschung (IfE) in Hannover) mit Schmierstoffen in der Gleitlageranwendung näher beschäftigte. Auch nach Abschluss seiner Dissertation „Das rheologische Verhalten von Schmierölen in stationären Gleitlagern“ blieb er als Dr.-Ing. (1968) dem Themenbereich treu. Tatkräftig und erfolgreich beteiligte er sich am Aufbau der Abteilung Schmierungstechnik und Betriebsstoffe für Verbrennungskraftmaschinen bzw. Tribologie und Schmierungstechnik, deren Leitung er schließlich für etwa 15 Jahre innehatte. W. J. B ARTZ waren - immer im Praxisbezug fest verankert - die Ausbildung und Weiterbildung des technischen und wissenschaftlichen Nachwuchses sowie fachbezogene Beratung und Wissensweitergabe sehr wichtig. Wenngleich W. J. B ARTZ sich nach der Zeit am IfE für etwa 25 Jahren (1977-2002) als Direktor und wissenschaftlicher Leiter der Technischen Akademie Esslingen (TAE) neuen beruflichen Aufgaben widmete, blieb er seinem fachlichen Schwerpunkt - der „nassen“ Tribologie, wie er es selbst bezeichnete - treu. Die TAE erfuhr unter der umsichtigen Leitung von B ARTZ eine Transformation zu einer der modernen Zeit angepassten, über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannten Aus- und Weiterbildungsinstitution, der er unbeschadet eines umfangreichen Themenspektrums mit dem Schwerpunkt „Tribologie und Schmierungstechnik“ seinen besonderen Stempel aufprägte Thematisch einschlägig setzte Wilfried J. B ARTZ auch selbst sein pädagogisches Talent ein, indem er insbesondere in „seiner“ TAE als Lehrgangsleiter und Vortragender tätig war, aber auch an anderen Bildungseinrichtungen unterrichtete, wie an den Universitäten Hannover, Stuttgart und Wien sowie der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Esslingen. Sein wissenschaftliches und pädagogisches Schaffen übte B ARTZ u. a. als „internationaler Ingenieurpädagoge: ING-PAED IGIP“ aus und wurde durch ein Ehrendoktorat (Hon.DSc., V.A. Belyi Metal-Polymer Research Institut, Gomel, Weißrussland, 2001) sowie eine schließlich unbefristete Honorarprofessur für „Tribologie und Schmierungstechnik“ (Technische Universität Wien, 2000) gewürdigt. Seinen Praxisbzw. Industriebezug bewies „Europa Ingenieur“ (EUR ING SEFI) W. J. B ARTZ auch als „Sachverständiger für Schmierstoffe und Kraftstoffe und deren Verwendung“ sowie als Mitglied im Stiftungs- und Verwaltungsrat eines mittelständischen Unternehmens aus der Schmierstoff- und Kraftstoffbranche. Georg-Vogelpohl-Ehrenzeichenträger und ÖTG-Ehrenmitglied Hon.-Prof. Dr.-Ing. Hon.DSc. Wilfried J. B ARTZ verstorben Foto: ÖTG/ M. Lind TuS_6_2023.qxp_TuS_6_2023 01.02.24 14: 19 Seite 43 Nachruf 44 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 6/ 2023 W. J. B ARTZ begann sehr früh, sich im Metier „Tribologie“ international zu vernetzen, insbesondere hatte er auch einen guten Draht zum „Vater der Tribologie“, Prof. H. Peter J OST . Unvermeidlich und - wie zu vermuten ist - auch durchaus gerne absolviert, waren Reisen zu bzw. Teilnahmen an zahlreichen internationalen Kongressen, die B ARTZ oftmals als eingeladener Vortragender bzw. Plenary Speaker gerne willkommen hießen. So brachte er es auf mehr als 500 wissenschaftliche und technische Beiträge/ Vorträge bei Seminaren und Kongressen in Deutschland und zahlreichen anderen Ländern, wie z. B. USA, UK, Japan, China, Australien, Singapur, Brasilien, Argentinien, Israel, Südafrika, Ägypten, Griechenland, Italien, Frankreich, Spanien, Luxemburg, Norwegen, Dänemark, Schweden, Finnland, frühere Sowjetunion, Tschechien, Slowakei, Holland, Belgien, Schweiz, Österreich, Polen, früheres Jugoslawien, Rumänien, Bulgarien, Ungarn, Kuba and Vietnam. Er war aber auch gerne selbst Gastgeber, wenn er an der TAE die weltweite Tribology Community zweijährlich zu den von ihm 1978 initiierten „International Colloquium Tribology“ bzw. auch des später gegründeten „International Colloquium Fuels“ begrüßen konnte. Die fachwissenschaftliche und pädagogische Tätigkeit von B ARTZ auf dem Gebiet der Tribologie und Schmierungstechnik sowie seine einschlägige Schrifttumsauswertung ist in mehr als 400 Veröffentlichungen als Autor in zahlreichen Fachzeitschriften sowie in Büchern, vielfach davon unter seiner Herausgeberschaft, dokumentiert. Dazu kommen seine Aktivitäten als Beiratsmitglied mehrerer internationaler Fachzeitschriften sowie Mitgliedschaften in vielen Fachgesellschaften, wie z. B. Gesellschaft für Tribologie (GfT), Österreichische Tribologische Gesellschaft (ÖTG), Verein Deutscher Ingenieure (VDI), Society of Tribologists and Lubrication Engineers (STLE) und Tribology Society of India (TSI). Nicht zu vergessen ist auch seine Lektorentätigkeit bei Fachseminaren bei der GfT und ÖTG und insbesondere sein langjähriges Wirken (bis 2018) als Herausgeber der Zeitschrift „Tribologie und Schmierungstechnik“ (seit einigen Jahren angesiedelt im Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG). Zahlreiche Institutionen würdigten die herausragende und schier unermüdliche Tätigkeit von W. J. B ARTZ : die Gesellschaft für Tribologie, deren Vorstandsmitglied in den Jahren 1975-1984 er war, mit dem Georg-Vogelpohl-Ehrenzeichen (1990), die Bundesrepublik Deutschland mit dem Verdienstkreuz am Bande (1996), die Society of Tribology and Lubrication Engineers (STLE) mit dem International Tribology Award (2001), der Tribology Trust, London, mit der Tribology Gold Medal (als welthöchster Tribologie-Auszeichnung, 2001), die Republik Österreich mit dem Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse (2001) und die Österreichische Tribologische Gesellschaft mit der Ehrenmitgliedschaft (2003). Auch nach Beendigung seiner Leitungsfunktion an der TAE blieb B ARTZ noch viele Jahre mit dieser Bildungseinrichtung als Betreuer von Seminaren im Themenbereich Tribologie und Schmierungstechnik sowie als „Graue Eminenz“ der erwähnten Internationalen Colloquien in Verbindung. B ARTZ war für die „Deutsche Tribologie“ sicherlich beispielgebend, prägend und Identifikationsperson, doch hatte er auch eine langjährige Verbindung zu bzw. nach Österreich. Zum einen genoss Wilfried B ARTZ viele Jahre seine Urlaube am Weißensee in Kärnten, zum anderen engagierte er sich unter Einbringung seiner weltweiten Kontakte zur „Scientific Community“ in die erfolgreiche Vorbereitung und Durchführung des 2. Tribologie-Weltkongresses (World Tribology Congress) in Wien 2001. Ebenso sagte er seine volle Unterstützung zu, als nahezu im selben Zeitraum die Gründung eines Österreichischen Kompetenzzentrums für Tribologie (Austrian Center of Competence for Tribology) ernsthaft und mit gewissen Erfolgsaussichten geplant wurde. Er brachte sich auch als Gesellschafter der dazu gegründeten Trägerorganisation AC2T research GmbH (am Standort Wiener Neustadt, 45 km südlich von Wien) ein und wirkte mit seiner jahrzehntelangen Erfahrung als Key Researcher und Coach bzw. Doktorvater für den wissenschaftlichen Nachwuchs zur Verfügung. Dankbar sei erwähnt, dass er in der Aufbauphase dieses privatwirtschaftlich geführten Tribologiezentrums auch tribologisches Equipment und Fachliteratur aus seinem Privatlabor zur Verfügung stellte und von Beginn dieses Zentrums (2002) bis Ende 2013 auch als Sprecher der Gesellschafter fungierte. B ARTZ leistete weiters einen Beitrag zur „Sichtbarkeit der Tribologie in Österreich“, indem er viele Jahre (bis 2017) als einer der Hauptredner aktiv am traditionellen jährlichen ÖTG-Symposium teilnahm und 2005 die zweijährlich (bis 2015) organisierte „Vienna International Conference Nano-Technology (VienNano) initiierte und als Chairman gestaltete. W. J. B ARTZ war mit bewundernswertem Elan, ob als Betreuer von Studierenden, Projektbegleiter oder Vortragender, auch als Senior in Sachen Tribologie tätig. Er ließ sich da auch von Weitstreckenflügen nicht zurückschrecken, um an den renommiertesten Tribologie- Kongressen (zuletzt World Tribology Congress 2017 in Beijing) aktiv teilzunehmen, um mit seinen tribologischen Weggefährten im Kontakt und in seinem Metier, insbesondere der „nassen Tribologie“, auf dem Laufenden zu bleiben. Wilfried J. B ARTZ wird uns als einer der herausragend dynamischen Pioniere der Tribologie und Mentor des wissenschaftlichen Nachwuchses in bester Erinnerung bleiben. Unsere herzliche Anteilnahme gilt seiner Familie, insbesondere seiner Gattin Michaela, die ihm in den letzten, leider durch Krankheit erschwerten Jahren eine wichtige und fürsorgliche Stütze war. 31.12.2023, Prof. Friedrich Franek TuS_6_2023.qxp_TuS_6_2023 01.02.24 14: 19 Seite 44
