eJournals Vox Romanica 51/1

Vox Romanica
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0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
1992
511 Kristol De Stefani

MARTIN HARRIS/NIGEL VINCENT (ed.), The Romance Languages, London (Routledge) 1990, XII+ 500 p. (Croom Helm Romance Linguistics Series)

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1992
R. de Dardel
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232 Besprechungen - Comptes rendus dritten Kapitel erfolgt dann die Darstellung des Übergangs zu einer neuen Epoche der Sprachbetrachtung: «Der erste Partikularismus: <Deffence et illustration> der Muttersprache im Zeichen des Humanismus» (33-169). Ausgehend von mittelalterlichen Vorbildern für die neue Blickrichtung (von der Bedeutung der Sprache der Troubadours als Bildungsgut für Laien und den Anfängen der volkssprachlichen Grammatik bei Jofre de Foixa sowie der Rolle Alfons des Weisen für die Nutzung der Volkssprache als Wissenschaftssprache bis hin zu Dantes Entdeckung der Muttersprache in seinen diversen Werken [Höhepunkt ist das fragmentarische De vulgari eloquentia noch in lateinischer Sprache abgefaßt]), werden die Wurzeln des neuen Denkens aufgezeichnet. Die Emanzipation vom universalistisch privilegierten Latein wird sorgfältig nachgezeichnet: Angesichts der Vorreiterrolle Nebrijas für die volkssprachliche Renaissancegrammatik beginnt die Darstellung mit der Iberoromania (Nebrija, Anonymus von Löwen, Correas, Oliveira, Valdes), um dann überzuschwenken nach Italien zu Bembo, Trissino, Tolomei und Speroni. Und weiter geht es in der Ausbreitung des neuen Sprachdarlegungskonzepts nach Frankreich zu Du Bellay, Tory, Palsgrave, Dubois, Meigret, R. Estienne, Ramus und Bouvelles. Abgeschlossen wird der Reigen durch den Beitrag von Girolamo Araolla aus dem sardischen Sprachraum. Auch das vierte Kapitel «Der zweite Universalismus: von der <Grammaire generale et raisonnee> zur Universalität des Französischen» (170-269) beginnt mit einem Spanier, mit Sanctius und seiner noch lateinisch abgefaßten Minerva (1587), die nicht nur die GGR in starkem Maße geprägt hat. Der Einfluß von Sanctius wird vielmehr bis ins spanische Süditalien (Campanella) und nach Florenz zu Buonmattei verfolgt. Der Schwerpunkt bleibt aber diesmal in Frankreich. Wegweisend ist die dort im Zuge der Aufklärung geführte Debatte um den ordre nature! , d. h. über die natürliche Satzgliedfolge. Fragen der Linearität und der Linearisierung von Sprache werden zum grundlegenden sprachtheoretischen Problem der grammairiens-philosophes (Le Laboureur, Du Marsais, Beauzee). Mit den Sensualisten (Condillac, Batteux, Diderot) kündigt sich trotz noch universalistisch zu klassifizierendem Anspruch ( <natürlich sein> als Ausdruck von Gefühl und Leidenschaft - und damit Relativierung der absoluten Ansprüche der Rationalisten) bereits die nächste Reflexionsphase, erneut eine partikularistisch bestimmte, an, der das fünfte Kapitel gewidmet ist: «Der zweite Partikularismus: die Entstehung des Historismus zwischen Aufklärung und Romantik» (270-305). Der Umschwung geht diesmal chronologisch gesehen von Italien, genauer von Vico aus, führt aber dann erneut nach Frankreich zurück. Sprache wird zunächst zum Ursprung der Nation (cf. auch J.-J. Rousseau) und dann zum Ausdruck der Nation schlechthin (Herder). Und mit der Entdeckung des Sanskrit und der Herausbildung der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft ist dann der Grundstein für die seit dem Ende des 19. Jahrhunderts prosperierenden Einzelphilologien und deren partikularistisch motivierter Sprachkonzeption gelegt. Für die Romanistik im besonderen erfolgt die Wegbereitung durch August Wilhelm Schlegel, mit dem der rasante Gang durch die Jahrhunderte der Sprachtheorie und -philosophie sein Ende findet. - Es folgen eine Zeittafel der Autoren, d. h. der behandelten Sprachtheoretiker usw. nach dem Geburtsjahr aufsteigend (306-309), Kurzbiographien dieser Autoren (310-328), eine chronologische Bibliographie der Primärtexte (329-348), eine umfassende Bibliographie der Sekundärliteratur (349-382) sowie ein Autorenindex (383-389). Bossong ist mit seinen Ausführungen auf eine Marktlücke gestoßen, die er in absolut souveräner Weise erst einmal zu schließen versucht. Damit soll natürlich nicht gesagt sein, daß das Thema damit abgehakt wäre. Als Diskussionsvorgabe ist das Buch von unschätzbarem Wert. Und sicher kann bei einem so klar ausformulierten Klassifizierungsraster für sprachtheoretische Ansätze - Universalismus hier, Partikularismus dort nicht allen Aspekten der Entwicklung Rechnung getragen werden, geschweige denn, können alle Beurteilungen im einzelnen definitiv sein, insbesondere bei noch kaum durch die Forschung aufgearbeiteten Autoren. Mir persönlich ist ein solches Manko in bezug auf Tris- Besprechungen - Comptes rendus 233 sino (1478-1550) aufgefallen, der mich seit einiger Zeit näher beschäftigt 1 . Von Bossong eher negativ hinsichtlich seiner sprachkonzeptionellen Bedeutung beurteilt (106-108), haben meine Untersuchungen gezeigt, daß dieser Autor, bei aller Gebundenheit an die zeitgenössische partikularistische Sprachkonzeption, doch bereits Konzepte formuliert, mit denen später Sanctius für Zeitgenossen und Nachwelt so wirksam wird. Und wenn in bezug auf Benedetto Buonmattei (1643) hervorgehoben wird, er habe universalistische Ideen erstmals im italienischen Volgare formuliert, so wird übersehen, daß sich ähnliches ansatzweise auch schon bei Trissino findet, so daß hier auch dessen Einfluß auf Buonmattei hätte mitbedacht werden müssen. Das gleiche gilt für die Behauptung, Buonmattei habe sich bei seiner Sprachkonzeption primär auf die Vernunft und nur sekundär auf Autoritäten berufen das findet sich ebenfalls bereits bei Trissino im Castellano (1529). Diese Anmerkungen sollen nun keinesfalls als Beckmesserei verstanden werden, sie sollen nur deutlich machen, daß das Schlußwort in dieser Sache noch nicht gesprochen ist und daß es noch genügend Material zum Thema gibt, das erst systematisch ausgewertet werden muß. Die Leistung, die das Bossongsche Werk vorführt, steht außer Debatte, und ich bin der vollen Überzeugung, daß es sein angestrebtes breites Publikum finden wird, nicht zuletzt wegen der ja nicht unbedingt mehr üblichen guten Lesbarkeit. Und das Informationsbegehr wird zusätzlich noch befriedigt durch die diversen Überblicke am Buchende. Da ist es auch nicht sonderlich abträglich, wenn bei der Liste der Primärtexte nicht immer auf die neueste Edition verwiesen wird (so wird z.B. bei Trissino, Il Castellano verwiesen auf die Edition von 1846, obwohl der Text heute auch in einer modernen Edition von Castelvecchi [bei Bossong durchaus als Quelle für Trissinos Epistola de le fettere nuovamente aggiunte ne la lingua italiana genannt, allerdings verstümmelt zu Salvecchi; der Castellano befindet sich im gleichen Band]. Edeltraud Werner * MICHELANGELO PrcoNE (ed.), Il racconto, Bologna (II Mulino) 1985, 325 p. (Strumenti di filologia romanza) Dieser Band bietet italienischen Studenten der Romanistik «i testi essenziali per una interpretazione critica dei problemi di fondo», gemäß des Verlegers Motto für seine Reihe Linguistica e critica letteraria. Sechzehn Vorträge, Zeitschriftenartikel und Kapitel aus Monographien wurden für diesen Band ausgesucht, wenn nötig übersetzt (inklusive Zitate), und mit einigen wenigen Zeilen Einleitung versehen.Dem italienischen Studenten ohne Fremdsprachenkenntnisse ist damit ein großer Dienst erwiesen, und er wird wohl auch Picones Überblick und Bibliographie (7-52 und 311-315) zu schätzen wissen. Es handelt sich um Übersetzungen folgender Arbeiten: Jauß, Kleinere Formen (aus Alterität und Modernität); Jolles, Heiligenlegende (aus Einfache Formen); Le Goff, L'exemplum («Typologie des sources», p. 27-42); Frappier, La structure du Lai (Vortrag in Straßburg); Zumthor, De la chanson au recit: «La Chatelaine de Vergi» (aus Langue, texte, enigme); Togeby, The Nature of the Fabliaux (Vortrag in Missouri); Rychner, Les fabliaux (Vortrag in Straßburg); Nykrog, The Fabliaux as Courtly Parody (Vortrag in Missouri); Limentani, L'«io» ... nelle «novas» di Raimon Vidal (aus L'eccezione narrativa); Bertolucci Pizzorusso, ...la «vida» di Jaufre Rudel (Zeitschriftarti- 1 Cf. EDELTRAUD WERNER, «Giangiorgio Trissino als Sprachtheoretiker», Italienische Studien 13 (1992) [in Druck]; ead., «Trissinos sprachtheoretischer Ansatz und die Grammatichetta», in: CHR. SCHMITT/ M. METZELTIN (ed.), Grammatikagraphie der romanischen Sprachen [in Druck]. 234 Besprechungen - Comptes rendus kel von 1970); Lacarra, Inserciones de cuentos ... (aus Cuentistica medieval en Espaiia); Varvaro, La cornice del «Conde Lucanor» (aus Studi di letteratura spagnola); Zahareas, Juan Ruiz and the Fabliaux (aus The Art of Juan Ruiz); Rossi, I cistercensi de Alcobac;a e il racconto in convento (it. Originalversion eines Kapitels aus Literatura novelfstica na Idade Media portuguesa); Riquer, El conte cortesa a Catalunya (aus vol. 2 seiner kat. Literaturgeschichte); Neuschäfer, Von der «vida» zur Novelle (aus Boccaccio und der Beginn der Novelle). C. Wittlin * JuAN PAREDES NÖNEZ (ed.), Literatura y fantasia en la Edad Media, Granada (Universidad) 1989, 247 p. Ein diesem Buch beigelegtes Kartonblatt erwähnt, es handele sich in den dreizehn dargebotenen Arbeiten um Vorträge auf einem Kongreß der Universität Granada im März 1988. Dies erklärt vielleicht, weshalb einige Beiträge auf Fußnoten und Bibliographie verzichtet haben. Hier kurz einige Hinweise: Carlos Alvar, El viaje al mcis allci y la literatura arturica (Gauvain im Schloß von Ygerne).- Carlos Garda Gual, Alejandro entre la historia y el mito (zum anonymen Libro d'Alexandre). - Fernando Carmona, Ideologia y fantasia en el roman en versa del siglo XIII (zu Jean Renarts Guillaume de Dole). - Eugenia Popeanga, Realidad y ficci6n en los libros de viajes medievales (Wilhelm von Rubrucks Itinerarium von 1255).- Vicente Beltran, La imaginaci6n verbal en la literatura del medioevo (wie das Spiel mit Wortwiederholungen in der prov. und port. Dichtung zu einem Spiel mit Konzepten wird). - Isabel de Riquer, El juego de la decapitaci6n («Hau mir den Kopf ab, aber morgen komm ich zurück und köpfe dich! » in La Damoisele a la Mule, Carados, Humbaut, Perlesvaus, und Sir Gawain). - Ignacio Malaxecheverria, Animales y espejos (mit 34 Abbildungen von Sirenen, Tigern und Einhörnern). - Victoria Cirlot, Escenas de terror en la literatura arturica (Renaut de Beaujeus Bel Inconnu, Gauvains Nacht in der Kapelle, L'Atre perilleux). C. Wittlin * AucusT DAUSES, Theorien des Sprachwandels. Eine kritische Übersicht, Stuttgart (Steiner) 1990, 9 3 p. 1. A. Dauses soumet ici a un examen critique les principaux modeles qui sont utilises, en linguistique diachronique romane, par des chercheurs actuels ou recents. L'auteur procede a partir de divers parametres, qui font l'objet d'un chapitre chacun, a savoir ! es lois phonetiques, Ja fonction des phonemes et des monemes, le systeme et la structure, l'analogie et la frequence, la simplification et l'economie, et, pour finir, l'approche de l'ecole idealiste. En fin de volume, il analyse un probleme particulier (le pronom sujet dans le nord de la Romania), en guise d'illustration globale des points methodologiques abordes dans Je corps du livre. 2. Dans le compte rendu qui suit, il me paral:t utile de presenter, avec quelques exemples, non pas ! es divers parametres, mais ! es principales lignes de force de l'argumentation de Dauses, qui se cristallisent autour des notions d'immanence (2.1), de modele (2.2) et de relation causale (2.3). Besprechungen - Comptes rendus 235 2.1. Dauses reproche aux romanistes un recours trop exclusif aux faits immanents, c'est-adire aux structures, au systeme, sans egard suffisant d'une part au röle des facteurs sociaux et du locuteur, dorrt l'adaptabilite aux necessites de la communication est sous-estimee, d'autre part au röle du contexte et de la situation, grace auxquels la collision homonymique, par exemple, ne presente le plus souvent pas le caractere pathologique ou de crise qu'on lui prete. Une des il! ustrations de ce defaut est empruntee aux travaux de H. Lüdtke (15-17). Pour H. Lüdtke, selon le rapport qu'en fait Dauses, les lexemes s'affaiblissent phoniquement, lorsque leur frequence augmente, de sorte qu'ils deviennent des morphemes grammaticaux, lesquels, si la frequence continue d'augmenter, s'usent de plus en plus, au point que leur masse phonique se reduit trop pour assurer leur identification et qu'ils sont finalement elimines et remplaces par des signes nouveaux. A quoi Dauses objecte que la reduction a zero n'est pas ineluctable et qu'il ne tient qu'au locuteur d'articuler suffisamment un terme qui lui parait necessaire a la communication, meme si, dans certains contextes, il arrive a ce terme d'etre reduit a zero. 2.2. Le modele choisi pour l'etude diachronique est utilise souvent d'une maniere mecanique et abstraite, sans point d'appui dans la realite de la langue. Par exemple, lorsqu'un romaniste estime qu'une evolution donnee est le resultat necessaire d'une situation donnee, il est souvent influence, dans cette interpretation, par le modele qu'il manie; il se peut qu'en realite l'evolution en question soit non pas necessaire, mais seulement possible ou probable. Soit (46) le modele qui se fonde sur ce que Martinet, dans Economie des changements phonetiques 1 , appelle «chaines de traction» et «chaines de propulsion»; selon ce modele, un phoneme A se deplace dans le systeme vers un phoneme voisin B, lequel l'evite en se rapprochant du phoneme C (propulsion), a moins que le passage de B a C ne soit le deplacement initial et laisse subsister une lacune, dans laquelle vient ensuite se placer A (traction). Un des exemples romans traites selon ce modele concerne le passage du latin au frarn;:ais, Oll / u/ devient / y/ , et / o/ devient / u/ ; dans un cas comme celui-ci, il se peut, dit Dauses, que / o/ prenne la place du / u/ devenu / y/ ; seulement, ce deplacement du / o/ est possible aussi sans que / u/ devienne / y/ , dorre par une fusion de / o/ et / u/ . Il convient par consequent, en appliquant un modele probabiliste, d'evaluer quelles chances il y a que / o/ devienne / u/ , respectivement dans une langue Oll / u/ devient / y/ et dans une langue Oll / u/ reste / u/ . 2.3. En ce qui concerne les rapports de causalite, Dauses formule deux reproches de portee generale. Premierement, le romaniste ne separe pas nettement la description de l'explication et prend parfois, a tort, la premiere pour la seconde; deuxiemement, il cherche a expliquer, plutöt que de rester sur Je terrain moins glissant de la simple description. Pour le reste, Dauses s'en prend, comme on pouvait s'y attendre, aux deux aspects les plus controverses de la causalite que sont la teleologie et la loi diachronique. Un des exemples relatifs a la teleologie (47) est emprunte a A. Martinet. Decrivant, dans le systeme vocalique de Hauteville, une serie de deplacements, allant tous dans le meme sens, Martinet remarque qu'il n'y a pas eu fusion de phonemes, mais une reaction en chaine, au cours de laquelle chaque phoneme a conserve sa «marge de securite»; et cet auteur d'ajouter: «il parait difficile de ne pas conclure que d'un bout a l'autre de l'operation s'est manifeste le besoin de conserver les distinctions phonologiques existantes» (1964: §2.17). Dauses regimbe contre le fait de conclure a un besoin, a moins que ce besoin ne soit de nature sociale. 1 A.MARTINET, Economie des changements phonetiques, Berne 2 1964. 236 Besprechungen - Comptes rendus Quant aJa notion de loi diachronique, eile est discutee apropos, entre autres, de W. Manczak. Ce chercheur etablit ce qu'il appelle des «Jois», dont une (53-54) aux termes de laquelle par exemple Je singulier (par opposition au pluriel), l'indicatif (par opposition aux autres modes), Je present (par opposition aux autres temps), ! es numeraux inferieurs (par opposition aux numeraux superieurs) et ! es cardinaux (par opposition aux ordinaux) se maintiennent mieux et, de ce fait, conservent plus souvent un caractere archa'ique et influencent davantage ! es categories opposees que ce n'est Je cas en sens inverse. Dauses admet que Je systeme puisse evoluer ainsi, mais pas qu'il Je fasse en vertu d'une loi. 2.4. En fin de compte, Dauses ne refuse une certaine validite apresque aucun des modeles qu'il passe en revue; il reproche seulement aux chercheurs de ! es appliquer d'une fac;on trop exclusive ou absolue. 3. Dans l'ensemble, je suis enclin adonner raison aDauses; ses observations presentees d'ailleurs sans acrimonie, et meme avec une pointe d'humour respirent Je bon sens et refletent une distance salutaire al'egard des ecoles, methodes et modeles, distance qui lui permet d'en mieux comparer et relativiser ! es merites. En fait, Ja plupart des critiques ne sont pas originales, dans Ja mesure Oll elles se sont fait jour dejadans ! es comptes rendus des etudes visees. L'originalite et l'interet du present ouvrage sont de reunir ces elements de critique en un ensemble ordonne et de degager ! es faiblesses qui se trouvent, de maniere diffuse, dans toute Ja linguistique diachronique romane. Dauses prend parfois trop au pied de Ja lettre ! es passages incrimines; entre une formulation comme «Ja langue a fait ceci ou cela» et celle que lui oppose Dauses, savoir «Je locuteur a fait ceci ou cela», il y a bien sür une difference capitale; j'ai pourtant Je sentiment qu'il s'agit souvent, de Ja part des auteurs en question, d'une simple maladresse ou d'une fac;on de dire, et qu'au fond tout Je monde est d'accord. Lorsque Dauses reprend Martinet au sujet de l'emploi du mot <besoin>, qui sent evidemment Ja teleologie, il perd de vue que Martinet (1964: §2.1) situe Ja «fonction (distinctive)» du phoneme, Oll joue Ja notion de <besoin" non pas au niveau de l'unite linguistique, mais acelui du sujet parlant. Quant aJa notion de <loi" il y a, je crois, en partie malentendu, acause de l'imprecision du terme. Ou bien ce sont des Jois comme on en a en physique, et l'evolution de Ja langue n'en connait pas (encore), ou bien ce sont des Jois non absolues, qui equivalent ades tendances tres prononcees, et elles sont concevables dans l'evolution linguistique. Or, W. Manczak, dans Je cas cite en 2.3, en recourant ades adverbes relativants, comme «häufiger . .. als», formule des Jois non absolues; il ne merite donc pas, sur ce point, ! es foudres de Dauses. Une autre notion qu'il y aurait eu lieu de preciser, en vue d'une discussion fructueuse, est celle de <teleologie" Oll il s'agit, je crois, de distinguer deux niveaux: il y a Je niveau de l'acte individuel, de Ja parole saussurienne, Oll se manifestent ! es besoins qu'H. FREI a systematises dans sa Grammaire des fautes (1929) 2 et en fonction desquels Je locuteur, selon Je cas, vise par exemple aetre plus clair («besoin de clarte»), plus bref («besoin de brievete»), etc.; et il y a Je niveau de Ja communaute, de Ja langue, oll eventuellement ! es faits de parole passent, mais Oll Ja notion de but recherche ne s'applique pas. Dans un livre recent, R. KELLER (1990: §2.2.2) 3 raisonne de maniere analogue, en s'inspirant du paradoxe de Mandeville. 2 H. FREI, La grammaire des fautes, Paris/ Geneve/ Leipzig 1929. 3 R. KELLER, Sprachwandel, Tübingen 1990. Besprechungen - Comptes rendus 237 4. Le pessimisme que manifeste Dauses sur les possibilites de la linguistique diachronique, pessimisme que reflete aussi son analyse du pronom sujet donnee en fin de volume, ne me parait que partiellement justifie. Certes, il y a des problemes inherents a la diachronie. Quelques-uns restent sans doute a jamais insurmontables: absence de lois absolues, insuffisance des donnees. Mais il y a aussi ce que Dauses ne souligne pas le parti qu'on peut tirer de l'etude des traits universels et de l'observation directe de processus evolutifs, qui se deroulent sous nos yeux ou dans un passe suffisamment recent pour avoir pu etre enregistres selon des criteres scientifiques. R. de Dardel * J6szEF HERMAN, Du latin aux langues romanes. Etudes de linguistique historique reunies par SANDOR Krss, avec une preface de JACQUES MüNFRIN, Tübingen (Niemeyer) 1990, 392 p. Der vorliegende Band gehört jenem nützlichen Typus von Festschriften an, der in verschiedenen und oft schwer erhältlichen Publikationsorganen erschienene Arbeiten des Geehrten zu einem Buch vereinigt. Im Falle von J6szef Herman, dem der von Sandor Kiss betreute Band zum 65. Geburtstag gewidmet ist, erweist sich ein solches Verfahren als besonders sinnvoll. Die Aufsätze, in einer Zeitspanne von mehr als dreißig Jahren (zwischen 1954 und 1985) entstanden, sind zu einem großen Teil in osteuropäischen Publikationen erschienen; einer («Latinitas Pannonica», 105-120) wurde von Herman selbst für diesen Band aus dem Ungarischen übersetzt. Die Vereinigung der Arbeiten von J6szef Herman zum Vulgärlatein drängte sich nicht nur aus äußeren, technischen Gründen auf; sie ist auch von der Sache her mehr als gerechtfertigt. Herman gehört zu den nicht gerade zahlreichen Forschern, die das Spätlatein ins Zentrum ihres wissenschaftlichen Interesses stellen. Er hat neue Methoden entwickelt, die erlauben, das inschriftliche Material der Kaiserzeit auf die Probleme hin zu befragen, die die vulgärlateinische Forschung seit eh und je beschäftigen: Gibt es eine regionale Differenzierung der kaiserzeitlichen Latinität? Lassen sich Entwicklungen, die zu den späteren romanischen Verhältnissen führen, schon im Latein der Inschriften (oder anderer Zeugnisse für gesprochene Sprache) fassen? Herman hat wichtige Resultate zu diesen Fragestellungen erarbeitet, Resultate, die umso überzeugender wirken, als sie nicht spektakuläre «Profile» darstellen, sondern nuancierte Auslotungen dessen, was das Material, bei Berücksichtigung aller die Interpretation begrenzenden Faktoren, hergibt. Daß diese Resultate immer als Teilergebnisse oder Fallbeispiele innerhalb eines umfassenderen Fragenkomplexes gewertet werden, hängt mit den ausgeprägten theoretischen und methodologischen Interessen des Autors zusammen. Die einzelnen Phänomene gelten ihm als Teilaspekte und Beispiele innerhalb des Prozesses des Sprachwandels, der vom Latein zu den romanischen Sprachen geführt hat. Dieser historisch und geographisch umgrenzte Prozeß seinerseits wird wiederum als ein Beispiel für die Veränderung von Sprache in der Zeit überhaupt gesehen. Der Herausgeber hat dem Band eine sehr klare Gliederung gegeben: Ein erster, umfangreicherer Teil (21 Aufsätze, 9-337) unter dem Titel «Du latin aux langues romanes» enthält Beiträge, die mit allgemeineren oder spezielleren, aber immer konkreten Problemen des Lateins der Inschriften unter den genannten Gesichtspunkten befaßt sind. Eine erste Untergruppe behandelt allgemeine Probleme der Umgestaltung und der Differenzierung des Lateins (9-92), eine zweite das Latein in den einzelnen Provinzen des Imperiums (93-194), die dritte Veränderungen an bestimmten Punkten des Systems 238 Besprechungen - Comptes rendus (195-337). Der zweite Hauptteil des Buches (339-377), betitelt «Theorie et methode», befaßt sich in fünf Aufsätzen mit dem Begriff des sprachlichen Systems und mit der Theorie des Sprachwandels. Innerhalb der einzelnen Untergruppen des 1. Teils sind die Beiträge chronologisch geordnet. Eine Bibliographie der Publikationen von J6szef Herman (1948-1988) und zwei Indices (der modernen und der antiken Autoren) schließen das Buch ab 1. Es kann hier nicht darum gehen, die Resultate der 26 Aufsätze im einzelnen und vollumfänglich zu referieren. Manche Themen kommen in verschiedenen Arbeiten unter jeweils verschiedenen Gesichtspunkten und in verschiedenen Zusammenhängen mehrmals zur Sprache. Für den Leser ist es reizvoll, der Entwicklung gewisser Konzepte durch die zeitlich auseinanderliegenden Beiträge hindurch nachzugehen. Jacques Monfrin empfiehlt in seiner Einleitung, den ersten und den letzten Artikel der ersten Sektion, beide mit den Problemen der territorialen Differenzierung des Lateins befaßt, nacheinander zu lesen. Der Reifungsprozeß in zwanzig Jahren Forschung wird dabei evident. Wir skizzieren im folgenden, was uns an den Arbeiten von J6szef Herman methodisch und sachlich besonders bemerkenswert erscheint. Auf methodischem Gebiet hat Herman insofern Neuland betreten, als er das schriftliche Material einer quantitativen Analyse unterzieht. Seine Statistiken beruhen auf Serien von «Fehlern» («Fehler» bedeutet nichts anderes als «Abweichung von der Norm des klassischen Lateins»), weil nur das serienweise, nicht das vereinzelte Auftreten von bestimmten Sprachzügen auf ein von der klassischen Norm verschiedenes sprechsprachliches System zu schließen erlaubt. Zu weiteren methodischen Prinzipien, die dem besonderen Charakter des inschriftlichen Materials Rechnung tragen, cf. p. 123-126. Ebenso umsichtig wie beim Bereitstellen seines methodischen Instrumentariums geht Herman in der Interpretation der gewonnenen Resultate vor. Er weiß zu gut, wie komplex die sprachliche Wirklichkeit ist, wie kompliziert das Ineinanderspielen von sprachinternen und sprachexternen Faktoren. Wenn wir im folgenden einige der von Herman erarbeiteten Resultate herausgreifen, müssen wir zwangsläufig eine gewisse Vereinfachung in Kauf nehmen; der Leser des Buches wird festellen, daß die Gedankenführung des Autors sehr viel nuancierter ist, als eine Zusammenfassung es erkennen läßt. Zu den Phänomenen, mit denen Herman sich wiederholt beschäftigt hat, gehört die Umgestaltung des lateinischen Vokalsystems. Das Thema, das auch anderswo aufgegriffen wird, steht im Zentrum der Beiträge «Statistique et diachronie: essai sur l'evolution du vocalisme dans la latinite tardive» (1968), p. 196-203, und «Un vieux dossier reouvert: ! es transformations du systeme latin des quantites vocaliques» (1982), p. 217-231. Im ersten Aufsatz zeigt Herman, daß im klassischen Latein in den mehrsilbigen Wörtern die langen unbetonten Vokale sehr selten waren und daß entsprechend die Quantitätsunterschiede dort fast keine distinktive Funktion hatten. Er nimmt an, daß in den ersten Jahrhunderten der Kaiserzeit die Sprecher, und zwar vor allem die neu assimilierten zweisprachigen Sprecher, alle unbetonten Vokale kurz ausgesprochen und so einen redundanten Zug 1 Leider kann man die technische Betreuung des Bandes nicht als sorgfältig bezeichnen. Ärgerlich viele fehlende Leerschläge nach Komma (ich habe mehr als 30 Fälle notiert) erschweren die Lektüre. An Druckfehlern seien im Hinblick auf weitere Auflagen vermerkt: p. 5 mophologique, lies: morphologique, p. 21 fraanr; ais, lies: franr;ais, p. 55 porvinees, lies: provinees, p. 58 ave, lies: avee, p. 85 qui, lies: que, p. 86 assze, lies: assez, p. 91 Rohlfs 1901, lies: Rohlfs 1971, p. 135 N 27 Terracini, De ehe eosa .. . , lies: Di ehe eosa ... , p. 137 pousee, lies: poussee, p. 137 N 37 arbitraiare, lies: arbitraire, p. 148 preeoeee, lies: precoee, p. 163 Keltisehlateinsiehe, lies: Keltisch-lateinische, p. 209 en particuliers, lies: en partieulier. In der Bibliographie p. 389 figuriert Tullio de Mauro unter T. Besprechungen - Comptes rendus 239 eliminiert hätten. In einem zweiten Schritt wären dann die quantitativen Oppositionen auch aus der Tonsilbe verschwunden. Akzentschwankungen in der Flexion und in der Wortbildung hätten zu dieser Entwicklung beigetragen. Der zweite Aufsatz untersucht dasselbe Phänomen anhand von Versinschriften aus Afrika und aus Rom in einer Zeitspanne vom 1. bis Mitte 4. Jahrhundert. Die Resultate bestätigen die Feststellung, daß der Abbau der phonologischen Quantitätenopposition in den unbetonten Silben beginnt. Sie bestätigen zudem die bekannten Aussagen Augustins und antiker Grammatiker, wonach das Phänomen ein Kennzeichen afrikanischer Latinität wäre. Aus späterer Sicht kann tatsächlich erhärtet werden, daß der Schwund der Quantitätenoppositionen zuerst in Afrika auftritt. Diese Feststellung führt zu einer generellen Aussage inbezug auf die regionale Differenziertheit des Vulgärlateins, zu der Herman auch aufgrund anderer Resultate immer wieder gelangt: Die regionale Differenziertheit des Vulgärlateins zeigt sich in der unterschiedlichen Geschwindigkeit, mit der sich gewisse Neuerungen in den verschiedenen Regionen durchsetzen (229; cf. auch p. 86). Andere Untersuchungen zu einzelnen Phänomenen, wie die Schwankungen zwischen B und V (19ss., 130ss.), der Zusammenfall von Ö und Ü und E und I (74ss.), die Perfektform posit neben posuit (94ss.) und, im morphosyntaktischen Bereich, der Abbau des lateinischen Kasussystems (321ss., 326ss.), führen Herman zu Ergebnissen, die die erwähnte Aussage zum Problem der regionalen Differenziertheit bestätigen. Es entsteht so das Bild einer «vordialektalen» Phase der Latinität (86), in der sich gewisse spätere Entwicklungen anbahnen, ohne daß sie schon deutlich vorgeprägt wären. Am Schluß des Artikels «La differenciation territoriale du latin et la formation des langues romanes» von 1985 (62-92), der eine Art Bilanz der vulgärlateinischen Forschung von J6szef Herman darstellt, faßt der Autor seine Ergebnisse in eine Grobeinteilung der kaiserzeitlichen Latinität (Zeit Hadrians) nach territorialen Differenzierungen zusammen. Drei Zonen zeichnen sich ab: eine erste, in der Neuerungen im Vokalsystem einem konservativen Konsonantismus gegenüberstehen und die Nominalmorphologie ziemlich intakt ist. Gallien, Norditalien und (mit einer gewissen Verspätung) Spanien gehören dazu. Eine zweite Zone, wo die vokalischen Veränderungen, vor allem in der velaren Serie, langsamer vor sich gehen, der Konsonantismus dagegen im Umbruch ist und die Nominalflexion sich früh vereinfacht: Rom, Süditalien, Afrika und ein Teil der Balkangebiete. Eine dritte, in jeder Hinsicht aktive Zone verbindet diese beiden Blöcke (die grosso modo mit der Einteilung in West- und Ostromania übereinstimmen! ); es ist die nördliche Adriaküste und, damit zusammenhängend, die dalmatische Küste und Pannonien. Auf der zeitlichen Achse schlägt Herman eine Periodisierung in drei Phasen vor: 1. Bis zur Zeitenwende eine erste Dialektalisierung der italischen Halbinsel im Zuge der Ausbreitung des Lateins. 2. Kaiserzeit bis über den Fall Westroms hinaus: vorromanische Differenzierung des Lateins. 3. Vom Zerfall des Westreiches bis zum Auftreten der ersten romanischen Texte: romanische Differenzierung oder Dialektalisierung. Herman betont immer wieder die große Vielfalt und die in Raum und Zeit unterschiedliche Wirkung von sprachinternen und sprachexternen Faktoren, die bei der Herausbildung der späteren Romania eine Rolle spielen. Je nach Gewichtung dieser Faktoren hat die Forschung die «Ausgliederung» früher oder später angesetzt. Herman selbst, der für eine tiefgreifende Differenzierung erst in der Zeit nach dem Zerfall des Imperiums plädiert, legt besonderes Gewicht auf die sozialen, politischen und kulturellen Faktoren. Gegenüber Substrattheorien allerdings zeigt er sich (vernünftigerweise) eher skeptisch: in keinem der von ihm untersuchten Fälle läßt sich ein Einfluß der jeweiligen Substratsprachen plausibel machen (cf. p. 21, 135s.). Die Notwendigkeit, der Interaktion von linguistischen und außerlinguistischen Faktoren in einer Theorie des Sprachwandels Rechnung zu tragen, wird denn auch in den mehr theoretisch ausgerichteten Beiträgen des Bandes stark betont.