Vox Romanica
vox
0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
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1992
511
Kristol De StefaniAtes du XVIIIe Congrès International de Linguistique et de Philologie Romanes, Université de Trèves (Tier) 1986. III: Grammaire diachronique et histoire de la langue; Dialectologie et geographie linguistique; Textes non-litteraires, Tübingen (Max Niemeyer) 1991, XII + 785 p.
121
1992
B. Löfstedt
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252 Besprechungen - Comptes rendus de! unterworfen (21ss.) 10 • Als wortprosodische Funktion wird der Akzent ermittelt (19ss.) 11 , dessen artikulatorisches Korrelat der (über den subglottalen Druck meßbare) «Akzentdruck» wäre. Bei der silbenprosodischen Funktion dagegen tut sich Geisler schwer. Er sieht sie in der Sonorität und der Obstruktion aber dies sind mit Sicherheit keine sprachlichen Funktionen! 12 Großes Gewicht wird dann auf die Hierarchisierung der «prosodischen Funktionseinheiten» gelegt (24ss.) 1 3. Die «genetische Stärke» 1 4 wird auf die Sonorität (Schallfülle) bzw. den Öffnungsgrad zurückgeführt. Die Diskussion der Ansätze von Grammont, Lausberg, Vennemann, Hooper und Vogel führt Geisler zu dem berechtigten Schluß, daß sie alle irgendwie unbefriedigend sind. Er entwickelt deshalb ein eigenes Hierarchisierungssystem, in dem Sonoritäts- und Obstruktionsskala nicht ineinander übergehen, sondern vielmehr getrennt bleiben, und zwar aufgrund der Tatsache, daß ein Übergang zwischen vokalischem und konsonantischem Bereich zwar nicht immer ausgeschlossen, keinesfalls aber unbedingt gegeben ist. Dieses als (durchaus brauchbare) Arbeitshypothese deklarierte Schema präsentiert sich dann folgendermaßen (30): ÜBSTRUKTION SONORITÄT [+ l [-] [±] 1 p b fv m j ? E e a 1 t d s z n r q g y re 12) B a t k g JJ w u ::, 0 D t [-] [+l Der zweite zu berücksichtigende Parameter ist die positionsbedingte Stärke (von Konsonanten; 31s.). Die Position kann die «genetische» Stärke bzw. Schwäche je nachdem entweder akzentuieren oder auch (z. T.) aufheben. Am stärksten erweist sich die silbeninitiale Position, am schwächsten die silbenfinale; dazwischen liegt die silbenzentrale Stellung, die jedoch nur von Sonanten (d. h. Konsonanten in vokalischer Funktion) eingenommen werden kann. - Der dritte Parameter ist die umgebungsbedingte Stärke (32ss.). Auch hier entwickelt Geisler für Vokale und Konsonanten zwei von einander unabhängige Skalen. Vokale: Sonorität (+) 1 offene Silbe (C)y. 2 offene Silbe im Auslaut (C)Y# (-) 3 geschlossene Silbe (C)YC 10 Weshalb in dieser Diskussion nirgends auf die Silbentheorie Saussures (CLG 77ss.) eingegangen wird, ist schwerverständlich, denn sie enthält eigentlich schon die ganze Problematik, die sich Geisler mühsam in Auseinandersetzung mit neuerer Literatur erarbeiten muß. 11 Dies ist etwas zu pauschal formuliert, wie die Situation des Modernfranzösischen zeigt: Da der Akzent nicht mehr an das «Wort» gebunden ist, sondernvielmehr an das mot phonique, kann das «Wort» (im Sinne einer lexikalischen Einheit) höchstens noch als potentieller Akzentträger gelten. 12 Cf. oben, p. 250. Auch beim Akzent erweist sich Geislers Funktionsbegriff als problematisch, denn der Akzent selbst ist keine Funktion, sondernvielmehr ein (ausdrucksseitiges) Phänomen. Seine Funktion istvielmehr die p. 19 erwähnte mise en relief. 13 Gemeint sind damit letztlich die Phoneme bzw. Laute. 14 Auch dies ein wenig glücklicher Ausdruck! Besprechungen - Comptes rendus 253 Konsonanten: Obstruktion ( +) 1 koartikuliert im Anlaut #�V 2 koartikuliert nach Konsonant vc.cv 3 koartikuliert nach Vokal v.cv 4 ambisyllabisch vcv 5 tautosyllabisch im Auslaut VC# 6 tautosyllabisch vor Konsonant vc.c 7 koartikuliert zwischen Konsonant V.CCV und Silbengipfel (-) 8 tautosyllabisch zwischen Silbenvcc.c gipfel und Konsonant Alle diese Hierarchien werden im wesentlichen aus den Daten der historischen Lautlehre erschlossen und beruhen auf der Annahme, daß schwache Positionen in höherem Maße veränderungsanfällig sind, während starke Positionen sich als in höherem Grade stabil erweisen. Dieser Ansatz ist sicher plausibel; dies verhindert allerdings nicht, daß die Gewinnung der Hierarchien im ersten Kapitel und ihr explikativer Einsatz in den folgenden Kapiteln letztlich zu einem circulus vitiosus führt: Erklärendes und Erklärtes sind im wesentlichen identisch, wodurch eigentlich nur die Identität der beiden Datenmengen festgestellt wird. Auch die Hierarchie der akzentbedingten Stärke (34ss.) wird wieder aus den historischen Gegebenheiten rekonstruiert und ist deshalb in gleichem Maße problematisch. Für ein sechssilbiges Wort wie vicissitudine präsentiert sie sich nach Geisler wie folgt (36): Akzentdruckabstufungen Ss di Neu sind diese Ergebnisse alle nicht im geringsten; sie stellen vielmehr das Kernstück jeder traditionellen historischen Lautlehre dar. Neu ist allerhöchstens, daß Geisler eine Interaktion der verschiedenen Parameter annimmt und aus ihrer kumulativen oder kompensatorischen Überlagerung eine Gesamtstärke ableitet, deren exakte Ermittlung allerdings noch allzu viele Fragen offen läßt.
