eJournals Vox Romanica 51/1

Vox Romanica
vox
0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
1992
511 Kristol De Stefani

HARTWIG KHARTWIG KALVERKÄMPER (ed.), Fachsprachen in der Romania, Tübingen (Narr) 1988, 290 p. (Forum für Fachsprachen-Forschung 8)

121
1992
C. Wittlin
vox5110262
254 Besprechungen - Comptes rendus Dieser Parameterkomplex würde nun den historischen Prozessen zugrunde liegen bzw. sie im Einzelfall erklären, wobei wie bereits erwähnt zwischen Primär- und Sekundärprozessen unterschieden wird (38ss.). Bei den Primärprozessen haben wir es mit direkten akzentdruckbedingten Stärkungen bzw. Schwächungen des Sonoritätsbereichs (Silbenkern, d. h. im wesentlichen der Vokale) zu tun: Die Erhöhung des subglottalen Druckes führt in erster Linie einmal zu einer Akzentdruckzunahme in den haupttonigen Silben, was sich im akustischen (und auditiven) Bereich in einer Erhöhung von Länge, Intensität und Tonhöhe niederschlägt und unter bestimmten Bedingungen zu einer Diphthongierung führt. Im Rahmen des erwähnten Kompensationsmechanismus würde in den unbetonten Silben die Verringerung des subglottalen Druckes zu einer Schwächung der Sonorität führen; die (in den einzelnen romanischen Sprachen unterschiedlichen) Folgen wären Phänomene wie Vokalschließung, Vokalkürzung (bis hin zum Ausfall), usw. Einzig die Nebentonsilben (Anlautsilben) wären von diesem Kräftespiel so gut wie nicht betroffen. - Bei den Sekundärprozessen haben wir es mit Veränderungen des Silbengrenzbereichs (Silbenanlaut/ -auslaut) als Folge der Veränderungen im Kernbereich (primäre Veränderungen) zu tun. Hierbei handelt es sich in erster Linie um Modifikationen der Obstruenten: Eine Stärkung findet sich in sog. starker Position (d. h. bei koartikulierten, silbeninitialen Konsonanten), um den erhöhten Akzentdruck im Sonoritätsbereich zu kompensieren; eine Schwächung ist dagegen für die silbenfinalen Konsonanten üblich, da der Akzentdruck nach einer Akzentverstärkung gegen das Silbenende hin abzufallen pflegt. - Diese Ausgleichsphänomene würden nun über die Silbengrenzen hinaus auf die ganze Akzenteinheit ausgedehnt im Bestreben, wieder eine einheitliche Druckverteilung zu schaffen 15. Die Stärkung der koartikulierten silbeninitialen Konsonanten würde sich so in ihrer Erhaltung oder gar Palatalisierung niederschlagen; Zeugen der Schwächung aller anderen Konsonanten wären dagegen Frikativierung, Spirantisierung, Schwund und Depalatalisierung. Vor diesem theoretischen Hintergrund sind nun die anschließenden (exemplarischen) Materialkapitel zu sehen, die sich in erster Linie auf Quellen wie FEW, ALF (und andere Sprachatlanten bzw. Regionalatlanten), Pope, Rheinfelder, Rohlfs (ItGr.), Meyer-Lübke (RG I) usw. stützen 16 . Für alle diese Kapitel gilt auch, daß sie im einzelnen keine neuen Fakten liefern: Alles ist im wesentlichen aus den guten historischen Lautlehren bekannt; neu ist nur die Einbettung in einen umfassenderen Zusammenhang bzw. die Rückführung eines ganzen Büschels von Phänomenen auf den Auslöser «Akzentdruckerhöhung». - Der Materialteil beginnt mit der Darstellung der Synkopierung unbetonter Vokale (44ss.), die mit einem knappen Forschungsbericht eröffnet wird. Eine Skizze der Synkopebedingungen führt zum Schluß, daß die Synkopeneigung v. a. von einer großen positiven Stärkedifferenz der potentiell in Kontakt tretenden Konsonanten gefördert wird. Oder mit Geislers Worten: Die Synkope tritt zunächst nur unter der günstigsten Bedingung bei positiver Stärkedifferenz zwischen Silbenauslaut und Silbenanlaut ein, bei der die Syllabierung aufrechterhalten werden kann. Mit Anwachsen der Stärke des Silbenauslauts sind graduelle Übergänge zur Ambisyllabierung festzustellen. Bei Vorliegen einer negativen Stärkedifferenz erfolgt nur bei starker Akzentdruckzunahme Synkopierung, da der Silbenkontakt ambisyllabiert werden muß. Die schlechter werdenden Silbenkontakte lösen Nachfolgeprozesse aus, die zur Optimierung des Silbenkontakts nötig sind. Diese Prozesse treten nicht mehr ein, wenn die negative Stärkedifferenz so groß wird, daß Resyllabierung möglich ist und die Bedingung für die Synkope ähnlich günstig wird wie bei großer positiver Stärkedifferenz. (48) 15 Näher begründet oder gerechtfertigt wird dieses Postulat allerdings nirgends; es wird wohl als selbstrechtfertigend-plausibel angesehen. 16 Eigene Materialsammlungen gibt es nicht, was aber angesichts der guten Dokumentationslage sicher kein Defizit darstellt. Besprechungen - Comptes rendus 255 Von der Neigung zur Synkope her gesehen ermittelt Verf. die folgende Hierarchie der Konsonantenkonstellationen als Rahmen eines potentiell synkopierbaren Vokals (49): Diff. Silbenkontakt Silbenstrukturänderung 3 LIQ-PLOS keine 2 LIQ-FRIC NAS-PLOS keine 1 LIQ-NAS NAS-FRIC FRIC-PLOS keine 0 LIQ-LIQ NAS-NAS FRIC-FRIC PLOS-PLOS keine/ Ambisyllabierung -1 NAS-LIQ FRIC-NAS PLOS-FRIC Ambisyllabierung -2 FRIC-LIQ PLOS-NAS Ambisyllabierung -3 PLOS-LIQ Resyllabierung Daran schließt eine ausgedehnte Diskussion der einzelnen Konstellationen und ihrer Behandlung in der Romania an, wobei auch weitere Faktoren wie Gleichheit/ Verschiedenheit des Artikulationsortes usw. mitberücksichtigt werden; besondere Aufmerksamkeit wird der Konstellation K vok . bzw. der Natur des auf Kfolgenden Vokals gewidmet, sowie dem Verhalten des Synkopevokals A (77ss.). Das Kapitel schließt mit der Feststellung: Die beschriebenen Prozesse haben alle eine Optimierung des Silbenkontakts, d. h. eine Verbesserung des Stärkeverhältnisses im Silbenkontakt zum Ziel und sind damit funktional zu begründen. Veränderungen in der genetischen Stärke wurden bisher in dieser Hinsicht wenig beachtet und sind für die Romania noch nicht systematisch untersucht. Die Anpassung der genetischen Stärke bei Konsonantenkontakten und vor allem das Auftreten «unorganischer» Konsonanten wurden nicht als prosodisch bedingte Prozesse erkannt, weshalb die Belege analogisch erklärt oder anderen Etyma zugeordnet werden mußten. (89) Kapitel 3 ist dann der Entwicklung von A[ gewidmet (90ss.). Auch hier leitet ein kurzer Forschungsbericht die Erörterungen ein. Geisler vertritt die Auffassung, die Entwicklung A[---+ e habe als Diphthongierung zu gelten 17, die durch die Akzentdruckzunahme ausgelöst wurde allerdings wegen der großen «genetischen» Stärke von A und der sich daraus ergebenden Resistenzfähigkeit erst relativ spät. Nacheinander werden die Verhältnisse unter dem Hauptton (93ss.) sowie in neben- und nachtoniger Silbe (96ss.) diskutiert sowie die möglichen Einflüsse der phonologischen Umgebung und anderer Faktoren erörtert (97ss.). Mit dem 4. Kapitel, das der Palatalisierung von K gewidmet ist (123ss.), kommen wir zur Behandlung von Sekundärprozessen im Obstruktionsbereich. Auch wird die Diskussion mit einem Forschungsbericht eröffnet, der von Morf 1911 bis zu Coseriu 1974 und Straka 1979 führt und zum Schluß gelangt, daß es sich bei der Palatalisierung nicht nur um eine Anpassung an die palatale Umgebung handeln kann diese ist zwar eine notwendige, keineswegs aber eine ausreichende Bedingung, denn Palatalisierungen finden sich nur bei koartikuliertem (d. h. starkem) Kund überdies nur in Phasen der Silbenanlautstärkung (124s.). Weiter werden die unterschiedlichen Palatalisierungsgrade erörtert (126), die in der Romania in ganz unterschiedlichen Konstellationen auftreten; daß das Palatalisierungsphänomen im französischen Sprachraum am stärksten vertreten ist, überrascht wohl niemanden. Die Diskussion des Einflusses der vokalischen Umgebung führt dann zu folgender Hierarchie (129): 17 Auch das ist nicht neu, meiner Meinung nach aber unabweisbar.