Vox Romanica
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Francke Verlag Tübingen
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1993
521
Kristol De StefaniNebrija und die spanische Grammatikographie
121
1993
Petra Braselmann
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Nebrija und die spanische Grammatikographie Acerca de el [Nebrija] se ha escrito mucho y se han dicho muchas cosas. Pero es una de esas personalidades sobre cuyo perfil y sobre cuya obra <leben reflexionar, cada una a su estilo y desde su nivel hist6rico, las sucesivas edades espafiolas (FONTAN 1992a: 25) 0. Antonio de Nebrija schrieb seine kastilische Grammatik 1492 und legte damit den Grundstein für die spanische Grammatikographie. Seither sind über fünfhundert Jahre vergangen, die Rezeption der Grammatik aber hält an, was nicht zuletzt die V Centenario-Feiern beweisen, die 1992 in vielen Orten Spaniens, wie z.B. Murcia, Sevilla und Salamanca, stattfanden. Nebrija ist weiter aktuell. - So oder ähnlich könnte es in einem Werbeprospekt etwa von Salamanca, der Geburtsstadt des großen Humanisten, heißen. Wollen wir dasselbe aber philologisch und historisch adäquat beschreiben, so müssen einige Einschränkungen gemacht werden: 1. Das «annus mirabilis» von 1492 war auch das Jahr der Judenvertreibung, der Entdeckung Amerikas und des Endes der Reconquista. Ein neues Selbstbewußtsein entstand, man war sich eines nationalen Selbstwertgefühls, einer neuen Einheit und Stärke bewußt (vorhergegangen war 1469 die Heirat der Katholischen Könige und damit die Verbindung der mächtigen Königreiche Kastilien und Arag6n). Diese historischen Gegebenheiten, in deren Kontext Nebrijas Grammatik stand, werden immer «mitgefeiert», und zwar je nach Zeitgeist mit unterschiedlicher Akzentuierung und Bewertung. 1944, dem fünfhundertsten Geburtstag von Nebrija, feierte man seinen vermeintlichen Sprach- Imperialismus, den man an einem einzigen Satz des Prologs der kastilischen Grammatik («siempre la lengua fue compaiiera del imperio») glaubte festmachen zu können 1. Damit zusammenhängend wurde Nebrija als Vorläufer Francos vereinnahmt 2• Demgegenüber gab es knapp 50 Jahre später, nämlich 1992, vor dem Hintergrund anderer ideologischer Implikationen anläßlich der Jahresfeiern nicht nur in Lateinamerika, sondern auch in Spanien kritische Stimmen bezüglich der Kolonialisierungspolitik, deren man feierlich zumindest «mitgedachte». 1 Cf. hierzu BRASELMANN 1993: 123-35. 2 Cf. GALJNDO ROMEOIÜRTIZ MUNOZ 1946: XXXVIII. 244 Petra Braselmann 2. Wenn es oben hieß, Nebrija habe das Fundament für die spanische Grammatikographie gelegt, so gilt einschränkend, daß seine Grammatik nicht ex nihilo entstand, sondern daß sie ein Produkt ihrer Zeit ist und geistesgeschichtlich in Traditionen steht (z.B. der griechisch-lateinischen) und Traditionen aufnimmt (z.B. die italienische) 3• Ebenso gab es auch vor 1492 in Spanien schon Werke zum Kastilischen: Seit dem 12. Jahrhundert entstehen verschiedene arabischspanische und lateinisch-spanische Glossare; eine erste Verteidigung des Kastilischen, verbunden mit dem Wunsch, ein Regelwerk vorzubereiten, stellt ein anonymes spanisches Vokabular aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts dar, in dem etwa auch schon die von Nebrija vertretene Korruptionsthese formuliert wird 4 • Als wichtige mögliche Vorläufer sind ferner Alfonso de Palencia, Theodoros Gaza, Pastrana u.a. zu nennen, und zwar in den Teilen, in denen sie Anmerkungen, Übersetzungen und Erklärungen zum Kastilischen machen 5 • Über die Einbindung in Traditionen hinaus sind in der kastilischen Grammatik auch Gedanken zur Sprache enthalten, die Traditionen begründen und sich partiell noch in aktuellen (Schul-)Grammatiken finden. 3. Wenn ich gesagt habe, Nebrija ist weiter aktuell, so muß Folgendes bedacht werden: Während fünfhundert Jahren ist die kastilische Grammatik nicht ununterbrochen und konstant rezipiert worden. Ferner ist das, was man für «aktuell» hält, abhängig vom Standort des Interpreten, und zwar sowohl vom historischen als auch vom persönlichen. Eine Interpretation des 18. Jahrhunderts muß damit zwangsläufig anders aussehen als eine des 20. Jahrhunderts; ein Latinist rezipiert Nebrija aus einer anderen Perspektive und hat einen anderen Zugriff auf seine Grammatik als etwa ein Sprachwissenschaftler; ein Transformationalist versteht Nebrija anders als ein Strukturalist; etc. Der Aktualitätsbegriff muß also in seiner Relativität gesehen werden. Mit diesen Überlegungen scheint mir das abgesteckt zu sein, was ich einleitend eine «philologische» und «historisch adäquate» Sichtweise nannte: Die Berücksichtigung externer Faktoren, die die Rezeption und die Interpretation eines Werkes, in unserem Fall der kastilischen Grammatik, dadurch beeinflussen (und manchmal sogar bedingen), daß ein bestimmter Rahmen gesetzt wird und bestimmte Analyseinstrumentarien angewendet werden. Was die internen Faktoren, die internalistische Analyse angeht, so liegt die besondere Schwierigkeit für 3 Zu diesen Traditionen cf. z.B. Rico 1978, CoDONER 1983, PADLEY 1985, PERCIVAL 1975. - Cf. auch unten. 4 Cf. HUARTE MüRTON 1951: 310-40; BRIESEMEISTER 1969: 35-55. 5 Cf. hierzu GARciA DE DIEGO 1944: 40ss., BRIESEMEISTER 1980: 483-517; NIEDERERE 1986: 39-54; Cm6N/ SoBERANAS 1979: 22ss.; RrnRUEJO 1977: 52ss. - Die wichtigen, ausschließlich lateinischen Grammatiken in Spanien, wie die von Alexander de Villadei, Perotti, Pomponio Mantuano u.a. sind hier nicht genannt, da sie nur mittelbar, nämlich über die lntroductiones, der Latein-Grammatik von Nebrija, auf die kastilische Grammatik ausstrahlen. Nebrija und die spanische Grammatikagraphie 245 uns darin, daß die Grammatik eben vor fünfhundert Jahren geschrieben wurde und damit in einem völlig anderen epistemologischen Paradigma, als es heute vorzufinden ist. 1. Die folgenden Überlegungen werden sich in drei Teile gliedern: Zunächst werde ich mir Gedanken machen über die Methodologie der Historiographie und diese exemplarisch anwenden auf Nebrija und seine Grammatik. In einem zweiten und dritten Teil werden die im ersten Teil entwickelten Analyseperspektiven im Hinblick auf Nebrijas Aktualität konkretisiert. 1.1. An den Anfang meiner Ausführungen möchte ich einige Positionen stellen, die als Reaktion auf den von mir in der Studie Humanistische Grammatik und Volkssprache. Zur «Gramatica de la lengua castellana» von Antonio de Nebrija (BRASELMANN 1991) gewählten methodologischen Ansatz formuliert worden sind. Dieser besteht im wesentlichen, wie ich zeigen werde, in der rationalen Rekonstruktion, die nach RoMOTH (im Druck) die drei Funktionen der linguistischen Historiographie erfüllt, nämlich 1. die «Kontextualisierung der Grammatik», 2. den «internalistischen Betrachtungsansatz» und 3. die «Interpretation des historischen Werkes aus zeitgenössischer linguistischer Perspektive». Für Guitarte ist der textinterne Betrachtungsansatz insofern ein Problem, als er zwar den Rahmen liefere, um die grammatischen Konzepte Nebrijas zu beschreiben, nicht aber dazu diene, diese historisch zu erklären 6• Besonders diskutiert wird der dritte Punkt, der im zeitgenössischen Bezug der Interpretation besteht: BAHNER (1992: 332 s.) und EBERENZ (1993: 403) warnen vor der Gefahr, die moderne Interpretation eines historischen Werkes so überzustrapazieren, daß sie der mentalen Welt Nebrijas nicht mehr gerecht wird. Für DrNNEEN (1992: 151) dagegen können hier die Positionen nicht modern genug sein. - Ich möchte diese Aspekte im Anschluß an die im folgenden zu entwickelnden methodologischen Überlegungen wieder aufgreifen. 1.2. Eins ist deutlich geworden: Das Hauptproblem bei der Analyse einer alten Grammatik scheint die Ausgewogenheit einerseits zwischen der adäquaten Darstellung der inneren Systematik des Werkes und ihrer historischen Quellen, andererseits zwischen der inneren Systematik und der modernen Begrifflichkeit des Interpreten zu sein. Man kann sich fragen, welchen Wert die Analyse einer alten Grammatik hat, wenn doch von einer «objektiven» Darstellung nicht auszugehen ist, sondern der Blickwinkel auch den Gegenstand konstituiert 7 . Was bringt uns dann die Rekonstruktion einer alten Systematik heute, zumal, wenn man mit 6 Persönliche Mitteilung. 7 Schon Karl Popper hat deutlich gemacht, daß die Phänomene immer theorieabhängig beschrieben, geordnet und gedeutet werden; cf. die Diskussion in KANNGIESSER 1976: 114s. 246 Petra Braselmann STEGMÜLLER (1967: 1-5) davon ausgeht, daß der gegenwärtige Standard der Begrifflichkeit ohnehin ein höherer ist als der vergangener Zeiten? Antworten auf diese Fragen halten die Wissenschaftstheorie und die theoretische Historiographie der Linguistik bereit. Es geht also im folgenden um die Beantwortung der Frage nach dem Wozu? , die nicht unabhängig gesehen werden kann von dem Wie? , d. h. der Methode, mit der man an alte Werke herangeht. Die Analyse einer alten Grammatik ist immer auch die Rekonstruktion der Systematik, die der Beschreibung zugrunde liegt. Erkenntnis- und Beschreibungsobjekt des Theoretikers ist dabei die Sprache als naiv entwickelte und praktizierte Regelhaftigkeit. Auch die aktuelle Linguistik versucht eine Systematisierung der Regelhaftigkeit, die wir bereits in unserer Sprachpraxis vollziehen. Diese Systematisierung ist ihrerseits wieder ein Entwicklungsergebnis, das von den historischen Entscheidungen für bestimmte und gegen andere Begrifflichkeiten abhängt. Darin begründet ist auch die Kontingenz der gegenwärtigen Begrifflichkeit. Auch sie folgt Moden und Traditionen, Blindheiten und Einsichten. Und selbst die Einstimmigkeit einer gegenwärtigen Begriffsroutine entlastet noch nicht von der kritischen Selbstprüfung, die aus der Einsicht in die Kontingenz die Aufgabe ableitet, nach Alternativen zu suchen. Die kritische Konfrontation historischer und gegenwärtiger Systeme ermöglicht nicht nur die Einsicht in die Geschichtlichkeit moderner Begrifflichkeit, sondern lenkt den Blick auch auf manche vergessene Systematisierungsmöglichkeit, durchaus auch im Sinne einer vertanen Chance. Denn es ist gegen Stegmüller nicht immer von vornherein von einem gegenwärtigen höheren Standard an präziser Begrifflichkeit auszugehen. Die Analyse historischer Theorien erfordert nun bestimmte Herangehensweisen; die philosophische Wissenschaftstheorie hat hierfür die «rationale Rekonstruktion», die Historiographietheorie den «narrativen Zugriff» (Schmitter) entwickelt. Die Postulate beider Forschungsrichtungen möchte ich aus heuristischen Gründen in drei getrennten Untersuchungsschritten systematisieren: 1. Zuallererst ist ein «vorsystematischer» Einblick in das Denken des Autors gefordert, der etwa durch Biographie, Textvergleiche etc. möglich ist (STEG- MÜLLER 1967: 1-5). Zu dieser «Kontextualisierung» gehören auch Informationen, die über den einzelnen Autor hinausgehen, wie z.B. Kenntnisse des epistemologischen Hintergrundes, der Vorläufer 8 und Zeitgenossen, kurz: Es s Immer wieder wird allerdings davor gewarnt, Sprachwissenschaftsgeschichtsschreibung zu reduzieren auf die ausschließliche «Jagd nach Vorläufern». Eine solche reduzierte Darstellung wird dem Gegenstand nicht mehr gerecht und macht Wissenschaft zur «Geschichtsklitterung». Ebenso einseitig erweist sich die «Fortschrittshypothese», deren Charakteristik die teleologische Ausrichtung des Fortschritts sowie die Bestimmung seines Ziels als Annäherung an eine angenommene absolute Wahrheit ist. Mit dieser Konzeption verbunden ist die Annahme, die besagte Nebrija und die spanische Grammatikographie 247 geht um die Analyse des climate of opinion, in dem ein Werk steht (KoERNER 1976: 690ss.). 2. Diese externen Faktoren müssen in Verbindung gebracht werden zu der Substanz des Textes und grenzen so den Rekonstruktionsrahmen für die zunächst prinzipiell textbezogene, «horizontale» (oder: «synchronische») Analyse ein 9 • Die Darstellung der alten Theorie muß vollständig und historisch angemessen sein im Rahmen der ihr eigenen Systematik. 3. Erst in einem dritten Schritt geht es um die Neuformulierung im Lichte aktualer Systematik, wobei es nach STEGMÜLLER (1967: 1-5) nicht notwendig ist, daß alle modernen Theoretiker die Begrifflichkeit akzeptieren, die in der Rekonstruktion verwendet werden. Es versteht sich von selbst, daß aktuelle Bezeichnungen und Inhalte mit den jeweiligen historischen Begriffen in Beziehung gesetzt werden müssen, um eine «anachronistische» Interpretation zu vermeiden (KoERNER 1987 a: 71). Damit tritt die «vertikale» (oder «diachronische») Perspektive in den Blick: Sie zeigt und wertet Entwicklungen, Zusammenhänge und bezieht damit systematisch die Fakten verschiedener Epochen aufeinander 10• Erklärtes Ziel solcher Operationen ist es, den alten Text und die darin enthaltenen Sprachauffassungen einem modernen Leser zugänglich und verständlich zu machen (Brekle, Arens, Stegmüller). Sie ermöglichen durch analytische und konstruktive Schritte eine Erweiterung der historischen Erfahrung und damit ein historisches Begreifen (MrTTELSTRASS 1981: 110), indem sie neue Bestimmungen für alte Begriffe suchen (Carnap) 11• Narrativität als Grundstruktur einer Geschichte der Linguistik wird so als rekonstruierende Erzählung gefaßt, die sich aus der synchronischen und diachronischen Frage konstituiert. Dabei setzt die diachronische die synchronische Perspektive voraus, die umgekehrte Implikation gilt nach Schmitter nicht (ScHMITTER 1982: 57ss.). Was nun die textbezogene, horizontale Analyse auf der zweiten Untersuchungsebene angeht, so glaube ich nicht, daß es möglich ist, ein Werk «aus sich heraus», ohne Bezug auf gegenwärtige Terminologien und Begrifflichkeiten zu rekonstruieren, wie es KOERNER (1987a: 75s.), ARENS (1987: 6) und STEGMÜLLER (1967: lss.) Annäherung an die Wahrheit erfolge über Wissensakkumulation. Wichtig ist hier auch, den Begriff des «Einflusses» vorsichtig zu handhaben: Die Möglichkeit der Kenntnis einer bestimmten Theorie durch einen Autor kann nicht bedeuten, daß diese ihn auf jeden Fall auch beeinflußt haben muß. Sie ist allerhöchstens Teil des den Autor umgebenden allgemeinen climate of opinion. Cf. zu diesen Punkten auch: ARENS 1987: 7ss.; BREKLE 1987: 49; KoERNER 1987a: 66s., 1987b: 13ss., 1983: 323ss.; ScttMITIER 1987b: 106ss. 9 Cf. ARENS 1987: 6; BREKLE 1987: 48. 10 Cf. KoERNER 1976, 1983, 1984, 1987 a, 1987b; BREKLE 1987; ARENS 1987; ScttMITIER 1982: 57ss. 11 Cf. POSER 1971: 69. 248 Petra Braselmann postulieren. Die textinterne Interpretation eines Werkes ist schon darum «aus sich heraus» nicht möglich, weil bereits der «vorsystematische» Einblick (1. Stufe), und damit textexterne Faktoren, die Sichtweise mitbestimmen 12. Ich möchte aber noch einen Schritt weitergehen: Jedes Herangehen an den Text, auch auf der zweiten prinzipiell synchronischen Stufe, setzt ein Analyseinstrumentarium voraus, das der Interpret gar nicht ausblenden kann, so redlich er auch bemüht ist. Schon die Auswahl der entsprechenden Fakten ist subjektiv, da der Interpret aufgrund seines eigenen Wertsystems aus einer unüberschaubaren Fülle von Fakten selektiert. - Es wird hierauf zurückzukommen sein. Ich fasse zusammen: Die Rekonstruktion einer alten Grammatik ist sinnvoll, da sie erstens ein «historisches Begreifen» ermöglicht, und zwar sowohl hinsichtlich des Nachvollziehens einer alten Systematik als auch hinsichtlich der Einsicht in die Geschichte der aktuellen Begifflichkeit. Sie ermöglicht zweitens ein «modernes Begreifen», indem sie den alten Text einem modernen Leser zugänglich macht. 1.3. Kommen wir unter diesen Voraussetzungen zu unserem Beispiel, zur Gramatica de la lengua castellana (= GC) von Antonio de Nebrija aus dem Jahre 1492. Ich möchte kurz das Ineinandergreifen der oben beschriebenen Rekonstruktionsfaktoren demonstrieren. Die Grammatik ist nicht im «luftleeren» Raum entstanden, sondern setzt Entwicklungen fort, die «in the air» waren. Nebrija ist stark vom italienischen Humanismus geprägt, was sich bis in die einzelnen Grammatikkonzepte nachverfolgen läßt. Eine solche Beeinflussung ist durch seine Biographie zu erklären, und zwar durch seinen zehnjährigen Italienaufenthalt, der seinerseits eine logische Konsequenz der wissenschaftlichen Stagnation in Spanien war 13• In Italien studierte Nebrija auch die lateinischen Grammatiker, vor allem Quintilian und Priscian beeinflußten ihn stark. Lateinischer Sprachhumanismus und Vulgärhumanismus finden in Nebrija eine erste spanische Synthese, wobei er mit der vulgärhumanistischen Tendenz, wie sie z.B. in der kastilischen Grammatik dokumentiert ist, seiner Zeit voraus war was wiederum den geringen Erfolg seiner Grammatik bis zum 18. Jahrhundert erklärt. Ferner gilt es zu bedenken, daß Nebrija an erster Stelle Latinist ist 14: In allen seinen Werken geht es ihm um die Erneuerung des Lateins, und auch die kastilische Grammatik soll u.a. zum leichteren Lateinlernen verhelfen 15 • Dies schließt gleichwohl seine Bemühungen um die Autonomie des Kastilischen nicht aus. 12 Cf. hierzu auch PosER 1971: 75s. 13 Cf. KRISTELLER 1980: 36s. 14 So sagt er voller Stolz im Vorwort seines Lexicon: « ... que io fue el primero que abrf tienda de la lengua latina ...Y que si cerca de los ombres de nuestra naci6n alguna cosa se halla de latfn, todo aquello se ha de referir a mi» (ed. CoL6N/ SoBERANAS 1979). - Cf. hierzu auch LüPE BLANCH 1962: 18; FoNTA.N 1986: 209ss. 15 Cf. BRASELMANN 1993: 130ss.; BRASELMANN (im Druck); RIDRUEJO 1977: 79. Nebrija und die spanische Grammatikographie 249 Schließlich erlaubt die Analyse des vitalen und mentalen Kontextes Nebrijas und des ihn umgebenden climate of opinion das Ansetzen des adäquaten Rekonstruktionsrahmens für die Kastilische Grammatik: Erst wenn man Nebrijas sonstiges Werk, dem letztlich immer ein pädagogisches Anliegen inhärent ist, und sein lebenslanges Engagement für eine bessere Sprachlehre in Rechnung stellt 16 , erkennt man die Notwendigkeit, die kastilische Grammatik vor dem Hintergrund eines didaktisch-pädagogischen Rahmens zu rekonstruieren - und nicht etwa vor dem eines axiomatisch-deduktiven. 1.3.1. Mit diesem Vorwissen kann man sich nun den konkreten Grammatikkonzepten widmen, und zwar zunächst im Rahmen der ihnen eigenen synchronischen Systematik (2. Untersuchungsebene). Erst danach kann die diachronische Perspektive angegangen werden, wobei es mir sinnvoll erscheint, über das eben vorgestellte Modell hinaus auf dieser 3. Untersuchungsebene zwei Sehweisen zu differenzieren: Fragt man nach Traditionen, die zu Nebrija führen, dann wendet man den «Blick zurück», d.h. man wählt die diachronische Perspektive in retrospektiver Hinsicht. Demgegenüber ist jede Frage nach der möglichen Aktualität Nebrijas im Rahmen der diachronischen Perspektive prospektiver Prägung anzusiedeln. Die retrospektive Perspektive, die Frage nach Traditionen, die zu Nebrija führen (und die ich nicht ins Zentrum meines Interesses gestellt habe 17) erforschen besonders Altphilologen wie etwa Antonio Fontan und Virginia Bonmati Sanchez. Nebrijas Akzidentientheorie, sein Normbegriff, die Einteilung der Grammatik, seine aristotelische letra/ boz-Konzeption (Guitarte) 1 8 etc. werden festgemacht an lateinisch-griechischen Vorläufern. Neben den Antiquiores interessieren aber auch die Übernahmen aus den luniores (BüNMATi SANCHEZ 1988b: 295ss.): Als Einfluß der italienischen Humanisten auf Nebrija kann z.B. seine Anlehnung an Brunis «Grammatikthese», an Biondos «Korruptionstheorie», an Perottis Artikeltheorie, 16 Schon sehr früh kritisierte er die Inkompetenz seiner Lehrer, sowohl was die Methode als auch die Sprache der Lehre betrifft (cf. FERNANDEZ-SEVILLA 1974: 2ss.). Verstärkt wurde diese Tendenz durch seine Ablehnung des allgemein verbreiteten Lateinlehrbuchs, des Doctrinale von VrLLADEI, dem er seine lateinische Grammatik, die Introductiones, mit großem Erfolg entgegen setzte: «Desde que comence a leer Gramatica ... mi pensamiento continuo era este: i,que libros dare a mis discfpulos para que aprendan ... Los gramaticos antiguos hablaban latfn y escribian para discfpulos que lo hablaban tambien, como nosotros ahora el castellano ... Pero nosotros, que nos hemos apartado muchfsimo de la lengua latina, tenemos que valernos de otros medios y emplear otros metodos en la ensefianza del latfn ... Yo hago lo siguiente: me pongo en el caso de aquellos a quienes quiero ensefiar ... (NEBRIJA, Vocabulario, zit. GoNZALEZ ÜLMEDO 1942: 73s.). In allen seinen Werken (nicht nur in den sprachlichen, sondern auch in den theologischen und in den Glossaren zu medizinischen, astronomischen Texten) ging es Nebrija darum, der Sprache zu einem Status zu verhelfen, der sie als klares und effizientes Instrumentarium ausweist (cf. BRASELMANN 1991: 50-101). 17 Cf. BRASELMANN 1991: 18. 1s Cf. GurTARTE 1992. 250 Petra Braselmann an Vallas 19 Aufnahme von Quintilians consuetudo als Grundlage der Grammatik und seine Verurteilung der scholastischen Rückgriffe auf die Logik etc. gelten. Die Frage nach möglicher Aktualität von Nebrijas Gedankengut dagegen arbeitet auf prospektiver Ebene. Dabei können verschiedene Bezugsparameter unterschieden werden: Man kann sich entweder nach der Validität der Konzepte in bezug auf einen bestimmten Punkt in der Geschichte fragen, so etwa das Weiterleben von Nebrijas Konzepten bis Correas oder Bello nachvollziehen. Oder aber man kann sich fragen, welches seiner Konzepte bis heute Gültigkeit hat und unter welchem Gesichtspunkt dies zutrifft. Geht es um Begründungen von Traditionen, wie sie sich noch in aktuellen Schulgrammatiken finden, oder wagt man gar den Schritt, Nebrijas Grammatikkonzepte auf Validität in bezug auf etwaige moderne Konzepte der gegenwärtigen Linguistik hin zu untersuchen? 1.4. Damit ist der Boden vorbereitet, die oben unter Punkt 1.1. genannten Diskussionspunkte im Lichte des eben vorgestellten Ansatzes zu beleuchten. 1.4.1. Das Ziel der Historiographie der Linguistik wie auch der rationalen Rekonstruktion ist es, wie eben dargestellt, einen alten Text einem modernen Leser zu erschließen. Die historischen Quellenfragen finden in diesen Ansätzen nur Berücksichtigung im «vorsystematischen» Einblick, im climate ofopinion. In meinem Modell finden sie darüber hinaus Eingang im Rahmen des dritten Schrittes, der diachronischen Perspektive in ihrer retrospektiven Ausrichtung. Jede Diachronie setzt den Vergleich mehrerer Synchronien voraus; dies gilt auch für die historiographische Vorgehensweise. Eine punktuell rückwärtsorientierte Darstellung dagegen ist als reduktives Vorgehen zu bezeichnen, da sie nicht dem Postulat der Vollständigkeit im Sinne der rationalen Rekonstruktion genügt 20 • Reduktiv ist eine partielle Rekonstruktion, wenn etwa ein Element aus Nebrijas Grammatik verglichen wird mit einem älteren Element, das isoliert von der ihm eigenen Systematik eingesetzt wird. Dies ist in der Nebrija-Forschung verschiedentlich vorgekommen 21• Guitartes Studien haben einen anderen Hintergrund. Für ihn ist die «eigene Systematik» Nebrijas nicht alles. Er rekonstruiert historisch die antiken Systeme im Rahmen des ihnen spezifischen Kontextes und vergleicht sie dann mit Nebrijas Erkenntnissen. Er kommt meist zu dem Schluß, daß Nebrija antike Erkenntnisse zu einem persönlichen, logischen System kohärent zusammenführt. Die rationale Rekonstruktion denkt dagegen nicht an Systeme, die vor der zu rekonstruierenden Theorie liegen - und dies ist sicher ein Defizit, wie Guitarte mit 19 Zur Bedeutung Vallas für Nebrija und den gesamten Humanismus cf. u.a. die neueste Schrift von FoNTAN (1992b: 15ss). 20 Cf. hierzu BRASELMANN 1991: 18. 21 Cf. z.B. das Diccionario gramatical von MARTINEZ AMADOR 1953 oder die prospektiven Teile in GARCIA 1960. Cf. dazu unten, Punkt 2.2. Nebrija und die spanische Grammatikographie 251 seinen Arbeiten beweist. Aus diesem Grunde habe ich auf der 3. Untersuchungsebene die retrospektive Dimension eingeführt, die meines Erachtens Guitartes Anliegen Rechnung trägt. Versucht man Guitartes Vorgehen mit dem der rationalen Rekonstruktion zu verbinden, so könnte man sagen, daß Guitarte eine vollständige rationale Rekonstruktion «vorschaltet» (wobei ihn die zweite, im Hinblick auf heute, dann nicht mehr interessiert): Er versucht, die antiken Systeme eines Aristoteles oder eines Quintilian einem Zeitgenossen Nebrijas verständlich zu machen. Die rationale Rekonstruktion versucht, die Systematik eines Nebrija einem gegenwärtigen Leser verständlich zu machen. Sie intendiert eine Neuformulierung im Lichte aktualer Systematik; Guitarte leistet eine Neuformulierung antiker Ideen im Lichte der nebrisensischen Systematik. Das heißt, die Ansätze unterscheiden sich durch ihre Zielsetzung. Insofern arbeitet Guitarte dann prospektiv: Synchronie 1 = Antike; Synchronie 2 = Nebrija. Die rationale Rekonstruktion und die moderne Historiographie der Linguistik gehen dazu komplementär vor: Synchronie 2 = Nebrija; Synchronie 3 = (eine wo auch immer angesetzte) Gegenwart. Ich glaube, daß die Zusammenführung beider Ausrichtungen für die Historiographie der Linguistik sehr fruchtbar ist. 1.4.2. Es dürfte einleuchten, daß man seinen eigenen Standort als Interpret nicht ausblenden kann und daß das je spezifische Erkenntnisinteresse die Analyse mitbeeinflußt. Calero Fernandez etwa liest Nebrijas Grammatik als Feministin des ausgehenden 20. Jahrhunderts, wenn sie in Nebrija den spanischen Begründer des sexistischen genero gramatical sieht 22 • Ich lese ihn als Linguistin desselben Jahrhunderts mit dem Analyseinstrumentarium des europäischen Strukturalismus 23 • Wenn dies-wie Dinneen bedauernd feststellt-nicht der «modernen Linguistik» entspricht, weil darin keine transformationelle Perspektive enthalten ist (DINNEEN 1992: 151), so kann ich dem in zweifacher Weise entgegen halten: Erstens ist eswie bereits erwähnt-mit Stegmüller nicht notwendig (und nicht möglich), daß die Überzeugung dessen, was man mit «moderner» Begrifflichkeit meint, von allen modernen Theoretikern geteilt wird. Zweitens kann ich nur eine solche Begrifflichkeit einsetzen, von der ich meine, daß sie Nebrijas Anliegen adäquat beschreibt. Der «Modernität» sind also deutliche Grenzen gesetzt. Was nun die «internalistische Betrachtungsweise», die «horizontale Analyse» der Grammatik angeht, so kann auch hier, wie wir oben ausführten, das moderne Instrumentarium nie vollständig ausgeblendet werden. Auf dieser Ebene wird eine vollständige historische Rekonstruktion von Nebrijas Gedankengut versucht, das er in seiner Grammatik formuliert, unabhängig davon, ob wir heute etwa die Metrik und Rhetorik als zu einer Grammatik gehörig bezeichnen würden. Es geht 22 Cf. CALERO FERNANDEZ (im Druck). 23 Cf. BRASELMANN 1991: 308, 455. 252 Petra Braselmann in dieser synchronischen Analyse darum, im Rahmen der ihr eigenen Systematik die argumentative Struktur der GC herauszuarbeiten. Auf dieser Untersuchungsebene kann man auch etwaige Inkonsistenzen innerhalb von Nebrijas eigener Argumentation entdecken, wie z.B. bezüglich der Diskrepanz zwischen seinen Reformvorschlägen für das kastilische Lautinventar, die seinen eigenen Axiomen nicht immer genügen (cf. BRASELMANN 1991: 460s.). Über den Nachweis solcher Mängel hinaus ist es hier oft möglich, die Gründe solcher Mängel zu erklären 24• Die diachronische Pespektive in ihrer prospektiven Ausrichtung (3. Untersuchungsebene) setzt nun die Akzente anders, indem die moderne Begrifflichkeit bewußt und explizit 25 in den Vordergrund gestellt wird: Hier werden Nebrijas Grammatikkonzepte anhand von Begriffen der modernen Linguistik auf ihre mögliche Kongruenz mit aktuellen Einsichten hin überprüft. - In beiden Fragestellungen, der synchronischen und der diachronischen, ist das moderne Begriffsinstrumentarium also präsent. Der Unterschied zwischen beiden Ebenen läuft damit letztlich auf einen Gradationsunterschied hinaus. Die Gefahr einer «modernistischen Vergewaltigung» Nebrijas, wie sie Bahner und Eberenz 26 sehen, ist also nur dann gegeben, wenn man die Rekonstruktion aus moderner Sicht ohne die historische Rekonstruktion, die diachronisch-prospektive ohne die synchronische liest. Meine Vorgehensweise, die die synchronische Betrachtungsweise als die conditio sine qua non der diachronischen ansetzt, entspricht dem oben diskutierten Postulat Schmitters, wonach die diachronische Perspektive die synchronische immer voraussetzt. 2. Werfen wir einen Blick auf die Rezeption der Gramatica castellana und fragen uns, welche Forschungsperspektiven, die sich zum Teil auch mit dem diachronischprospektiven und diachronisch-retrospektiven Raster erfassen lassen, vor allem angewendet werden. Damit greife ich gleichzeitig auch die einleitend aufgeworfene Frage nach der Rezeptionsaktualität der kastilischen Grammatik auf. 2.1. Die kastilische Grammatik, die heute so lobend als Meilenstein in der spanischen Grammatikschreibung bezeichnet wird, fand im gesamten Siglo de Oro und auch später kaum Anerkennung. Nach der Erstausgabe von 1492 sollte sie erst im 18. Jahrhundert, und zwar zwischen 1744 und 1747, neu aufgelegt werden 27 • Sie blieb eine «schöne Leiche» und war für ihren Autor ein «fracaso profesional» 28• 24 So beruhen Fehleinschätzungen etwa darauf, daß sich Nebrija oft nicht von den lateinischen Gegebenheiten lösen konnte (Vermischung Synchronie/Diachronie) oder aber, daß er zuweilen Sklave seiner eigenen Systematik wird (z.B. bzgl. der Eigennamen). Cf. hierzu auch unten, Punkt 3.3.3.2., zum Eigennamen auch 3.1. 25 Cf. ßRASELMANN 1991: 308. 26 Cf. BAHNER 1992: 332s., EBERENZ 1993: 403. 21 Cf. Qums 1980: 84. 2s Cf. WEINRICH 1973: 534, FoNTA.N 1986: 218. Nebrija und die spanische Grammatikographie 253 Diese Situation änderte sich erst mit den verschiedenen wissenschaftlichen Ausgaben des 20.Jahrhunderts, wie z.B. die von ANTONIO Qurus (1980), die ich meiner Untersuchung zugrundelege. Es ist hier nicht der Ort, die Gründe für diese lange Nichtbeachtung zu diskutieren; einer von ihnen ist ohne Zweifel die Tatsache, daß die Zeit für eine vulgärsprachliche Grammatik in Spanien offensichtlich noch nicht reif war 29 : Zu sehr stand das Latein im Mittelpunkt.Vives verfaßt etwa noch im 16.Jahrhundert seine Werke auf Latein und hält die Grammatik einer Volkssprache für überflüssig 3 0• Die geringen Reaktionen, die die kastilische Grammatik auslöste, waren deutlich negativer Art und mündeten in einen «antinebrijanismo» 31• Drei unterschiedliche Haltungen lassen sich ausmachen: Zum einen kritisiert man die GC heftig, so z.B. Valdes, der nicht an die Möglichkeit glaubt, für eine Vulgärsprache eine Arte zu schaffen - und schon gar nicht durch einen Andalusier, wie es Nebrija war 3 2• Zum anderen gibt es (bis ins 20. Jahrhundert) die Haltung, die Grammatik einfach «totzuschweigen», wohl die deutlichste Form von Mißachtung. Hier kann als Beispiel Gonzalez Olmedo genannt werden, der in seinen zwei Nebrija-Studien die GC nur an einer Stelle am Rande erwähnt und befindet: «... de la Gramatica [castellana] no hay mucho que decir» 3 3• Schließlich gibt es noch eine dritte Tendenz, die darin besteht, daß man die GC zwar kritisiert, nichtsdestoweniger aber in vielen Punkten stillschweigend kopiert. Ein Beispiel hierfür ist Villal6n, der die Lateinorientierung der Grammatik beanstandet, gleichwohl aber vieles aus ihr übernimmt. So entstehen auch im 16. und 17. Jahrhundert eine Reihe von Grammatiken, die der von Nebrija sehr ähneln 3 4• Der letzte Aspekt ist möglicherweise auch ein Grund dafür, daß die GC im 16. und 17. Jahrhundert keine weiteren Auflagen erfuhr, wie Galindo Romeo und Ortiz Mufioz annehmen: «En el fondo, todos o le imitaban, o se inspiraban en sus teorias, o seguian su metodo, y acaso sea esta la mas poderosa raz6n de que la Gramatica padeciera la p6stuma afrenta del olvido en la reimpresi6n» 35 • Im 20.Jahrhundert nimmt man schließlich Notiz von Nebrija. Ganz allgemein ist festzustellen, daß man sich anfangs vor allem seiner Biographie, dem Leben und 29 Zur geistesgeschichtlichen Situation in Spanien cf. BRASELMANN 1991: 148-73. 30 «In sermone qui ore totius populi teritur, nihil necessum est artem, aut regulas formari; ex populo ipso promptius ac melius discetur ... sed in quocunque alio ascititio qui jam nullius est gentis, omnino formulae sunt opus, ne fallaris, ceu loquaris vitiose ...» (VrvEs, De trad. discipl., MAYANS, VI, p.302). Im Gegensatz zu Erasmus, der die Volkssprache und die Ausbildung in derselben ignoriert (er spricht nie von «Muttersprache», sondern das Latein ist für ihn «unsere» Sprache), propagiert Vives zumindest die Pflege der Muttersprache im Elternhaus.- Cf. hierzu BRASELMANN (im Druck). 31 Cf. FONTAN 1986: 213. 3z Zur Kritik von Valdes an Nebrija cf. vor allem GurTARTE 1974: 247-88. 33 Cf. GONZALEZ ÜLMEDO 1942: 238. 34 Cf. hierzu FERNANDEZ-SEVILLA 1974: 29, Qurus 1980: 84. 35 Cf. GALINDO RoMEo/ ORTIZ MuNoz 1946: XXXVIII. 254 Petra Braselmann Werk des Grammatikers widmet, eine Orientierung, die 1944, dem Jahr der Feierlichkeiten zu Nebrijas fünfhundertstem Geburtstag, kulminiert. Als repräsentatives Beispiel mag hier der zu diesem Anlaß publizierte Sammelband mit dem Titel Miscelanea Nebrija (1945) gelten. In diesem Werk finden sich (neben patriotischen und ideologischen Lobreden) fünf Artikel, von denen der überwiegende Teil biographische Detailfragen behandelt: das Geburtshaus des Grammatikers, seine Wohnstätten in Salamanca und Alcala. Alte Stadtpläne, Mietverträge etc. werden als Quellen zitiert. Darüber hinaus untersucht man Nebrija als Historiker und Nebrija als Gräzist. Einzig der Beitrag von BASOLS DE CLIMENT (1945: 49-64) handelt über einige Grammatikkonzepte, allerdings nicht die der GC, sondern über solche der lateinischen Grammatik, und setzt diese in Verbindung mit einigen Vorläufern, wie z.B. der lateinischen Grammatik von Villadei. - Diese Situation spiegelt sich auch wieder in den beiden vor allem biographisch ausgerichteten Studien von GoNZALEZ OLMEDO (1942, 1944). Die 40er Jahre stellen einen ersten Höhepunkt in der Nebrija-Rezeption dar, die insbesondere den Grammatiker als Person aktualisiert. 2.2. Das Interesse an der Person Nebrija verringert sich nach den 40 er Jahren beträchtlich. Die Themen, denen sich die Forscher nach diesem ersten Höhepunkt widmen, können in vier Hauptgruppen eingeteilt werden, wobei die hierarchische Abfolge auch ihre frequentative Repräsention widerspiegelt 36 : 1. Am meisten widmet man sich den Quellen der nebrisensischen Ideen. 2. An zweiter Stelle interessiert man sich für marginalere Werke und Fragestellungen 3 7. 3. Relativ wenig Interesse finden seine Sprachwerke, wie z.B. die Introductiones, die Reglas, die Wörterbücher und die Repetitiones. 4. Die geringste Beachtung findet die kastilische Grammatik. Für unsere Fragestellung sind natürlich die Studien zum vierten Bereich am interessantesten. Dabei sind zum Teil auch Untersuchungen zur lateinischen Grammatik mit zu berücksichtigen, und zwar aufgrund der Tatsache, daß die Introductiones, vor allem in der zweisprachigen Version (lateinisch-kastilisch), als die einzige authentische Vorläufergrammatik für die GC anzusehen sind, da hier zum ersten Mal umfänglich und systematisch lateinische Grammatiktermini ins Kastilische übertragen wurden. Das erste Buch der GC, das die Orthographie behandelt, ist Thema z.B. der Studien von CUERVO (1944), ALONSO (1949, 2 1967-1969), TOLLIS (1971), SALVA- 36 Zu den einzelnen Forschungsbeiträgen cf. die Diskussion in BRASELMANN 1991: 19-44. 37 Zu den historischen Werken Nebrijas cf. jetzt auch HrNOJO ANDRES (1991) und BoNMATf SA.NCHEZIALVA.REZ (1992). Nebrija und die spanische Grammatikographie 255 DOR PLANS (1980)' PERCIVAL (1982) und GUITARTE (1992) 38• Die Autoren, die eine prospektive Dimension verfolgen, wie z.B. Salvador Plans und Tollis, vergleichen Nebrijas Aussagen mit denen weiterer Grammatiken im Siglo de Oro. Guitarte etwa steht für die retrospektive Dimension, indem er die Orthographieprinzipien Nebrijas mit ihrer lateinisch-griechischen Tradition in Verbindung setzt. Die Metrik und Rhetorik, wie sie in der GC im zweiten und vierten Buch repräsentiert sind, bilden den Untersuchungsfocus z.B. von BALAGUER (1945), CLARKE (1957) und MARTf (1972). Die meisten Studien widmen sich Nebrijas drittem Buch, der «Etymologie» im weitesten Sinne, in dem Nebrija am stärksten der Tradition folgt: Hier sind vor allem die Arbeiten von SENIOR MERRILL (1959, 1962) über die Redeteile und das Deklinationssystem, verglichen mit anderen Grammatiken des 16. und 17. Jahrhunderts, zu nennen. RoJo (1978) behandelt die Beschreibungen und Klassifikationen des kastilischen Verbs bei Nebrija, Villal6n und in zwei anonymen Grammatiken des 16. Jahrhunderts. Die von Nebrija geschaffene Kategorie des nombre participial infinito ist Thema von ToLLIS (1986), das Nomen allgemein bei Nebrija und Villal6n ist Untersuchungsgegenstand von GERZENSTEIN (1978). CoL6N verfolgt in einer neuen Studie von 1992 das Wortbildungsmuster «Verb + Verb» (Typus vaiven), das im sechsten Kapitel des dritten Buches der GC behandelt wird, bis in gegenwärtige Grammatiken und charakterisiert Nebrijas Definition als traditionsbegründend. Besondere Erwähnung verdient die Studie von RAMAJO CANO (1987), der die einzelnen Redeteile bei Nebrija mit der jeweiligen Behandlung in 30 Nachfolgegrammatiken, die vor 1627 inner- und außerhalb Spaniens erschienen, einander gegenüberstellt. Unbeachtet bleiben dabei auch nicht die jeweiligen lateinischgriechischen Vorläufer. Diese wertvolle Studie ersetzt bzw. komplementiert die ältere Arbeit von GARcfA (1960), deren Ausgangspunkt die Grammatik von Sanctius (EI Brocense) bildet und die hauptsächlich auf Nebrijas Introductiones, weniger auf die kastilische Grammatik als Vorläufer rekurriert. Garcia wagt auch den Sprung in die prospektive Dimension bis zur modernen Linguistik, indem er die alten Definitionen solchen von Paul, Jespersen, Hjelsmlev u.a.m. gegenüberstellt. Diese «Aktualisierung» ist an einigen Stellen fragwürdig, da isolierte Elemente (die vorher nicht innerhalb ihrer eigenen Systematik analysiert wurden) aus unterschiedlichen Systemen undiskutiert nebeneinandergestellt werden. Ähnlich wird auch im Diccionario gramatical von MARTINEZ AMADOR (1953) vorgegangen, der plakativ alte und neue Definitionen aneinanderreiht und sich durch ausdrucksseitige Ähnlichkeiten der Begriffe verleiten läßt, auf inhaltliche Übereinstimmungen zu schließen, und so z.B. Nebrijas zentrales Akzidens calidad beziehungslos neben 3s Ich sehe hier in der Überblicksdarstellung von den Vorworten der einzelnen GC-Ausgaben ab. 256 Petra Braselmann den Begriff capacidad der modernen Mediensprache stellt 39 • Dies sind Fälle einer anachronistischen Interpretation, die aus einer nicht-rationalen Rekonstruktion resultieren. Aspekte von Nebrijas Grammatik-Ideen, die sich auf einem höheren Abstraktionsniveau befinden und sich nicht direkt aus der kursorischen Lektüre ergeben, sind nur sehr selten untersucht und liegen vor allem zur Narm-Problematik vor. In einer älteren Studie arbeitet PrccARDO (1949) umsichtig die Norminstanzen Nebrijas heraus; Mitte der 80 er Jahre erscheinen drei wichtige Untersuchungen: PozuELO YvANCOS (1986), der Nebrija allerdings eher als Normativisten interpretiert, Rrco (1985), der die Filiation von Nebrijas Normbegriff mit der Grammatik der Akademie aufzeigt, und FoNTAN (1986), der dem Thema zwar nur einen Abschnitt widmet, in diesem aber die Wichtigkeit betont, die Nebrija dem empirischen Normaspekt beimißt. Fontan verfolgt in der letztgenannten Arbeit ebenso wie in einer neueren Untersuchung von 1992 40 die lateinisch-griechischen Vorläufer von Nebrijas uso-Begriff, den er in den Introductiones wie auch in der kastilischen Grammatik vertritt. Die gleiche retrospektive Fragestellung verfolgt auch seine Schülerin BoNMATf SANCHEZ in verschiedenen Studien (1987, 1988, 1992). Wichtig für die prospektive Dimension der Normfrage sind die Beiträge von SCHMITT (1989) und MüRIY6N MüJICA (1990, 1992) 41: MoRIY6N MüJICA (1992) bearbeitet das Normkonzept von Nebrija bis Bello und untersucht 75 Grammatiker. Wenn er Nebrija als «normativ und präskriptiv» beschreibt, so meint er nicht seine Vorgehensweise, sondern seine Intention, das Kastilische zu normieren und zu standardisieren, und zwar vor dem Hintergrund des «elitären» uso (cf. dazu unten). Für MoRrY6N (1992: 4) ist jeder uso normativ («uso e intrinsecamente normativo como todo uso -»). Ich halte diese Terminologie für etwas unglücklich, macht sie doch jegliche Unterscheidung zwischen normativen und deskriptiven Grammatiken hinfällig -jede Grammatik ist damit normativ. Anders differenziert SCHMITT (1989: 125-46): Nebrijas strikt auf Synchronie und den Sprachgebrauch der Mehrheit ausgerichtete Normkonzeption ist für ihn tendenziell beschreibender Art und liefert der spanischen Grammatik bis zum Erscheinen der Grammatik der RealAcademia (1771) die deskriptiven Normkriterien, die erst 1973 mit dem Erscheinen des Ebozo (zumindest theoretisch) wieder in den Vordergrund rücken. Zwischenzeitlich wurde in Anlehnung an die französische Grammatik die arte über den uso gestellt und die Norm als Soll-Wert konzipiert. Schmitts überzeugende Studie macht deutlich, daß Nebrija in Spanien einen uso-orientierten deskriptiven Normbegriff als Ist-Wert begründet, der 1771 abgelöst und 1973 wieder aufgenommen wird. 39 Cf. hierzu BRASELMANN 1991: 464-67. 40 Cf. FoNTJ\N 1992a: 18ss. 41 Auch NEUMANN-HOLZSCHUH (1993) liefert einen interessanten Beitrag, geht allerdings weniger auf Nebrijas Konzeption ein als auf die von Pat6n und Correas. Nebrija und die spanische Grammatikographie 257 Ein Eingehen aufNebrijas Methode findet durch BoNMATf SANCHEZ (1992: 409) und FONT.AN (1986: 214ss.) aufgrund ihres altphilologischen Frageinteresses nur retrospektiv statt: Beide stellen Nebrijas «nova ratio» heraus, die er in seiner Lateingrammatik (und damit sekundär auch in seiner kastilischen Grammatik) einsetzt. Nebrija ist sich durchaus bewußt, daß Latein zu seiner Zeit als zweite Sprache, als Fremdsprache gelernt werden muß und daß darum die Methoden andere sein müssen als vorher. Dieser knappe Überblick der unterschiedlichen Haltungen gegenüberNebrijas grammatischen Ideen ist natürlich weit davon entfernt, vollständig zu sein. Aber er demonstriert bestimmte Tendenzen: Man sieht deutlich, daß die Fragestellungen vor allem retrospektiv orientiert sind, daß aber seit der Mitte der 80 er Jahre bis 1992, dem zweiten Höhepunkt derNebrija-Rezeption, verstärkt die prospektive Richtung in den Blick tritt, die in der Regel allerdings nur bis zu den Grammatiken des 17. und 18. Jahrhunderts ausgedehnt wird. 2.3. Verglichen mit dem Höhepunkt von 1944 hat sich nun sehr viel geändert. Statt ideologischer Lobreden auf Nebrija, statt Untersuchungen zu seiner Biographie liegen jetzt profunde wissenschaftliche Arbeiten vor eine Tatsache, die sich auch mit dem geistigen Klima erklären läßt, in dem die jeweiligen Interpreten leben. Ich bin der Überzeugung, daß die Grammatikographie, die lange vor allem literarisch betrieben wurde, an einem Wendepunkt angekommen ist, der sie stärker unter linguistischem Aspekt beleuchtet. Während des bereits erwähnten Festjahres 1992 fanden verschiedene Nebrija- Kongresse in Spanien statt, so in Murcia (1.-4. April) und in Salamanca/ Sevilla/ Lebrija (26. Okt.-1.Nov.). Die Kongreßakten sind noch im Druck, und es ist zu hoffen, daß die Publikationen nicht zu lange auf sich warten lassen, da die Beiträge dieser Veranstaltungen natürlich die aktuellsteNebrija-Forschung repräsentieren. Ich möchte hier bereits einen kurzen Eindruck über die Fragestellungen vermitteln: In Murcia fanden in Parallelveranstaltungen ca. 100 Vorträge statt, davon waren weniger als die Hälfte der Gramatica castellana gewidmet (43) - und dies, obgleich es vor allem ihre fünfhundertjährige Existenz (1492-1992) zu würdigen galt. Interessanterweise behandelten nur 7 Beiträge die retrospektive Frage, die Frage nach Vorläufern und Traditionen; den prospektiven Strang bis heute verfolgten 5 Beiträge, und zwar zum Passiv, zum Artikel, zur Syntax, zu Tempus/ Aspekt und zur Konjunktion o. Den Löwenanteil bildeten Studien, die die prospektive Perspektive bis ca. zum 18. Jahrhundert verfolgen. So untersuchte z.B. SATORRE GRAU in seinem Vortrag «Contribuci6n al estudio del concepto de verbo irregular en la historia de la gramatica» Nebrijas Konzept der irregulären Verben, das sich in den Grammatiken bis Correas fast unverändert hielt. Vor dem Hintergrund des lateinischen Konjugationsmodells schlägtNebrija als Beispiele in den Introductiones amo für die erste Konjugation, doceo für die zweite, lego für die dritte und audio für die vierte vor. Dies ist sicher der Grund, 258 Petra Braselmann warum er in der GC für das Kastilische, das nur drei Konjugationstypen kennt, amar, leer und oir als regelmäßige Verben ansetzt, die in Wahrheit im Kastilischen zum Teil unregelmäßig sind. Dennoch übernehmen viele der folgenden Grammatiker diese Verben als Modell (Miranda, Oudin, Pat6n, Texeda u.a.) oder nennen andere, die ebenfalls unregelmäßig sind. Erst Correas kommt zu einer stringenten Erfassung der Irregularität und nennt als regelmäßige Verben amar, temer, consumir, die das Paradigma bilden, vor dessen Hintergrund die Unregelmäßigkeit anderer Verben beschrieben und definiert werden kann. Nichtsdestoweniger übernimmt Correas viele Beobachtungen von Nebrija zu dem Phänomen der verbalen Unregelmäßigkeit, die dieser in einem dreistufigen Raster («regelmäßig», «bedingt unregelmäßig», «unregelmäßig» bzw. «sich jeder Regel entziehend») 42 erfaßt. Correas schafft damit die Ansätze zu einer Theorie, die nach Satorre Grau bis in die gegenwärtigen Grammatiken gültig ist. Ausstrahlungen von Nebrijas grammatischem Werk nach Lateinamerika thematisieren Percival und Koerner 43 . PERCIVAL beschreibt in seinem Vortrag «Nebrija's Grammatical Oeuvre in the Context of European World Hegemony» unter anderem die dritte Auflage der Introductiones (1495) als Modell der Missionarsgrammatik von Santo Tomas (1560), Nebrijas spanisch-lateinisches Vocabulario als Vorbild für dessen Wörterbuch des Quechua (1560). KoERNER postuliert in seinem Beitrag «Antonio de Nebrija's Gramatica de la lengua castellana and the Study of Indigenous Languages of the Americans; or, Towards an History of Amerindian Linguistics» eine Historiographie der amerikanischen Linguistik, die sowohl Nordwie Lateinamerika miteinschließt und die bis zum 18. Jahrhundert reicht. In Salamanca/ Sevilla fanden nur Plenarveranstaltungen statt, darum war die Anzahl der Beiträge bedeutend geringer: Von insgesamt 43 Vorträgen widmeten sich 23 auch der Gramatica castellana (so z.B. Coseriu, Guitarte). Rein retrospektiv waren 4 ausgerichtet, prospektiv bis heute 2; den größten Teil bildeten auch hier die Untersuchungen zur prospektiven Dimension, die ca. im 17./ 18. Jahrhundert haltmachten. GUILLERMO GUITARTE berücksichtigte in seinem Vortrag «Los principios ortograficos de Nebrija y el aristotelismo del renacimiento», den er in Lebrija hielt, sämtliche Sprachwerke Nebrijas, in denen er Aussagen zur Orthographie und zu den Lauten macht. Nach Guitarte schafft er eine «Wissenschaft der Orthographie», deren konstitutive Elemente aristotelisch sind. Guitarte warnt aber gleichzeitig davor, aus Nebrija einen Phonologen «avant la lettre» zu machen und 42 Allerdings weist er Einzelfällen oft den Status von Regeln zu oder postuliert aufgrund von zufälligen «Buchstabenaffinitäten» Bildungstypen, die sich morphologisch nicht rechtfertigen lassen. Vor allem ab Kapitel 7 des fünften Buches wechseln morphologisch begründbare Bildungstypen und solche, die auf dem Prinzip der «Buchstabensubstitution» beruhen, ziemlich willkürlich; cf. hierzu BRASELMANN (1991: 264ss., 301, 307). 43 Wichtig in diesem Zusammenhang scheinen mir INEICHENS (1991: 232) Beobachtungen von Ausstrahlungen nach China. Nebrija und die spanische Grammatikographie 259 verankert dies an einseitigen Rezeptionen, die Nebrijas vielzitiertes Axiom «tenemos de escrivir como pronunciamos, & pronunciar como escrivimos» (GC 116/ 12s.) (womit er die 1: 1-Zuschreibung von Laut und Buchstabe fordert) 4 4 nur in seinem ersten Teil zur Kenntnis nehmen. Dies führt natürlich, und darin stimme ich mit Guitarte überein, zu reduktiven und anachronistischen Rezeptionen, die etwa behaupten, Nebrija privilegiere generell die gesprochene Sprache gegenüber der geschriebenen. Wenn man aber seine weiteren Axiome hinzunimmt, wie auch andere Stellen, an denen er sich zum Thema äußert, so wird deutlich, daß Nebrija durchaus das orthographische System als sekundäres semiologisches System konzipiert, insofern es die Funktion hat, das Lautsystem abzubilden: 1 - ... no es otra cosa la letra, sino figura por la cual se representa la boz & pronunciaci6n. (GC 116/ 14s.) - ...la diversidad de las letras no esta en la diversidad de la figura, sino en la diversidad de la pronunciaci6n. (GC 116/ 16s.) - ... las figuras de las letras han de responder a las bozes ... (Reglas 120 ) - ... no tienen otro vso las figuras de las letras, sino representar aquellas bozes que en ellas depositamos - ... (Reglas 121 ) - ... litteras non ex diuersitate figurarum, sed ex uarietate sonorum inter se debere distingui. (De vi ac potestate 45) Nebrija ist hier nicht innovativ, er reaktiviert antike Einsichten. Unter Mitberücksichtigung seiner Erkenntnisse, daß die phonologischen Systeme einzelsprachlichen Charakter haben, daß die Zuordnung der Grapheme zu den Phonemen arbiträr und konventionell ist, und daß die Grapheme, um Einheiten höheren Ranges («Wörter» etc.) zu repräsentieren, dem Linearitätsprinzip unterstehen, dem auf der potentiellen Ebene ein Hierarchieprinzip entspricht 46 , kann man aber mit Fug und Recht festhalten, daß Nebrija Erkenntnisse zusammenfügt, die bis heute ihre Gültigkeit behalten haben. Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß nur ca. die Hälfte der Beiträge die kastilische Grammatik ins Zentrum ihres Interesses stellen und daß dabei das Frageinteresse und die Herangehensweise der aktuellsten Nebrija-Forschung in stärkerem Maß linguistisch ausgerichtet ist, als es vorher der Fall war; reine Quellenforschungen treten zurück zugunsten einer mehr prospektiven Orientierung. 3. Im Sinne der oben entwickelten prospektiven Dimension lautet die Frage über diese historisch sehr interessanten Ergebnisse hinaus (die allerdings die Basis bilden), welche der Konzepte Nebrijas auch gegenwärtig noch Bestand haben, sei es in traditionellen Schulgrammatiken, sei es in der gegenwärtigen Linguistik. 44 Cf. BRASELMANN 1991: 194, 208, 367-85. 45 Cf. Qurus/ UsABEL 1987: 39. 46 Cf. hierzu auch Qurus 1977: 27s., 43ss., 84,115 , 121s.; EscunERO DEJUANA 1923: 60s. 260 Petra Braselmann Wenn wir uns die Frage nach der Aktualität von Nebrijas Grammatikkonzepten stellen, so ist damit nicht gesagt, daß Nebrija in diesen Punkten auch innovativ ist, das heißt, daß er als erster ein bestimmtes Konzept formuliert hat. Solche Innovationen gibt es bei ihm auch, wie z.B. die Definition der Augmentative, die (etymologische) Bildungsregel von Futur/ «Konditional», die Definition des bestimmten Artikels 47 etc., die sich vor allem dort finden, wo er nicht auf das lateinische Muster zurückgreifen kann, sondern wo es darum geht, spezifische einzelsprachliche Phänomene des Kastilischen zu beschreiben. Die Frage nach der Innovation ist logischerweise eine retrospektive, da sie möglichen Vorläuferkonzepten nachgeht und solche Quellen dann ggfs. ausschließt. Die Frage nach der Aktualität dagegen liegt auf prospektiver Ebene und behandelt Phänomene, die auch in der Gegenwart noch eine gewisse Geltung haben. 3.1. In diesem Sinne gibt es bei Nebrija, vor allem in seinenBüchern drei und vier, eine Reihe von Überlegungen, die sich noch in gegenwärtigen, eher traditionell ausgerichteten Grammatiken finden. In gewisser Weise ist er natürlich auch hier schon vom Ansatz her innovativ, da er zum ersten Mal im Rahmen einer vollständigen und systematischen Grammatik des Kastilischen die griechisch-lateinische Tradition aufarbeitet und für die Vulgärsprache nutzbar macht. So spricht man etwa auch noch heute wie Nebrija vom Nominativ, Genitiv, Dativ und Akkusativ (manchmal sogar vom Ablativ) in Sprachen, die keine Deklinationen kennen 4 8• Auch die Definitionen der Modi, wie z.B. Indikativ als «Modus der Feststellung», Optativ als «Modus des Wunsches», subjunctivo als «Modus der Unterordnung», sind in gegenwärtigen Grammatiken zu finden. Solche Paradigmen beschreiben die sprachliche Realität des Spanischen nicht adäquat, die es z.B. erlaubt, daß eine Feststellung im Konjunktiv erscheint. Nebrija kommt zu solchen Definitionen, da er das Lateinische als Raster ansetzt und davon ausgehend etymologisierend «übersetzt» und so das einzelsprachliche kastilische Phänomen definiert, wie z.B: 2 Optativo modo es aquel por el cual desseamos alguna cosa, por que <optare> es dessear ... Subjunctivo modo es aquel por el cual juntamos un verbo con otro, por que ,subjungere> es aiuntar ... ( GC 185/ 22-26) In gleicher Weise definiert er etwa auch die Präposition: 47 Nebrija macht die Wortart Artikel zum ersten Mal für das Kastilische geltend. Er stellt fest, daß der Artikel im Latein fehle und beruft sich auf das Griechische. Er ist hier wohl von Perotti beeinflußt, der dem lat. Demonstrativum hie, haec, hoc eine artikelähnliche Funktion zuweist und diese Form als Genusindikator auffaßt.Nebrija übernimmt dies bereits in seinen Introductiones. Die Rolle des unbestimmten Artikels tritt bei Nebrija noch nicht in den Blick. Die Äquivalenz von un und quidam, die Nebrija anführt (Kap. 7, 3. Buch), ist von einer Erfassung des unbestimmten Artikels noch weit entfernt.Für das Spanische wird der unbestimmte Artikel erst von Sanford und Correas als solcher definiert (cf. RAMAJO CANO 1987: 67ss.). 48 Cf. GC 177/ 12-28. Nebrija und die spanische Grammatikographie 261 3 I llama se preposici6n, por que siempre se antepone a las otras partes de Ja oraci6n. ( GC 195/ 8s.) Nicht selten gelingt es Nebrija aber, sich nach der Arbeit am Material völlig von der «etymologisierend-übersetzenden» Definition (und damit vom Latein) zu lösen und die für das Kastilische zutreffende Definition «nachzuschieben», wie etwa im Falle der Präposition: 4 Sirven ...las preposiciones, para demostrar Ja diversidad de Ja significaci6n de los casos (GC 196/ 20s.) Ähnlich verfährt er auch bei der Diskussion des Adverbs, wo er nach der Analyse des Materials schließlich die Interjektion als eine der möglichen Funktionen des Adverbs erkennt und sie nicht (wie in der lateinischen Grammatik) als eigenen Redeteil behandelt (GC 197s.). Kehren wir zu Konzepten zurück, die sich gegenwärtig noch in Grammatiken finden, so sind etwa die Definitionen des Relativums, des Eigennamens und dessen, was man heute unter dem Begriff der mass-nouns fassen würde, zu nennen: Das Relativum siedelt Nebrija bei der dritten calidad des Nomens an («por que el relativo se distingue del antecedente»; GC 166/ Ss.), die er offensichtlich von Perotti übernimmt. Seine folgenden Subklassifikationen machen deutlich, daß er einen weiteren Begriff des Relativums vertritt, als dies heute der Fall ist. «Relativität» impliziert für ihn eine kontextrelationale Qualität (Anapher/ Katapher), da er auch Relationspartikeln wie cual, tal, tanto, cuanto, cuamafio, tamafio neben dem eigentlichen Relativum wie quien, que, Artikel + cual mit einschließt. Letztere faßt er als «relativos de substancia», die «hazen relaci6n de algun nombre substantivo» (GC 166/ llss.), eine Definition, die auch heute nichts von ihrer Gültigkeit verloren hat. Das erste Akzidens des Nomens leistet die Subklassifikation in Appellativa und Eigennamen («por lo cual el nombre comun se distingue del proprio»; GC 164/ lOs.). Eigennamen jeder Art (Personen, Orte, Flüsse, Berge, Tiere, etc.) haben im Prinzip keinen Plural, denn «si dezimos los Pedros, los Juanes . . . ia no son proprios, sino comunes» (GC 178/ 8s.). Eine solche Definition ist nach Qmus (1980: 28) immer noch aktuell. Allerdings bekommt Nebrija Probleme mit Fällen wie Burgos und Mallorcas: Im ersten Fall läßt sich Nebrija verleiten, das auslautende -s als Pluralmorphem zu interpretieren. Daraus schließt er, daß einige Ortsnamen nur im Plural vorkommen. Bei Mallorcas dagegen («ia no es nombre proprio, mas comun a Mallorca & Menorca»; GC 178/ 16s.) folgert ergefangen in seinen eigenen Regeln-, daß es sich nicht um einen Eigennamen handele. Dieses Beispiel zeigt, daß die bei Nebrija und zum Teil noch heute gültige traditionelle Eigennamendefinition ihre Grenzen hat. Beschreibt man dagegen mit KLEIBER (1981: 363) die Semantik der Eigennamen mit «x wird / NI genannt», dann erfaßt man, daß Pluralisierungen, die zwar selten vorkommen, den Status des Eigennamens durchaus nicht zerstören müssen. 262 Petra Braselmann In diesem Rahmen diskutiert Nebrija ferner die (in moderner Terminologie) mass-nouns genannten Einheiten: Bestimmte Nomina, wie Bezeichnungen für Flüssigkeiten, kennen keinen Plural (z.B. vino), andere keinen Singular (z.B. tiseras). Für solche Fälle, die man auch «Singulariatantum» und «Pluraliatantum» nennt, skizziert er eine Typologie, in der er auch Fälle einer Pluralisierung von Singulariatantum vorsieht, bei denen dann aber ein Bedeutungswechsel stattfindet: 5 ...diziendo la tierra es seca & redonda, entiendo todo el elemento; mas diziendo io tengo tres tierras, entiendo tres pedas;os della ... (GC 179/ 4ss.) Das 7. Kapitel des dritten Buches («De los nombres que no tienen plural o singular»), in dem Nebrija die Phänomene der Singularia- und Pluraliatantum abhandelt, hat nichts an seiner Gültigkeit verloren, was man z.B. daran sieht, daß FERNANDEZ es in seiner Grammatik (1951: §96) fast vollständig übernimmt. Es ließen sich weitere Beispiele anführen für Konzepte Nebrijas, die heute noch in traditionellen Grammatiken Bestand haben. Ich denke etwa an seine Typologie der Kompositionen (den <Verb+Verb>-Typus hat, wie bereits erwähnt, Colon untersucht 49 ), die Nebrija unter dem Terminusfigura vor allem im 6. Kapitel des dritten Buches abhandelt. Ebenso können hier die lexiesemantische (statt formale und funktionelle) Subklassifikation des Adverbs, die irregulären Verben, das Passiv u.a.m. genannt werden 50 • Aber auch im ersten und zweiten Buch formuliert Nebrija Erkenntnisse, die heute noch vertreten werden, wie z.B.: - Definition des Vokals über die silbenbildende Funktion: 6 Llamaron se aquellas ochos vocales, por que por si mesmas tienen boz sin se mezclar con otras letras (GC 114/ 21s.). - Definition des Diphthongs als Kopräsenz zweier Vokale in einer Silbe: 7 Lo cual demostraremos ... en las vocales, cuando se aiuntan & cuajan entre si por diphthongo. Diphthongo llaman los griegos, cuando en una sflaba se arrebatan dos vocales, & llamase assi, por que como quiera que sea una sflaba, haze en ella dos heridas. (GC 126/ 12ss.) - Trennungsregel, wonach der intervokalische Konsonant (mit Ausnahme von einigen Kompositionen) zur folgenden Silbe gehört: 8 Primera mente, que si en alguna dici6n caiere una consonante entre dos vocales, siempre Ja arrimaremos a Ja vocal siguiente, salvo si aquella dici6n es compuesta, por que entonces daremos Ja consonante a Ja vocal cuia era antes de Ja composit:i6n. (GC 129/ 4ss.) 49 Cf. CoL6N 1992. - Ferner: BRASELMANN 1991: 234ss., 354s. so Cf. SATORRE GRAU (im Druck); BRASELMANN 1991: 246ss., 252ss., 266ss. Nebrija und die spanische Grammatikographie 263 Solche Auffassungen finden sich nicht nur in gegenwärtigen traditionellen Grammatiken (sofern sie überhaupt behandelt werden), sondern werden (zumindest teilweise) auch von der aktuellen Linguistik akzeptiert. 3.2. Was nun die Validität von Nebrijas Konzepten im Rahmen einer modernen Linguistik angeht, so betone ich nochmals: Erstens ist damit nicht gesagt, daß Nebrija in diesen Punkten innovativ ist; er systematisiert in vielen Fällen Erkenntnisse der griechisch-lateinischen Grammatiktradition und fügt diese zu einem «logischen System» (Guitarte) 51, zu einem kohärenten Ganzen zusammen. Zweitens ist «Modernität» relativ (cf. dazu oben). Die (aus heutiger Sicht) aktuellen Konzepte Nebrijas sind ohne Zweifel vor allem in seinem ersten und auch teilweise in seinem zweiten Buch enthalten. Seine Beschreibung der Erfindung der Buchstabenschrift, die die Funktion hat, die Laute zu repräsentieren, hat bis heute nichts von ihrer Gültigkeit verloren (abgesehen von einigen Positionen in der Nachfolge von Derrida, der die Graphie als Basis der modernen Sprachen ansieht): 9 ... el primer inventor de letras ... mir6 cuantas eran todas las diversidades de las bozes en su lengua, & tantas figuras de letras hizo, por las cuales, puestas en cierta orden, represent6 las palabras que quiso. (GC 111/ 12ss.) Schon in diesem Zitat, das sich auf historische Fakten bezieht, wird deutlich, daß Nebrija die Schrift als sekundäres semiologisches System auffaßt, das das Primärsystem, die Laute, überlagert eine eigentlich schon antike Auffassung, die sich aber bis heute als außerordentlich stabil erwiesen hat. Die Formulierung «puestas en cierta orden» meint das Linearitätsprinzip, das sich sowohl auf die graphematische als auch auf die phonologische Ebene bezieht. Bezüglich seines Postulats der 1: 1-Zuordnung von Laut und Buchstabe formuliert er das Ideal einer phonologischen Orthographie, wie es seither mehr oder weniger deutlich allen Versuchen einer Orthographiereform zugrunde gelegen hat. Hierher gehören auch all die Stellen, die wir oben (cf. Nr.1) zitierten. Im Bereich der Orthographie gibt es viele andere Aspekte, in denen er eine moderne Haltung einnimmt: Er entwirft die Grundlagen einer Phonosyntax, wenn er die Vokal- und Konsonantenkombinatorik diskutiert (Kap. 8 und 9 des zweiten Buches) und sich mit der Synaläphe («... cuando alguna palabra acaba en vocal, & si se sigue otra que comiern; a esso mesmo en vocal, echamos fuera la primera dellas ...»; GC 149/ 3s.) auseinandersetzt. Im Kastilischen kann die Wortfuge vom Typ <Auslautvokal + Anlautvokal> auf drei Arten realisiert werden: 1.Der Auslautvokal wird geschrieben und gesprochen, 2. der Auslautvokal wird nicht geschrieben und nicht gesprochen, 3. der Auslautvokal wird geschrieben und nicht gesprochen (GC 149s.). s1 GmTARTE (im Druck). 264 Petra Braselmann Auch hinsichtlich der Lautphysiologie sind (allerdings zum größten Teil auch schon bei Quintilian und den antiken Grammatikern vorhandene) Kenntnisse festzustellen, die im wesentlichen noch in modernen Phonetikhandbüchern überleben, wie z.B. dieBeschreibung der Rolle des Kehlkopfes bei der Lauterzeugung, sowie die der Funktionen von Artikulationsorganen, Artikulationsort und Artikulationsart für die Realisierung der einzelnen Phoneme: 10 ...no es otra cosa la letra, sino figura por la cual se representa la boz; ni la boz es otra cosa sino el aire que respiramos, espessado en los pulmones, & herido despues en el aspera arteria, que llaman gargavero, & de alli comen1,ado a determinarse por la campanilla, lengua, paladar, dientes y be1,os. (GC 111/ lSss.) Beim Artikulationsort kennt Nebrija den dentalen, den palatalen, den labialen und den labiodentalen Bereich (GC 114s.). Er unterscheidet die Konsonanten nach Hörbarkeitskriterien: die mudas «no tienen sonido alguno», die semivocales «tie 0 nen mucho de sonoridad» (GC 114/ 26ss.). Darüber hinaus kommt er zu der Einsicht, daß Artikulationsgewohnheiten und -muster in der Kindheit erworben werden und zu motorischen Schemata führen, die kaum mehr außer Kraft gesetzt werden können: 11 -... los nifios, mientra que son tiernos, se an de acostumbrar a todas las pronunciaciones de letras de que en algun tiempo an de usar. (GC 112/ 2-4) - Mas, aun que las bozes sean al ombre connaturales, algunas lenguas tienen ciertas bozes que los ombres de otra naci6n, ni aun por tormento no pueden pronunciar. E por esto dize Quintiliano, que assi como trepadores doblegan & tuercen los miembros en ciertas formas desde la tierna edad, para despues hazer aquellas maravillas que nos otros los que estamos ia duros no podemos hazer ...» (GC 111/ 22-112/ 1) - E assi, de otras mucfias pronunciaciones, que de tal manera son proprias de cada lengua, que por ningun trabajo ni diligencia ombre de otra naci6n las puede espressa mente proferir, si desde la tierna edad no se acostumbra a las pronunciar. (GC 112/ 14-18) Zum Postulat einer korrektiven Phonetik, vor allem im Bereich des Fremdsprachenunterrichtes, der ja von Nebrija immer wieder angesprochen wird und der ihm sehr am Herzen liegt, ist es nur ein kleiner Schritt. In anderen sprachlichen Bereichen sind die modernen Konzepte spärlicher. In der Syntax könnte seine Auffassung herausgestellt werden, wonach das Verb als Kern des Satzes zu betrachten ist; daraus leitet er ähnlich wie die von Tesniere ausgehende moderne Valenzgrammatik 52 eine Satzdefinition ab: 12 E llamase verbo, que en castellano quiere dezir palabra, no por que las otras partes de la oraci6n no sean palabras, mas por que las otras sin esta no hazen sentencia alguna, esta, por ezcelencia, llam6se palabra. (GC 184/ 4-8) Das Verb wird definiert als «Wort der Wörter», als conditio sine qua non des Satzes. Dieser Ansatz hat auch für den semantischenBereich Konsequenzen, führt s2 Cf. TESNIERE 1957: § 97ss. Nebrija und die spanische Grammatikographie 265 er doch zu einer Subklassifikation der Verben aufgrund ihrer Wertigkeit. So beschreibt er die Komplemente des Verbes als Satelliten des Nukleus, wie das folgende Schema zusammenfassend verdeutlicht 53 : � transitiv mit absolut �� Gen. Dat. Akk. Akk. +reflexiv -reflexiv + + Dat. Gen. +reflexiv -reflexiv Nicht unerwähnt bleiben soll schließlich auch, daß Nebrija das, was man heute die translative Funktion des Artikels bezüglich Adjektiven und Verben nennt, angemessen beschreibt: 13 - Esso mesmo todos los presentes del infinitivo pueden ser nombres verbales, como diziendo el amares dulce tormento, por dezir el amor; por que, si amarno fuera nombre, no pudiera recebir este artfculo el ... (GC 174/ 21ss.) - Neutra llamamos aquel con que se aiunta este artfculo lo, como lojusto, lo bueno. (GC 176/ Ss.) Im ersten Kapitel seines fünften Buches schließlich («De los preceptos naturales de la gramatica») handelt er unter anderem über die drei Konkordanzarten Substantiv/ Adjektiv, Subjekt/ Verb und Relativum/ Antezedens und stellt fest: 14 Este concierto de las partes de Ja oraci6n entre sf es natural a todas las naciones que hablan, por que todos conciertan el adjectivo con el substantivo, & el nominativo con el verbo, & el relativo con el antecedente; mas, assf como aquestos preceptos son a todos naturales, assf Ja otra orden y concordia de las partes de la oraci6n es diversa en cada lenguaje ... ( GC 204/ 13-18) Hier legt Nebrija die Fundamente für das, was wir heute Sprachuniversalien nennen würden, bzw. Sprachtypologie. Nebrijas Auffassung stimmt nach ZAMORA (1987: 719) mit der Theorie der Modisten und der der aktuellen Grammatik überein. s3 Zur Erklärung und inhaltlichen Füllung anhand von Nebrijas Ausführungen cf. BRASEL- MANN 1991: 274-77. 266 Petra Braselrnann 3.3. Es dürfte deutlich geworden sein, daß die Gramdtica castellana Konzepte bereithält, die auch heute noch eine gewisse Gültigkeit haben. Neben den Beschreibungen im Objektbereich lassen sich auch auf einer abstrakteren Ebene, im methodisch-theoretischen Bereich, beachtliche Leistungen feststellen. 3 .3.1. So finden wir z.B. in den Kapiteln 3 bis 6 des dritten Buches Ansätze zu einem modernen Monembegriff: 15 - EI segundo accidente de! nornbre es especie; Ja cual no es otra cosa, sino aquello por que el nornbre derivado se distingue del prirnogenito. Prirnogenito nornbre es aquel que assi es prirnern, que no tiene otrn rnas antiguo de donde venga por derivaci6n; corno monte, assi es prirnogenito & principal en nuestra lengua, que no tiene en ella rnesrna cosa prirnera de donde se saque & decienda, aunque venga de ,rnons>, <rnontis> latino; por que si tal decendirniento llarnassernos derivaci6n, & a los nornbres que se sacan de otra lengua, derivados, a penas se hallaria palabra en el castellano que no venga de! latin 6 de alguna de las lenguas con que a tenido conversaci6n. Derivado nornbre es aquel que se saca de otrn prirnern & rnas antiguo, corno de monte, montesino ... (GC 167/ 3-15) - El tercern acidente es figura, la cual no es otra cosa sino aquello por lo cual el nornbre cornpuesto se distingue & aparta de! senzillo. Senzillo nornbre se llarna aquel que no se cornpone de partes que signifiquen aquello que significa el entern. Corno padre, aunque se cornponga de pa, dre, ninguna destas partes significa por si cosa alguna de lo que significa el entern. Cornpuesto nornbre es aquel que se cornpone de partes, las cuales significan aquello rnesrno que significa el entern, corno esta dici6n compadre, cornp6nese de con & padre... (GC 175/ 1-12) Nebrija isoliert im Rahmen der Wortbildung Suffixe und faßt diese in Listen zusammen. Darüber hinaus betont er, daß die Komponenten eines Kompositums für die Gesamtbedeutung der Bildung relevant sind, wobei er zwar noch nicht die Funktion des Bildungsmusters erkennt, aber immerhin kein rein additives Ergebnis postuliert. Komposition und Derivation sind für ihn primär rein synchronische Phänomene; wenn er von «älteren» Formen spricht, dann ist damit nicht eine diachronische Dimension angesprochen (Nebrija weist ausdrücklich darauf hin, daß er als Ableitungsbasis nicht das lateinische mons annimmt), sondern vielmehr eine Position innerhalb der Derivationshierarchie, was durchaus einer modernen Haltung entspricht 54 • «Primogenito» meint die Basislexie der Derivation, «senzillo» ist ein Simplex («Monem»), das nicht weiter zerlegbar ist. 3.3.2. Hierher gehört auch die Einsicht, daß die verschiedenen Teilsysteme einer Sprache nicht unbedingt das gleiche Organisationsmuster haben, ja daß eigentlich vom Gegenteil auszugehen ist. Besonders deutlich demonstriert Nebrija dies im Rahmen einer Gegenüberstellung von Nomen und Pronomen. Er versucht zwar, sich bei der Darstellung des Pronomens so weit wie möglich an seine Ausführungen zum Nomen anzulehnen, doch wendet er nicht einfach das nominale Beschreibungsraster unbesehen an. Er sieht (vor allem im Bereich 54 Cf. auch GERZENSTEIN 1978: 421. Nebrija und die spanische Grammatikographie 267 der especie), daß das Inventar der Akzidentien in beiden Fällen nur teilweise identisch ist 55 • Was intrasprachlich Gültigkeit hat, ist ebenfalls intersprachlich relevant. Dies sieht auch Nebrija, und zwar beim Funktionsvergleich der Präpositionen im Lateinischen und Kastilischen. Er stellt die kastilischen Präpositionen cerca und por ihren lateinischen Entsprechungen gegenüber (GC 195s.): cerca entspricht lat. 1. apud, 2. erga, 3. penes 56 • Für por stellt er folgende Analysen an: 16 ... esta preposici6n por, o significa causa, como por amor de ti, o significa lugar por donde, como por el campo: por lo primero dize [el latfn] <propter>, por lo segundo <per>, o significa en lugar, como diziendo tengo lo por padre, por dezir en lugar de padre, & por esto dize <pro>. (GC 196/ 15-20) Sein Vorgehen besteht also in einer sauberen innersprachlichen Distributionsanalyse kastilischer Präpositionen und im Vergleich mit den lateinischen Äquivalenten. Dies führt letztlich zu der Erkenntnis, daß die beiden Sprachen, Kastilisch und Latein, die Realität jeweils über unterschiedliche Rastersysteme erfassen. Es kann deshalb kein Zweifel daran bestehen, daß er die einzelsprachliche Bedingtheit inhaltlicher und funktioneller Strukturen durchaus erkannt hat. 3.3.3. Im Verlauf unserer bisherigen Diskussion kamen bereits einige Dichotomien zur Sprache, wie synchronisch/ diachronisch, präskriptiv/ deskriptiv. Mit dieser Thematik komme ich auf weitere Leistungen Nebrijas auf methodischtheoretischer Ebene zu sprechen. Ich möchte zeigen, daß gerade mit diesen Dichotomien der mentalen Welt Nebrijas Rechnung getragen werden kann und daß ihr Einsatz eine Erfassung der argumentativen Struktur der Grammatik in vielen Fällen überhaupt erst möglich macht. Allerdings liegt einigen Dichotomien, wie Onomasiologie/ Semasiologie, Deduktion/ Induktion, Diachronie/ Synchronie, im ersten ihrer Begriffspaare nicht selten ein gemeinsames Raster zugrunde, das die Tradition reflektiert. Es handelt sich um das Latein, vereinzelt auch um das Griechische, wie z.B. beim Artikel. Dies ist in der Regel nicht der Fall bei dem Gegensatzpaar präskriptiv/ deskriptiv, wie Bahner in einer älteren Studie annimmt 57 • Der Bezug zum Latein spielt im Zusammenhang mit der usa-Diskussion, zumindest in der Kastilischen Grammatik 58 , kaum eine Rolle. 55 GC 180s. -Cf. hierzu BRASELMANN 1991: 241--44; zum Akzidens especie als Klassifikationskriterium op.cit., p.352-54. 56 Wobei es ihm allerdings nicht immer gelingt, von Kontextdeterminationen abzusehen. 57 Cf. BAHNER 1956: 32, 34, 43, 50. 58 Bahner bezieht sich in seinen diesbezüglichen Argumenten hauptsächlich auf Nebrijas lexikographisches Werk, wo die Lateinorientierung sicher vorliegt. 268 Petra Braselmann 3.3.3.1. SCHMITT (1989) beschreibt Nebrijas Normbegriff zu Recht als «tendenziell deskriptiv» und als grundlegend in der spanischen Grammatik bis 1771 und mit dem Esbozo wieder seit 1973 (cf. oben, Punkt 2.2.). Dies möchte ich weiter konkretisieren. Nebrija sieht das Ziel seiner Grammatik wie es Ziel fast jeder Grammatik ist darin, den Sprachbrauch zu kodifizieren. Die Grammatik soll eine Korruption des uso verhindern: «... defiende que el mesmo uso no se pueda por ignorancia corromper» (GC 105/ lüs.). Sie hat also essentiell bewahrenden Charakter. Diesen zu konservierenden uso geht Nebrija prinzipiell deskriptiv an, wobei seine Berufungsparameter elitärer Natur sind: er spricht nicht einfach von uso, sondern an vielen Stellen vom «buen uso de la lengua castellana», z.B. GC 151/ Ss. Er folgt in diesem Punkt Quintilians consuetudo, die bei diesem nicht definiert ist durch «quod plures faciunt», sondern durch den «consensus eruditorum» 59• Die Berufungsinstanzen bei Nebrija sind erstens die «guten Autoren», wie er z.B. bei der Behandlung der Metrik betont 60 • Zweitens sind für ihn auch der König und die Königin als Norminstanzen konstitutiv; so appelliert er z.B. im Rahmen seiner Orthographieerneuerungen des öfteren an die «autoridad de vuestra Alteza» 61• Drittens spielt das engere Umfeld, der Hof («uso cortesano»), von König und Königin eine wichtige Rolle, so z.B. wenn er die Klasse der Substantive aufgrund des Kriteriums ausgrenzen will, daß sie sich nur mit einem, allerhöchstens mit zwei, nie aber mit drei Artikeln verbänden 62• Neben der elitären findet sich bei Nebrija auch eine «rationale» Begründung der Kodifizierung, die nicht selten mit dem uso kollidiert: Obwohl die Reihenfolge «el rei, & tu & io venimos» im Kastilischen üblich sei («como se haze comun mente en nuestra lengua»; GC 205/ lSs.), erfordere die raz6n die «natürliche» Personenabfolge «io, & tu & el rei venimos». Hier wie auch bei der pluralischen Höflichkeitsform «vos venistes», die «esta en el uso», gewinnt die Begründung durch die raz6n, die «tu venistes» erfordere, die Oberhand, und zwar auf Kosten des uso. (Möglicherweise hat Nebrija in solchen Fällen allerdings unausgesprochen den Sprachbrauch der Mehrheit im Auge, der nicht elitär ist. Dies aber muß Spekulation bleiben, da die Beleglage keine derartigen Schlüsse zuläßt). Für Nebrija sind raz6n und naturaleza unauflöslich miteinander verbunden, denn alle die Fälle, wo er sich auf die «Natürlichkeit» einer Erscheinung beruft, sind gleichzeitig auch Belege für einen Rekurs auf die raz6n. Die Tatsache, daß naturaleza offensichtlich Übereinzelsprachlichkeit bzw. Universalität bedeutet (cf. auch oben Nr. 14), ist ein entscheidendes Argument für den normkonstituierenden Charakter der raz6n. 59 QurNTILIAN, Institutio, U6, p. 44s. - Cf. hierzu auch BoNMATf SA.NCHEZ 1988a, 1992; FoNTJ\.N 1992a. 60 Cf. z.B. GC 147/ 28, vgl. auch 147/ 11s. 61 Cf. GC 120/ 18s., 131/ 7s.; vgl. auch 102/ 24-27. 62 Cf. GC 102/ 23s. Nebrija und die spanische Grammatikographie 269 Das heißt, daß der frequenzmäßig ermittelte «buen uso» bei Nebrija auf jeden Fall den Prinzipien der raz6n und der naturaleza entsprechen muß. Darüber hinaus wendet Nebrija weitere Gradationen an, die zeigen, daß die Dichotomie präskriptiv/ deskriptiv für ihn kein starres und rigides Raster ist. So sei z.B. eine Abfolge «el cielo & la tierra», «el dfa & la noche» «natürlich», eine Umstellung aber (z.B. «la tierra & el cielo») «se pueda escusar algunas vezes por auctoridad» (GC 205/ 13s.). Die gleiche Gradationsfähigkeit spielt auch bei der Behandlung der rhetorischen Figuren eine wichtige Rolle, und zwar in der Unterscheidung von «vicios no tolerables», wie z.B. der Barbarismus oder der Solezismus («torcedura de la habla derecha & natural»), und «vicios tolerables», wie z.B. der «metaplasmo» 63• Unter bestimmten Bedingungen kann selbst noch ein «vicio no tolerable» akzeptierbar werden: 17 Solecismo, como diximos, es vicio incomportable en la juntura de las partes de la oraci6n; pero tal que se puede escusar por alguna raz6n, como por necessidad de verbo, o por otra causa alguna ... ( GC 216/ 3ss.) Die Beispiele für eine solche Gradation der Akzeptabilität sind zahlreich, so z.B. auch bezüglich des Reimes, den er als «vicio tolerable» bezeichnet: Er würde zwar gerne zur lateinischen Metrik zurückkehren, opfert seine Vorliebe aber dem uso, d.h. der Tatsache, daß die «varones doctos» dieses metrische System eingeführt haben, so daß «este error & vicio ia esta consentido & recebido de todos los nuestros» (GC 147/ lls.). Nichtsdestoweniger kritisiert er den uso oft äußerst dezidiert und kommt nach der Kritik zu unterschiedlichen Haltungen: Entweder er begnügt sich mit einer kritisch-deskriptiven Haltung (wie z.B. bei Konstruktionen wie «mes de enero»; GC 209/ 16ss.) oder aber er schlägt nach der Kritik Modifikationen vor; dies findet sich vor allem im Bereich der Orthographie, wo er sowohl Digraphe für ein Phonem als auch phonematische Doppelfunktionen eines Graphems korrigiert, um seinem Postulat der 1: 1-Zuordnung von Laut und Buchstabe gerecht zu werden. Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß Nebrija primär deskriptiv den Sprachbrauch ermittelt, was bei ihm auch immer mit einer Kritik desselben verbunden ist. Was nur frequent ist, nicht aber auch gleichzeitig von den Autoritäten (Autoren, König, Hof) genutzt wird, wird ausgesiebt. Von diesem elitären uso wird verlangt gleichsam als zweiter Filter-, daß er den Prinzipien der raz6n und der naturaleza entspreche. Trifft er auf Phänomene, die entweder gegen den elitären Sprachbrauch oder gegen die Ratio verstoßen, läßt er es oft bei einer Kritik bewenden. In anderen Fällen macht er vorsichtige Verbesserungsvorschläge, wobei er sich in der Regel auf die Ratio bezieht. Als Vorsicht, nicht zu deutlich mit 63 GC205/ 23ss., 211s., 213s., 219/ 5. 270 Petra Braselmann der Tradition zu brechen, kann schließlich auch die Tatsache gedeutet werden, daß er gewillt ist, einige Verstöße gegen den uso zu tolerieren, wenn sie durch die Autoritäten gestützt sind. All dies spricht dafür, daß Nebrijas umsichtige Art, die Beleglage an seinen Normparametern zu messen und abzuwägen und die so deskriptiv ermittelten Regeln dann präskriptiv-kodifizierend einzusetzen, weit davon entfernt ist, einfach normativ historische Parameter des Lateins zu übernehmen. Die Gradation seines rein innersprachlich-kastilisch und synchronisch gewonnenen Akzeptabilitätsbegriffs stellt die GC, um es modern zu formulieren, in die Nähe einer grammairefloue 64 , für die es zwischen den beiden Eckwerten <akzeptabel>/ <nicht akzeptabel> eine ganze Reihe von Nuancen und Graduierungen gibt. 3.3.3.2. Ein solches vollständiges Ausblenden der lateinischen Vorlage gelingt ihm nicht in allen Fällen, und damit sind wir bei den anderen methodischen Dichotomien, die ich oben nannte. Um den Stellenwert, den das Latein für Nebrija hat - und zwar geradezu zwangsläufig haben muß richtig einzuschätzen, muß die Tatsache bedacht werden, daß die kastilische Grammatik von ihrer gesamten Anlage her kontrastiv zum Latein konzipiert ist. Dafür sprechen verschiedene Faktoren, wie z.B. die explizit formulierte Intention des instrumentalen Charakters der kastilischen Grammatik zum Lateinlernen oder auch die (nicht explizit formulierte) Intention, die kastilische Grammatik als Hilfe für Übersetzungen aus dem und in das Latein anzusehen. Dafür spricht die noch stark lateinorientierte Zeit, in der sie geschrieben wurde, ebenso wie die Tatsache, daß eine Volkssprache zum ersten Mal für würdig befunden wurde, gleich den klassischen Sprachen in eine vollständige und systematische Grammatik gefaßt zu werden. Ganz konkret muß auch bedacht werden, daß wie bereits erwähnt die einzige wirklich authentische Quelle der Gramatica castellana, die zweisprachige Version der Introductiones, eine Lateingrammatik ist, die Nebrija übrigens laut eigenen Aussagen nicht gerne schrieb, da es sich mehr um das Werk eines Übersetzers als das eines Autors handele 65 • Hier werden zum ersten Mal die entsprechenden kastilischen Grammatiktermini, die Übersetzungen sind, verwendet. Nur hieraus, aus seinem eigenen Werk zum Latein, konnte Nebrija schöpfen, zumindest was die Terminologie angeht. Dies führt dazu, daß sich Nebrija oft nicht von dem lateinischen Raster, das er quasi onomasiologisch ansetzt, lösen kann. Wenn er sich trotz allem davon freimachen kann, dann spricht dies nur für seine oft rein synchronische und semasiologische Vorgehensweise, die er mit viel Fingerspitzengefühl einsetzt. Nicht lösen kann er sich vom Latein im oben genannten Fall der regelmäßigen Verben, deren lateinische Folie (amare, legere, audire) zwar regelmäßig ist, nicht aber alle ihre kastilischen Entsprechungen. Sein Irrtum, eine historische Regelmä- 64 Cf. hierzu KLEIBER/RIEGEL 1978: 67-123. 65 «Nolo inter opera enumerare» sagt Nebrija deshalb, cf. BoNMATf SANCHEZ 1992: 413. Nebrija und die spanische Grammatikographie 271 ßigkeit auch synchronisch für das Kastilische anzusetzen, sollte, wie Satorre Grau herausarbeitete, die Grammatiken der folgenden Jahrhunderte prägen. Die innere Logik seiner Argumentation ist in vielen Fällen überhaupt nicht zu verstehen, wenn man nicht über die Folie Latein (diachronisch, onomasiologisch, deduktiv) operiert: Wie könnte man sonst erklären, daß er enemigo (GC 129/ Ss.), republica (GC 175/ 21), aqueste (GC 180/ 14s.) für kastilische Kompositionen hält, kast. lection für eine Ableitung vom kast. Partizip leido (GC 169/ 12ss.), oder aber kastilische freie Syntagmen wie una vez, dos vezes, etc. (GC 197/ 26s.) als Periphrasen interpretiert, wenn man sie nicht beschreibt als Vermischungen von Diachronie und Synchronie? Enemigo ist im Kastilischen keine Komposition, sondern ein Simplex; nur historisch handelt es sich um eine Komposition: lat. lNIMicus < IN + AM1cus. Ähnlich gelagert ist der Fall von republica < lat. RES PuBLICA. Bei dem Demonstrativum aqueste (zur Absetzung von este) scheint (allerdings fälschlich) die lat. Präposition AD zugrundezuliegen; etymologisch richtig wäre hier die Verstärkungspartikel ''·AccuM. Lection ist keine innerkastilische Ableitung, sondern als Ganzes aus dem Latein entlehnt, wo es in der Tat als departizipiale Ableitung gelten kann. Nur vor dem Hintergrund des monolexematischen lateinischen semel, bis, etc. kann man erklären, wie es zur Annahme einer Periphrase bei una vez etc. kommt: Die lat. synthetische Form erscheint im Kastilischen als analytische por rodeo-Form. Damit kann man im übrigen auch generell das Phänomen der auf den ersten Blick enigmatischen por rodeo-Formen bzw. die circunloquios erklären: Bei genauerer Analyse seiner vielfältigen Beispiele und Kommentare, wie etwa zur Steigerung, zur Verbmorphologie, zum Adjektiv, zum Adverb (auf -mente) etc. wird deutlich, daß er hier implizit jeweils die synthetischen Formen des Lateins als Ausgangspunkt ansetzt und ihnen die entsprechenden analytischen Konstruktionen gegenüberstellt. Alles, was im Lateinischen synthetisch ist (z.B. cantatur) und im Kastilischen nicht (z.B. es cantado; cf. GC 187s.), wird bei Nebrijapor rodeo oder circunloquio genannt 66. In vielen Fällen kann sich Nebrija aber von seinen historischen Vorgaben lösen, wie z.B. im Falle der bereits angesprochenen Präpositionen (cf. Nr. 3, 4). Die aus dem Latein übersetzte Definition wird an den Anfang seiner Überlegungen gestellt. Nach ausführlichen semasiologischen Distributionsanalysen, die er sowohl innersprachlich wie intersprachlich (Lat., Kast.) vornimmt, kommt er nicht nur zu der Erkenntnis des formalen Zusammenfalls von Präpositionen und Präfixen im Kastilischen, sondern er kommt auch zu der für das Kastilische relevanten funktionalen Definition der Präposition als Kasusersatz bzw. -indikator. 66 Nach der Analyse der Verwendungskontexte liegt der Schluß nahe, daß Nebrija auf semantischer Ebene por rodeo und circunloquio äquivalent verwendet, womit er sowohl Periphrasen wie pienso leer als auch analytische Formen wie es cantado bezeichnet. In syntaktischer Hinsicht ist circunloquio ein Substantiv, por rodeo ein Adverb. 272 Petra Braselmann Daneben gibt es auch Bereiche, in denen er rein synchronisch arbeitet. So betont er z.B. bei der Festlegung des Lautwertes der Buchstaben, daß diese Fixierungen nur innerhalb des Kastilischen vorgenommen werden können (und auch nur hier gelten), denn die Buchstaben «representan las bozes que nos otros les damos»; GC 116/ 25). Er stellt sogar manchmal verschiedene Synchronien einander gegenüber, ohne der Gefahr einer Vermischung zu erliegen: So beschreibt er in den Kapiteln 4 bis 6 des ersten Buches nacheinander erst die lateinischen Lautinventare und ihre graphischen Repräsentationen, um dann auf die kastilischen Gegebenheiten einzugehen. Bei der Behandlung der Silbenlängen bezieht Nebrija zusätzlich zum Kastilischen und Lateinischen das Griechische und Hebräische mit ein (GC 135/ 23ss.). Ferner gibt es Beispiele, wo er dezidiert die diachronische der synchronischen Perspektive einander gegenüberstellt. Ich denke etwa an die bereits oben genannten Differenzierungen zwischen der etymologischen Dimension lat. MONS, MoNns > kast. monte und der synchronischen Ableitung von kast. monte ➔ kast. montesino (cf. Nr. 15). Ganz deutlich wird dies auch bei seiner Unterscheidung zweier Beziehungstypen: Der historischen «interpretaci6n», z.B. FICUS > higo, und der von ihm als synchronisch gekennzeichneten «derivaci6n», z.B. miedo ➔ medroso ( GC 123/ 7ss.). Historische Lautentwicklung und synchronische Ablautregeln werden von ihm (natürlich nicht mit dieser modernen Terminologie) deutlich voneinander abgesetzt. Manchmal wird er aber auch im Rahmen der von ihm gesetzten Synchronie Sklave seiner eigenen Systematik, wie z.B. im Fall des bereits angeführten Mallorcas, das er aufgrund seiner Setzung, wonach Eigennamen nicht pluralisiert werden können, und aufgrund der Fehldeutung des auslautenden -s als Pluralmorphem nicht als Eigennamen behandelt. Nebrija arbeitet bei der Diskussion am Material mit viel semantischem Scharfsinn. So setzt er etwa bei der Behandlung des Futurs und des Konditionals die Idee der Zukünftigkeit als quasi onomasiologisches, außersprachliches Raster an (das hier nicht das Latein ist) und fragt sich dann nach den kastilischen einzelsprachlichen Realisierungsmöglichkeiten: Er erkennt, daß die Idee der Zukünftigkeit sowohl durch «io amare», bzw. auf der Zeitstufe der Vergangenheit (als pasado non acabado de[ subjunctivo) durch «io amaria» oder «io avia de amar» zum Ausdruck gebracht werden kann ( GC 188/ 7ss.). -Andererseits fehlt es auch nicht an Stellen, wo er quasi semasiologisch arbeitet, z.B. wenn er nach der Bedeutung der Suffixe bei den nombres denominativos fragt (GC 171/ 38ss.). Die Dichotomie Onomasiologie/ Semasiologie kann als auf die semantische Fragestellung eingeschränkte Deduktion/ Induktion betrachtet werden. In diesem Sinne stellt sein Vorgehen bei den oben genannten «etymologisch-übersetzenden» Definitionen (cf. Nr. 2, 3), die er an den Anfang seiner Überlegungen stellt, ein deduktives Vorgehen dar, das er in Einzelfällen, wie z.B. der Präposition, durch einen induktiven Schluß aufgrund semantischer einzelsprachlicher Analysen (sowohl intrawie intersprachlich) korrigieren kann (cf. Nr. 4). Nebrija und die spanische Grammatikagraphie 273 In seinen Analysen ist Nebrija immer die genetische Verwandschaft des Kastilischen mit dem Latein bewußt, was zwangsläufig eine historische Dimension miteinbringt. Um so erstaunlicher, daß er dennoch in vielen Fällen damit umzugehen weiß und von einer Vermischung der synchronischen und der diachronischen Perspektive dann nicht die Rede sein kann. Ein besonders eindrückliches Beispiel ist die Behandlung der Komparative (cf. Nr. 18). Er weist, vom Latein ausgehend, darauf hin, daß hier der Komparativ synthetisch gebildet wird, wogegen das Kastilische analytisch über mas operiert. Das Kastilische habe nur die synthetischen Formen mejor, peor, maior und menor bewahrt, während sich die lateinischen Komparative prior und senior zu Positiven (Substantive) gewandelt haben. Die Funktion von mas einmal ermittelt, stellt er dann aufgrund distributioneller Kriterien fest, daß mas auch noch ganz andere Funktionen hat, nämlich die einer Konjunktion und die eines nominalen Quantifikators (nombre comparativo). Die Polyfunktionalität wird somit an drei verschiedene Wortarten zurückgebunden: Adjektiv, Konjunktion, Nomen: 18 Comparativo nombre se llama aquel que significa tanto como su positivo con este adverbio mas. Llaman los latinos positivo aquel nombre de donde se saca el comparativo. Mas, aun que el latin haga comparativos de todos los nombres adjectivos que reciben mds o menos en su significaci6n, nuestra lengua no los tiene sino en estos nombres: mejor, que quiere dezir mas bueno; peor, que quiere dezir mas malo; maior, que quiere dezir mas grande; menor, que quiere dezir mas pequefio; mds, que quiere dezir mas mucho; por que esta partezilla mds, 6 es adverbio, como diziendo Pedro es mds blanco que Juan; 6 es conjunci6n, como diziendo io quiero, mas tu no quieres; 6 es nombre comparativo, como diziendo io tengo mds que tu, quiero dezir mas mucno que tu. ,Prior> & ,senior" en el latin son comparativos; en nuestra lengua son como positivos, por que <prior> en latin es primero entre dos; & en castellano no quiere dezir sino primero de muclios; ,senior> quiere dezir mas anciano en latin; en nuestra lengua es nombre de onra. (GC168/ 28-169/ 2) Beispiele dieser Art finden sich häufig 67 • Nebrija ist sicher weit davon entfernt, ein moderner Semantiker zu sein. Die unterschiedlichen Perspektiven, die er in seinem Ringen um den Beweis der Eigenständigkeit des Kastilischen in ständiger Auseinandersetzung mit dem Latein (mit dem er durchaus nicht brechen will) mit viel Fingerspitzengefühl einsetzt, können in moderner Terminologie folgendermaßen beschrieben werden: Er differenziert zwischen synchronischen und diachronischen Aspekten; im synchronischen Bereich geht er je nachdem onomasiologisch oder semasiologisch vor, wobei die Onomasiologie vor allem im Bereich der semantischen Klassif i kationen zum Tragen kommt. Die als semasiologisch zu bezeichnende Vorgehensweise dagegen liegt der Ermittlung der verschiedenen Polyfunktionalitäten und Polysemien zugrunde. Schließlich fehlen auch kontrastiv-semantische Aspekte nicht, die allerdings manchmal ins Diachronische umzuschlagen drohen. 67 So z.B. bei der Diskussion von uno, cf. GC179, oder der Polyfunktionalität von el/ la! lo, cf. GC182. 274 Petra Braselmann Mir scheint kein Zweifel daran zu bestehen, daß Nebrija die einzelsprachliche Bedingtheit inhaltlicher und funktioneller Strukturen durchaus erkannt hat. Wenn er dennoch oft die lateinischen Gegebenheiten auf das Kastilische überträgt, dann sicher nicht, weil er eine Deckungsgleichheit beider Sprachen annimmt (für eine solche Annahme sind die Belege zu zahlreich, in denen er die Eigenständigkeit des Kastilischen betont, ja vereinzelt sogar dessen überlegenen Status herausstellt), sondern weil er das Latein entweder als quasi universales Raster benutzt oder translatorische Äquivalenzen aufzeigen will. Nebrija hat ein ausprägtes Methodenbewußtsein, das sich darin äußert, daß er in der Lage ist, je nach seinem Untersuchungs- und Darstellungsgegenstand zwischen inhaltsbezogenen-funktionalen und distributionellen-formalen Verfahren zu unterscheiden. Man könnte in dieser Hinsicht von einem methodischen Eklektizismus (durchaus im positiven Sinne) sprechen. 4. Ich komme zum Schluß: Modernität und Aktualität sind relative Begriffe; ihre inhaltliche Ausgestaltung hängt wie überhaupt jede Interpretation vom Standpunkt und Erkenntnisinteresse des Interpreten ab. Ich zeigte Nebrijas Aktualität in zweierlei Hinsicht: zum einen, was die Rezeption angeht, zum anderen, was das Überleben einiger seiner Konzepte, sowohl bezüglich des sprachlichen Objektbereichs als auch bezüglich der theoretisch-methodischen Ebene in der traditionellen Grammatik und der gegenwärtigen Linguistik, betrifft. Ein besonders bestechendes Beispiel ist dabei sein graduell angelegter Normbegriff, der in Anlehnung an Quintilian grundlegend für die spanische Grammatikographie wurde. Nebrija reaktiviert antike Einsichten und fügt sie zu einem homogenen Ganzen zusammen. In einigen Fällen ist er auch innovativ, und seine Konzepte begründen Traditionen. Nebrija antizipiert nicht die moderne Linguistik. Aber eine Analyse wie die hier vorgestellte zeigt uns die Historizität bestimmter gegenwärtiger linguistischer Konzepte, die bis heute gültig sind, obgleich wir sie mehr als fünfhundert Jahre später mit anderen Wissenschaftsparadigmen angehen. Mit den hier vorgestellten Ergebnissen habe ich mich in meiner Interpretation vorwiegend auf der dritten Untersuchungsebene des oben skizzierten dreistufigen Modells bewegt, ohne dabei die übrigen Stufen völlig auszublenden. Andere Schwerpunktsetzungen sind im Rahmen dieses Modells möglich, und viele der oben zitierten Arbeiten lassen sich diesem zuordnen. Mir scheint, daß vor dem Hintergrund eines solchen (oder ähnlichen) Modells, das einerseits offen für die Behandlung unterschiedlicher Aspekte ist, andererseits aber auch zu einer systematischen Betrachtungsweise zwingt, die der Gefahr einer reduktiven und anachronistischen Darstellung begegnet, der bedeutende Beitrag gewürdigt werden kann, den Nebrija zur spanischen Grammatikographie geleistet hat. Düsseldorf Petra Braselmann Nebrija und die spanische Grammatikographie 275 Bibliographie ARENS, H. 1987: «Gedanken zur Historiographie der Linguistik», in: ScHMITTER 1987a: 3-19 ALONSO, A. 1949: Examen de las noticias de Nebrija sobre la antigua pronunciaci6n espaiiola, NRFH3: 1-82 ALONSO, A. 21967-1969: De la pronunciaci6n medieval a la moderna en espaiiol, 2 vol., Madrid BAHNER, W. 1956: Beitrag zum Sprachbewußtsein in der spanischen Literatur des 16. und 17. 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Sin embargo, sobre su etimologia, de origen incierto, existen opiniones contrarias: Dozy y Guadix lo hacen derivar del arabe hubara 'avutarda', lo cual queda suficientemente desechado por Spitzer al aducir la forma portuguesa fouveiro. Cornu y Michaelis recurren a un hipotetico latin *FALOVARIUS, derivado de FALvus, que es aceptado sin vacilaci6n por Cuervo, Meyer-Lübke, Spitzer, Brüch, Wartburg, y otros varios. A pesar de esta unanimidad, Baist pone como objeci6n el sufijo -ARIUS, el cual queda sin explicar. La acepci6n 'remendado, manchado' no procede de FALvus, que significa 'amarillo palido'. Y es, empero, con la acepci6n 'manchado' como aparece ya desde antiguo la voz overo. CoROMINAS (DCELC, s.v.) soluciona ese enredo lexico distinguiendo entre cavallo vero 'remendado de cualquier color' y cavallo *fouvo 'amarillo rojizo, color de melocot6n': «...pero se daba tambien el caso de que los fouvos (< lat. FALVUS ) podian ser al mismo tiempo remendados de otro color, y este tipo de animal se llamaba naturalmente hobo vero, que casi forzosamente habia de pasar a hobero port.fouveiro, por haplologia ...» (DCELC IV: 326). A continuaci6n, el lingüista catalan propone el adjetivo VARIUS como segundo elemento de overo, que dice comprobar en la frase de Quevedo «la cara no tenia sino un ojo, aunque overo»; no merece la pena argumentar la absurda etimologia del Diccionario de Autoridades: «los ojos que son todo blancos, y que parece no tienen nifia, por la semejanza que tienen con lo blanco y la hechura del huevo». Tampoco tiene interes el etimo FULvus, propuesto por Garcia de Diego. Llegados a este punto, cabe mencionar las dos acepciones con que la Academia defini6 overo: «aplicase regularmente al caballo de pelo blanco manchado de alazan bayo» (1882), y «aplicase a los animales de color parecido al del melocot6n» (1884). Aut. define el palomo overo con «todo el cuerpo como de bayo claro, el pecho tostado ... y otros colores en otras partes, y el filacot6n es de color no muy blanco, mezclado de lineas de color de azafran muy encendido ...» (DCELC
