eJournals Vox Romanica 52/1

Vox Romanica
vox
0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
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1993
521 Kristol De Stefani

JÜRGEN STOROST, Hugo Schuchardt und die Gründungsphase der Diezstiftung. Stimmen in Briefen, Bonn (Romanistischer Verlag) 1992, VIII + 106 p. (Abhandlungen zur Sprache und Literatur 59)

121
1993
S. Heinimann
vox5210292
Besprechungen - Comptes rendus JÜRGEN STOROST, Hugo Schuchardt und die Gründungsphase der Diezstiftung. Stimmen in Briefen, Bonn (Romanistischer Verlag) 1992, VIII + 106 p. (Abhandlungen zur Sprache und Literatur 59) «So sehr ich mich für eine Diezstiftung im Allgemeinen begeistere, so wenig für eine Berliner Diezstiftung. Der Plan ist viel zu eng und kühl entworfen, bei diesem Unternehmen müssen Romanen und Deutsche in gleichem Masse betheiligt sein, um so mehr, als Erstere in neuester Zeit für unsere Wissenschaft sehr viel gethan haben» (8). Mit diesen Worten nimmt Schuchardt Stellung zu der Art, wie der Initiator der Stiftung, Adolf Tobler (Professor der romanischen Philologie an der Universität Berlin, seines Herkommens bekanntlich Schweizer), sich deren Organisation denkt (Brief Schuchardts an Adolf Mussafia, Universität Wien, vorn 15. Febr. 1877). Und rund 40 Jahre später heißt es in einem der autobiographischen Briefe, die Schuchardt rückblickend für Jakob Jud verfaßt hat: «Ich zeigte mich einer Berliner Diezstiftung sofort abgeneigt; ich träumte von einer internationalen Diezstiftung, einem Symbol der Völkerversöhnung» (99, 10. Nov. 1919). Mit diesen zwei Zitaten ist das Hauptproblem des vorliegenden Buches umrissen. Storost legt nach einer kurzen Einführung (1-6) 96 Briefe (mit vorwiegend biographischen Anmerkungen) vor, die verschiedene Verfasser und verschiedene Adressaten haben. Verfasser sind, außer Schuchardt (12 Briefe), u.a.: Tobler, Mussafia, Gröber, Monaci, Ascoli, G. Paris, Rajna, D'Ovidio; Empfänger, außer Schuchardt (67 Briefe, alle im Schuchardt-Nachlaß der Universitäts-Bibliothek Graz), Mussafia und Jud, Suchier, Flechia, Ascoli und einige andere. Die Gründungsgeschichte der Stiftung und ihre «Wirkungsgeschichte» hat Storost in zwei gesonderten Publikationen von 1989 und 1990 skizziert 1 • Toblers Plan wurde verwirklicht: Die Preußische Akademie wurde Trägerin der Stiftung, Berlin ihr Sitz, nicht Rom, wie Schuchardt es sich träumte. Das «Cornite zur Gründung einer Diezstiftung» (1877) «setzte sich vor allem aus Berliner Wissenschaftlern zusammen» (Storost 1989: 303). Von den sieben Mitgliedern des «Vorstands» der Stiftung wurden fünf von der Berliner Akademie ernannt, je eines von der Wiener Akademie (A. Mussafia) und eines von der Accademia dei Lincei (G. I. Ascoli). Zu den fünf Mitgliedern zählte G. Paris «als romanischer Vertreter»; den Vorsitz führte A. Tobler (Storost 1989: 313). Mit den vorliegenden Originaldokumenten illustriert Storost ein Stück grenzüberschreitender Wissenschaftsgeschichte aus dem ersten Jahrzehnt nach dem deutsch-französischen Krieg (mit einem Anhang aus dem Jahr des Versailler Vertrags) 2 und ergänzt damit in willkommener Weise seine ersten beiden Publikationen zum Thema Diezstiftung. Man mag bedauern, daß die drei Beiträge nicht in einem Band oder doch in ein und derselben Zeitschrift erschienen sind. Das ist nicht der Fehler des Verfassers; es erklärt sich aus den Begleitumständen der deutschen Wende von 1989. Von Schuchardts Briefen zum Thema 1 Cf. J. STOROST, «Die Diez-Stiftung: I. Zur Gründungsgeschichte», BRPh. 28 (1989): 301-15; «II. Zur Wirkungsgeschichte», BRPh. 29(1990): 117-33. 2 Ergänzt durch einen versöhnlichen Brief Toblers an Schuchardt von 1890. Besprechungen - Comptes rendus 293 Diezstiftung sind fast alle verloren. Die wenigen, die erhalten sind, richten sich meistenteils an Hermann Suchier, den Nachfolger Schuchardts auf dem Hallenser Lehrstuhl. Der Suchier-Nachlaß liegt in der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz in Berlin. Wir sind dem Herausgeber dankbar für seine Nachforschungen, die ein so nuanciertes, objektives Bild haben entstehen lassen. S. Heinimann * PETER WuNDERLI, Principes de diachronie. Contribution a l'exegese du «Cours de linguistique generale» de Ferdinand de Saussure, Frankfurt/ Bern/ New York/ Paris (Lang) 1990, IX + 163 p. (SRL 24) Principes de diachronie gibt aufeinander abgestimmt und daher zum Teil gekürzt 1 zwei frühere Schriften W.s wieder: Saussure et la diachronie 2 und in französischer Übersetzung - Saussure, Wartburg und die Panchronie 3 • Damit ist W.s Sicht der saussureschen Diachronie an einem Ort vereint, was angenehm und der Diskussion nützlich ist: dem neu erwachten Interesse an der diachronen Fragestellung soll auch in Hinsicht auf den Genfer Meister Genüge getan und Mißverständnissen der Kritik, die in der sogenannten Vulgata des CLG angelegt sind, begegnet werden (Preface, p. V-VII) 4 . In den vier Kapiteln seines Buches 5 behandelt W. nacheinander den Status der Diachronie als Zweig der Sprachwissenschaft 6, die Prinzipien der historischen Entwicklung, die von Saussure im CLG beachteten Typen der historischen Entwicklung und die wichtigsten Techniken der Analyse und Präsentation (6). Den Status der Diachronie (1.) führt er auf eine methodische Scheidung zurück. Synchronie und Diachronie würden nicht zwei Objekte, sondern zwei Vorgehen der Sprachwissenschaft 7 bezeichnen, und diese betreffe 1 Cf. N2 und 3. 2 A. JoLY (ed.), La linguistique genetique: histoire et idees, Lille, 1988: 143-99. Es entsprechen p.143--46 der lntroduction (1-6), p.146-59 dem Kapitel 1, La dichotomie <synchronie/ diachronie> (7-34), p.159-70) Kapitel 2, Principes de diachronie (35-38), p.170-94 Kapitel 3, Typologie des changements diachroniques (59-110), p.198-99 der Conclusion (198s.).In Linguistique genetique ist Saussure et la diachronie zugleich Gesamttitel einer Sektion von Vorträgen, die 1982 an einer Table ronde der Equipe de Recherche en Psychomecanique du Langage in Lille gehalten wurden. Neben Wunderli sprachen R. ENGLER, L'apport de Geneve, p. 115--41 (jetzt auch CFS 42 [1988], 127-66: Diachronie: L'apport de Geneve) und C. BuRIDANT, Rapport oral sur les exposes de R. Engler et P. Wunderli, p. 101-14 (cf. vom selben BuRIDANT Saussure et la diachronie, TraLiLi 22/ 1 [1984], 19-51). 3 ZRPh. 92 (1976), 1-34 und WuNDERLI, Saussure-Studien, Tübingen 1981: 121--46 (1.7. Synchronie, Diachronie, Panchronie). Hier entsprechen ZRPh. 92: 11-30 (Saussure-Studien p.128--43) Principes p.111--41: 4. Methodologie et types d'analyse. 4 Ein weiterer Grund der Wiederaufnahme ist für W. der fehlerhafte Druck in Linguistique genetique. 5 Cf. N2 und 3. 6 Zur Bedeutung der Diachronie für Saussure hebt W. mit Recht hervor, daß Saussures eigene Publikationen alle der Diachronie angehören. Auch ist mehr als ein Drittel des CLG ihr gewidmet. Fraglicher scheint mir die Behauptung (6), die prospektive Diachronie sei dabei auf Kosten der retrospektiven Diachronie bevorzugt: im CLG betreibt Saussure weder die eine noch die andere, sondern entwickelt deren Theorie.Die Publikationen gründen sich auf Rekonstruktion. 7 Wenn Saussure von der Dichotomie Synchronie/ Diachronie rede, beziehe er sich auch immer auf die Sprachwissenschaft, nicht auf die Sprache. Cf. aber N28.