eJournals Vox Romanica 52/1

Vox Romanica
vox
0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
1993
521 Kristol De Stefani

ROLAND MARTI, Probleme europäischer Kleinsprachen: Sorbisch und Bündnerromanisch. München (Sagner) 1990, 94 p. (Vorträge und Abhandlungen zur Slavistik 18)

121
1993
Ricarda Liver
vox5210334
334 Besprechungen - Comptes rendus politischen Verhältnisse und der gewandelten Zielsetzung faschistischer Bestrebungen. Und wichtig auch der Ausblick auf die Spuren faschistischen Sprachgebrauchs im heutigen Italienischen. Das lexikalische Inventar, das die Verf. als Korpus herausgelöst hat, ist ein guter Ausgangspunkt für eine solche Analyse. Faschistisches Vokabular ist heute nämlich keineswegs verschwunden bzw. marginalisiert. Und es ist ein Verdienst der Verf., für die Wahrnehmung eines solchen Sprachusus sensibilisiert zu haben in einer Zeit, in der dogmatische Splittergruppen für immensen Zündstoff sorgen ein hochaktuelles Buch also, nicht nur für Italien. Ob man allerdings so weit gehen sollte zu postulieren, solche «faschistischen» Elemente aus dem eigenen Wortschatz zu verbannen, halte ich für unpraktikabel angesichts der Tatsache, daß die «faschistische» Bedeutung häufig nur eine Nebenbedeutung innerhalb des Semantems einer Lexie ist, bzw. nur in bestimmten Kollokationen auftritt. Edeltraud Werner * ROLAND MARTI, Probleme europäischer Kleinsprachen: Sorbisch und Bündnerromanisch. München (Sagner) 1990, 94 p. (Vorträge und Abhandlungen zur Slavistik 18) Der Autor möchte mit seiner gedrängten Darstellung der sprachlichen Verhältnisse in zwei Minderheitensprachen, dem Bündnerromanischen und dem Sorbischen, einen Diskussionsbeitrag leisten zur Problematik von Kleinsprachen und zu den Möglichkeiten, Sprachenpolitik zugunsten bedrohter Minderheitensprachen einzusetzen. Marti ist überzeugt davon, daß die Sprachwissenschaft die Verpflichtung hat, auf diesem Gebiet aktiv zu werden. So schlägt er denn auch konkrete Strategien vor, die zur Erhaltung der bedrohten Kleinsprachen beitragen sollen (61-85). In einem einleitenden Teil entwirft Verf. den theoretischen Rahmen für die folgende Darstellung. Das Kapitel «Bündnerromanisch und Sorbisch im Überblick» (18-24) liefert die wichtigsten Informationen zur heutigen Situation der beiden Kleinsprachen, ein weiteres Kapitel «Vorgeschichte» (25-33) beschreibt deren historische Voraussetzungen. Im zweiten Teil seiner Ausführungen wendet sich Roland Marti der Sprachenpolitik in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu• («Sprachenpolitik» 34-48, «Veränderung der äußeren Faktoren in neuerer Zeit» 49-61, «Gegenwärtige und zukünftige Sprachenpolitik» 61-85). Der Autor, der sich zunächst mit dem Sorbischen befaßt hatte und dann auf die Parallelen zwischen der Situation dieser Kleinsprache und derjenigen des Bündnerromanischen aufmerksam wurde, hat sich im Bereich des Bündnerromanischen sorgfältig dokumentiert und ist zu einer im allgemeinen adäquaten Darstellung der bündnerromanischen Sprachsituation gelangt (was das Sorbische angeht, maße ich mir kein Urteil an) 1 . 1 Es ist mißlich, daß in der Tabelle, die die dialektalen Unterschiede innerhalb des Bündnerromanischen illustrieren soll (20 N2), mehrere Fehler ein irreführendes Bild entstehen lassen: statt Puter iffaunt steht iffannt, statt paun pann, ebenso Sursilvan und Rumantsch Grischun pann statt paun. Sutsilvan wäre richtig pan (Marti: pan). An dieser Stelle müßte auch darauf hingewiesen werden, daß im Puter / p�m/ und / iff�nt/ gesprochen wird. - Unpräzis ist die Formulierung «Schaffung des Sutsilvan» (21 N3) für «Schaffung einer sutselvischen Schriftsprache». - Nicht auf dem heutigen Stand sind die Angaben zu den alten romanischen Dorfordnungen (35). Hier müßte unbedingt die Rechtsquellenedition von A. ScHORTA (Rechtsquellen des Kantons Graubünden, 4 Bände, Aarau 1980-85,) zitiert werden. Für genauere Angaben cf. VRom. 49/ 50 (1991), 745s. - Als einziger Lehrstuhl für Rätoromanisch an einer Schweizer Universität wird Fribourg erwähnt (70 NS); Zürich wäre hier auch zu nennen. Besprechungen - Comptes rendus 335 Für den nur mit dem Bündnerromanischen, nicht aber mit dem Sorbischen vertrauten Leser bietet das Buch zunächst einmal Informationen über diese slavische Kleinsprache. Es zeigt darüber hinaus Parallelen auf in der Situation zweier Minderheitensprachen, ohne daß die vergleichende Sichtweise die durchaus deutlichen Unterschiede verwischen würde. Überhaupt muß dem Autor ein differenzierter und kritischer Umgang mit seinem Gegenstand attestiert werden. Dennoch würde man sich wünschen, daß den jeweils unterschiedlichen Gegebenheiten deutlicher Rechnung getragen würde. __ Wer schweizerische Verhältnisse kennt, wird Marti kaum folgen in seinem Vorschlag, das Bündnerromanische durch ein staatlich finanziertes Radio zu fördern. Ebenso unrealistisch erscheint die Forderung, eine bündnerromanische Tageszeitung müßte mit staatlichen Mitteln ermöglicht werden. Was das Sorbische angeht, fühlt sich der Leser in bezug auf das Niedersorbische an die Verhältnisse in der bündnerischen Sutselva erinnert, ohne daß Marti diese Parallele explizit machen würde. Nach seiner Darstellung ist der Bedrohungszustand dieser Sprachgruppe weit fortgeschritten. Die von ihm vorgeschlagene Therapie in Form einer polynormierten Standardisierung (79-84) ist genau das, was in Graubünden in der Surselva und in der Sutselva in der jüngsten Vergangenheit gültig war, was aber nicht verhindern konnte, daß in der Sutselva das Romanische dramatisch zurückging und alle Stützungsversuche (man denke an die Aktion scolettas) scheiterten. Denkt man an diese Erfahrungen zurück, so scheint einem sogar der «bestenfalls gedämpfte Optimismus» Martis (86) als zu positiv. Und vor allem wird nicht klar, was der Sprachwissenschaftler konkret zu den (wie auch Verf. unterstreicht) von vorwiegend außersprachlichen Faktoren abhängigen Entwicklungen beitragen könnte. R. L. * ANITA GUERREAU-JALABERT, Index des motifs narratifs dans ! es romans arthuriens en vers (Xll'-XIIJ' siecles) (Motif-Index of French Arthurian Verse Romances [XII th -XIII th Cent.]), Geneve (Droz) 1992, 506 p. (Publications Romanes et Franr;aises 202) Das vorliegende Werk setzt sich zum Ziel, ein Verzeichnis der Erzählmotive aus den französischen Artusromanen des 12. und 13. Jahrhunderts in Versform bereitzustellen. Während die älteren Bereiche der irischen, isländischen, englischen sowie spanischen und italienischen Literatur bereits über solche Bestandsaufnahmen verfügen, schließt Anita Guerreau-Jalabert mit ihrer Übersicht eine seit langem klaffende Lücke, zumal es der altfranzösischen Literatur nicht an kritischen Texteditionen mangelt, die zur Auswertung bereitgestanden hätten. Folglich lag nichts näher, als ihren überaus reichen Schatz an motifs narratifs zu sichteri und zu ordnen. Dabei kam der Autorin durchaus zupasse,'daß die bis dahin bestehenden Veröffentlichungen ähnlicher Art sich ausschließlich auf den bekannten Motif-lndex of Folk-Literature 1 von STITH TttüMPSON stützen. Eine Einbettung in ein Netzwerk, das sich zudem des Englischen bedient, versprach nicht zuletzt von den Kollokationsfeldern der Einträge her eine gewisse Harmonisierung. Vergebens wird man allerdings in der recht ausführlichen, französischsprachigen «Introduction» (1-19) nach einer Definition der Arbeitsgrundlage suchen. Dies meint, daß zwar der Begriff des motif litteraire als subjektive Kategorie erwähnt, gerade deswegen aber als 1 Cf. ST. THOMPSON, Motif-lndex of Folk-Literature, Helsinki, 1932-36. Daß sich hier ebenfalls Querverbindungen zu der von K. RANKE herausgegebenen Enzyklopädie des Märchens. Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung, Berlin/ New York 1977ss., ergeben, liegt auf der Hand.