eJournals Vox Romanica 52/1

Vox Romanica
vox
0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
1993
521 Kristol De Stefani

BRIGITTE SCHLIEBEN-LANGE (ed.), Fachgespräche in Aufklärung und Revolution, Tübingen (Niemeyer) 1989, 255 p. (Konzepte der Sprach- und Literaturwissenschaft 47)

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1993
M. Bischofsberger
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Besprechungen - Comptes rendus 343 surnaturels: la fee dans Lanval de Marie de France, par exemple, n'est jamais explicitement qualifiee ainsi, et dans Yonec, la dame ne fera l'amour avec le fae que lorsqu'elle l'aura vu recevoir la communion. «Le Voyage dans l'autre Monde» (225-83) et le chapitre «Le locus amoenus» (285-323) offrent une sorte de phenomenologie de ces deux espaces qui representent, en general, une station dans la Quete, le lieu de la Rencontre ou de la Reunion. Une breve «Conclusion» (325-33) et un index bien fait bouclent le volume. Comment rendre justice aux vastes lectures de P. Gallais? Chaque pas de son argumentation est cautionne par des dizaines d'exemples, c'est-a-dire des petits resumes, parfois assez exhaustifs, mais toujours (pour autant que je puisse en juger ) fideles, des recits qui contiennent l'element en question. Il me semble que P.G. a atteint le but qu'il s'etait fixe: il a rendu plausible l'existence et l'universalite de son archetype. Ce qui reste ouvert, c'est dans quelle mesure cet archetype est encore operationnel au Mayen Age fran9ais. Certes, les exemples tires de textes medievaux sont nombreux, mais on a parfois l'impression que c'est surtout gräce a l'ingeniosite de P.G. que la constellation de la Fee, de la Fontaine et de l'Arbre se degage des documents et que c'est gräce a la virtuosite avec laquelle il enjambe les siecles et les differentes langues que l'archetype se met en place. Ce n'est que devant le Tristan en prose que P.G. baisse les bras: les elements qui constituent «son» archetype s'entassent pele-mele et ont visiblement perdu leur signification folklorique. «Dans cette invraisemblable compilation (...) tout est casse (...) c'est un amalgame et non une synthese! de themes et de motifs a succes. (...) Decidement, le grand moyen äge est bien mort a l'aube du regne de saint Louis! » (210s.). Je me demande si la «cassure» ne se situe pas, par exemple, trois generations plus haut dans le temps et le Tristan en prose ne serait alors que le point culminant d'une certaine fa9on de traiter la matiere folklorique qui se trouverait deja chez Chretien de Troyes; car comme pour le Tristan en prose et P.G. l'admet volontiers lui-meme le «sens» d'un roman de Chretien de Troyes ne se confond pas avec sa signification folklorique. Entre ! es deux ceuvres, il y aurait dorre une diffärence de degre, mais pas de nature. Ni dans l'une ni dans l'autre, la signification profonde des elements ne serait plus en jeu, mais il s'agirait de reprises litteraires, de phenomenes de surface, qu'il faut interpreter autrement. A moins qu'il ne faille supposer la «cassure» entre le folklore et la «litterature» plus haut encore dans le temps, comme pourrait l'indiquer la jolie histoire celtique du vr e siede citee par P.G., dans laquelle une fille mortelle se fait passer pour une fäe (en utilisant precisement l'archetype de P.G.) afin de venger son pere. P.G. l'allegue comme preuve de la vivacite de l'archetype; on pourrait tout aussi bien y voir un premier effort d'emancipation ironique de la litterature a l'egard du folklore. R. Trachsler * BRIGITTE SCHLIEBEN-LANGE (ed.), Fachgespräche in Aufklärung und Revolution, Tübingen (Niemeyer) 1989, 255 p. (Konzepte der Sprach- und Literaturwissenschaft 47) Wissenschaft, das heißt wissenschaftliches Wissen, konstituiert sich notwendigerweise dialogisch. Die Zeit der Aufklärung und der Revolution erweist sich aus diesem Blickwinkel als besonders fruchtbares Forschungsfeld, weil sie a) die Dialogizität der Wissenskonstitution nicht nur erkannt, sondern auch thematisiert hat und weil sich b) am Beispiel der für das 18.Jahrhundert typischen Versuche der vulgarisation scientifique verschiedene, noch heute aktuelle Aspekte des Dialogs Fachmann-Laie oder, rein sprachwissenschaftlich betrachtet, der Beziehung Fachsprache-Allgemeinsprache exemplarisch beschreiben lassen. Der Anspruch dieses Sammelbandes geht aber über eine rein sprachwissenschaftliche 344 Besprechungen - Comptes rendus Betrachtungsweise hinaus und ist bewußt interdisziplinär angelegt. Die Herausgeberin weist in ihrer Vorbemerkung darauf hin, daß sich die Beiträge nicht eindeutig einer Fachdisziplin zuordnen lassen, sondern im Schnittpunkt zwischen Linguistik, Literaturwissenschaft, Wissenschaftsgeschichte und Aufklärungsforschung anzusiedeln sind. BRIGITTE SCHLIEBEN-LANGE übernimmt in ihrem einleitenden Aufsatz, «Dialog und Aufklärung», die Aufgabe, die wichtigsten Merkmale der dialogischen Konstitution von Wissenschaft in einer begrüßenswert konzisen Form zu beschreiben. Es sind dies: explizite Formulierung, Offenlegung der Fragestellungen und deren argumentative Aufarbeitung, Synthese unterschiedlicher Perspektiven, Prozessualität der Wissensgewinnung, d. h. ständige Revision des bis anhin als gesichert angenommenen Wissens, dialogische Konstitution von Wahrheit (in expliziter Anlehnung an die Konsenstheorie von Habermas), plurales Subjekt des Wissenschaftsprozesses (die sogenannte «Community of Investigators»). Aus (fach)sprachwissenschaftlicher Sicht besonders interessant ist die Feststellung (6), daß die heutige Wissenschaftsprosa dazu tendiert, die dialogischen Elemente auf ein Minimum zu reduzieren und die Fragestellungen zugunsten einer reinen Systematisierung des darzustellenden und als gesichert geltenden Wissens wegzulassen. Im Gegensatz zu dieser Art moderner Wissenschaftsprosa stehen Versuche, den dialogischen Prozeß der Wissenschaftskonstitution (-konstruktion) schriftlich und literarisch sichtbar zu machen. In einem knappen historischen Überblick erinnert die Autorin etwa an den philosophischen Dialog bei Sokrates und Platon, an die universitäre Tradition der disputatio (im Gegensatz zur rein diskursiven lectio, Ort der Systematisierung des Wissens), an die Tradition der Katechismen, an die Fachdialoge der Aufklärung und an das Seminar als Ort der Erkenntnis in der Humboldtschen Universität. Vor diesem historischen Hintergrund fällt die Beurteilung der heutigen Situation vergleichsweise ernüchternd aus: «Zweifellos wird auch heute noch Wissen dialogisch erarbeitet (...). Aber wohl nie zuvor in der Wissenschaftsgeschichte waren Erarbeitung und Darstellung von Wissenschaft so weit auseinandergeraten. Der Zwang zur originellen Einzelleistung des Forscher-Individuums hat den Blick für die dialogische Einbindung in die Community of Investigators in ihrer historischen und ihrer aktuellen Dimension verstellt» (12s.). Die ersten beiden Aufsätze des Bandes betrachten aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln Fontenelles Entretiens sur la Pluralite des Mondes (1686). HARTWIG KALVERKÄMPER, «Kolloquiale Vermittlung von Fachwissen im frühen 18. Jahrhundert. Gezeigt an den Entretiens sur la Pluralite des Mondes von Fontenelle», eröffnet seinen Beitrag mit einer interessanten, in ihrer Knappheit aber nur schwer nachvollziehbaren Situierung des Gattungsbegriffs Entretien im unsicheren, vom klassizistischen Kanon vernachlässigten oder gar verachteten Feld der genres mineurs. Der Autor kommt zum Schluß, daß die kommunikativen, dialogischen, kolloquialen Genera im Bereich der nichtliterarischen, sachbezogenen Texte (nach einem Hoch am Ende des 17. Jahrhunderts) während der immer mehr wissenschaftsorientierten Aufklärungszeit deutlich an Bedeutung verlieren. Die für den gout precieux bezeichnende, lockere Verbindung von Wissenschaft und Unterhaltung weicht einem neuen Verhältnis zur Wissenschaft, die sich in der Folge «wissenschaftlich», d.h. monologisch, nicht unterhaltsam, autoritär (vom Autor fest kontrolliert) zu präsentieren hat. In einer detaillierten Analyse des Premier Soir der Entretiens gelingt es Kalverkämper darzulegen, wie nun die kolloquiale, unterhaltende Vermittlung von Fachwissen abläuft. Dabei unterscheidet er zwischen fachbezogenem und nichtfachlichem Sprechen und zeichnet auf, wie deren Wechselspiel auf formaler und thematischer Ebene gestaltet wird. Ziel der Analyse ist es, die Strategien der vulgarisation scientifique im Dialog Laie- Fachmann aufzuspüren und darzustellen. Damit wird auch das rein literaturgeschichtliche Interesse an Fontenelles Text überschritten, und der Aufsatz öffnet sich programmatisch auf das 20. Jahrhundert: «In ihren Möglichkeiten und Grenzen haben das endende 17. und das 18. Jahrhundert der heutigen Zeit vorgeführt, wie dieses kommunikationsethische Besprechungen - Comptes rendus 345 Problem einer vulgarisation scientifique als eine soziale Herausforderung gelöst werden kann» (55). Auch MARIE-FRAN<;OISE MüRTUREUX, «L'Astronomie Fontenellisee ou: Science, Langage et Societe dans l'episteme classique», betrachtet Fontenelles Text über die Astronomie als dialogue de vulgarisation scientifique und erarbeitet in dieser Perspektive die Funktion des Dialogs im Hinblick auf die Textstruktur und die Wissensvermittlung. Gleichzeitig sind die Entretiens aber auch ein Dialog über die vulgarisation scientifique: etwa im später dazugefügten Sixieme Soir, wo unter anderem der gescheiterte Versuch der Marquise, ihr neu erstandenes Wissen ihrerseits weiterzugeben, thematisiert wird. Indem der einführende Brief als vollwertiger Bestandteil in die Entretiens aufgenommen wird, kann die Autorin zwei Adressaten unterscheiden: die Marquise und den im Brief angesprochenen Philosophe. Daraus lassen sich zwei Zielsetzungen ableiten: eine le<;on de physique aux mondains ignorants und eine le<;on de rhetorique aux savants pedants (88). Diesen beiden Problemen widmet Marie-Franr; oise Mortureux je ein Kapitel (Dialogue et Vulgarisation Scientifique und L'Enjeu du Dialogue: La question rhetorique), wobei sich letzteres in erster Linie auf die Diskussion einer Foucaultschen These konzentriert, der zufolge Fontenelles Entretiens die für die episteme classique typische Verbindung zwischen parler und connaft re exemplarisch darstellen soll. Die umfangreiche Überlieferung naturwissenschaftlicher Dialoge dokumentiert BRI- GITTE HOPPE, «Naturwissenschaftliche Fachgespräche zur Zeit der Aufklärung in Europa», und weist damit gleichzeitig auf ein noch zum großen Teil unerschlossenes Forschungsgebiet hin. Ausgehend von den hervorragenden Vertretern der Antike, Platons Timaios, Plutarchs naturkundlichen Dialogen, Varros Gesprächen über die Agrikultur, über die mittelalterlichen philosophischen und theologischen Dialoge eines Augustinus, läßt sich die literarische Form des Gesprächs in den Naturwissenschaften bis ins 19.Jahrhundert belegen. Verschiedene naturwissenschaftliche Dialoge des 17. und 18.Jahrhunderts aus Bereichen wie Astronomie, Alchemie, Chemie, Medizin, Pharmazie aufarbeitend, illustriert und dokumentiert die Autorin drei Arten des Fachgesprächs. Eine erste Gruppe von Dialogen dient der Verdeutlichung und Hervorhebung unterschiedlicher Positionen in einer bestimmten wissenschaftlichen Streitfrage. Die eingeführten Personen sind oft dementsprechend gekennzeichnet. Die dialogische Form bietet dem Autor die Möglichkeit, selbst nicht eindeutig Stellung nehmen zu müssen. In einer zweiten Gruppe ist die Polemik der Hauptgesichtspunkt. Die dritte Gruppe, thematisch definiert, hat vorwiegend apologetische Neigungen und dient der Verteidigung von Religion und Moral. Nicht berücksichtigt, weil einer folgenden Erörterung vorbehalten, sind die zahlreichen Dialoge, die der Belehrung Erwachsener oder dem Unterricht Jugendlicher dienen. Zusammenfassend stellt die Autorin fest, daß die reinen Fachgespräche gegen Ende des 18.Jahrhunderts abnehmen. Die Anzahl der Dialoge zur Wissensvermittlung dagegen nimmt deutlich zu.Ende des 17. und während des 18.Jahrhunderts stellt sich einmal mehr die Frage, wie die angesammelte Wissensfülle zusammengefaßt und dem Leser dargeboten werden kann. Die dabei anstehenden Probleme der Anordnung des Wissens (dispositio) und der Wahl des zu dessen Darlegung geeigneten Stils (elocutio) erörtert CHRISTOPH STROSETZKI in seinem Beitrag über «Die geometrische Anordnung des Wissens. Von Pascals esprit de geometrie zu Diderots und d'Alemberts Enzyklopädie und Buffons Naturgeschichte». Die beiden Dimensionen sind als eng verbunden zu betrachten, kann doch bei der Anordnung des Wissens «stärker mit den Mitteln der Dichtung oder der Gelehrsamkeit vorgegangen werden. Es kann ein «geometrischer» Geist herrschen oder ein an literarischer Aesthetik orientierter» (169s.). Esprit de geometrie ist dabei als Metapher zu verstehen für analytisches, diskursives Denken. Dem steht der esprit de finesse (Pascal) gegenüber, das intuitive, dichterische, ganzheitliche Erfassen der Realität. Die beiden Ansätze auf ihre kogni- 346 Besprechungen - Comptes rendus tiven Voraussetzungen und Implikationen prüfend, erörtert der Autor deren Diskussion von Pascal über die Enzyklopädisten bis hin zu Linne und Buffon. Dabei ist im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts ein eigentlicher Paradigmawechsel zu beobachten. An die Stelle der Geometrie als Modell des Wissens, wie sie etwa noch den Discours preliminaire de l'Encyclopedie D'Alemberts prägte, tritt nach und nach die intuitive, als nicht analytisch verstandene Beobachtung der Realität und deren Beschreibung. Kennzeichnend dafür , steht etwa der esprit observateur, wie er bereits von Diderot charakterisiert wird: «L'esprit observateur dont je parle s'exerce sans effort, sans contention; il ne regarde point, il voit, il s'instruit, il s'etend sans etudier» (187). Für die «Wissensanordnung» bedeutet dies, Abwendung von der Konstruktion großer Systeme, Beschreibung konkreter Einzelfakten. «Gespräche über die Sprache» lautet der Aufsatz von LuowIG M. EicHINGER und CLAIRE LüSEBRINK. Eichinger erörtert den Stellenwert und die Funktion des Fachgesprächs neben der überwiegenden Mehrheit diskursiver Behandlungen wissenschaftlicher Themen. Das Gespräch wird dabei als die «mindere Verwandte» der ernsten Fachschrift empfunden und verfolgt vorwiegend popularisierende und didaktisierende Ziele. Im 18. Jahrhundert ist das Gespräch somit nicht mehr eine erkenntnistheoretische Alternative zur scholastischen Methode, wie es noch bei den Humanisten der Eall war. Der volkserzieherische, unterhaltende Effekt wird in den Vordergrund geschoben. An Hand von deutschen Beispielen des 18. Jahrhunderts ermittelt der Autor den Einfluß verschiedener Traditionsstränge: Neben der philosophischen Tradition sokratisch-platonischer Provenienz spielen vor allem die satirischen Dialoge eines Lukians und die Tradition des Schul- Lehrgesprächs (Katechismus, dialogischer Grammatikunterricht) eine zunehmend wichtige Rolle. Sprachpolitische Dialoge im Elsaß während der Revolution stehen im Zentrum des Beitrags von CLAIRE LüsEBRINK. Es geht dabei in erster Linie um Sprachstreitigkeiten, die durch die Neubewertung des Französischen während der Revolution («une nation, une langue», «langue de la liberte») ausgelöst wurden. Die Autorin analysiert ein elsässisches «Bürger-Gespräch» aus dem Jahre 1790, in dem Befürworter einer beschleunigten «Französisierungspolitik» und Anhänger einer «Zweisprachigkeitspolitik» aufeinanderprallen. Ebenfalls der Revolutionszeit gelten die abschließenden Betrachtungen von BRIGITTE SCHLIEBEN-LANGE, «Stereotyper und internalisierter Dialog. Fachgespräche in der Spätaufklärung». Sie untersucht an Hand der sich an eine ländliche Bevölkerung richtenden Feuille Villageoise und der Elemens d'Ideologie von Destutt de Tracy, einer der Hauptvertreter der ideologues, wie weit popularisierende und rein wissenschaftliche Fachdialoge auseinandertreiben. Bei einem interdisziplinär angelegten Sammelband ist es nicht immer einfach, die verschiedenartigen Ansätze und Blickwinkel richtig zu gewichten und einzuordnen. Jedenfalls, um nur eine der Leistungen dieses Bandes zu erwähnen, eröffnet er eine Vielzahl verschiedenster Fragestellungen, die sonst verborgen blieben und in deren Kombination vielleicht der Schlüssel zur Lösung eines Problems liegt. Eine letzte Bemerkung aus der Sicht der Sprachwissenschaft: Obwohl, wie im Werk mehrmals darauf hingewiesen wird (Kalverkämper, p. 37 und Eichinger, p.198), der Begriff des «Fachgesprächs» noch genauer zu definieren ist, gewährt dieser Band einen ersten Einblick in ein vom linguistischen Standpunkt aus noch weitgehend unbearbeitetes Forschungsfeld. Vor allem die Fachsprachenforschung ist aufgefordert, sich neben den aktuellen Fachsprachen-Problemen vermehrt der historischen Perspektive anzunehmen. M. Bischofsberger *