Vox Romanica
vox
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2941-0916
Francke Verlag Tübingen
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1993
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Kristol De StefaniPIERRE R. LÉON, Phonétisme et prononciations du français, avec des travaux pratiques d’application et leurs corrigés, Paris (Nathan) 1992, 192 p. (fac. linguistique)
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1993
Peter Wunderli
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Besprechungen - Comptes rendus 347 PIERRE R. L: EON, Phonetisme et prononciations du franc;ais, avec des travaux pratiques d'application et leurs corriges, Paris (Nathan) 1992, 192 p. (fac. linguistique) Pierre Leon ist einer der bedeutendsten lebenden Phonetiker und v.a. der führende Intonologe im Bereich des Französischen davon zeugen u.a. seine inzwischen in 4. Auflage vorliegende Prononciation du fran,;ais standard, seine Essais de phonostylistique, seine Prolegomenes a l'etude des structures intonatives (zusammen mit Philippe Martin) sowie eine Reihe von Sammelbänden, Einzelaufsätzen usw.1; überdies ist er Herausgeber der hervorragenden Reihe Studia phonetica. - Die hier vorliegende Publikation war ursprünglich als eine Art Summa seines Lebenswerkes geplant, die seine Essais wieder aufnehmen und an die über zwanzigjährige Entwicklung der Forschung anpassen sollte; überdies sollte auch der Soziolinguistik und der Diskursanalyse verstärkt Rechnung getragen werden. Das Manuskript dieses Traite de phonostylistique nahm jedoch einen derartigen Umfang an, daß der Verf. sich entschloß, die einleitenden Teile separat als eine Einführung für Studenten und interessierte Laien zu publizieren. So sind wir gewissermaßen durch Zufall zu einem ausgezeichneten Hand- und Studienbuch gekommen, das durch eine geschickte Auswahl und Präsentation einer Reihe von (linguistischen, phonetischen und intonologischen) Grundbegriffen dem Leser «le fonctionnement phonetique du frarn;:ais, dans son rapport avec la variation» näherbringen will (3). Diese Betonung des Variationsaspekts ist vollkommen neu in einem Werk dieser Art und zeigt auch wenn es sich weniger um einen soziolinguistischen, als vielmehr um einen deskriptiven Variationsbegriff handelt sehr deutlich, in welche Richtung sich die Linguistik in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat. Trotz dieser variationslinguistischen Orientierung, der wiederholt zum Ausdruck gebrachten Überzeugung, daß die Sprache ein heterogenes, in dialektaler, soziolektaler und pragmatischer Hinsicht differenziertes Phänomen ist, bekennt sich Leon aber auch gleichzeitig zu einer reduktionistischen Darstellung der akustischen und physiologischen Daten, denn nur auf diese Weise können sie eine gewisse explikative Potenz gewinnen (3s.). Korrigiert soll dieses Vorgehen dann durch die phonostilistische Komponente werden, die die systematische Vereinfachung wieder auflöst, um den (gewollten oder ungewollten) «aspects stylistiques de l'expressivite orale» zu ihrem Recht zu verhelfen, ganz gleichgültig, ob sie nun eine dialektale, soziolektale, pragmatische, emotive oder attitudinale Grundlage haben. Leon nimmt hier ausdrücklich die stilistischen Ansätze von Bally und Riffaterre wieder auf, transportiert sie aber vom lexikalischen und morphosyntaktischen auf den phonetischen bzw. phonologisch/ intonologischen Bereich (4). Zur vollen Entfaltung wird dieser Ansatz erst im für 1994 angekündigten Traite de phonostylistique kommen 2 , was allerdings nicht hindert, daß sich auch in der vorliegenden Einführung schon deutlich abzeichnet, was von dieser Darstellung zu erwarten ist. Eine kurze Einleitung (3s.), zwölf Hauptkapitel und eine kondensierte Schlußbetrachtung (163-65) geben hierzu ausreichend Gelegenheit. Dabei ist Kap. 1 den allgemeinen (linguistischen) Grundlagen und Grundbegriffen gewidmet, die Kapitel 2-7 befassen sich mit der segmentalen Phonetik, die Kapitel 8-10 mit dem suprasegmentalen Bereich, die Kapitel 11 und 12 schließlich mit gewissen segmentalen Abhängigkeiten von suprasegmentalen Phänomenen. Jedes dieser Kapitel wird durch einen Katalog von Übungsaufgaben und eine 1 Cf. P. R. LEON, Prononciation dufranc;ais standard, Paris 4 1988; rn., Essais de phonostylistique, Montreal/ Paris/ Bruxelles 1971; rn ./ PH. MARTIN, Prolegomenes a l'etude des structures intonatives, Montreal/ Paris/ Bruxelles 1969. 2 Er soll ebenfalls bei Nathan in Paris erscheinen; im Moment der Redaktion dieser Besprechung (August 1993) liegt er jedoch noch nicht vor. 348 Besprechungen - Comptes rendus themenbezogene Bibliographie ergänzt 3 . Abgeschlossen wird der Band von einem Schlüssel zu den Aufgaben (167-75), einer Bibliographie generale (allgemeine Werke zum Thema, die nicht in die Kapitelbibliographien eingehen; 177s.), sowie einem Namens- und einem Begriffsindex (179s. bzw. 181-85). In dem den (linguistischen) Grundlagen gewidmeten 1. Kapitel (5-16) diskutiert Leon zuerst (im Anschluß an Hjelmslev) die Begriffe contenu und expression. Es schließen dann an: forme und substance, phonematique und phonologie, expression prosodique, accentuation 4 und pause. Es folgen dann Ausführungen zur Kombinatorik, zur Variation, zu Kode und Zeichen, der Natur des Zeichens, seiner Motiviertheit bzw. Arbitrarietät und Konventionalität. All dies ist zweifellos von hohem Niveau, und trotzdem scheinen mir gerade in diesem Kapitel eine Reihe von Vorbehalten angebracht zu sein: - Bei der Diskussion der Begriffe forme und substance (5s.) scheint Leon die Substanz mit den Inhalten bzw. der Semantik gleichzusetzen, die Form dagegen mit der Syntax. Dies ist zumindest wenn man sich für die vorangehende Diskussion von contenu! expression auf Hjelmslev beruft nicht statthaft: als in die Form eingehende Substanzen haben vielmehr rangniedrigere Einheiten (aus der Perspektive der ranghöheren) oder im Endeffekt der außersprachliche im Hinblick auf den sprachlich geformten Bereich zu gelten 5 • Oder mit anderen Worten: Die Form ist die systematische Organisation (valeur) von Außersprachlichem. D.h. aber: Der Gegensatz Form/ Substanz gilt für alle sprachlichen Hierarchie-Ebenen, die phonologische, die semantische, die morphologische, die lexikalische, die syntaktische, die intonologische, usw 6 • - P. 6 wird die Unterscheidung der Laute in Vokale, Konsonanten und Halbvokale (semiconsonnes) als eine Kategorisierung im Bereich der ausdrucksseitigen Substanz bezeichnet. Dies scheint mir zumindest zweifelhaft zu sein: Wenn man die Vokale als den Silbenkern bildend, die Konsonanten als marginale Elemente der Silbe und die Halbvokale als marginalisierte Silbenkerne 7 betrachtet, dann kommt ihnen durchaus funktionaler Charakter und damit der Status von Formen zu. - Die Phone (ich ziehe im Anschluß an Pottier den Ausdruck Phonien vor), d.h. die konkreten Lauteinheiten, würden nach Leon in der europäischen Tradition «elements phonematiques» genannt (6). Bei dem allgemeinen terminologischen Chaos kommt dies in der Tat vor; die normale europäische Bezeichnung ist aber elements phonetiques 8 • - Die Ausführungen auf p. 10 müssen eigentlich so interpretiert werden, daß Leon (im Gefolge von Martinet) zwischen den einzelnen Phonemen eine marge de securite annimmt; in Wirklichkeit überlappen die Realisierungsbereiche der Phoneme, so daß sie 3 Eine kurze Durchsicht dieser Fragen hat ergeben, daß sie im allgemein-linguistischen Teil eher zu einfach, im phonologischen und intonologischen Teil dagegen oft zu schwierig für ein einführendes Handbuch sind. Leons souveräne Beherrschung dieser Materie hat wohl verschiedentlich zu einer Unterschätzung der Schwierigkeiten geführt, die sie einem Anfänger bereiten kann. 4 Leon zieht accentuation dem Terminus accent vor, da dieser auch für den lautlichen Realisierungshabitus gewisser Sprachgemeinschaften, Gruppen usw. verwendet wird. 5 Cf. hierfür L.HJELMSLEV, Prolegomenes ii une theorie du langage, Paris 1968: 73ss.; P. WuNDERLI, Ferdinand de Saussure und die Anagramme, Linguistik und Literatur, Tübingen 1972: 92ss. 6 Eigenartigerweise werden dann bei LfoN, p.120 die beiden Begriffe im Hinblick auf die Intonation vollkommen korrekt angewendet. 7 Zu ergänzen wären noch die Sonanten, die als in der Silbenstruktur zentralisierte Randelemente zu gelten haben. 8 Cf. auch p. 22 etc. Besprechungen - Comptes rendus 349 nur im Kontrast zum phonologischen Kontext mit Sicherheit interpretiert werden können 9 • - Ebenfalls p. 10 werden die Phoneme als Zeichen bezeichnet: La langue peut etre envisagee comme un code, c'est-a-dire un systeme de signes; en l'occurrence phonemes, monemes, regles de composition morphologique et syntaxique. Eine solche Gleichschaltung von Phonemen einerseits, Monemen und Syntaxemen andererseits ist nicht statthaft, denn wir haben es im ersten Fall mit bedeutungsdifferenzierenden, im zweiten mit bedeutungstragenden Einheiten zu tun. Hjelmslev (1968: 63ss.) unterscheidet deshalb konsequent zwischen figures und signes. - Nach Leon sind die Schrift, das Morsealphabet oder die Braille-Schrift Substitute des lautlichen Signifikanten. In Wirklichkeit handelt es sich aber um sekundäre oder tertiäre semiologische Systeme, die dazu dienen, den lautlichen (phonologischen) Code mit anderen Mitteln wiederzugeben; dabei «reinterpretiert» die Schrift den phonologischen Code direkt, das Morse- und das Braille-Alphabet dagegen mittelbar, d.h. über die dazwischengeschaltete Ebene der Schrift 10 . - P. 13 werden «lautliche» und «relative» Motivation in einem Atemzug genannt, obwohl es sich hierbei um zwei grundsätzlich verschiedene Dinge handelt: im ersten Fall haben wir eine Beziehung zwischen einem Signifikanten und dem außersprachlichen Bereich, im zweiten dagegen eine Beziehung zwischen einem komplexeren und mindestens zwei weniger komplexen Zeichen. In den folgenden 11 Kapiteln sind die Vorbehalte bedeutend seltener. Die Behandlung der segmentalen Phänomene (17ss.) beginnt mit Kap 2, «Du son a la graphie: la transcription phonetique». Leon betont (gegen Derrida und seine Schüler), daß der orale Code primärer, die Schrift nur sekundärer (und überdies fakultativer) Natur sei. Er geht auf die Entwicklung der Schrift ein, zeigt, daß sie oft die Sprachentwicklung bremst, diskutiert den phonologischen Grundcharakter der Alphabetschrift, präsentiert verschiedene «exakte» Transkriptionssysteme, um dann ausführlicher auf das API und seine Verfeinerungsmöglichkeiten einzugehen. Es folgt dann noch ein Überblick über die französischen Vokale und Konsonanten sowie eine Diskussion der Begriffe mot phonique, groupe rythmique und groupe le souffle. - Kap. 3, «La nature physique des sons de la parole» (29ss.), differenziert zuerst zwischen artikulatorischen, akustischen und auditiven (perzeptiven) Aspekten und ihren Parametern (Dauer, Intensität, Tonhöhe, Timbre). Es folgen dann Ausführungen zur akustischen Analyse der Laute, zur Formantenstruktur usw. Kap 4, «La perception des sons de la parole» (41ss.), liefert hierzu die perzeptiven Entsprechungen, und in Kap. 5, «La production des sons de la parole» (46ss.), wird ausführlich auf die artikulatorischen Aspekte eingegangen: die Artikulationsorgane werden detailliert vorgestellt und im Zusammenhang mit ihren Funktionen Phänomene wie Flüstern, (Ent-)Sonorisierung, Silbenbildung usw. diskutiert. Nach der Behandlung der Artikulationstypen und -orte wird dann noch ausführlich auf die wichtigsten Analysemethoden, die Palatogramme und die Röntgenfilme, eingegangen, die jedoch beide den Mangel haben, nur zweidimensionaler Natur zu sein; die Zukunft dürfte deshalb der holographischen Darstellung gehören, die im Moment von A. Marchal entwickelt wird, und die gute Chancen hat, die scheinbare Unstabilität gewisser Artikulationen über kompensatorische Phänomene in der dritten Dimension erklären zu können. - Kap. 6 und 7 widmen sich dann der Klassifikation der Konsonanten (65ss.) und Vokale (79ss.). Hier wird nun deutlich, warum der artikulatorische Bereich vom Verf. bevorzugt behandelt worden ist: Die artikulatorische Klassifi- 9 Cf. P. WuNDERLI, Französische Intonationsforschung, Tübingen 1978: 128 et passim. 10 Cf. P. WUNDERLI, Saussure-Studien, Tübingen 1981: 25ss. 350 Besprechungen - Comptes rendus kation ist für ihn nachwievor die einzig überzeugende (67). Neben der Klassifikation wird auf kombinatorische Phänomene 11, komplementäre Distributionen, individuelle, dialektale, soziale und phonostilistische Varianten eingegangen; ebenso wird versucht, den spezifischen Charakter des Französischen im konsonantischen und vokalischen Bereich herauszuarbeiten. Auffallen muß, daß Leon immer nur mit (durchaus korrekten) Matrixdarstellungen arbeitet. Hier wäre für die Zukunft zu überprüfen, ob Arboreszenzen nicht zum Teil erheblich aussagekräftiger sind. Würde man z.B. die frz. Nasalvokale nicht nur nach den Kriterien anterieur! posterieur und ecarte/ arrondi in eine Matrix einbinden, sondern eine hierarchisierte Baumdarstellung des folgenden Typs wählen: [Nasalvokal] -------------palatal ! EI � gespreizt m gerundet ! &! velar / Ä O / gespreizt / eil gerundet / 3/ dann könnte so nicht nur der (De-)Kodierungsvorgang simuliert werden, sondern über das Einbringen der Archiphoneme auch deutlich gemacht werden, was bei der Neutralisierung von Oppositionen wie m vs. / &/ oder / eil vs. / 3/ passiert: nämlich eine Tilgung der untersten Merkmalstufe und ein Rückgriff auf die Ebene der Archiphoneme. Die drei den Suprasegmentalia gewidmeten Kapitel (95ss.) beginnen in Kap. 8 mit Ausführungen zur rhythmischen Grundstruktur (Silben und Silbengruppen), wobei die Silbe als pulsionelle Größe mit im Frz. ausschließlich vokalischem Kern gesehen wird. Nach dem Silbenschnitt (interne Junktur) wird dann die frz. Silbenstruktur dargestellt, die durch eine Tendenz zur offenen Silbe gekennzeichnet ist und dem Frz. seinen spezifisch sonoren Charakter sichert. Es folgen weiter: Artikulationsdauer der Phonien, Silbendauer, dialektale und phonostilistische Varianten, Silbengruppen (mot [groupe] phonique, groupe de souffle, groupe rythmique), die Pause und ihre phonostilistischen Aspekte, Realisierungart und Tempo. Überraschen muß in diesem Teil, daß nach Leon bei Paaren wie bete/ bette, pate! patte usw. der Quantitätsunterschied im Verschwinden begriffen sein soll (99). Nach meinen eigenen Daten ist dies keineswegs so; vielmehr besteht eine deutliche Tendenz, Qualitätsunterschiede wie / a/ vs. / a/ , / ,;,/ vs. lad usw. zu nivellieren, und diesen Abbau durch einen Quantitätsunterschied aufzufangen: Wir hätten also viel eher eine Rephonologisierung der Quantität. - Kap. 9 (107ss.) ist der accentuation und dem rythme gewidmet. Es werden nacheinander diskutiert: Natur, Ort und Funktion des Normalakzents, der Insistenzakzent, der groupe rythmique, dialektale, diskursive und emotive Varianten, die pragmatische Funktion des Rhythmus, die Universalienfrage, die rhythmischen Typen und die Tendenz zur Isochronie, und schließlich Form und Substanz des Akzents. - In Kap. 10 kommt Leon zum eigentlichen Kern seiner Darstellung, der Melodie und der Intonation (119ss.). Nach einer sorgfältigen Einführung der Begriffe Frequenz, Tonhöhe, Melodie und Intonation geht er auf den Zusammenhang zwischen Akzent und Intonation ein und diskutiert das Intonem (signe intonatif), das teils als motiviert, teils 11 Bei den Vokalen zeigt Leon, daß es in beschränktem Umfang auch so etwas wie eine Vokalharmonie gibt (85), was sicher nicht als allgemein bekannt gelten darf. Besprechungen - Comptes rendus 351 als konventionell gesehen wird. Nach Verf. ist zwischen drei verschiedenen linguistischen Intonationsfunktionen zu unterscheiden, die als / '\., / und '\. symbolisiert werden können und denen die Werte 'Aussage','Entscheidungsfrage' und 'Injunktion' zugewiesen werden(121) 12• Hier würde ich wieder einmal einige Vorbehalte anmelden. Leon arbeitet in dieser Darstellung nur mit drei Mustern, was eine Halbierung der Zahl gegenüber seinen früheren Arbeiten(und gegenüber Delattre, Wunderli 13 usw.) bedeutet. V.a. wird auch nicht klar,in welchem Zusammenhang diese Einheiten mit den später eingeführten Konturen der Parenthese, Kontinuation, Ergänzungsfrage und Implikation (122, 131 et passim) stehen und welcher Status dieser zweiten Gruppe zukommt. Überdies scheint es mir nicht statthaft, von einer role phonologique zu sprechen, handelt es sich doch ganz offensichtlich um Zeichen, denen im Gegensatz zu den phonologischen Einheiten eine Inhaltsseite zukommt. Faßt man Leons Ausführungen zusammen, so kommt man nachwievor auf einen Grundstock von sechs Konturen, die man in seiner Notation folgendermaßen symbolisieren kann 14: / (continuation), / / (Entscheidungsfrage),'\.(Finalität), '\.'\. (Injunktion und Ergänzungsfrage), ---+ (Parenthese) und/ / '\. (Implikation). Es folgen weiter die phonetische Beschreibung der Intonationsverläufe mithilfe von 5 Niveaus, die Diskussion der Rolle der nicht-melodischen Parameter (Intensität und Dauer), die Zusammenhänge zwischen Intonation und Syntax 15, die komponentielle Analyse, phonostilistische, identifikatorische und impressive Funktionen sowie die prioritäre Rolle der Intonation beim primären Spracherwerb. Den Abschluß der Darstellung machen die beiden Kapitel über die Rückwirkungen des suprasegmentalen auf den segmentalen Bereich,in denen die Probleme des g-muet(141ss.) und von liaison und enchainement(151ss.) diskutiert werden. Die Darstellung zum [g] ist etwas verwirrend, da Leon ihm einerseits phonologischen Status abspricht, ihm andererseits aber doch wieder phonologische Funktionen zugesteht, da es mit 0 kommutieren kann, da [g/ 0] mit anderen Vokalphonemen eine Opposition konstituieren können (z.B. porte/ porta/ portait), und es minimale Paare vom Typus l'eau! le haut gibt(142). Die weiteren Ausführungen(143) scheinen mir aber eine ganz andere Lösung nahezulegen: Im Falle von le haut ist das Graphem h als Wiedergabe des Glottisstops (/ ? / ) zu interpretieren, der als eine Art «Archikonsonant» gelten kann. Dies würde es aber erlauben, [g] als eine Variante der Archiphonems (E (mit den phonologischen Realisierungen / re/ und / r/J/ in betonter Silbe) zu interpretieren, die nur in unbetonter offener Silbe vorkommt und ihrerseits eine Untervariante [0] neben sich hat. - Im Schlußkapitel greift Leon dann nochmals weiter aus und bringt die Ergebnisse seiner Darstellung mit den drei Ebenen System, Norm (deskriptiv und präskriptiv) und Rede von Coseriu in Zusammenhang. Überdies schließt er an den soziolinguistischen Ansatz von Labov an, von dem er v.a. die Theorie vom lnferioritätskomplex der unteren Schichten (besser: der unteren Mittelschicht) und den daraus resultierenden Hyperkorrekturen übernimmt. Es ist in der vorhergehenden Darstellung deutlich geworden, daß ich im Detail mit Leon manchmal nicht gleicher Meinung bin. Dies ist aber in einem derart komplexen(und letztlich nachwievor wenig erforschten) Gebiet wie der Intonologie fast eine Selbstverständlichkeit; dazu kommt noch der außerordentlich weit gesteckte Rahmen dieser Prä- 12 Cf. auch LfoN 1992: 8. 13 Cf. v.a. P. WuNDERLI, «Intonationsforschung und Prosodie», LRL 511 (1990), 34ss. 14 Eine Doppelung des Verlaufssymbols bedeutet eine Verstärkung des Anstiegs bzw. Abfalls. 15 Dieser Teil ist besonders wichtig,weil Leon deutlich macht, daß bei eindeutiger morphosyntaktischer Markierung gewisser Funktionen die Intonation redundant und damit auch verzichtbar bzw. durch eine «neutrale» ersetzbar wird (129ss.); dadurch wird ein wichtiges Argument von Martinet und seinen Schülern gegen die Relevanz der Intonation entkräftet. 352 Besprechungen - Comptes rendus sentation, der ebenfalls öfters Gelegenheit zu unterschiedlichen Auffassungen liefert. Ich zögere aber nicht im geringsten, den vorliegenden Band als eine ausgezeichnete, auf dem letzten Stand der Forschung basierende Einführung in die Phonetik und Phonologie zu bezeichnen, die den einmaligen Vorteil hat, daß sie dem suprasegmentalen Bereich einen zentralen Platz einräumt, ja letztlich auf die Behandlung dieses Bereichs geradezu zugeschnitten ist.Am häufigsten sind die Schwächen im allgemeinen ersten Kapitel.Dann aber unterliegt die Darstellung einem ständigen Crescendo, das in der Hausdomäne des Verfassers, der Intonologie, kulminiert.Nach diesem «Vorlauf» darf man auf den angekündigten Traite de phonostylistique zu Recht in höchstem Maße gespannt sein. P. W. * NIKOLAUS ScHPAK-DoLT, Einführung in die französische Morphologie, Tübingen (Niemeyer) 1992, 138 p. (Romanistische Arbeitshefte 36) Die vorliegende Publikation behandelt ein Gebiet, das zum Teil bereits Gegenstand von früheren Romanistischen Arbeitsheften war.Diese Werke, die Generative Morphologie des Neufranzösischen von Ferenc Kiefer und Ulrich Wandruszkas Probleme der neufranzösischen Wortbildung, wurden allerdings aus der Warte der Generativisten geschrieben. Schpak-Dolt orientiert sich demgegenüber bezüglich Terminologie und Methode am amerikanischen Strukturalismus. Was versteht man heute unter Morphologie? Laut Schpak-Dolt ist es «diejenige Teildisziplin der Sprachwissenschaft, die sich mit der Struktur (dem <inneren Aufbau,) der Wörter befaßt. Üblicherweise unterscheidet man innerhalb der Morphologie zwischen Formenlehre [Flexionslehre] und Wortbildungslehre....Manchmal wird Morphologie mit Flexionslehre gleichgesetzt, wobei dann ein Oberbegriff für Flexion und Wortbildung fehlt» (1). Abgesehen davon, daß die Frequenzverteilung von «üblicherweise» und «manchmal», betrachtet man neuere Arbeiten zu Flexion und Wortbildung, eher zweifelhaft ist, stellt man fest, daß sich die Abgrenzung der Morphologie hierin zunächst erschöpft. Nähere Ausführungen, weshalb der Verf. die Wortbildung in die Morphologie integriert, findet man erst am Ende der Einleitung: «Die Wortbildungslehre ist die Darstellung der Verfahren, nach denen aus einfachen Lexemen komplexere gebildet werden. Die Flexionslehre stellt die Bildung verschiedener Formen eines Lexems dar. Die Teilung in Stamm und Endung spiegelt die Unterscheidung von Wortbildung und Flexion wieder. Konsequenter wäre es, wenn die Wortbildung <Stammbildung> hieße; noch konsequenter: <Bildung des Radikals»> (36 ). Nicht nur kann es bedenkliche Konsequenzen haben, wenn man die Wortbildung als Stammbildung betrachtet (s.u.), auch überrascht die Selbstverständlichkeit, mit der die Wortbildung der Morphologie zugeordnet wird. Zwei aktuelle Einführungswerke zeigen diesbezüglich wesentlich mehr Problembewußtsein, obwohl die Wortbildung in ihren Werken anders als bei Schpak-Dolt keine zentrale Stellung einnimmt.Laut W.Dietrich und H. Geckeler (Einführung in die spanische Sprachwissenschaft, Tübingen 1990) divergieren die Meinungen bezüglich der Stellung der Wortbildung in der Linguistik stark.Je nachdem werde sie als ein Teil der Morphologie, der Lexik, der Syntax oder als autonomes Gebiet betrachtet (Drnrnrctt/ GEcKELER 1990: 90). P. Wunderli vertritt in seinem Band Französische Lexikologie (Tübingen 1989) die Auffassung, daß die Zuordnung der Wortbildung bei Wunderli Lexematik genannt zur Morphologie heute überholt sei.Der entscheidende Unterschied zwischen Lexematik und Flexion sei, daß erstere neue Wörter bzw.Lexien schaffe, die Flexion dagegen nicht (WuNDERLtl989: 74). Daß es zumindest sehr heikel ist, Wortbildung und Flexion in einer Oberkategorie zu rubrizieren, zeigt sich an folgender Aussage Schpak-Dolts: «Die Morphologie ist gekenn-
