Vox Romanica
vox
0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
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1993
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Kristol De StefaniTrésor de la langue française. Dictionnaire de la langue du 19e et du 20e siède (1789-1960) élaboré par le Centre national de la recherche scientifique (Institut national de la langue française, Nancy), Tome XIV (-ptère -salaud), Paris (Gallimard) 1990, XVII+ 1452 p.
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1993
O. Jänicke
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382 Besprechungen - Comptes rendus nie nur Aufhänger, z.B. für eine bestimmte Syntaxtheorie, ist; die Warte, aus der die verschiedenen Linguisten jeweils das Lexikon betrachten, wird also niemals zum «Selbstläufer». Unterschiede in der Gestaltung der Bilanzen lassen sich meiner Ansicht nach zumindest teilweise durch den Stellenwert, den das Lexikon im allgemeinen in den verschiedenen Disziplinen hat, erklären. Die Exposes aus den Gebieten Lexikographie, lexikalische Semantik und Etymologie, die sich traditionellerweise mit dem Lexikon beschäftigen, geben recht umfangreiche und breit angelegte Forschungsüberblicke über die letzten Jahrzehnte. Dagegen konzentrieren sich die Referate aus den Disziplinen Morphologie und Syntax, deren Beschäftigung mit der Inhaltsseite der Lexikoneinheiten als zentralem Bestandteil ihrer Theorie wesentlich jüngeren Datums ist, vor allem auf eine ausführliche Präsentation des von ihnen selbst bzw. ihrer Forschergruppe im CNRS entwickelten Ansatzes. Die rechnergestützte Datenverarbeitung ist zwar eine sehr junge Erscheinung in der Linguistik, war aber von Anfang an sehr eng mit dem Lexikon verknüpft und bietet Muller genügend Fundus für einen Forschungsüberblick. Der allgemeine Tenor der Bilanzen ist in allen Sektionen überwiegend positiv (Ausnahme Paul Tombeur). Gemeinsam ist den verschiedenen Autoren das Bemühen um eine integrale Sichtweise. Eine Ausnahme bildet in dieser Hinsicht die Sektion Etymologie, die zwar einen sehr genauen Forschungsüberblick liefert, aber auf Verbindungen zu anderen Ansätzen verzichtet und somit etwas monolithisch wirkt. In allen übrigen Sektionen werden dagegen Querverbindungen zu anderen Disziplinen hergestellt. Allerdings wirken einige Autoren dabei eher halbherzig und lassen aus starker Traditionsverbundenheit heraus? die nötige Offenheit vermissen. So sagt Rey-Debove einerseits, daß die lexikalische Einheit in der Lexikographie zukünftig noch umfassender konzipiert werden müsse, nämlich zugleich linguistisch und enzyklopädisch, und bekundet somit ihren Willen zur Öffnung gegenüber nicht primär lexikographischen Ansätzen. Andererseits betont sie mehrmals, daß lexikographie-externe Theorien für die Lexikographie grundsätzlich nur von sehr geringem Wert seien, und scheint so die Lexikographie abschotten zu wollen. Dabei ist der Bezug auf das Wörterbuch eine wichtige, als Bindeglied fungierende Konstante in allen Sektionen. Zum Teil werden sogar spezielle Wörterbücher zur Anwendung der Theorien entwickelt. Eines zumindest zeigt der vorliegende Band: Dem Schnittstellencharakter des Lexikons kann man nur gerecht werden, wenn man sich ihm von verschiedenen Seiten aus nähert. Yvonne Stark * Tresor de la langue fram; aise. Dictionnaire de la langue du 19 e et du zo e siede (1789-1960) · elabore par le Centre national de la recherche scientifique (Institut national de la langue frans;aise, Nancy), Tome XIV (-ptere -salaud), Paris (Gallimard) 1990, XVII+ 1452 p. In einer an herausragenden Publikationsereignissen nicht gerade reichen Periode in der Entwicklungsgeschichte der französischen Lexikographie muß das Erscheinen eines weiteren Bandes des TLF naturgemäß besondere Aufmerksamkeit auf sich lenken. Dies um so mehr, als der vorliegende Band mit seinen fast 1500 Seiten die beiden gewichtigen Buchstaben Q und R umfaßt (88-1373) und dazu noch das Ende des P (1-87) sowie den Anfang des S (1374-1443). Da der Band XIV kein spezielles Vorwort enthält, ist er ganz der Beschreibung des Sprachgebrauchs in den erwähnten Grenzen gewidmet, wenn man einmal davon absieht, daß der Band eingangs eine weitere Ergänzungsbibliographie (VII-X) enthält und am Ende einen Index jener Wörter, die nicht als Lemmata fungieren, sondern im Rahmen anderer Wortartikel behandelt werden (1444-1450), sowie ein Verzeichnis der Besprechungen - Comptes rendus 383 umfangreicheren Artikel und ihrer Verfasser. Schließlich soll noch auf eine weitere Äußerlichkeit hingewiesen werden: Band XIV des TLF präsentiert sich in einem neuen, olivgrünen Schutzumschlag, der eine nicht unbedingt erforderliche Neuerung darstellt, mit dem aber wohl der seit Band XI (1985) von Gallimard übernommene Vertrieb des TLF dokumentiert werden sollte. Wenn wir uns jetzt einer näheren Betrachtung des in Band XIV behandelten Wortmaterials zuwenden, so sollte von vornherein feststehen, daß eine Besprechung des TLF, die die Tat eines einzelnen ist, nicht die Kollektivleistung eines umfangreichen Mitarbeiterstabes, wie sie der TLF darstellt, bis in die Details kritisch durchleuchten kann. Wie schon in den früheren Besprechungen sehen wir auch hier unsere Aufgabe vornehmlich darin, auf allgemeinere Aspekte und Charakteristika, wie sie uns bei der Durchsicht des vorliegenden Bandes aufgefallen sind, einzugehen. Wenn dabei Einzelfälle zur Sprache kommen, so dienen sie der Illustration oder verdienen sonst unsere Aufmerksamkeit. In unseren früheren Besprechungen des TLF haben wir uns mehrfach ausführlich mit der allgemeinen Konzeption des Werkes beschäftigt. Es genügt daher, an dieser Stelle die wichtigsten Punkte in Erinnerung zu rufen. Bei dem, was hier und auch sonst der Einfachheit halber mit dem Obertitel des Werkes als Tresor de la langue frani:;aise (TLF) bezeichnet wird, handelt es sich entsprechend dem eigentlichen Titel Dictionnaire de la langue frani:;aise du 19' et du 20' siede um ein umfassendes Wörterbuch des Modernfranzösischen, wobei seine zeitlichen Grenzen ursprünglich mit 1789-1960 angesetzt worden sind. Auch wenn die Beschreibung der Standardsprache im Vordergrund steht, werden alle anderen Sprachregister vom TLF mitberücksichtigt. Zur Illustrierung des standardsprachlichen Gebrauchs werden in hohem Maße auch Beispiele aus literarischen Texten herangezogen, was durchaus einer Tradition in der französischen Lexikographie entspricht. Ferner enthält jeder Artikel eine ganze Reihe von Zusatzinformationen, die etwa die Aussprache und die Verwendungsfrequenz betreffen. Einen besonderen Platz unter den ergänzenden Informationen nehmen die wortgeschichtlichen und etymologischen Angaben ein, mit denen man einmal über das erstmalige Erscheinen der Wörter und ihrer einzelnen Bedeutungen und zum andern über ihre Herkunft bzw. Entstehung informieren will. Schließlich kommen gegebenenfalls noch bibliographische Angaben hinzu. Daß der TLF entsprechend seiner Grundkonzeption sein Hauptaugenmerk auf eine detaillierte Analyse des synchronen Wortgebrauchs in den erwähnten zeitlichen Grenzen richtet, läßt sich in Band XIV mit zahlreichen Artikeln illustrieren. Erwähnen wir hier nur einige der besonders ausführlichen Artikel: que, raison, rappeler, regarder, representation, representer 2, rouge, rouler, die teilweise mit einer einleitenden Übersicht über die Bedeutungen und Verwendungen versehen worden sind (raison, rappeler, representer2). Der besseren Lesbarkeit der Artikel dient auch der seit einigen Bänden vermehrt verwendete Fettdruck, mit dem innerhalb der einzelnen Artikel die verschiedenen Verwendungen gekennzeichnet werden. So treffen wir denn den Fettdruck vor allem in Verben gewidmeten Artikeln an, um die verschiedenen Möglichkeiten in deren Valenz und Distribution zu unterscheiden (cf. quitter, rabattre, raccourcir, raconter, raffermir, railler, rallier etc.). Ein anderes drucktechnisches Mittel, das der TLF auch erst nach Beginn seiner Publikation eingeführt hat, ist der Kleindruck für ganze Artikel neben dem von Anfang an praktizierten größeren Normalsatz. Sicher hat diese Entscheidung dazu beigetragen, den TLF in seinem Umfang zu reduzieren. Andererseits fällt es dem Benutzer nicht immer leicht, in jedem Falle nachzuvollziehen, nach welchen Kriterien der größere bzw. kleinere Satz verwendet worden ist. So erscheint etwa repartir gegenüber repartir in reduziertem Satz, obwohl seine Verwendungsfrequenz in dem vom TLF ausgewerteten Korpus eindeutig über derjenigen von repartir liegt. Ähnlich verhält es sich mit retrancher und retracer; auch hier wird in ersterem Falle der Kleinsatz verwendet, obwohl retrancher eine größere Verwendungsfrequenz aufweist als retracer. 384 Besprechungen - Comptes rendus Was die Berücksichtigung von Abkürzungen in Band XIV des TLF angeht, so verdienen die Siglen eine spezielle Erwähnung. Ihre Aufnahme in die Nomenklatur des TLF ist an sich kein Novum; denn die vom TLF aufgeführten Fälle (P.T.T., P.V., Q.G., Q.J.) finden sich auch schon im Grand Larousse de la langue fran<;;aise (1977) als selbständige Artikel. Andererseits wird eine ganze Anzahl von mit R beginnenden Sigeln im Artikel R zusammengestellt (RATP, RER, RF, R.M.l. etc.); das gleiche gilt für mit S anfangende Siglen, die sich im ersten Artikel des Buchstabens S wiederfinden (S.A., S.D.N., S.F.I. 0., S.M.I.C. etc.), wobei z.T. auf die Lemmata verwiesen wird, unter denen die Bezeichnungen in aufgelöster Form behandelt werden. Eine große Anzahl von Artikeln sind auch in Band XIV wieder griechisch-lateinischen Formanten gewidmet, wie sie vor allem in naturwissenschaftlichen und medizinischen Termini Verwendung finden. Nicht weniger als vierzig dieser «elements formants » sind in Band XIV im einzelnen behandelt worden (cf. etwa -ptere, -ptose, pycn(o)-, -pyle, pyr(o)-, radio-, -rama/ -orama, rect(i)-Jrect(o)-, retro-, rhino-, -rrhee, -r(r)hize, sacchar(o)-). Hinzu kommen noch einige «elements de composition » wie quasi-, quatre-, ramasse-, -reacteur, relais-1-relais, repose-, roman-. Schließlich darf im Zusammenhang mit den in Band XIV behandelten Wortbildungselementen auch nicht das Präfix re-/ re-/ rvergessen werden, dessen verschiedene Funktionen in einem über acht Seiten umfassenden Artikel analysiert worden sind und das sich danach in unzähligen Wortbildungen in der Nomenklatur wiederfindet. Daß der terminus ad quem, den sich der TLF ursprünglich selbst für seine Erhebungen gesetzt hatte und der noch immer auf seinem Titelblatt erscheint (1789-1960), mit fortschreitender Zeit immer häufiger überschritten wird, ist nichts Ungewöhnliches, nachdem sich die Redaktion entschlossen hatte, die Spalten des TLF auch den nach 1960 aufgetauchten Neologismen mit einem hohen Bekanntheitsgrad zu öffnen. So findet sich auch in Band XIV eine ganze Reihe von Artikeln, die ganz oder zumindest teilweise Wortschöpfungen oder Bedeutungen gewidmet sind, die sich nach 1960 verbreitet haben. Zu diesen Neologismen gehören u.a. quart-monde, racismel-iste, recycler/ -age, reggae, regionalisation, rentabiliser, reservation, restructurer, retombee, retraiter, revaloriser/ -ation, ringard 2, rock (and roll), roule-boule. Dem stehen auf der anderen Seite all jene Lexien und Bedeutungen gegenüber, die innerhalb der erwähnten Zeitspanne an Gebräuchlichkeit verloren haben oder gänzlich ungebräuchlich geworden sind. Dieses Wortgut, das aus heutiger Sicht eine eingeschränkte Verwendbarkeit aufweist, wird vom TLF als «vieilli » (etwa raout, rapieceter, relevee, renommer, retirement, retorte) oder als «vieux» (etwa puff, raffolir, ramponner, recorder 1 , recouvrance, rengreger, roquentin) gekennzeichnet. Hier zeigt sich, daß der TLF nicht nur ein Thesaurus des Französischen der letzten beiden Jahrhunderte, sondern auch ein Gebrauchswörterbuch für unsere Zeit wenn auch für gehobene Ansprüche sein will. In vielen Fällen wird der eingeschränkte Gebrauch der Wörter oder ihrer Bedeutungen durch zusätzliche Angaben präzisiert, so etwa rancuneux «vieilli, litter. ou region. (Belgique, Canada) » , rappareiller «vieilli, rare » , remugle, repentance, reployer, revancher alle «vieilli ou litter. » , quartaut «vx ou region. » , querir «vx, litter., ou region. » , ramentevoir «vx, litter., rare ou region. (Champagne)». Daß die Fachtermini hinsichtlich ihrer Zugehörigkeit zu den verschiedenen Berufs- und Wissenschaftsbereichen auch im TLF kenntlich gemacht worden sind, ist nichts Auffälliges; sie brauchen uns daher nicht weiter zu beschäftigen. Interessanter erscheint uns dagegen ein Hinweis auf die Regionalismen, die auch in Band XIV wieder zahlreich vertreten sind. Einmal repräsentieren sie das spezifische Wortgut der gegenwärtigen Frankophonie außerhalb Frankreichs, das nach dem erklärten Willen der Herausgeber im TLF Berücksichtigung finden soll. Zu dieser Kategorie gehören etwa für die Westschweiz racart (Valais), ranz (des vaches), replain (auch sonst im Bereich des Frankoprovenzalischen), röstis, für Belgien raccuser, rancuneux, reciproquer, renon, für Kanada rancuneux, rapailler, sacre 3, safre 2. Die nur im Besprechungen - Comptes rendus 385 regionalfranzösischen Sprachgebrauch lebenden Wörter, die vielfach in den Dialekten der jeweiligen Gegend wurzeln, finden sich natürlich auch innerhalb Frankreichs. Ihre Aufnahme in den TLF verdanken diese Termini zwei verschiedenen Umständen. Einmal handelt es sich um Regionalismen, die als Fachausdrücke der Gastronomie, Geographie, Botanik etc. überregionale Verbreitung gefunden haben, so etwa reblochon, replain, replat, rillettes, rillons, saladelle. Zum andern haben wir es mit lexikalischen Elementen zu tun, die Schriftsteller aus den Dialekten bzw. dem Regionalfranzösischen ihrer Heimatregion bewußt oder unbewußt in ihre Werke übernommen haben, so etwa pucher (Normandie/ Flaubert), rabouiller (Centre de Ja France/ Balzac), radee, rafataille (beide Sud-Est/ A. Daudet), reboule (Vivarais/ Pourrat), revolin (Ouest/ La Varende), rochasse (Provence/ Giono), rouette (Centre/ Renard), sagard (Vosges/ Erckmann-Chatrian). Die Berücksichtigung des sprachlichen Substandards («argot » , «populaire » , «familier » ) in einem umfassenden Wörterbuch des Französischen ist heute an sich nichts Außergewöhnliches mehr. Erwähnenswert ist dagegen die Art, mit der das spezielle Wortgut des Substandards im TLF behandelt wird. Und hierbei unterscheidet sich der TLF in der Tat von den anderen großen Wörterbüchern des Modernfranzösischen, und zwar in quantitati- . ver wie auch in qualitativer Hinsicht. So verzeichnet der TLF etwa ( en) quarante, rapioter, rigolboche, rosto, rotoplo(t)s, rouillarde, roupettes, sabouler 'laver; habiller (bien ou mal)', die sich im Grand Larousse de la langue fran,;;aise (GLLF) nicht finden. Andererseits ist die Behandlung der substandardsprachlichen Lexien, die von beiden Wörterbüchern erwähnt werden, durchweg ausführlicher im TLF. Während der GLLF etwa nur rouchie f. 'femme de mauvaise vie' (Zola) kennt, wird im TLFneben diesem auch rouchi m. 'homme de mauvaise vie, voyou' (Vidocq, Memoires) verzeichnet (s. rouchi 2 , -ie); und auch zu rouchie f. finden sich ergänzende Angaben im TLF. Schließlich läßt sich feststellen, daß der TLF bei der Zuordnung zu den verschiedenen Sprachregistern des Substandards in vielen Fällen die Festlegung auf ein einziges Register vermeidet. Diese Fälle werden entweder als «arg./ pop. » (se rabouler, raquer, (ii. la) redresse, retape, ribler, rital, rombiere, roussin, roustir etc.) oder als «pop./ fam. » (raclee,radin, refiler, requinquer, resucee, ronchonner, rosserie, rot, sacristi, etc.) gekennzeichnet. Ein solches Verfahren wird wahrscheinlich dem tatsächlichen Gebrauch in höherem Maße gerecht als eine Festlegung auf ein einziges Register, wie sie etwa vom GLLF praktiziert wird. Neben der synchronen Analyse des modernen Sprachgebrauchs im Hauptteil enthält jeder Artikel bekanntlich eine Rubrik «Etymologie et Histoire » . Diese etymologischsprachhistorische Komponente des TLF, die von einer eigenen Redaktionsabteilung betreut wird, ist in ihrer Bedeutung für das Gesamtwerk nicht zu unterschätzen. Sie liefert einmal die diachrone Dimension zu den synchronen Angaben des ersten Teils, indem die wichtigsten Bedeutungen und Wendungen mit ihren Erstbelegen genannt werden. Zum andern gibt sie Aufschluß über Ursprung oder Herkunft des Wortes. Auch für den Spezialisten hat diese Rubrik insofern ihre Bedeutung, als davon ausgegangen werden darf, daß sie die aktuellsten Angaben zu den Erstdatierungen enthält, da die herkömmlichen etymologischen Wörterbücher des Französischen nicht mehr den neuesten Forschungsstand repräsentieren. Zudem sind die Erstbelege des TLF mit genauer Quellen- und Stellenangabe versehen, was gegebenenfalls den direkten Zugang zur Quelle ermöglicht und zugleich die Gewähr bietet, daß alle Angaben kontrolliert worden sind. Auf die wortgeschichtlichen Daten folgen dann die etymologischen Angaben, die sich im weiteren Sinne mit dem Ursprung des Wortes befassen. Diese beschränken sich in den in Band XIV häufigen Fällen, in denen eine Zusammensetzung mit dem Präfix revorliegt, auf weniges, und zwar auf den Verweis auf das jeweilige Simplex. In den anderen Fällen, wo es um ein Etymon im engeren Sinne geht, stützt sich der TLF naturgemäß auf die Angaben der vorhandenen Quellen. In der Übersicht über die vorliegenden Erklärungen setzt der TLF durchaus eigene Akzente bzw. macht eigene Interpretationsvorschläge (cf. etwa rosse). 386 Besprechungen - Comptes rendus H. Meiers alternative Etymologien haben zumindest teilweise auch Eingang in den TLF gefunden; s. regretter, rider werden Meiers vulgärlateinische Ansätze immerhin in Erwägung gezogen, ansonsten begnügt man sich mit bibliographischen Angaben (s. randonner, riper), die aber auch fehlen können (etwa bei reveche). Erwähnung verdient ferner die etymologische Behandlung der lexikalischen Elemente des Substandards. Da die landläufigen etymologischen Wörterbücher nur ganz begrenzt den substandardlichen Wortschatz berücksichtigen, ist der TLF hier weitgehend auf sich allein gestellt, wenn man einmal von den Erklärungen bei G. Esnault absieht. Der TLF versucht sich dabei seiner Aufgabe so gut es geht zu entledigen. Es ist aber nicht zu übersehen, daß wir es hier mit einem ausgesprochen schwierigen Bereich der französischen Etymologie zu tun haben, in dem in vielen Fällen Unsicherheit um nicht zu sagen Ratlosigkeit herrscht. Angaben wie «mot d'origine incertaine», «origine obscure», «origine inconnue», «mot d'origine discutee» häufen sich gerade bei den Lexien, die als «argot», «populaire» oder «familier» bezeichnet werden (cf. rancart, rapin, rencard, requinquer, rigodon, ringard 2, rotoplo(t)s, rouchi 2, roussin, roupie 1 etc.). In anderen Fällen wird die Erklärung mit einem Vorbehalt («probablement») versehen (cf. ribambelle, riper etc.). Hier tut sich ein interessantes Betätigungsfeld innerhalb der französischen Etymologie auf, da die Quellen bzw. Wortbildungsmodelle des Substandards nur ungenügend erforscht sind; expressive Wortschöpfungen (a la Saint-Glinglin), tautologische Verbalkomposita (sabouler), Übernahmen aus den galloromanischen Dialekten (roupettes, rouste, roustons) sind nur einige der in Frage kommenden Möglichkeiten. Wie schon bei den etymologischen Erklärungen der standardsprachlichen Elemente muß auch hier auf eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den etymologischen Ansätzen verzichtet werden, da sie den Rahmen einer Besprechung sprengen würde. Das participe passe, das als Adjektiv oder substantiviertes Adjektiv Verwendung findet, wird im TLF bekanntlich als Sublemma (sous-vedette) unter dem jeweiligen Verb aufgeführt, wobei diese Art Artikel zunächst keine Rubrik «Etymologie et Histoire» enthielt. Seit neuerem ist jedoch zu beobachten, daß diese Unterartikel vermehrt (aber noch nicht durchgängig) mit einer eigenen diachronen Rubrik versehen werden (in Band XIII u.a. pique, porte; in Band XIV etwa reclus, revolte, risque, roue, roui, roule, rubane, ruche, saccade). Die Rubrik «Etymologie et Histoire» betrifft auch eine gewisse terminologische Vielfalt, auf die teilweise schon früher aufmerksam gemacht wurde. So werden auch in Band XIV weiterhin latin populaire und latin vulgaire nebeneinander verwendet. Zur Bezeichnung des Spätlateins kommen die Äquivalente bas latin, latin de hasse epoque und latin tardif vor; mit latin d'epoque imperiale dürfte dagegen primär das gemeint sein, was man gemeinhin als latin postclassique bezeichnet. Ein anderer Punkt, der ebenfalls schon einmal zur Sprache gekommen ist, betrifft die Quantitätsangaben bei den lateinischen Etyma. Nach wie vor wird hier keine einheitliche Linie verfolgt. In vielen Fällen wird auf die Angabe der Quantität verzichtet, so etwa auch bei den Infinitiven der dritten lateinischen Konjugation (cf. s. remettre, rendre, restreindre, rompre), während bei den französischen Verben, die einen Konjugationswechsel voraussetzen (cf. repondre, rire), die Quantitätsangaben auf ihren lateinischen Vorlagen nicht fehlen. Eine solche Angabe dürfte auch nicht fehlen auf rota, wenn man schon afr. ruee zitiert (s. roue). In anderen Fällen, wo die Quantitäten gesetzt werden, sind sie dagegen überflüssig, etwa bei Wörtern gelehrten Ursprungs (replet < repletus, repletion < repletio) oder bei den lateinischen Verben auf -äre (*recentiäre s. rincer, räsitäre s. radoire), im Gegensatz zu den Verben auf -ere, wo die Quantitätsangabe Klarheit hinsichtlich der Konjugationsklasse schafft. Solche Inkonsequenzen sind zu bedauern, aber bei der Größe des Unternehmens wohl unvermeidlich. Schließlich soll noch auf ein paar kleinere Mängel hingewiesen werden, die uns bei der Durchsicht des Bandes XIV aufgefallen sind. Fr. rature (afr. rasture) geht natürlich nicht Besprechungen - Comptes rendus 387 auf ein «lat. mediev. rasitoria» zurück, sondern auf ein *rasitura (cf. FEW 10,92b); rasitoria liegt dagegen dem apr. rasdoira zugrunde, das als radoire französiert worden ist (s. dort). Fr. recipiendaire wird als «Der. sav. du lat. recipiendus 'qui doit etre re�u', gerondif de recipere . ..» erklärt; recipiendus ist aber kein gerondif (= Gerundium), sondern ein adjectif verbal auf -ndus (= Gerundivum), wie es im übrigen richtig s. reintegrande und reprimande heißt. Wenn retrograder mit «empr. au b. lat. retrogradere...» interpretiert wird, so trifft dies nicht zu; es ist nur ein spätlat. retrogradare (für klass. retrogradi) belegt. Die den jeweiligen Artikel beschließende Bibliographie (Bbg.) ist sicher eine nützliche Rubrik. Wenn es schon unmöglich ist, Vollständigkeit bei den bibliographischen Angaben anzustreben, so sollte doch zumindest die neueste Literatur genannt werden. So gesehen überrascht, daß s. ruche wohl W. BRINKMANNS Arbeit über den Bienenstock (1938) zitiert wird, nicht aber diejenige von E. LEGROS, Sur les types de ruches en Gaule romane et leurs noms (1969). Auch einige Druckfehler sollen an dieser Stelle erwähnt werden: s. quichenotte («Etymol. et Hist. » ) muß es kiso heißen; s. raine (ib.) port. rä sowie logoudorien (nicht -on-); s. ratisser (ib.) soit (nicht soi); s. requinquer (ib. Ende) passim (nicht parsim); s. rhinoceros (ib.) QLVOXEQW� (nicht QLWOXEQW�); s. -r(h)ynque fehlen die Klammern in -r(r)(h)ynque, -r(r)(h)inque; s. romanesque (Bbg.) Bedeutungsgeschichte (nicht -dent-). Trotz kleiner Mängel, die sich bei dem Umfang des Unternehmens nicht vermeiden lassen, stellt auch der Band XIV wieder eine überzeugende Kollektivleistung der TLF- Redaktion dar. O. Jänicke * GRACIELA CHRIST, Arabismen im Argot. Ein Beitrag zur französischen Lexikographie ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Frankfurt a. M./ Bern/ New York/ Paris (Lang) 1991, 632 p. (Europäische Hochschulschriften, Reihe 13, Bd. 160) Die von H. Kröll betreute Mainzer Dissertation stellt die im Zuge der Kolonisierung Algeriens hauptsächlich über das Militär in den französischen Argot gelangten Arabismen zusammen. Die Initiative zu dieser Arbeit ist sehr zu begrüßen, da vor allem im Bereich des Argot sonst eher disparate Einzeluntersuchungen erscheinen und komplexere Veröffentlichungen die Ausnahme bilden. Zu den Entlehnungen im Argot gab es bis 1991, wenn auch zahlreiche, so doch weitgehend summarische Beiträge\ von denen keiner das Material auch nur einer Sprache erschöpfend darzustellen vermochte. Zudem werden «exotische Sprachen» wie das Arabische etymologisch oft nur approximativ behandelt, so daß eine sachkundige Bearbeitung hier wohltuend Abhilfe schafft. Christ gliedert ihre Arbeit in drei Hauptteile, 1. einen einleitenden und analytischen Teil mit Literaturverzeichnis, Definition des Argot, Vorstellung des Arabischen und anderer Islamsprachen, Lexeminventar und Diskussion der Ergebnisse (7-154), 2. ein Glossar (155-573) mit Belegen, Varianten, Bedeutungen und etymologischen Angaben zu den Lemmata und 3. einen Wortindex nach behandelten Sprachen (575-621). Die Begrenzung auf die Zeit ab der zweiten Hälfte des 19. Jh.s ist kaum einschränkend zu verstehen, denn Material aus der Epoche vor und zu Beginn der Kolonisierung Algeriens (1830) liegt nur in amiral 'cuillere' (1827), marabout 'protecteur äge, tente, aumönier' (1840) und sirop 'vin, cafe miserable, sang' (1750) vor 2 • Allerdings ist darauf hinzuweisen, daß sich die Vf. nur mit Direktentlehnungen aus dem Arabischen befaßt und 1 CF. V. NoLL, Die fremdsprachlichen Elemente im französischen Argot, Frankfurt a.M./ Bern/ New York/ Paris 1991: 37-43, 195-98. 2 CF. G. ESNAULT, Dictionnaire historique des argots fran1; ais, Paris 1965, s.v.
