Vox Romanica
vox
0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
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1996
551
Kristol De StefaniELISABETH BURR, Verb und Varietät. Ein Beitrag zur Bestimmung der sprachlichen Variation am Beispiel der italienischen Zeitungssprache, Hildesheim/Zürich/New York (Olms) 1993, 591 p.
121
1996
M. Grünert
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Besprechungen - Comptes rendus 285 manca -ata / -ate all'ultima riga; nella tavola 24i (158) la forma projm;; efinita nella colonna sbagliata; nella tavola 36i (167s.) le forme metafonetiche lup;; e fridd;; non sono sottolineate, mentre lo e la forma non metafonetica gr;Jss;;. (A p. 163, penultima riga, invece di Table 24 leggi Table 34.) Le forme citate sono trascritte con il sistema dell'API, il ehe ha comportato un lavoro non indifferente data la varieta e spesso la poca chiarezza dei sistemi utilizzati dalle fonti (ma a p. 200 (Tav. 51) le forme onsernonesi saranno mazari, mazEri e a p. 209 quelle padovane saranno faZofO e fazuj). Vari errori nella localizzazione dei punti della Svizzera ltaliana nell'Appendice e passim (175s., 234: la Val Leventina ein Canton Ticino, Villette invece in Val Vigezzo, Piemonte, ecc.). G. Salvi * ELISABETH BuRR, Verb und Varietät. Ein Beitrag zur Bestimmung der sprachlichen Variation am Beispiel der italienischen Zeitungssprache, Hildesheim/ Zürich/ New York (Olms) 1993, 591 p. Hauptziel der vorliegenden Arbeit ist es, aufgrund der in einem Korpus zur italienischen Zeitungssprache gegebenen Realisierungen des Verbalsystems Varietäten abzugrenzen. Einen einleitenden theoretischen Teil findet man in den Kapiteln 2-5. Diese liefern einen Forschungsüberblick zu Tempus, Aspekt und Modus, eine Darstellung des romanischen Verbalsystems nach Coseriu 1 , das die Autorin als Grundlage für die eigene Untersuchung wählt, eine Diskussion von Coserius Begriffen System, Norm, Rede, historische Sprache und funktionelle Sprache (Varietät) sowie Betrachtungen zur inneren Variation der italienischen Zeitungssprache, einem Aspekt, der wie die Autorin feststellt in der Forschung bisher vernachlässigt wurde. Dieser Einleitungsteil scheint uns zu umfangreich. Da die Autorin keine eigene Theorie aufstellt, die sie gegenüber Bestehendem vertreten müßte, sondern weitgehend das romanische Verbalsystem nach Coseriu übernimmt, hätte sie auf einen so ausführlichen Forschungsüberblick (Kapitel 2) verzichten können. Dies umso mehr als das dabei aufgearbeitete theoretische Material für die empirische Untersuchung nicht operativ ist. Es sei namentlich darauf hingewiesen, daß in dieser Einführung die Funktionen der Kategorien und Tempora im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen, während es bei der nachfolgenden statistischen Untersuchung um Frequenzen geht. Auf eine problematische Stelle bei der Situierung der Systeme der Varietäten innerhalb der historischen Sprache (Kapitel 4) gehen wir weiter unten ein. Zunächst besprechen wir den Hauptteil der Arbeit, welcher der empirischen Untersuchung gewidmet ist (Kapitel 6-9). Um das zu untersuchende Sprachmaterial in Umfang und Zusammensetzung genau zu erfassen, hat E. Burr ein computerlesbares Korpus erstellt. In diesem sind vier italienische Tageszeitungen - La Repubblica, Il Corriere della Sera, La Stampa und Il Mattino mit je einer Wochenausgabe vertreten. Aus zeitlichen Gründen konnten jedoch nur je zwei Ausgaben pro testata in die Untersuchung einbezogen werden. Sämtliche in diesem reduzierten Korpus vorkommenden Verbalformen wurden je nach Realisierung der nach Coseriu verstandenen Kategorien Modus, Ebene (aktuell/ inaktuell), Tempus und Aspekt mit einem Code versehen. Im erfaßten Textmaterial hat die Autorin Einheiten abgegrenzt, aufgrund derer Varietäten bestimmt werden sollen. Solche Einheiten sind die drei Darstellungsformen Prosa, Discorso und Citazione: vom fortlaufenden Prosatext heben sich die Wiedergabe von mündlich Geäußertem (Discorso) und das Zitieren von in schriftlicher Form vorliegenden Texten (Citazione) ab. Weitere Einteilungen liefern Textarten wie 1 Cf. E. CosERIU, Das romanische Verbalsystem, Tübingen 1976. 286 Besprechungen - Comptes rendus Artikel, Nachricht, Interview, Leserbrief etc. und thematische Sparten wie Politica, Economia, Cultura, Sport etc. Bei der Untersuchung der hier erwähnten Texteinheiten steht nicht die Norm als selektive Realisierung (des nach Coseriu verstandenen romanischen Verbalsystems) im Vordergrund, sondern der statistische Aspekt, d. h. die Frequenz der Kategorien und Tempora in den verschiedenen Texteinheiten. Die Untersuchung des Korpus bringt eine ganze Reihe interessanter Resultate an den Tag, von denen hier einige erwähnt seien. Zuerst werden die vier Zeitungen als Einheiten charakterisiert. Dabei zeigt sich, daß die von La Stampa und II Mattino realisierte Norm der Norm des Gesamtkorpus entspricht. Davon weicht II Corriere della Sera durch eine niedrigere Frequenz des Imperativs und des Indikativ Imperfekt leicht ab, während La Repubblica durch ein Plus in einer Reihe von Paradigmen als «Störfaktor» erscheint (226) 2 . Die Darstellungsart Discorso zeichnet sich insgesamt durch ein Plus an finiten Verbformen aus, während die Darstellungsart Citazione entsprechend der sie determinierenden Schriftlichkeit ein Minus an finiten Verbformen und ein Plus an Formen des Passivs aufweist (251). Vergleicht man die Ergebnisse zu den einzelnen Zeitungen bezüglich der Darstellungsart Discorso, so stellt man zwei unterschiedliche Sichtweisen der gesprochenen Sprache fest. Die eine wird von II Corriere und La Repubblica vertreten, bei denen das starke Minus an Realisierungen des Passato remoto auf eine Stilisierung des gesprochenen Italienisch hinweist. Bemerkenswert ist dabei, daß sich der stark in der Lombardei verankerte Corriere durch einen leichten Mehrgebrauch des Passato remoto von La Repubblica abhebt. Die Frage, an welchem Modell der gesprochenen Sprache sich die beiden Zeitungen orientieren, wird offengelassen. Vermuten kann man eine Anlehnung an die in der Toskana gesprochene Gemeinsprache (267). Die zweite Sichtweise der gesprochenen Sprache wird von La Stampa und II Mattino vertreten, die sich durch ein markantes Plus an den Formen des Passato remoto auszeichnen. Ein solches Ergebnis ist in bezug auf La Stampa besonders erstaunlich, findet doch diese Zeitung ihre größte Verbreitung in einer Gegend, in der das Passato remoto in der gesprochenen Sprache nicht gebraucht wird. Was das Plus an Formen des Passato remoto bei II Mattino anbelangt, so kann man eine Anlehnung an den regionalen Sprachgebrauch annehmen; möglich wäre aber auch, «daß II Mattino und La Stampa einer Norm folgen, die nicht mit der gesprochenen Sprache in Verbindung steht und im Falle des Mattino nur zufällig mit der regionalen Varietät in Einklang zu bringen ist» (268). Die Ergebnisse zur Darstellungsart Discorso machen somit deutlich, wie gebrochen gesprochene Sprache im schriftlichen Medium wiedergegeben wird und wie schwierig es ist, einen Bezug zum jeweiligen regionalen Sprachgebrauch herzustellen. In der Darstellungsart Prosa innerhalb der Textart Articolo zeichnen sich verschiedene Stile des Berichtens ab (296s.). Im Corriere weisen das Minus bei der inaktuellen Ebene (imperfetto, trapassato, condizionale) und beim Passato prossimo sowie das Plus beim Präsens auf «eine die präsentische Aktualität der berichtenden Fakten hervorhebende Berichterstattung» hin. II Mattino zeichnet sich durch einen geringen Gebrauch des Passato remoto und durch eine hohe Frequenz an Formen des Passivs aus; dies scheint auf einen «unliterarischen oder sogar fachsprachlichen Stil» hinzudeuten. Bei La Stampa fällt die Bevorzugung der Retrospektive (Passato prossimo und Passato remoto) auf. La Repubblica ist hier die am schwächsten charakterisierte Einheit, die also der zeitungsübergreifenden Norm der Textart am nächsten steht. Schließlich sei noch auf die Untersuchung der thematischen Sparten innerhalb der Textart Articolo (Darstellungsart Prosa) verwiesen (333-440). Aus den Resultaten zur 2 Die Autorin bedient sich des Verfahrens der induktiven Statistik um zu errechnen, ob eine Abweichung als signifikant zu betrachten ist oder nicht (180-82). Besprechungen - Comptes rendus 287 Verteilung auf die Kategorien (finite Verben/ andere Wortarten, Aktiv/ Passiv, Indikativ/ Konjunktiv/ Imperativ, Konjunktiv: aktuell/ inaktuell, Indikativ: aktuelllinaktuell) geht folgendes hervor: Beim Corriere und bei La Repubblica weist nur je eine Sparte (Prima Piano bzw. Politica) dieselben Verteilungen wie die Textart Articolo/ Prosa auf; bei Il Mattino hingegen sind es drei Sparten (Cultura, Napoli Spettacoli und Politica) und bei La Stampa sogar deren fünf (Cronache Italiane, Cultura, Estero, Interna und Torino Cronaca). Aufgrund der Abweichungen lassen sich bei Corriere, Repubblica und Mattino keine größeren homogenen Einheiten zusammenfassen. Anders liegen die Dinge bei La Stampa: Drei Sparten zeigen hier nur bei der Verteilung zwischen finiten Verbformen und anderen Wortarten Abweichungen, und drei weitere Sparten weisen nur auf der inaktuellen Ebene ein Minus auf. Was die Verteilung auf die Kategorien betrifft, zeichnet sich also La Stampa durch eine erstaunliche Homogenität aus. Betrachtet man auch die Verteilung auf die einzelnen Tempora, stellt man bei allen Zeitungen besonders im Indikativ eine große Vielfalt von Abweichungen fest; und nur noch zwei Sparten realisieren dann vollständig die Norm Articolo/ Prosa: Politica bei La Repubblica und Cultura bei / l Mattino. Wenn man die vorwiegende Heterogenität bei der Verteilung sowohl auf die Kategorien als auch auf die einzelnen Tempora betrachtet, wird man gewahr, wie schwierig es ist, aufgrund der hier untersuchten thematischen Einheiten Varietäten abzugrenzen. Wahrscheinlich ist für diese Aufgabe das vorliegende Korpus auch zu klein. Während man sich bei Einheiten wie den Darstellungsarten oder gewissen Textarten auf eine größere Grundlage von Belegstellen stützen kann, ist bei einer Zergliederung in zwölf bis siebzehn Sparten pro Zeitung(! ) in einer Einheit oft nur eine geringe Anzahl von gesuchten Vertretern gegeben. Man kann daher auch bezweifeln, ob solche Ergebnisse aussagekräftig sind. Eine weitere Schwierigkeit ist dadurch bedingt, daß die vier Zeitungen unterschiedliche Einteilungen in Sparten vornehmen, was den zeitungsübergreifenden Vergleich nicht immer erlaubt. Einen solchen Vergleich führt die Autorin am Schluß ihrer Arbeit für zwei Sparten durch. Sie stellt sich dabei die Frage, «in welchem Maße sich die thematische Einheitlichkeit in einer einheitlichen, zeitungsunabhängigen Varietät spiegelt oder aber an zeitungsspezifischen Merkmalen reibt » (420). Während man bei der Sparte Sport nur von einer Tendenz zur Unterscheidung von zwei zeitungsübergreifenden Varietäten ausgehen kann (Corriere-Repubblica vs. Mattino-Stampa), zeichnet sich die Sparte Motori über alle vier Zeitungen hinweg durch eine auffallende Homogenität aus(433s.). Zum Schluß sei noch ein problematischer Passus in Kapitel 4 besprochen, das sich mit Coserius Begriffen System, Norm, Rede, historische Sprache und funktionelle Sprache (Varietät) befaßt. Wie erwähnt, legt E. Burr ihrer Untersuchung das von Coseriu definierte romanische Verbalsystem zugrunde. Diesen Schritt begründet sie damit, daß die Varietäten oder funktionellen Sprachen, aus welchen sich die historische Sprache Italienisch zusammensetzt, unterschiedliche Verbalsysteme aufweisen, die nur vom romanischen System her erfaßt werden können: «Wenn wir also von einem romanischen Verbalsystem ausgehen, so stellen aufgrund des bisher Dargelegten eigentlich alle funktionellen Sprachen, die die einzelnen historischen Sprachen konstituieren, unterschiedliche Systeme normaler Realisierungen des einen romanischen Systems dar, gleichgültig welcher spezifischen historischen Sprache sie auch immer zugeordnet sind. » (120) Als Beleg dafür, daß es nicht immer genügt, auf das System der Gemeinsprache zurückzugreifen, führt die Autorin das Vorhandensein des einfachen Plusquamperfekts in süditalienischen Dialekten an. Dieses Paradigma fehlt im System der italienischen Literatursprache, ist aber im romanischen System, das Coseriu definiert hat, gegeben. Eine solche Begründung scheint uns nicht überzeugend, geht doch Coseriu nur von den fünf Literatursprachen Französisch, Italienisch, Spanisch, Portugiesisch und Rumänisch aus (op.cit. 14). Das auf dieser Basis gründende romanische Verbalsystem enthält zwar die erwähnten einfachen Plusquamperfektformen, da diese im Spanischen und Portugiesi- 288 Besprechungen - Comptes rendus sehen realisiert sind. Es scheint uns jedoch fragwürdig, im Bereich des Verbs alle Varietäten der genannten fünf historischen Sprachen auf ein System zurückzuführen, das nur auf g rund der jevveili g en Literatursprachen bestimmt v1urde. Um die Verschiedenartigkeit der Verbalsysteme innerhalb einer historischen Sprache zu illustrieren, führt die Autorin, wie eben erwähnt, ein Beispiel aus der diatopischen Variation an. Gerade aus diesem Bereich möchten wir ein Faktum nennen, das sich nicht in das aufgrund der fünf großen Literatursprachen definierte Verbalsystem einordnen läßt. Es handelt sich um die Nachfolger des lateinischen Konjunktiv Plusquamperfekt, die in einigen italienischen Dialekten sowohl als Konjunktiv (z. T. als Konjunktiv Imperfekt, z. T. als Konjunktiv Präsens und Imperfekt) als auch als Konditional dienen 3 . In dem von Coseriu postulierten System figurieren jedoch Konjunktiv und Konditional als Funktionen, zwischen denen kein partizipatives Verhältnis besteht: Indikativlinaktuelle Ebene/ Zukunft ( = Konditional Präs�ns) und Konjunktiv/ aktuelle bzw. inaktuelle Ebene/ Gegenwart ( = Konjunktiv Präsens bzw. Imperfekt). Somit ließe sich ein Paradigma, das die beiden Funktionen Konjunktiv und Konditional erfüllt, nicht eindeutig einer Stelle zuordnen. Wollte man ein System postulieren, das alle Varietäten einer historischen Sprache zu erklären vermöchte, müßte man alle in diesen Varietäten realisierten Paradigmen mit ihren Funktionen berücksichtigen. Dieses Bedürfnis bestand natürlich bei der vorliegen- 3 Die Nutzung des Typs CANTA(vr)SSEM als Konditional ist vor allem in Sizilien verbreitet (L. ALFONSO, La morfologia del verbo nelle parlate della Sicilia sud-orientale, Palermo 1980: 57- 63 und C.Avouo, Introduzione allo studio del dialetto siciliano, Palermo 1975: 77-79), findet sich aber auch in Dialekten der Abruzzen, Kampaniens, Nordapuliens und Istriens (G. RoHLFS, Historische Grammatik der italienischen Sprache und ihrer Mundarten. Formenlehre und Syntax, Bern 1949: 400). Der AIS (vol. 8, Karte 1627: Gli parlerei io, [se lo trovassi]) belegt diesen Gebrauch wenn man von Romanisch Bünden und der Dolomitenladinia absieht·für Sizilien (an 17 von 18 Aufnahmeorten), Neapel (an den Punkten 720 [Monte Procida] und 721 [Napoli]), Bari (Punkt 719) und Pirano in Istrien (Punkt 368). Im Sizilianischen, wo die Nutzung des Typs CANTA(vr)ssEM als Konditional die stärkste Verbreitung hat, läßt sich allerdings ein Rückgang der konjunktivischen Verwendung dieses Typs verzeichnen. Eine Ausnahme scheint lediglich beim hypothetischen Satzgefüge vorzuliegen: Für die Protasis wird an 17 von den 18 Aufnahmeorten des AIS der Typ CANTA(vr)SSEM angegeben (vol. 8, 1628: [Gli parlerei io,] se lo trovassi). Andere Karten desselben Bandes belegen dagegen eine schwächere Präsenz: 1641 (mi rincresceva ehe non lo trovassimo), Belege an 11 von 17 Orten (für 1 Ort keine Angaben); 1651 ([mi meraviglio] ehe non lo troviate), Belege an 5 von 16 Orten (für 2 Orte keine Angaben); 1672 (credevo ehe mi strozzasse), Belege an 4 von 15 Orten (für 3 Orte keine Angaben); 1653s. (Voglio ehe tu finisca e ehe ci dica tutto), Belege an 4 von 16 bzw. 13 Orten (für 2 bzw. 5 Orte keine Angaben); 1638s. (Volete ehe ci vada io [o] ehe ci mandi qualcheduno? ), kein Beleg. Das Sizilianische, das bereits den Konjunktiv Präsens aufgegeben hat, kommt also laut den einschlägigen AIS-Karten auch von der konjunktivischen Nutzung des Typs CANTA(vr)ssEM ab. Somit spezialisiert sich dieser Typ zunehmend für die Nutzung als Konditional. In bezug auf diejenigen sizilianischen Dialekte, für welche der AIS den Typ CANTA(vr)ssEM nur im hypothetischen Satzgefüge (durchwegs in Protasis und Apodosis) belegt, drängt sich überhaupt die Bezeichnung «Konditional» auf: Der sr-Satz ist dann der einzige Kontext, in dem der Typ CANTA(vr)s- SEM wie im Italienischen gebraucht wird; in allen übrigen Fällen kommt dieser Typ dort zur Anwendung, wo im Italienischen der Typ CANTARE HABUI steht. (Eine solche Einschränkung auf die Nutzung als Konditional findet man auch in Romanisch Bünden, einem anderen Randgebiet der Romania; cf. RICARDA LrvER, «Probleme der altsurselvischen Morphosyntax. Zum Desiderat einer Sprachgeschichte des Bündnerromanischen», in: VRom. 52, 1993: 117-32.) Es muß aber davon ausgegangen werden, daß der Typ CANTA(vi)ssEM auf einer früheren Sprachstufe im Sizilianischen generell sowohl als Konjunktiv eine starke Präsenz hatte, als auch wie heute noch als Konditional verwendet wurde. Besprechungen - Comptes rendus 289 den Untersuchung nicht, geht es doch darin ausschließlich um Variationen innerhalb der Gemeinsprache. Die starken Variationen auf der Ebene der primären Dialekte (Dialekte, «die auch schon vor der Herausbildung einer Gemeinsprache als traditionelle Sprachsysteme existieren und somit keine Dialekte der Gemeinsprache sondern der historischen Sprache als solcher sind» [116]) werden nicht ins Auge gefaßt. Es fragt sich deshalb, wieso die Autorin mit einem System alle Varietäten der historischen Sprache erfassen will, wenn sie sich doch nur mit einem bestimmten Bereich des Variationsspektrums zu beschäftigen gedenkt. Zusammenfassend können wir festhalten, daß die Arbeit von E. Burr in zwei qualitativ unterschiedliche Teile zerfällt: Einer zu umfangreichen, teilweise nicht operativen theoretischen Einführung steht die empirische Untersuchung mit ihren interessanten Resultaten gegenüber, die oft zu weitergehenden Untersuchungen an größeren Korpora auffordern. Nicht nur mit der Schaffung eines computerlesbaren Korpus und einer (zu veröffentlichenden) Konkordanz zu den darin vorkommenden finiten Verbformen, sondern auch mit der Präsentation verschiedener noch interpretationsbedürftiger Ergebnisse hat E. Burr, wie sie es auch ausdrücklich beabsichtigt, eine Grundlage für weitere Forschungsarbeiten geleistet. M. Grünert * Le Roman de Tristan en prose. Publie sous la direction de PHILIPPE MENARD. Tome 6 : Du sejour des amants a la Joyeuse Garde jusqu'aux premieres aventures de la «Queste du Graal». Edite par EMMANUELE BAUMGARTNER et MrcHELE SzKILNIK, Geneve (Droz) 1993, 477p. (TLF 43 7). - Tome 7: De l'appel d'Yseut jusqu'au depart de Tristan de la Joyeuse Garde. Edite par DANIELLE QuERUEL et MoNIQUE SANTuccr, Geneve (Droz) 1993, 52 5 p. (TLF 45 0). - Tome 8: De la quete de Galaada la destruction du chateau de la lepreuse. Edite par BERNARD GmooT et JEAN SuBRENAT, Geneve (Droz) 1995, 40 7p. (TLF 462) In meinen beiden hier publizierten Rezensionen zu den vorangehenden fünf Bänden dieses unter der Ägide von Ph. Menard durchgeführten Großprojekts habe ich bereits dessen Grundzüge eingehend dargestellt und gewürdigt 1. Um mich nicht zu wiederholen, verweise ich an dieser Stelle auf diese Besprechungen. Wenn jetzt gleich drei weitere im Jahresrhythmus erschienene Folgebände der Edition anzuzeigen sind, so wird damit meine am Schluß der zweiten Rezension zum Ausdruck gebrachte Erwartung hinsichtlich der zügigen Fortführung des mehr als beeindruckenden Unternehmens hinlänglich bestätigt. Man kann Ph. Menard und seinem Forscherteam zu dieser Arbeitsintensität nur gratulieren. Band 6 wird von E. Baumgartner (Professorin an der Universität Paris III, Sorbonne Nouvelle), einer bestens ausgewiesenen Kennerin des Tristan-Stoffes 2 und von M. Szkilnik 3 ediert. Inhaltlich reicht dieser Teil des Werkes vom Ausgang des für Tristan siegreichen Turniers zu Louvezerp über «Ja grande fete de la Pentecote du Graal» ( 11) sowie den 1 VRom. 48 (1989): 35ls. und VRom. 53 (1994): 332s. 2 Ich verweise hier exemplarisch nur auf ihr Werk Le Tristan en prose, essai d'interpretation d'un roman medival, Geneve (Droz) 1975. 3 Nähere Angaben sind mir zu M. Szkilnik leider nicht möglich. Entsprechende Angaben finden sich bei Band 6 erstaunlicherweise auch nicht wie bei den vorangehenden und folgenden Bänden üblich auf der vorderen Einbandseite.
