Vox Romanica
vox
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2941-0916
Francke Verlag Tübingen
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1996
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Kristol De StefaniPIERRE RÉZEAU, Le «Vocabulaire poitevin» (1808-1825) de Lubin Mauduyt. Edition critique d'après Poitiers (Bibl. mun., ms. 837), Tübingen (Niemeyer) 1994, 368 p. (Beih. ZR Ph. 256)
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1996
A. Arens
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326 Besprechungen - Comptes rendus PIERRE REZEAU, Le «Vocabulaire poitevin» (1808-1825) de Lubin Mauduyt. Edition critique d'apres Poitiers (Bibl. mun., ms. 837), Tübingen (Niemeyer) 1994, 368 p. (Beih. ZRPh. 256) Im 19.Jahrhundert, insbesondere ab dem Jahre 1850, entstand eine Vielzahl von Untersuchungen und Glossaren zum poitevinischen Dialekt. Die Autoren, in der Regel Priester, Dorfpfarrer, Lokalpolitiker oder Magistratsbeamte, nahmen das von ihnen befürchtete baldige Aussterben des Patois zum Anlaß, um die linguistischen Phänomene des Poitevinischen zu sammeln und der Nachwelt zu übermitteln. Eines der bedeutendsten Werke dieser Art ist das Vocabulaire poitevin von Lubin Mauduyt. Der in seiner Zeit sehr angesehene Wissenschaftler Mauduyt wurde am 3.Januar 1782 in Poitiers geboren. Ab 1829 war er Mitglied der «Societe d'Agriculture, Belles-Lettres, Sciences et Arts» sowie auch der bekannten «Societe des Antiquaires de l'Ouest»; 1839 wurde er zum Konservator seiner Vaterstadt ernannt, in der er nach einem erfüllten Leben am 18.Juni 1870 starb. Mauduyt hat ein Werk von über 50 Titeln hinterlassen. In den meisten seiner Arbeiten tritt er als scharfsinniger Naturwissenschaftler hervor, der sich zugleich aber auch als ein feiner Beobachter der Sitten und Bräuche seiner Zeitgenossen präsentiert. Und in dem Vocabulaire poitevin, das er zum größten Teil in den Jahren zwischen 1808 und 1825 bearbeitete und das er in den folgenden Jahren durch Nachträge ergänzte, begegnet uns Mauduyt als ebenso scharfsinniger Sprachwissenschaftler. Das Vocabulaire poitevin, das in dem Manuskript Nr.837 der Stadtbibliothek zu Poitiers erhalten ist, bildet «un merveilleux alphabet des choses» (39). In alphabetischer Reihenfolge werden ca. 3000 poitevinische Dialektwörter vorwiegend aus dem Bereich der Landwirtschaft, aber auch aus den Bereichen des Siedlungswesens, des Berufslebens, des Handels und der Lebensführung aufgelistet. Treffend stellt Rezeau fest, daß «... l'enquete de L.Mauduyt nous vaut une ample nomenclature du monde rural poitevin en ce debut du xrx c siede» (39). Die Dialektologie hat diesem Glossar bislang wenn überhaupt nur eine marginale Beachtung geschenkt. Vor allem ist die Erstellung einer modernen textkritischen Edition schon seit langem ein dringendes Desiderat. So ist es nur zu begrüßen, daß diese Forschungslücke mit der hier anzuzeigenden Arbeit von P.Rezeau geschlossen wird; und sie wird von einem auf dem Gebiet der Dialektforschung bestens ausgewiesenen Fachmann geschlossen 1. In der sehr konzisen Einleitung geht Rezeau zunächst auf die Bewertung des «patois poitevin» durch die Sprachforscher des 19.Jahrhunderts ein (1-11), charakterisiert dann umfassend deren in dieser Zeit entstandene Werke (12-27) und stellt anschließend, nachdem dieses «Umfeld» beschrieben worden ist, ausführlich die Person und das Werk von L. Mauduyt vor (27-46), wobei naturgemäß dem Vocabulaire poitevin der größte Raum geschenkt wird. Schön und wünschenswert wäre es allerdings gewesen, wenn in der Einleitung auch zumindest kurz der heutige Stand der Erforschung des poitevinischen Patois dargestellt worden wäre. Die von stupendem Fleiß und einer weiten Sachinformiertheit zeugende Edition des Vocabulaire ist, wie das Original, in alphabetischer Folge angelegt. Rezeau hat - und das ist richtig die Graphie der Patois-Wörter so belassen, wie sie sich in der Quelle vorfindet; die wenigen Fälle, in denen er von dieser allgemein praktizierten Praxis abweicht, sind angegeben und begründet (49s.). Andererseits hat er aber die zahlreichen Fehler Mau- 1 Ich verweise hier auf folgende bedeutende Arbeiten aus der Feder von P. REZEAU: Dictionnaire des regionalismes de l'Ouest entre Loire et Gironde, Les Sables-d'Olonne 1984; Dictionnaire angevin et franr:;ois (1746-1748) de G.-1. du Pineau. Edition critique d'apres Paris (Bibi. nat., nouv. acq. fr. 22097), Paris 1989; Dictionnaire dufranr:;ais regional de Poitou-Charentes et de Vendee, Paris 1990. Besprechungen - Comptes rendus 327 duyts in der Graphie der französischen Wörter korrigiert, ohne dies eigens anzugeben. Das ist ebenfalls nur richtig so, wäre doch sonst ein überladener textkritischer Apparat ohne näheren Nutzen für den Rezipienten notwendig geworden. - Jeder Eintrag ist wie folgt gestaltet: Zunächst wird das Lemma in Fettdruck angeführt; alsdann finden sich die Angabe der grammatikalischen Kategorie, die Folioseite des Manuskripts, die Erklärung der Wortbedeutung und Textbeispiele für den Gebrauch des betreffenden Lemmas und schließlich in eckigen Klammern - und in diesen steckt die beeindruckende und sehr überzeugende Leistung des Editors - Referenzen auf Lexika, sprachwissenschaftliche Abhandlungen, Sprachatlanten, Textsammlungen u.a.m. Es sind insgesamt man höre und staune - 38 Werke, die jeweils zu den einzelnen Lemmata ausgewertet wurden. Diese Verweise verfolgen, wie Rezeau bescheiden formuliert, das Ziel, «d'offrir une approche historique rudimentaire et une indication sur l'etymologie du mot» (52). Es mag nun zwar sein, daß der eine oder andere den «caractere succint» (52) dieser Verweise kritisieren wird, weil er weitere Belege aus zeitgenössischen Texten des Poitou oder ausführlichere linguistische und etymologische Kommentare erwartet hat, was ja auch grundsätzlich wünschenswert wäre. Es gilt aber zu betonen, daß Rezeau nicht mehr leisten konnte, als er hier getan hat. Die Edition ist nämlich ein Musterbeispiel philologischer Arbeit; besser kann man es nicht machen. Sehr überzeugend ist insbesondere, daß neben den Patois-Glossaren des 19. Jahrhunderts stets auch die modernen Werke wie etwa FEW und ALF in die Analyse miteinbezogen werden. Auf der Basis dieser substantiellen Recherchen gelingt es Rezeau dann auch, für eine Vielzahl von Wörtern den Erstbeleg nachzuweisen, obwohl er bei der Angabe «premiere attestation» mit gutem Grunde «de fa9on bien temeraire» (52) vorgeht; denn «il faut evidemment y voir un jalon qui demain sera depasse» (52). Außerdem kann er in insgesamt 121 Fällen das FEW stichhaltig korrigieren. Die gelungene Textausgabe wird abgeschlossen durch drei Annexe. In Annex 1 (325- 62) werden ergänzend zum Vocabulaire wichtige Wörter aus anderen Werken Mauduyts verzeichnet und kommentiert; Annex 2 (362-64) enthält die Auflistung der Wörter, deren Angaben im FEW korrigiert wurden; und Annex 3 schließlich (365-68) bietet die Edition der drei poitevinischen Chansons, die Mauduyt dem Vocabulaire beigefügt hatte. Mein zusammenfassendes Urteil: ein höchstes Kompliment an P. Rezeau. A.Arens * WOLFGANG DAHMEN/ GüNTER HoLTus/ JoHANNES KRAMERIMICHAEL METZELTINIÜTTO WrNKELMANN (ed.), Das Französische in den deutschsprachigen Ländern. Romanistisches Kolloquium VII, Tübingen (Narr) 1993, 277 p. (Tübinger Beiträge zur Linguistik 371) Der Sammelband ist aus Beiträgen zum 7. Romanistischen Kolloquium 1990 in Siegen hervorgegangen. Dabei bietet er entgegen der wiederholten Versicherung der Herausgeber, Thema sei «der französische Einfluß auf die deutsche Sprache» (VII), geboten würden «Aspekte des jahrhundertelangen intensiven Einflusses der französischen Sprache auf das Deutsche» (VIII), facettenreiche Einblicke in historische Bedingungen und Vorkommensweisen des Französischen in Deutschland. Über den eigentlich sprachlichen Einfluß hinaus spannt sich der thematische Bogen von historischen Fragen zur tatsächlichen Größe von Waldenserkolonien über kulturelle Exklaven französischer Hofkultur in Deutschland und frühe Lehrwerke für den Französischunterricht im Rheinland bis hin zur Verarbeitung sprachlicher und kultureller Stereotypen über das Französische und Frankreich in einem
