Vox Romanica
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0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
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Kristol De StefaniMARION CYPIONKA, Französische «Pseudoanglizismen». Lehnformationen zwischen Entlehnung, Wortbildung, Form- und Bedeutungswandel, Tübingen (Narr) 1994, 288 p.
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Yvonne Stork
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Besprechungen - Comptes rendus 345 gesetzten Erwartungen erfüllt und zu der Autorität wird, die Quemada für ihn beansprucht. O.Jänicke * MARION CYPIONKA, Französische «Pseudoanglizismen». Lehnformationen zwischen Entlehnung, Wortbildung, Form- und Bedeutungswandel, Tübingen 1994, 288 p. In ihrer Dissertation beschäftigt sich Marion Cypionka mit Bildungen, die in der Literatur im allgemeinen als Pseudoanglizismen oder Scheinentlehnungen bezeichnet werden. Die Verf. bevorzugt den Terminus Lehnformationen, da er im Gegensatz zu Scheinentlehnungen «positiv festlegt, was gemeint ist: Der Bestandteil Lehnverweist darauf, daß Entlehnung stattfindet; das Element -formation soll deutlich machen, daß darüber hinaus lexematische, semantische, morphologische oder graphisch-phonetische Prozesse eine Rolle spielen» (7s.). Am Terminus «Pseudoanglizismus» kritisiert die Verf., daß er «für eine diachronische Betrachtung ...irreführend [ist], da er ... suggeriert, es habe nur vermeintlich eine Entlehnung (aus dem Englischen ) stattgefunden. Das Ergebnis des historischen Vorgangs einer ,Lehnformatio11> soll deshalb hier ... ebenfalls als ,Lehnformation> bezeichnet werden» (8). Verkaufspolitische Überlegungen sind wahrscheinlich der Grund dafür, daß im Haupttitel trotzdem der bekannte Terminus Pseudoanglizismus zu finden ist, Lehnformation dagegen, anders als in der an der Universität Düsseldorf eingereichten Fassung, nur im Untertitel auftaucht. In der synchronisch und diachronisch ausgerichteten Untersuchung geht es der Verf. darum, die Lehnformation abzugrenzen gegenüber den anderen Typen der Wortschatzerweiterung. Nach Cypionka handelt es sich bei der Lehnformation nicht um ein eigenstän- Verfahren der Wortschatzerweiterung, vielmehr ist sie zwischen Wortbildung und Entlehnung anzusiedeln: «Zwar übernehmen die Sprecher Elemente aus einer anderen Sprache und vollziehen damit einen Vorgang, der sich als Entlehnung erfassen läßt. Sie bringen die Einzelbestandteile aber in eine bis dahin unbekannte Verbindung, und insofern ist der Vorgang zum Bereich der Wortbildung zu zählen. Die Neuprägung wird dann nicht im Kontext der Spendersprache, sondern im Kontext der Empfängersprache erstmalig realisiert, womit wiederum ein Bezug zur Entlehnung gegeben ist» ( 111). Zentral ist für die Verf. die Differenzierung von Lehnformation und Adaptation: «Als Lehnformation kann aber nicht das betrachtet werden, was immer oder häufig im Zusammenhang mit einer Entlehnung geschieht und sich im Rahmen gängiger Lehntheorien erklären läßt. Als Merkmale der Lehnformation kommen nur solche Ersetzungen in Betracht, die weder zwangsläufige noch typische Assimilationen an empfängersprachliche Strukturen darstellen. Es müssen innovative Ersetzungen sein, die zu einer neuen Form-Inhalt-Relation führen» Innerfranzösische Weiterentwicklungen, die unabhängig vom Englischen ablaufen, werden von Cypionka nicht als Lehnformationen klassifiziert. Ihr Ziel ist es, eine allgemeine Typologie der Lehnformationen zu erstellen. Sie orientiert sich dabei am in der Forschung bestehenden «Minimalkonsens», nach dem zwei Hauptkategorien unterschieden werden, «nämlich die Ableitungen und Zusammensetzungen mit Lehnelementen einerseits und die vom fremden Sprachgebrauch abweichenden Verwendungsweisen semantischer, morphologischer und lexematischer Art andererseits» Von großer Bedeutung für den Argumentationsgang der Verf. ist dabei ihre These, inhaltliche oder formale Veränderungen beim Transfer vom Englischen ins Französische stattfinden können. Akzeptiert man diese These, die, wie Cypionka selbst einräumt, umstritten ist, nicht bzw. sieht sie als Erklärungsmöglichkeit, auf die man nur im Notfall, bei Versagen anderer Erklärungsmodelle, zurückgreifen sollte, wird man ihrer Argumen- 346 Besprechungen - Comptes rendus tation in verschiedenen Fällen nicht folgen. Dies ist auch der Hauptgrund dafür, daß die Verf. bei einigen Bildungen zu einer Einstufung kommt, die sich von der anderer Linguisten unterscheidet. Eine Besonderheit von Cypionkas Ansatz ist seine Sprecherzentriertheit; im Mittelpunkt stehen nicht das französische und das englische Sprachsystem, sondern (bis zu einem gewissen Grad zweisprachige) lndividuen 1 . In Zweifelsfällen ist es das Individuum, das ausschlaggebend dafür ist, ob eine Lehnformation vorliegt. Das geht so weit, daß eine Bildung, die eigentlich eine rein französische Bildung ist, nämlich rallye-paper, von der Verf. als Lehnformation eingestuft wird, weil sie von den Sprechern als solche empfunden wird. Und wenn die Verf. in der abschließenden Typologie feststellt, daß die Abfolge Determinans-Determinatum nicht unbedingt auf englischen Einfluß zurückzuführen, sondern möglicherweise auch durch den Einfluß des griechisch-lateinischen Bildungstypus erklärbar ist, bleibt als ultima ratio das Sprecherbewußtsein: «Eine Klassifizierung als Lehnformation ist deshalb nur dann gerechtfertigt, wenn ... die Textbelege eindeutig dokumentieren, daß die verwendeten Lehnwörter von den Sprechern in ihrer Eigenschaft als Anglizismen wahrgenommen werden» (231). Zum Aufbau des Buches: es besteht aus einer Einleitung (7-11), sieben Kapiteln und einer Zusammenfassung; den Abschluß bildet ein «Index der Lexien» (285-88). Im ersten Kapitel (12-45) stellt die Verf. den Forschungsstand zum Thema «Pseudoanglizismen» vor. Zwar gibt es eine umfangreiche Literatur zu «echten Anglizismen», doch die französischen Lehnformationen mit englischem Material stellten lange Zeit nur ein Randgebiet der Forschung dar. Das ändert sich erst in den 80er Jahren. In diesem Zeitraum erscheinen auch die Anglizismenwörterbücher von Höfler und Rey-Debove/ Gagnon, die in Cypionkas Arbeit eine wichtige Rolle spielen 2 . Im zweiten Kapitel (46-69) legt die Verf. dar, weshalb sie einen sprecherorientierten Ansatz für sinnvoll hält. «Ort der Lehnformation wie auch der Entlehnung ist die Sprachverwendung eines Sprechers mit Kontakt zu mehr als einer Sprache ...» (54). Da der individuelle Sprecher in der Literatur zu den Lehnformationen ihrer Ansicht nach häufig nicht ausreichend berücksichtigt wird, stützt sie sich auf die Arbeiten von Gauger, Wandruszka und Rettig 3 . Das dritte Kapitel (70-100) dreht sich um das Thema «Entlehnung». Die Verf. geht zunächst auf Bedingungen und Ursachen von Entlehnung ein, dann auf Entlehnung in mikro- und makro-historischer Dimension. Im Anschluß daran stellt sie ihr Konzept der Entlehntheit vor. «In der Perspektive der Sprecher nicht der Zeichen ist festzustellen, daß in der Sprachkenntnis oder dem Sprachwissen ein besonderes Verständnis für die Entlehntheit von Lexikoneinheiten gegeben sein kann. Für den konkret vorliegenden Fall der französischen Lehnformationen aus englischem Material soll dieses Verständnis als aktuelles Anglizismenverständnis charakterisiert werden» (89). Für ihre These vom Vorhandensein eines solchen Anglizismenverständnisses beruft sie sich auf Braselmann, die im Rahmen ihrer Konnotationstheorie 1 Mit der Sprecherzentriertheit von Cypionkas Ansatz hängt auch die These von der Veränderung beim Transfer zusammen: «mit den Sprechern als Bezugsgrößen ist deutlicher zu erkennen, daß sich Verlagerungen beim Transfer nicht an der Grenze zweier Sprachsysteme, sondern in der Sprachverwendung durch einzelne zweisprachige Individuen vollziehen» (11). 2 M.HöFLER, Dictionnaire des anglicismes, Paris 1982; JosETTE REY-DEBOVE/ GrLBERTE GAGNON, Dictionnaire des anglicismes, Paris 21982. 3 Sie beruft sich u.a. auf H.-M. GAUGER, Sprachbewußtsein und Sprachwissenschaft, München 1976; M. WANDRUSZKA, Die Meh rsp rachigkeit des Menschen, München/ Zürich 1979; W. RETTIG, Sprachliche Motivation. Zeichenrelationen von Lautform und Bedeutung am Beispiel französischer Lexikoneinheiten, Frankfurt a.M./ Bern 1981. Besprechungen - Comptes rendus 347 nachweist, daß die Sprecher bestimmte Lehnelemente als fremd empfinden 4. Das Anglizismenverständnis erstreckt sich nach Cypionka nicht nur auf einzelne Elemente, sondern auch auf die Regeln, nach denen sie verwendet werden. Das vierte Kapitel (101-21) trägt den Titel «Lehnfonnation». Die Verf. begründet, warum die Lehnformation ihrer Ansicht nach keine eigenständige Form der Wortschatzerweiterung bildet, sondern zwischen Entlehnung und Wortbildung zu verorten ist. Im Unterschied zur Entlehnung als Lehnwort oder als Lehnprägung weise die Lehnformation einen «souveränere[n] Umgang mit den fremden lexikalischen Einheiten» (104) auf, da die Lexien aus der Spendersprache abgeändert würden, ohne daß diese Änderungen als Anpassungen an Strukturen der Empfängersprache erklärbar wären. Die Autorin widmet sich in diesem Kapitel auch dem Spezialfall der sekundären Bildungen, d.h. den Ableitungen und Zusammensetzungen, die in der Empfängersprache auf der Basis von bereits entlehnten Bildungen gebildet werden. Die Einordnung der sekundären Bildungen als Lehnformationen ist in der Literatur umstritten. «Der Konflikt läßt sich nur auflösen, wenn man für die innereinzelsprachliche Weiterentwicklung entlehnter lexikalischer Einheiten zwei grundsätzlich verschiedene Möglichkeiten sprachlicher Reaktion akzeptiert. Zum einen werden Lehnelemente in der Empfängersprache produktiv, weil sie sich in die Sprachkenntnisse eingegliedert haben und die Sprecher sie wie heimisches Sprachmaterial einsetzen können. Für andere Lehnelemente gilt, daß ihr fremder Charakter für die Sprecher in einer Weise gewahrt bleibt, die eine Bildung neuer ,fremder> Einheiten im Rahmen der Empfängersprache erlaubt» (114s.). Wenn sekundäre Bildungen auf eine «sekundäre Kontaktsituation» zurückgehen, die durch französische Sprecher mit einem aktuellen Anglizismenverständnis ermöglicht wird, werden sie von der Verf. als Lehnformationen eingestuft. Im fünften Kapitel (122-35) stellt Cypionka den methodischen Ansatz vor, der ihren Fallstudien zugrundeliegt. Sie analysiert eine exemplarische Auswahl von Lehnformationen und stützt sich dabei auf Bildungen, die in der Literatur als Lehnformationen bezeichnet werden. Im Zentrum der Analyse befinden sich hier besteht ein Zusammenhang mit der Sprecherzentriertheit der Arbeit die «Mikroprozesse der Entstehung» (123). Es geht darum, die «ursprüngliche Entlehnungssituation», möglichst den Erstbeleg, aufzuspüren, wobei sich die Verf. der Problematik von Erstbelegen durchaus bewußt ist. Auch Hapaxbelege werden integriert. Zusätzlich bezieht die Verf. «zeitlich nahstehende, aber nicht <erste> Belege» (134) ein sowie, falls vorhanden, puristische Kommentare zu den einzelnen Lexien. Im Mittelpunkt steht eindeutig die «Übernahmesituation»; was nach der Einführung mit den untersuchten Lexien passiert, tritt demgegenüber zurück. Die einzelnen Artikel bestehen aus zwei Teilen, die wie folgt aufgebaut sind: Der erste Teil beginnt mit der Definition des jeweiligen Stichwortes; es folgen der Stand der Forschung, eine Skizze der sprachlichen Situation in der Spender- und in der Empfängersprache, der Erstbeleg sowie häufig zusätzlich Ergänzungsbelege oder puristische Kommentare. Im zweiten Teil werden die in der Forschung vorgeschlagenen, häufig kontroversen Einstufungen der Lexie («Pseudoanglizismus», innerfranzösische Bildung etc.) diskutiert, und die Verf. begründet ihre eigene Einordnung. Im sechsten Kapitel (136-220) werden dann die einzelnen Fallstudien in Artikelform präsentiert. In Anlehnung an den erwähnten Minimalkonsens in der Forschung unterscheidet die Verf. sieben Typen, die sie zwei Hauptkategorien zuordnet: die Lehnzusammensetzung (6.1), die Lehnableitung (6.2), die zusammen den ersten Bereich bilden, sowie die Lehnkürzung (6.3), die Entlehnung mit semantischer Verschiebung (6.4), die Entlehnung mit morphologischer Veränderung (6.5), die graphisch-phonetische 4 PETRA BRASELMANN, Konnotation - Verstehen - Stil. Operationalisierung sprachlicher Wirkungsmechanismen dargestellt an Lehnelementen im Werke Maurice Dekobras, Frankfurt a.M./ Bern 1981. 348 Besprechungen - Comptes rendus Anglisierung (6.6 ) und die Namenentlehnung (6.7), die zusammen den zweiten Bereich ausmachen. Es werden nicht nur Bildungen behandelt, die die Verf. als Lehnformation klassif i ziert, sondern auch solche, die andere Autoren als Lehnformationen einordnen, die aber nach Cypionka keine sind. Z.B. unterscheidet sie im Abschnitt zur Lehnzusammensetzung (6.1 ) eindeutige Lehnzusammensetzungen von Fällen, bei denen nicht endgültig entschieden werden kann, ob es sich um eine Lehnzusammensetzung oder eine Entlehnung handelt und Bildungen, bei denen es sich laut Verf. eindeutig um Entlehnungen und nicht um Lehnformationen handelt. Der Aufbau des siebten Kapitels, «Entwurf einer Typologie und Diskussion» (221-7 1 ), deckt sich exakt mit dem des sechsten, d.h. die sieben Typen werden in der gleichen Reihenfolge abgehandelt; allerdings wird die Materialbasis gegenüber dem vorhergehenden Kapitel erweitert. In 7.1, «Lehnzusammensetzung», geht es um Lehnformationen, die dadurch zustandekommen, daß lexikalische Elemente, die noch nicht in die Empfängersprache entlehnt sind, in Kompositionen verwendet werden; «bilinguale französische Sprecher [übernehmen] mindestens ein freies Element aus ihrer zweiten Sprachkenntnis ... , um dieses mit einem anderen freien Element zu einer neuen komplexen Einheit zu verbinden» (221s.). Dabei können nur solche Bildungen als Lehnformationen gelten, die die für die englische Nominalkomposition charakteristische Abfolge «Determinans-Determinatum» aufweisen, wie etwa auto-coat. An dieser Stelle, nach meinem Dafürhalten sehr spät, macht die Verf. eine wichtige und von mir im Zusammenhang mit der Sprecherzentriertheit bereits angesprochene Einschränkung. Nachdem sie in den Fallstudien sekundäre Bildungen, die auf der Basis englischer Lehnwörter entstehen und die Reihenfolge Determinans-Determinatum aufweisen, durch englischen Einfluß erklärt, weist sie nun in der abschließenden Typologie darauf hin, daß diese Bildungen als Beispiel führt sie moto(-)ball und moto(-)cross an auch auf den Einfluß des gelehrten, griechisch-lateinischen Wortbildungstyps zurückzuführen sein könnten, der, wie die Verf. selbst sagt, als «integraler Bestandteil des französischen Wortbildungssystems» (229) angesehen werden muß. Tn Zweifelsfällen entscheidet das Sprecherbewußtsein darüber, ob eine Lehnformation vorliegt. In 7.2. geht es um den Typus der Lehnableitung. Cypionka bezeichnet solche Neuprägungen als eindeutige Lehnformationen, bei denen die Basis neu übernommen wurde; ein Beispiel ist clapman. Die Argumentation der Verf. wirkt hier mitunter sehr verzwickt. Sie vertritt die Auffassung: «Die Differenzierung zwischen Neuprägung im Zusammenhang mit Entlehnung (clapman) und Neuprägung im Anschluß an Entlehnung (bluesman) ist ... methodisch erforderlich, um Lehnformationen von Adaptationen unterscheiden zu können» (232). Sie unterscheidet also zwischen Lexien wie clapman, bei der die Basis clap neu übernommen wurde, und Lexien wie bluesman, bei der auf das geläufige Lehnwort blues zurückgegriffen werden konnte und bezeichnet clapman als Lehnformation, bluesman dagegen als Adaptation. Doch der Rückgriff auf das Sprecherbewußtsein gibt den Ausschlag dafür, daß Bildungen wie bluesman letztendlich doch als Lehnformationen klassifiziert werden: «Die Fallstudien haben gezeigt, daß sekundäre Ableitungen mit aus dem Englischen entlehnten Affixen, wie -man/ -woman, -ing und -y, als Lehnformationen bewertet werden können, da die Sprecher der Empfängersprache sie tendenziell als typische Wortbildungseinheiten der Spendersprache wahrnehmen und sie in dieser Funktion in der Kombination mit anderen, vorzugsweise aus dem Englischen entlehnten Elementen für die Neuprägung weiterer <englischer, Einheiten heranziehen» (240). Unter 7.3. wird der Typus der Lehnkürzung abgehandelt; es geht um lexematische Kürzungen, die beim Transfer stattfinden. Nach Cypionka ist «eine typologische Klassifizierung der lexematischen Kürzung als Lehnformation angemessen ..., auch wenn sich im Einzelfall aufdecken oder vermuten läßt, daß Strukturen der Empfängersprache die Kürzung im Sinne einer Assimilation begünstigen, wie z.B. bei frz. parking nach engl. parking lot (place, space) aufgrund der Vitalität der lokalen Bedeutung des Suffixes -ing im Französischen» (250s.). In 7.4. geht es um die Besprechungen - Comptes rendus 349 «Entlehnung mit semantischer Verschiebung». Auch hier unterscheidet die Verf. Bildungen mit Veränderungen, die beim Transfer stattfinden, von Bildungen mit innereinzelsprachlichen Veränderungen; nur erstere können als Lehnformationen gelten. Bedeutungsverengungen und Änderungen auf der Ebene der Konnotation reichen nach Cypionka allerdings nicht, um bei den betreffenden Bildungen von einer semantischen Lehnformation zu sprechen. «Von einer semantischen Lehnformation kann sinnvollerweise nur gesprochen werden, wenn der inhaltlichen Modifizierung ein innovatives Moment zugrunde liegt und die Semkonstellation der Ausgangslexie beim Transfer in die Aufnahmesprache verändert wird. Diese Voraussetzung .. . ist bei der semantischen Spezialisierung und der semantischen Generalisierung, daneben auch bei verschiebenden Prozessen wie den metonymischen und den metaphorischen Bezeichnungsübertragungen gegeben» (257). Ein Beispiel für eine metonymische Übertragung ist fifties; diese Lexie bedeutet im Englischen 'die 50er Jahre', im Französischen bezeichnet lesfifties die Anhänger typischer Modeerscheinungen der 50er Jahre. Als Beispiel für eine Spezialisierung führt die Verf. brushing an. Während englisch to brush allgemein 'bürsten, abbürsten' bedeutet, bezeichnet brushing im Französischen eine besondere Frisiertechnik. Generalisierung und metaphorische Übertragung sind im Korpus nicht belegt. Unter 7.5. behandelt die Verf. den seltenen -Typus der Entlehnung mit morphologischer Veränderung. Hier geht es natürlich nicht um Veränderungen, die zwangsläufig beim Übergang vom Englischen ins Französische erfolgen, wie etwa bei Verben das Anfügen einer französischen Verbalendung. Von Lehnformationen auf morphologischer Ebene spricht Cypionka z.B. dann, wenn es sich um «Konversion beim Transfer einer lexikalischen Einheit vom Englischen ins Französische» (262) handelt. Eine solche Konversion liegt vor, wenn aus der englischen Interjektion yeah-yeah im Französischen ein Adjektiv wird; diese Art von Konversion ist jedoch extrem selten im Vergleich zu innerfranzösischen Wortartwechseln von zuvor aus dem Englischen entlehnten Lexien. Unter 7.6 geht es um die graphischphonetische Anglisierung; sie liegt etwa vor, wenn sweat(-)shirt im Französischen vermeintlich englisch [swit] ausgesprochen wird. Hier handelt es sich nicht um eine Adaptation an das Französische, sondern um Hyperanglisierung. Die letzte Gruppe bilden unter 7.7. die Namenentlehnungen. «Damit sind Fälle gemeint, in denen Sprecher des Französischen die Namen englischer oder amerikanischer Personen und anglo-amerikanische Ortsnamen zur Bezeichnung nicht der Personen oder Orte, sondern bestimmter anderer Gegenstände oder Sachverhalte verwenden» (267). Da die Fälle, in denen der Übergang vom Eigennamen zum Gattungswort innerfranzösisch stattfindet, nicht als Lehnformationen betrachtet werden können, ist die Gruppe der Namenentlehnungen sehr klein. Bei den meisten Bildungen ist die Argumentation der Verf. einleuchtend. Recht problematisch erscheinen mir jedoch einige Fälle, in denen Cypionka die relative Chronologie der englischen und französischen Erstbelege heranzieht für die Entscheidung, ob eine Lehnformation vorliegt oder nicht. Sie vertritt zu Recht die Auffassung, daß die sprachliche Situation in der Spendersprache wichtig ist für die Frage, ob eine bestimmte Bildung als Lehnformation einzustufen ist. «Dabei geht es vor allem um die Frage, ob im Englischen zum Entstehungszeitpunkt der betreffenden Lehnformation ein Etymon belegt ist, das den sprachlichen Ausgangspunkt für das Entstehen der französischen Lexie bildet» (130). Für die Situation im Englischen beschränkt sich Cypionka, was verständlich ist, auf lexikographische Daten, wobei sie sich bewußt ist, daß diese keine ausreichende Basis für eine Klassifizierung der Beispiele bieten 5 • Ihre Quellen sind verschiedene lexikographi- 5 Schließlich ist es durchaus denkbar, «daß eine vereinzelte Augenblicksbildung als Vorbild für eine Entlehnung ins Französische gedient hat, ohne daß das englische Vorbild lexikographisch erfaßt wurde ... Umgekehrt gilt, daß unter bestimmten Umständen durchaus eine Neu- 350 Besprechungen - Comptes rendus sehe Standardwerke; die Wörterbücher, die sie in den Fallstudien zur Situation in der Spendersprache Englisch anführt, sind das Oxford English Dictionary und Webster's Third (mitsamt den Addenda). Für die französischen Erstbelege folgt sie den Quellenangaben, die Höfler, Rey-Debove/ Gagnon und die anderen Sekundärquellen machen. Ein Beispiel, an dem deutlich wird, daß die Einbeziehung der relativen Chronologie problematisch ist, ist auto-coat. Der Erstbeleg für französisch auto-coat stammt aus einer Nummer der Zeitung L'Aurore aus dem Jahr 1957, zusätzlich wird ein Ergänzungsbeleg aus dem Jahr 1960 angegeben, der Daninos' Un certain Monsieur Blot entnommen ist. Aus der Tatsache, daß car(-)coat im OED auf 1965 datiert wird (der Plural car coats ist allerdings bereits für 1963 belegt) und im WDE erst in den Addenda erscheint, zieht Cypionka folgenden Schluß: «Nach der relativen Chronologie der Belege ist eher eine Neuprägung aus auto und coat als die von Spence 1987 in Betracht gezogene Entlehnung des englischen car(-)coat mit Teilsubstitution beim Transfer ins Französische anzunehmen.Auto(-)coat ist im Französischen bereits einige Jahre früher belegt als car(-)coat im Englischen ...» (13 7). Acht bzw., wenn man den Plural einbezieht, sechs Jahre Differenz sind zu wenig, als daß man die relative Chronologie der Belege als Argument ins Feld führen könnte, gerade wenn man die hinlänglich bekannte Vorläufigkeit historischer Angaben in lexikographischen Quellen bedenkt. Zudem wertet die Verf. für das Französische wesentlich mehr Quellen aus als für das Englische.Das hängt mit ihrer Fragestellung zusammen und ist völlig legitim, nur ist es der Vergleichbarkeit hinsichtlich der Erstbelege nicht förderlich. Abgesehen von den genannten kleineren Einschränkungen ist die Argumentation der Verf. sowohl in den terminologischen Klärungen als auch bei der Vorstellung der Forschungsliteratur, den Fallstudien und der Präsentation der Typologie klar, präzise und differenziert. Cypionka führt den Leser geschickt durch ihre Analyse. Sie erliegt nicht der Versuchung, möglichst viele Bildungen unter ihre Kategorie «Lehnformation» zu rubrizieren und weist zu Recht darauf hin, daß in einzelnen Fällen eine endgültige Entscheidung, ob es sich um eine Lehnformation handelt oder nicht, unmöglich ist. Positiv wirkt sich auch aus, daß sie die einzelnen Bildungen nicht isoliert betrachtet. So erwähnt sie etwa bei mailing, daß «die Suffigierung mit -ing sich harmonisch in eine Gruppe französischer Anglizismen aus der Wirtschaftsterminologie einfügt» (2 02). Ihre Argumentation zu camping untermauert sie dadurch, daß «das metonymische Muster Handlung/ Ort der Handlung im Französischen geläufig ist» (185). Trotz der von der Verf. sehr genau nachgezeichneten äußerst speziellen, komplexen und zum Teil verschlungenen Wortgeschichten gelingt es ihr, eine überzeugende Typologie zu erstellen; sie verhindert so eine Zersplitterung in viele einzelne Wortentwicklungen. Yvonne Stork * WALTRAUD WEIDENBUSCH, Funktionen der Präfigierung. Präpositionale Elemente in der Wortbildung des Französischen, Tübingen (Niemeyer ) 1993, x + 2 56p. (Beih.ZRPh. 247) Waltraud Weidenbusch beschäftigt sich in ihrer Dissertation mit einem Teilbereich der Wortbildung, der Präfigierung. Der Titel des Werkes deutet bereits an, daß es sich um einen inhaltsbezogenen Ansatz handelt. Es geht um Funktionen der Präfigierung; nicht prägung mit englischem Material vorliegen kann, auch wenn im Englischen eine komplexe Form als mögliches Etymon auszumachen ist. Man denke vor allem an im Französischen entstandene Neuprägungen mit dem Bestandteil -man, von denen einige auch im Englischen gebräuchlich sind» (130s.).
