eJournals Vox Romanica 55/1

Vox Romanica
vox
0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
1996
551 Kristol De Stefani

ANNEGRET BOLLÉE ( ed.), Dictionnaire étymologique des creoles français de l'Océan Indien, 2e Partie: Mots d'origine non-française ou inconnue. Rédaction: PHILIP BAKER, BARBARA DRESEL, SONJA FUCHS, ANGELA LÄRISCH-SCHÄBITZ, sous la direction de ANNEGRET BOLLEE, Hamburg (Buske) 1993, XL+597p. (Kreolische Bibliothek 12)

121
1996
J. Lengert
vox5510360
360 Besprechungen - Comptes rendus metalinguistischer und stilistisch-rhetorischer Funktion, passe-partout-Formeln, Akkomodation, Zitat, Selbstdarstellung, sprachbedingter Motivation und außersprachlichen Faktoren. Eine Hierarchisierung der für den Sprachwechsel verantwortlichen Faktoren wird nicht vorgenommen. Im Hinblick auf die Begründung des Sprachwechsels bezüglich seiner Positionierung im Syntagma wird der Gesichtspunkt der Neutralisierung 4 ausgeklammert. Strukturelle Besonderheiten wie die arabische Affigierung französischer Wörter an der Schnittstelle (switch-point) des Sprachwechsels sind Gegenstand der Untersuc! mng. Interferenzen und Entlehnungen werden vom Phänomen des Sprachwechsels abgegrenzt. Zusammenfassend bleibt festzustellen, daß die anerkennenswert umfängliche Materialauswertung und konkrete Einzelergebnisse der Dissertation im Gegensatz zu gewissen formalen und methodischen Unzulänglichkeiten der Arbeit stehen. V. Noll * ANNEGRET BoLLEE (ed.), Dictionnaire etymologique des creoles franr;ais de l'Ocean Indien, 2 e Partie: Mots d'origine non-franr;aise ou inconnue. Redaction: PHILIP BAKER, BARBARA DRESEL, SoNJA FucHs, ANGELA LÄRISCH-SCHÄBITZ, sous la direction de ANNEGRET BoLLEE, Hamburg (Buske) 1993, XL+597 p. (Kreolische Bibliothek 12) Das im Jahre 1979 gefaßte Vorhaben eines etymologischen Wörterbuches der französisch basierten Kreolsprachen ist mit vorliegendem Band der sich mit gutem Grund auf eine zur Zeit besonders erforschte Region beschränkt einer Aufarbeitung einen beträchtlichen Schritt näher gekommen. Das Wörterbuch, das auf zwei Bände ausgelegt ist, deren erster den französischen Elementen gewidmet sein wird, dokumentiert damit greifbar die Fortschritte, die die Kreolistik im zurückliegenden Vierteljahrhundert gemacht hat: von ersten vereinzelten wissenschaftlich relevanten Beschreibungen hin zur Möglichkeit grundlegender Synthesen des erreichten Forschungsstandes. Zu den Inhalten des Buches: An den Beginn ist eine kurze «Presentation» (rx-xm) gestellt worden, die neben allgemeinen Fragestellungen vor allem in die Artikelstruktur einführt, es schließen sich die Listen der Transkriptionszeichen und der Titelsiglen an, gefolgt von der Bibliographie (xxm-xxxvu) und abschließend dem Verzeichnis der Abkürzungen und konventionalisierten Zeichen. Der Hauptteil umfaßt das alphabetisch geordnete Wörterbuch (1-573); ihm folgt ein Wortindex, der die phonetischen Varianten und Wortbildungen auflistet (575-97). Die Mikrostruktur der einzelnen Artikel ist übersichtlich gegliedert: Nach dem fett gedruckten Lemma mit Bedeutungsangabe (aber ohne grammatische Beschreibung) folgen graphisch etwas eingerückt die dazugehörigen Kreolwörter mit Angabe der geographischen Verbreitung und der Bedeutung im Wortlaut der jeweils mit einem Kürzel zitierten exzerpierten Originalquelle. Die Abfolge der einzelnen Herkunftsregionen der aufgenommenen Wörter ist dabei stets gleichbleibend. Es folgen die Wortbildungen (zunächst Affigierungen, dann Komposita), die eingangs ebenso mit einem eigenen graphischen Symbol hervorgehoben werden wie das am Ende eines jeden Artikels stehende Etymon, das naturgemäß mit der Angabe der jeweiligen Herkunftssprache, gelegentlich aber auch weiteren Informationen aufgeführt wird. Bei Kreolwörtern, die in älteren Quellen belegt sind, folgt nach dem Lemma eine ebenfalls durch ein spezifisches Symbol markierte Rubrik mit älteren Quellennachweisen (unter denen sich neben Kreolisch auch Regional- 4 Cf. R. APPEL/ P. MuYSKEN, Language Contact and Bilingualism, London 1987: 124ss. Besprechungen - Comptes rendus 361 französisch verbergen kann). Aufgenommen worden sind in einem geringen Maße im übrigen auch Toponyme und eine Reihe von Markennamen. Die Auszählung eines Fünftels des Wörterbuches (115-230) ergibt eine Zahl von 827 Artikeln, so daß hochgerechnet alles in allem von einer Gesamtmenge von etwa 4150 Wörterbuchartikeln auszugehen ist, wobei naturgemäß die Zahl der Wörter in Anbetracht der unter einem einheitlichen Lemma zusammengefaßten Derivations- und Kompositionsbildungen um einiges höher ausfällt. Ein etymologisches Wörterbuch, das sich mit Kreolsprachen befaßt, verzichtet in Anbetracht der Spezifika des beschriebenen Objekts weitestgehend auf eine ansonsten unverzichtbare diachrone Fragestellung, die der Erstbelege. Andererseits aber wird zugleich auch die Wortgeschichte, beispielsweise die Frage der Bedeutungsentwicklung bei Entlehnungen, zumeist nicht weiter kommentiert. Nicht wenige Artikel fallen so recht kurz aus und bestehen aus drei Hauptbestandteilen: Lemma - Formen - Etymon. Zu den besser dokumentierten Ausnahmen zählen dann häufig Wörter, die als Lehnelemente auch im Standardfranzösischen beheimatet sind (kreol, maiiok, patat, tamare etc.). Der Band vermittelt so dem Leser neben einer Fülle von Detailinformationen zu den einzelnen Wörtern einen Einblick in die historisch-etymologische Schichtung der gesammelten Materialien. Er verweist aber auch auf die besonderen Problemstellungen, und dies vielleicht gerade im Falle der Elemente, die nicht französischen Ursprungs sind. Die Zählung eines Zehntels der Materialien (1-57) ergibt einen vielsagenden Schnitt: Herkunft absolut relativ Englisch 103 (davon 7 «calques», 6 unsicher) 30,03% Hindi 88 (davon 7 unsicher) 25,66% Unklare Herkunft 39 11,37% Tamil 21 6,12% Onomastika 20 (davon 2 unsicher) 5,83% Produkt-/ Markennamen 11 (davon 1 unsicher) 3,21% Madegassisch 10 2,92% Onomatopoetika 8 (davon 4 unsicher) 2,33% Pflanzennamen 6 1,75% Portugiesisch 5 1,46% Drawidisch 4 1,17% Bantu 4 (davon 2 unsicher) 1,17% Sonstige 24 (davon 4 unsicher) 7,00% Englisch und Hindi sind die am besten vertretenen Sprachen im übrigen typischerweise kaum durch Lehnbildungen oder Lehnbedeutungen -; zusammengenommen sind auch die diversen onomastischen Elemente gut vertreten. Auffällig ist ebenfalls der hohe Anteil von Sprachen, die nur mit je einem Etymon erscheinen: Von den 24 «Sonstigen» treten sage und schreibe 19 nur je einmal auf. Hier wird man sich sicher gelegentlich die Frage nach den Übernahmewegen stellen müssen, so wenn unter dem Lemma anana das Guarani als Gebersprache benannt wird - und es hier wie in anderen Fällen vielleicht eher das Französische gewesen ist, das als Mittler aufgetreten ist. An dritter Stelle stehen die unsicheren Etymologien, seien es zumeist nur mit einem Fragezeichen hinsichtlich des Etymons versehene oder seien es auch konkurrierende mologisierungen. Rechnet man zu ihnen die 26 nicht gesicherten Etymologien aus den anderen hinzu, so ergibt sich ein Anteil von unsicheren Formen. Hoch- 362 Besprechungen - Comptes rendus gerechnet ist es also dieses knappe Fünftel der Materialien, das es in Zukunft noch abzuklären gilt. Einige Anmerkungen zu einzelnen Artikeln 1: (13) apwetmti, «Angl. appointment», korrekter: «calque de l'angl. appointment» (cf. FEW 9: 591a-b); (21) awa 'exclamation' findet sich dialektal z.B. in der Schweiz (GPSR 1: 201 s.v. afe) 2 ; das Ganze erinnert an afr. avoi(s), avou (T-L, AW l, col. 752s.); (33) bagas ist seit dem 18. Jh. als Lehnwort im Französischen bekannt (TLF 4: 10: 1724), so daß vielleicht nicht auf das spanische Etymon bagazo zurückgegangen werden muß; (35) baksis 'supplement gratuit', das Wort wird im 19. Jh. im Französischen entlehnt und alte Formen verweisen in ihrer Lautung mit auslautendem [-s] auf die kreolische: bakchis (1846), batchis (1859), bakchis (1869) (FEW 19: 19b), so daß wohl Französisch als Vermittlersprache nicht von der Hand zu weisen ist; (36) balalam 'degingande, bras ballants', cf. dialektal Suisse romande balalarma 'gar9on de haute taille mal affermie, flandrin', zugrunde läge dann die Wendung (il) bat l'alarme (GPSR 2: 210s.); (57) benzine 'essence' wird hier nur als Anglizismus gesehen, ist aber auch im Standardfranzösischen verbreitet gewesen und als Archaismus zu werten (TLF 4: 395: «vieux»); (87) dada 'sexe du petit gar9on' vielleicht zum westfranzösischen (Maine, Anjou) Dialektwort dada 'enfant; ! es petits gars' (FEW 4: 3b); ·(87) dada 'exclamation denoting surprise', cf. fr. populaire (Paris) oder dialektal (Cöte-d'Or: Ste-Sabine) da 'exclamation d'etonnement' (FEW 3: 4b); (88) dague 'fou', cf. regionalfranzösisch Genf daguer 'enrager, etre furieux' (FEW 3: lb); (117) eskolar 'espece de poisson' ist nicht metaphorisch zu portugiesisch escolar 'etudiant' zu stellen, sondern als Fischbezeichnung vielleicht aus der englischen Bezeichnungsvariante escolar entlehnt, kann aber auch von port. escolar, sp. escolar oder gar fr. escolier stammen, die übereinstimmend zur Bezeichnung der Gattung Gempylidae dienen 3 ; die hier auftretende Unterart Ruvettus pretiosus ist port. sp. escolar und bezeichnenderweise fr. escolier espagnol; (131) mtig finet 'variete de mangue' gehört eventuell zu finette (FEW 3: 563b) oder in Anbetracht vieler Fruchtbezeichnungen mit spezifizierenden Anthroponymen zu Finette (Seraphine); (135) frtisisea 'espece d'arbuste' ist wohl zum wissenschaftlichen Terminus Franciscea 4 zu stellen; (183) kamaro 'ecrevisse; crevette; mauvais camarade' von pg. camartio, das Wort ist aber in der übertragenen Bedeutung vielleicht vom Argotwort camaro 'camarade' 5 beeinflußt; (185) kafzar in bat kafzar 'bal au son d'instruments specifiquement reunionnais' läßt an eine metaphorische Verwendung des Archaismus bzw. Regionalismus cagnard 'lieu expose au soleil et abrite contre le vent' denken (FEW 2/ l: 185a); (192) karden 'espece de poisson', eventuell zu cardine, cf. aber auch engl. cardinal fish; (267) lumpen(-)proletariat und die verkürzte Form lumpen existieren als Germanismen im Französischen, sind also vielleicht nicht nur reine Anglizismen (GR 6: 98); (282) makunda 'fruit de la passion' steht vielleicht in Zusammenhang mit port. macunde 'especie de feijäo africano' 6; (309) mastan 'homme bien bäti, costaud' ähnelt mfr. nfr. mastin 'homme grossier, mal bäti de corps ou d'esprit', matin (FEW 6/ l: 257a), falls das Etymon zutrifft, müßte allerdings die Bedeutungsentwicklung geklärt werden; (324) die Umgestaltung von älterem (punaise) maupin zu (pinez) mo(r)pe, ist wohl weniger durch mordre als vielmehr durch den Einfluß von morpion 1 Cf. dazu die Rezension von R. CHAUDENSON in: RLiR 58 (1994): 231-43. 2 Cf. hierzu auch die regionalfranzösische Form (Vaud) avoue 'pas du tout' in: P.-M. CAL- LET, Glossaire Vaudois, Lausanne 1861: 159. 3 Cf. Multilingual Illustrated Dictionary of Aquatic Animals and Plants, ed. Commission of the European Communities, Luxembourg/ Oxford 1993: 235. 4 Cf. H. GENAUST, Etymologisches Wörterbuch der Pflanzennamen, Basel/ Stuttgart 1976: 172. 5 Cf. J.-P. CouN/ J.-P. MEVEL, Dictionnaire de l'argot, Paris 1990: 104. 6 Cf. A. DE MoRArs SrLVA, Grande diciontirio da lingua portuguesa, 10.a ed. rev., corr., muito aum. e actualizada, vol. 6, Lisboa 1954: 367. Besprechungen - Comptes rendus 363 bedingt (TLF 11: 1091s.); (330) muna 'jeune singe' ist eventuell zu provenzalisch mouna etc. zu stellen(< ar. maimun; FEW 19: 115b); (494) tiroyen 'crepissage' gehört zu tirolienne (deonomastisch zu Tirol), wie die frankoprovenzalische Dialektform aus Vaux-en- Bugey tir9ly<fn 'crepissage au balai' (FEW 17: 333b) belegt. Nachzuvollziehen bleibt allerdings die im FEW bestenfalls angedeutete Wortgeschichte (cf. FEW 6/ 1: 402bs.); (537) wanap 'jeu de cartes' ist wohl weniger auf one + nap als vielmehr auf one up 'scoring one point more than an opponent' zurückzuführen (Oxford English Dictionary 10, 2 1989: 806); (573) zweg gehört vielleicht zu älterem englischen swing 'to scourge, whip, flot, beat(a person)' (Oxford English Dictionary 17, 2 1989: 415). Manche dieser isolierten Anmerkungen verweisen auf allgemeinere methodische Probleme eines etymologischen Wörterbuchs von Kreolsprachen, von denen vorrangig zwei in einer Reihe von Artikeln auffallend sind: zum einen die Frage der etymologischen Perspektive im Spannungsfeld von «etimologia prossima» oder «etimologia remota», zum anderen die Erweiterung des Blickfeldes von der reinen Etymologie hin zur Wortgeschichte. Letzteres findet sich in den umfangreicheren Artikeln des Buches, vor allem auch in jenen, über die in älteren, vor dem 20.Jahrhundert liegenden Quellen Auskunft gegeben wird oder die als Lehnwörter ihrerseits weiter verbreitet sind. Doch dies bleibt Aufgabe der Zukunft und trübt den Wert des ersten Bandes des Dictionnaire etymologique des creoles fran<;ais de l'Ocean Indien nur vereinzelt 7. Er vermittelt dem Leser nicht nur eine nützliche Zusammenstellung von Materialien verschiedenster und nicht immer ohne weiteres zugänglicher lexikographischer Werke, sondern zugleich eine gediegene und informative etymologische Beschreibung. Insofern kann man dem zweiten Band mit Erwartung entgegensehen und würde sich zugleich ähnliche Unternehmungen für die anderen romanischen Kreolsprachen wünschen. J. Lengert * MALTE-LUDOLF BABIN, «Orgolh» - «umil»: Untersuchungen zur lexikalischen Ausprägung des Altokzitanischen im Sinnbereich des Selbstgefühls, Tübingen(Niemeyer) 1993, xr + 459 p. (Beih.ZRPh. 251) Babin beginnt die «Einleitung»(1-32) zu seiner eindrücklichen Arbeit - Dissertation? , Habilitationsschrift? mit dem Hinweis, daß es für das Aokz. noch keine größere Monographie gebe, welche die «lexikalische Ausprägung eines ganzen Sinnbereiches . . . unter Heranziehung aller Arten literarischer Texte untersucht und zu einem für die Sprache der Quellen insgesamt verbindlichen Ergebnis zu gelangen strebt». In der ersten Fußnote lehnt er J. WETTSTEINS «Mezura»: ideal des troubadours; son essence et ses aspects(Zürich 1945) als Muster ab, weil ihr Autor es «versucht,(in Augustinus) vorgegebene ideologische Bezugspunkte in aokz. Texten wiederzufinden», also «aus von außen herangetragenen Vorstellungen schöpft», statt aus den aokz. Texten selbst deren «weltanschauliche Voraussetzungen zu ermitteln». Babin kritisiert dann auch G. CROPPS Le vocabulaire courtois des troubadours de l'epoque classique (Genf 1975), wegen ihrer Einschränkung auf nur lyrische Texte aus bloß 75 Jahren. So scheint als methodologische Vorarbeit bloß CH. 7 Von seiten des Verlages hätte man diesem wichtigen Unternehmen allerdings eine etwas ansprechendere äußere Gestaltung gewünscht, so anstelle einer in Courier gehaltenen recht maschinenschriftlich aussehenden typographischen Form ein den Möglichkeiten zeitgemäßen Computersatzes entsprechendes Layout.