eJournals Vox Romanica 58/1

Vox Romanica
vox
0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
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1999
581 Kristol De Stefani

Untersuchungen zur alpinlombardischen Mundart von Curcio (AIS P 224)

121
1999
Hans  Geisler
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Untersuchungen zur alpinlombardischen Mundart von Curcio (AIS P 224) Seit dem Erscheinen von Ascolis Saggi ladini gab es wiederholte und teilweise konträr geführte Diskussionen über die Eingliederung der an das Rätoromanische angrenzenden oberitalienischen Mundarten 1 . So finden sich zwischen dem Bündnerromanischen und Lombardischen Dialekte, die aufgrund einer großen Anzahl phonetischer, morphologischer und lexikalischer Besonderheiten schwer zu klassifizieren sind und deshalb als sogenannte alpinlombardische Gruppe von den eigentlichen lombardischen Dialekten abgegrenzt werden. Zu dieser «anfizona lombardo-ladina» gehören die Dialekte einiger Alpentäler wie die Val Maggia, die Val Leventina und die Val Mesolcina in der Südschweiz, die als westalpinlombardische Gruppe wiederum von dem sich östlich daran anschließenden Bergell, Puschlav und Veltlin unterschieden werden. Diese als ostalpinlombardisch bezeichnete Zone umfaßt darüber hinaus noch das Lirotal (Val San Giacomo) und reicht über Chiavenna ins Meratal (Valchiavenna) bis zum oberen Ende des Comersees 2 . In ihrer wechselvollen Geschichte waren die Täler über lange Zeiträume politisch nach Norden orientiert. So gehörten Chiavenna und das Veltlin zum Karolinger- und zum Deutschen Kaiserreich; ab dem 12. Jh. war das Gebiet in die Auseinandersetzungen zwischen der lega lombarda und den deutschen Kaisern verwickelt und gehörte abwechselnd zur Diözese Como und Chur. Mitte des 14. Jh.s gingen Chiavenna und das Veltlin an die Visconti über, wurden aber im Jahre 1512 wieder vom Grauen Bund annektiert und erst im Jahre 1797 endgültig mit der Lombardei vereinigt 3 . In dieser Zone sind Abweichungen vom Lombardischen in der Val San Giacomo und dem Bergell in direkter Nachbarschaft zum Bündnerromanischen am ausgeprägtesten erhalten. Basierend auf einer lexikalischen Untersuchung des AIS wertet z. B. Redfern 1971: 40 einige Orte ausdrücklich als «transitional points» zwischen dem Bündnerromanischen und dem Lombardischen. Dazu gehören un- 1 Cf. Ascoli 1873, speziell das Kapitel «Ladino e lombardo» (p. 249-316), Gartner 1883, Jud 1911, Battisti 1929, Merlo 1952, Gamillscheg 1948, Wartburg 1950, Redfern 1971, Lang 1982: 210-23, Pellegrini 1991 und zuletzt Liver 1999. 2 Cf. dazu Merlo 1960s., Tagliavini 1959: 323, Pellegrini 1977: 27 und zuletzt LEI Suppl.: 38 mit expliziter Zuordnung von Curcio zur ostalpinlombardischen Zone. 3 Cf. ausführlich Gianoli 1945, Besta 1955, Mazzali 1968. Die Valchiavenna und Val San Giacomo hatten vor allem strategische Bedeutung, da eine der Hauptverkehrsverbindungen der Westalpen von Mailand über das Mera- und Lirotal zum Splügenpaß und weiter nach Chur führte. ter anderen Prestone (AIS P 205) in der Val San Giacomo, Soglio (AIS P 45) und Coltura (AIS P 46) im Bergell sowie Isolaccia (AIS P 209) in der Val di Dentro, Grosio (AIS P 218) im oberen Veltlin und San Carlo (AIS P 58) im Puschlav. Wie auch die lexikalischen Untersuchungen von Stampa 1937 zum vorromanischen Substrat des Ostalpinlombardischen deutlich machen, stellen die oberen Talstufen von Liro (Val San Giacomo) und Mera (Bergell) eine sprachlich sehr konservative Zone im Anschluß an das Bündnerromanische dar. Über Chiavenna hinaus ist dann im unteren Meratal und vor allem im unteren Veltlin eine deutliche Zunahme der lombardischen Züge festzustellen 4 . Es muß daher überraschen, daß noch weiter südlich, am oberen Ende des Comersees, ein Aufnahmepunkt des AIS aufgrund der Zahl lexikalischer Übereinstimmungen mit dem Bündnerromanischen bei Redfern fast die Einstufung als «transitional point» erreicht (cf. Redfern 1971: 35). Es handelt sich um die Gemeindefraktion Curcio (P 224), in lokaler Aussprache [ky: rtS], die rund zwei Kilometer von der direkt am See gelegenen Hauptgemeinde Colico (P 223) entfernt an den Abhängen des Monte Legnone liegt (cf. Karte). Bei einer genauen Sichtung der Atlaskarten des AIS fällt auf, daß enge Beziehungen zu den rund 40 Kilometer weiter nördlich gelegenen nächsten Aufnahmepunkten Prestone (P 205) sowie Soglio (P 45) und Coltura (P 46) und vereinzelt zu Romanisch Bünden bestehen. Auffällig häufig sind zudem Übereinstimmungen mit konservativen Zonen des Veltlin und der Südschweiz (insbesondere der Val Leventina und der Val Mesolcina). Dagegen unterscheidet sich der Ort häufig von den anderen ostalpinlombardischen Punkten der direkten Umgebung wie dem nahen Colico (P 223), dem über dem See gelegenen Germasino (P 222) in den Tre Pievi und dem im unteren Veltlin gelegenen Albosaggia (P 227). Dies gilt in noch stärkerem Maße für die umliegenden comaskischen Aufnahmepunkte wie Introbio (P 234) und Canzo (P 243) sowie für das bergamaskische Branzi (P 236) 5 . Die Sonderstellung der Gemeindefraktion Curcio, die zum Zeitpunkt der Datenerhebung lediglich 399 Einwohner hatte, wird durch die für den AIS ungewöhnliche Nähe zum benachbarten Aufnahmepunkt Colico (P 223) - der nur 2 km von Curcio entfernten Hauptgemeinde - bestätigt 6 . In den Ortsbeschreibungen zu den einzelnen Aufnahmepunkten findet sich ebenfalls ein wichtiger Hinweis auf die dialektale Abweichung Curcios von der Umgebung: 84 Hans Geisler 4 Leider fehlen eingehendere Untersuchungen zu den Dialekten der Valchiavenna, so daß über die Kontinuität dieser Zone nur eingeschränkt Aussagen möglich sind. 5 Bei Goebl 1984 sind für Curcio keine Abweichungen von der Umgebung erkennbar (cf. z. B. in vol. 3, die Karten 3.65s., 3.69a ss., 4.1ss.), da die Unterschiede anscheinend nicht statistisch relevant sind. 6 Leider wurde in Colico von Scheuermeier nur das stark reduzierte Questionnaire aufgenommen (Jaberg/ Jud 1928: 64), so daß in vielen Fällen kein direkter Vergleich mit den Belegen in Curcio möglich ist. In der 7 Stunden von Colico entfernten Frazione Curcio spricht die ältere Generation eine merkwürdige Mundart, die man unter dem Namen ilap kennt, eine verächtliche Bezeichnung, die man auch auf das Bündnerromanische anwendet. Colico und die übrigen Frazioni sprechen den allgemein lombardischen Dialekt. (Jaberg/ Jud 1928: 64) Bekannt ist, daß die Sprecher dieser Mundart auch i vallerani genannt wurden, also «diejenigen aus dem Tal», wobei generisches la valle von jeher das zum Splügenpaß führende Haupttal, nämlich die Val San Giacomo (bzw. Valle Spluga) bezeichnete 7 . Ein früher Beleg für scilàp 8 findet sich bereits 1845 für die benachbarten Tre Pievi: «Scilàp. Tr. P. È lo stesso di Valledràno» (Monti: 251) 9 . In Curcio wurde noch bis 1930 für eine Gruppe von zugewanderten Familien die Bezeichnung «le famiglie del scilàp» gebraucht. Diese Familien unterschieden sich auch durch typische Familiennamen wie Barilani, Curti, Dego/ Deghi, Digonzelli/ Digoncelli, Falzinella/ Falcinella, Fattarelli, Giboli, Guattini, Masolini, Pedroncelli etc. von der Umgebung 10 . Die Familiennamen finden sich unter anderem wieder in der Val San Giacomo und im Bergell. So zählen z. B. i Deghi und i Pedroncelli zu den sechs alteingesessenen Familien von Madesimo (Zahner 1989: 28). Der Name Deghi, der auf decanus in der Bedeutung Amtsvorsteher, Amtsdiener zurückgeht, ist auch im Bergell in der Form Degan, Dagan häufig (Stampa 1971: 257) 11 . Die Sonderstellung der Mundart von Curcio scheint demnach auf eine Zuwanderung aus dem Norden zurückzugehen, die durch eine klimatisch bedingte Aufgabe von Hochweiden ausgelöst worden sein könnte. Die Zuwanderung muß über 85 Untersuchungen zur alpinlombardischen Mundart von Curcio 7 Ähnlich heißt auch die Sprache der Unterengadiner als Bewohner des Inn-Haupttals das Vallader. 8 Die Etymologie von scilàp ist nicht ganz klar. Wahrscheinlich liegt eine germ. Wurzel *lap lecken, schlürfen zugrunde, auf der oit. Verben wie mail. lappà lambire, libare (Cher 2: 339), nov.-mezz. lapà sorbire leccando (Mass: 76) basieren. Daraus entwickelten sich übertragene Bedeutungen wie veltl. lapà chiacchierare (Monti: 122) mit deverbalen Ableitungen, die metonymisch Zunge oder Geschwätz bedeuten: bergam. lapa dicesi per disprezzo nel sig. di lingua (Tira 2: 701), mail. me paren lapp le tengo a ciance (Cher 2: 339), comask. lapàcc ciarlone imprudente o disonesto (Monti: 122), gros. làpa parlantina, chiacchiera (DEG: 481). Das comask. scilàp chiacchierone (Monti: 251) könnte eine Zusammensetzung mit der Bejahungspartikel si in der für das Engadin charakteristischen Aussprache [Si] darstellen (zur Ausdehnung cf. AIS 8: 1659 Cp). Ähnlich findet sich im veltl. Grosio ein persiflierender Spitzname scìsc soprannome un po spregiativo dato agli abitanti di Grosotto, derivato dal loro modo di asserire (scì per sì) (DEG: 765). Daß sich die Bejahungspartikel als Abgrenzungskriterium eignet, zeigt ja auch die Unterscheidung langue d oc - langue d oïl. 9 Wobei jedoch valedràn zu dieser Zeit noch eine zusätzliche Bedeutung hatte: «Valedràn. Valligiano: così è chiamata la gente di Bugiallo, Sorico, Colico e dei d intorni, che ne mesi estivi passa a vivere in Valsangiacomo sopra Chiavenna, fuggendo l aria maligna del paese nativo.» (Monti: 352). 10 Persönliche Mitteilung von Prof. Martino Fattarelli. Ich danke Prof. Fattarelli und der Gemeindeverwaltung von Colico an dieser Stelle für die ausführliche Beantwortung meiner Fragen. 11 In Campodolcino sind ferner Namen wie Barilani, del Curto, Pedroni nachzuweisen (Zahner 1989: 172). die regelmäßigen Wanderbewegungen in diesem Gebiet - im Sommer von den Gemeinden am oberen Comersee auf die alpinen Hochweiden und im Winter von den Hochtälern in die Seegemeinden und die lombardische Ebene - weit hinausgegangen sein und führte zu einer bleibenden Ansiedlung von Familien aus der Val San Giacomo, dem Bergell und eventuell aus angrenzenden Graubündner Hochtälern in klimatisch günstiger gelegenen tieferen Tallagen der Valchiavenna mit Curcio am oberen Comersee als südlichstem Punkt 12 . Ähnlich durch Binnenwanderung entstandene dialektale Insellagen lassen sich auch sonst in diesem Gebiet nachweisen. So ist z. B. für Gordona und Samolaco in der Valchiavenna, Sorico am oberen Ende des Comersees und Piantedo im unteren Veltlin bezeugt, daß sich dort Einwanderer aus dem Norden ansiedelten, die ebenfalls als «famiglie del brich o scilàp» bezeichnet wurden 13 . Die Abgrenzungsfunktion der Negationspartikel brich in Gordona gegenüber der chiavennaskischen Umgebung wird in einer der seltenen Dialektaufnahmen für dieses Gebiet ausdrücklich hervorgehoben 14 : Vi-òtar a sé pö brí h cóme ni-òtar, ni-òtar a sé bón de dí brí h. («Voialtri non siete come noialtri, noialtri siamo capaci di dire brí h mica .») O adès, a g˙he è quí de Semòle h, lúr quànt ai vör an di niént ai dí ś an míga, quí da Més ai dí ś an mía, quí da Prèda i dí ś an niènt, ma brí h ai sé bon dumà ni-òtar. («Oh adesso, ci sono quelli di Samòlaco, loro quando vogliono dire niente dicono míga mica , quelli di Mese dicono mía mica , quelli di Preda dicono niènt niente , ma dire brí h mica siamo capaci solo noialtri.») 15 Diese Charakterisierung verdeutlicht die dialektale Sonderstellung von Gordona, das ungefähr 4 km südlich von Chiavenna an einem Berghang im Meratal liegt 16 . Die sich weiter südlich im Meratal anschließenden Gemeinden Samolaco (miga) und Novate-Mezzola (minga, cf. Mass: 88) weisen den lombardischen Negationstyp 86 Hans Geisler 12 Zwischen Gemeinden am oberen Comersee wie Colico, Sorico, Bugiallo und der Val San Giacomo bestanden seit jeher enge Beziehungen. So bemerkt Stampa im Zusammenhang mit dem auffallend südlichen Vorkommen eines Reliktwortes: «Molte famiglie di Colico e dintorni si recano poi in estate col bestiame sui loro alpi, situati in Val S. Giacomo. Con essi migrano anche le parole.» (Stampa 1937: 40). 13 In der Val San Giacomo selbst ist il brì zur Bezeichnung für den ursprünglichen Dialekt dieses Tals geworden, der mehr und mehr von il minga - eine Art lombardischer Koiné mit der Negationspartikel minga - abgelöst wird (cf. Zahner 1989: 41s.). 14 Zitiert nach Sanga 1984: 31-33, der in seinem Überblick über die Varietäten des heutigen Lombardischen eine kleine Textprobe des Dialekts von Gordona als Beispiel für das «lombardo alpino, di tipo arcaico e con alcune affinità col tipo ladino» gibt. Die Aufnahme stammt von 1972. 15 Cf. Sanga 1984: 32 N52 zur Aussprache von brí h: «La differenza, e la difficoltà, sta nel suono palatale h, che non è posseduto dai dialetti vicini». 16 Sanga 1984: 32 rechnet den Dialekt von Gordona dem Westlombardischen zu, weil Ähnlichkeiten mit konservativen Dialekten im Tessin zu erkennen sind. Im LEI Suppl.: 44 wird das Gebiet dagegen dem Ostalpinlombardischen zugeordnet. auf, während in Curcio am oberen Ende des Comersees der alpinlombardische Typ <brich> wie in Gordona wiederzufinden ist. Der rund vierzehn Kilometer von Curcio entfernte Aufnahmepunkt Mello (P 225) im unteren Veltlin weist einige ähnliche lexikalische und phonetische Abweichungen von der Umgebung auf wie Curcio. Auch hier wird bei der Ortsbeschreibung des AIS darauf verwiesen, daß die Bewohner der umliegenden Dörfer die Mundart als merkwürdig empfinden 17 . Ferner vermutet Merlo aufgrund der auffälligen Palatalisierung von k vor a und sekundären Palatalvokalen (cf. auch unten), daß sprachliche Abweichungen in Traona und Cercino im unteren Veltlin sowie in Piè im mittleren Veltlin auf spätere Einwanderung aus den oberen Talstufen des Veltlin oder der Val San Giacomo zurückgehen 18 . Trotz der Existenz verschiedener Dialektinseln in der unteren Valchiavenna und im unteren Veltlin muß das Auftreten eines konservativen alpinlombardischen Dialekts am oberen Comersee erstaunen, wenn man bedenkt, daß Curcio sehr exponiert an den von Como in die Valchiavenna und ins Veltlin führenden Hauptverkehrsstraßen gelegen ist und - wie allgemein das linke Addaufer im unteren Veltlin - starken mailändischen und comaskischen Einflüssen ausgesetzt war 19 . So beherbergt Curcio auch ein kleines Fort zum Schutz dieser wichtigen Verkehrsverbindungen. Es war Teil einer vom spanischen Gouverneur von Mailand im Jahre 1603 errichteten Verteidigungslinie gegen den Grauen Bund, dem Chiavenna und das Veltlin angehörten (Gianoli 1945: 11s.), während Curcio immer im Einflußbereich von Como und Mailand lag. Vor dem Hintergrund der skizzierten historischen und soziokulturellen Fakten soll im folgenden anhand des AIS und von Dialektwörterbüchern aufgezeigt werden, daß die Mundart von Curcio sowohl in lexikalischer als auch in phonetischer und morphologischer Hinsicht Züge besitzt, die trotz starker lombardischer Überlagerung eine deutliche Anbindung an weiter nördlich gelegene Dialektzonen erkennen lassen. 87 Untersuchungen zur alpinlombardischen Mundart von Curcio 17 Die Sonderstellung von Mello ist jedoch schwächer ausgeprägt als die von Curcio, was wohl zum Teil dem Informanten zuzuschreiben ist, der als Lehrer bereits stark von der italienischen Schriftsprache beeinflußt war und von Scheuermeier als «mittelmäßig» eingestuft wurde (Jaberg/ Jud 1928: 64). 18 Cf. Merlo 1952: 1371 (und 1394): « . . . le oasi di Piè e di Traona-Cercino . . . sono forse colonie (venute dall alta valle? o dalla valle del Liro? ), anche se non ci è arrivata notizia della immigrazione». Die Bewohner dieser Orte am unteren rechten Addaufer werden in der Umgebung auch als i cèch bezeichnet, vielleicht weil die auffälligen Palatalisierungen als «slawisches» Sprachcharakteristikum wahrgenommen wurden (cf. Stampa 1937: 15 und Mass: 37). Ebenso könnte eine volksetymologische Umdeutung des Namens Cech (Fran)ciscu vorliegen, der auf franko-karolingische Relikte in diesem Gebiet hindeutet (cf. Gianoli 1945: 19, 22). 19 Cf. Stampa 1937: 15: «La parte più esposta e soggetta ad infiltrazioni straniere è la riva sinistra della B. V. [= Bassa Valtellina, H.G.], la quale sbocca larga larga sul lago di Como». 1. Phonetische Sonderstellung 1.1 Palatalisierung von haupttonigem a Als besonders markante Eigenheit der Mundart von Curcio kann die Veränderung von haupttonigem a [E: ] gelten 20 , die in der lombardischen Umgebung nicht nachzuweisen ist. Diese auf wenige Gebiete der Romania beschränkte Entwicklung erfaßt in der alpinlombardischen Zone nur die Val Leventina und die Val Mesolcina sowie einige Gebiete um den Luganer See; östlich schließen sich die Val San Giacomo und das Bergell sowie im Veltlin die höchsten Talstufen um Bormio und Livigno an. Nördlich daran angrenzend macht in Romanisch Bünden nur das Oberengadin (mit Bergün und Beiva) diese Entwicklung mit 21 . Aufgrund verschiedener Indizien ist davon auszugehen, daß die heutige Verbreitung nur ein Rückzugsgebiet einer ehemals ausgedehnteren Zone darstellt, die durch lombardische Überlagerung schnell im Abnehmen begriffen ist 22 . In Curcio sind alle haupttonigen a in offener Silbe zu [E: ] verändert: sale [sE: ] 23 (AIS 5: 1009 sale ) male [mE: ] (AIS 1: 158 male ) ava [’E: vɐ] (AIS 1: 17 nonna ) clave [cE: f] (AIS 4: 899 clave ) flatu [fjE: ] (AIS 1: 167 fiato ) -atu [tru’nEt] (AIS 2: 397 tonato ) facit [fE] (AIS 1: 158 fa ) -are [pi’sE: ] (AIS 1: 178 pisciare ) casa [cE: ] (AIS 2: 395 casa ) cane [cE: n] (AIS 6: 1097 cane ) Einen Sonderfall bildet lediglich á vor Nasal. Hier tritt die Veränderung noch vor n, jedoch nicht mehr vor m in offener Silbe ein 24 : pane [pE: n] (AIS 5: 985 pane ) manu [mEn] (AIS 1: 148 mano ) lana [’lE: nɐ] (AIS 6: 1077 lana ) rana [’rE: nɐ] (AIS 3: 454 rana ) manicu [’mE: n ic ] (AIS 3: 549 manico ) calcaneu [kal’cE: ŋ] (AIS 1: 165 calcagno ) 88 Hans Geisler 20 Im Nebenton ist a in Curcio dagegen erhalten: manducare [man’JE: ] vs. manducat [’menJɐ] (AIS 5: 1024 mangia ). Im Auslaut ist der schallstärkste Vokal a im Lombardischen vollständig erhalten, während er in Curcio zu einem Zentralvokal [ɐ] reduziert wurde: ava [E: ’vɐ] (AIS 1: 17 nonna ). 21 Eine genaue Abgrenzung der Gebiete ist schwierig, da sich Reste einer a-Veränderung - vielfach an Sonderbedingungen wie vorausgehenden Palatal gebunden - auch im mittleren Veltlin, in der Val Maggia, im Mendrisiotto und bis vor Mailand nachweisen lassen. Zur Ausdehnung cf. Wartburg 1950: 133-37 und Karte 18, Rohlfs 1: §19-27, Sanga 1997: 253-62, speziell zum Tessin Prader-Schucany 1970 passim, Lurà 1990: 36-38, zum Veltlin Merlo 1952, DEG: 57-62, zu Romanisch Bünden Geisler 1992: 119-22 mit weiterführender Literatur. 22 Im Tessin werden z. B. in der Valle di Muggio Formen mit verändertem a wie grènt, biènch, chèmp, anstelle von grànt, biànch, chàmp nur mehr scherzhaft verwendet und gelten als Zeichen von Rückständigkeit (Lurà 1990: 37). 23 Im folgenden sind die Belege aus dem AIS in API-Transkription wiedergegeben. 24 Auch hier verhält sich das Oberengadinische entsprechend: oeng. [pE: m] vs. [fam] (cf. de Poerck 1962: 76, 78; DRG 6: 464). dagegen: fame [fam] (AIS 5: 1015 fame ) lama [’la: m O ] (AIS 6: 1229 cerchio aerame [ran] (AIS 3: 409 rame ) di ferro ) Im Gegensatz zum Oberengadinischen tritt in Curcio die á-Veränderung auch in geschlossener Silbe vor Nasal und Palatal auf: blank [bjE: nc] (AIS 8: 1575 bianco ) planta [’pjE: ntɐ] (AIS 3: 533 pianta ) campu [cE: ɐ m p] (AIS 7: 1416 campo ) camba [’Jembɐ] (AIS 1: 159 gamba ) vacca [’vE: cɐ] (AIS 6: 1045 vacca ) lacte [lEc] (AIS 6: 1199 latte ) bracchiu [brES] (AIS 1: 144 braccio ) Unverändert bleibt á dagegen vor den restlichen silbenschließenden Konsonanten: barba [’barbɐ] (AIS 1: 115 mento ), gattu [Jat] (AIS 6: 1114 gatto ), bassa [’basɐ] (AIS 3: 428a avvallamento ). Auch á+Nasal+Nasal bleibt erhalten: anni [an] (AIS 1: 50 anni ), pannu [pan] (AIS 8: 1516 panno ), flamma [’fjamɐ] (AIS 5: 921 fiamma ). In der Verbindung á+l+Konsonant hat sich haupttoniges a zu [O] entwickelt: altri [vi’Oltɐr] (AIS 8: 1683 voialtri ) 25 . Bei Infinitiven auf a finden sich aufgrund der unterschiedlichen á-Entwicklung in offener und geschlossener Silbe zwei Formen. Die Infinitivendung -are wird lautgesetzlich zu [-E: ] verändert: pisèe [pi’sE: ] (AIS 1: 178 pisciare ). Folgt jedoch ein enklitisches Pronomen, so steht á in gedeckter Silbe und bleibt erhalten: baSàs [ba’zas] (AIS 1: 67 baciarsi ), binàj [bi’naj] (AIS 7: 1389 binarle ), dàm [k i da ’dam] (AIS 8: 1560 che mi dovete , lett. che avete da darmi ). Dies deutet darauf hin, daß die á-Veränderung in Curcio erst relativ spät - nach dem Fall des auslautenden -r der Infinitive - aufgetreten ist. Eine vergleichbare Ausprägung der Palatalisierung von haupttonigem a ist in der näheren Umgebung nur in der Val San Giacomo nachzuweisen; so in Prestone (P 205): [sE: ], [E: vɐ], [fjE: ], [tru’nEt], [cE: ], [tsjE: n], [pE: n], [’lE: nɐ], [’mE: n ɐO ], [kal’cE: ŋ], [pXE: n ts ] bianco , [tsjE: mp], [’vEtsjɐ], [brES], [lEc] 26 . Einige abgelegene Talorte mit Bewahrung konservativer Dialektformen haben jedoch a - vor allem vor Palatal - erhalten: facea Isola [’faSa] faccia . Dies könnte bestätigen, daß es sich bei der Entwicklung von á e um eine rezente und nicht vollständig durchgedrungene Entwicklung handelt, die zudem in den Hauptorten des Tals durch lombardischen Einfluß wieder rückgängig gemacht wird (cf. Zahner 1989: §11, 24, 27-29). 89 Untersuchungen zur alpinlombardischen Mundart von Curcio 25 In einigen Fällen liegen in Curcio auch bereits lombardisierte Formen mit a vor: nasu [na: s] (AIS 8: 1618 naso ), capra [’kavrɐ] (AIS 6: 1079 capra ) etc. Den Ablöseprozeß verdeutlichen Varianten wie lana [’lE: nɐ] neben [’la: nɐ] (AIS 6: 1077 lana ). 26 Cf. ausführlich Zahner 1989: §1-29. In der Val San Giacomo findet sich entsprechend auch á-Erhalt bei Infinitiven mit enklitischem Pronomen: lavàs lavarsi (Zahner 1989: §423, 433). Im Bergell findet sich im direkten Anschluß an das oeng. Gebiet ebenfalls á- Veränderung und dies ziemlich regelmäßig in Soglio (P 45), während in Coltura (P 46) die Formen mit a überwiegen: [sE: l], [mE: l], [nE: s] naso (P 45 und P 46), [flE], [kE: n ], [pe: n ], [blE: nk], [kEmp] (P 45) vs. [fla: ], [kaŋ], [pa: ŋ], [blank], [kamp] (P 46). Generell nicht verändert wurde im Bergell das haupttonige a vor Palatal: facit [fa], vacca [’vakɐ], lacte [lac] (P 45 und P 46) 27 . Auch im Chiavennaskischen sind ganz vereinzelt Spuren dieses Lautwandels nachzuweisen: Voga [ce: ] casa , [me: ] male (Salvioni 1901: 23ss., Ascoli 1875: 296) 28 . Reste einer auffälligen Veränderung von haupttonigem a ausschließlich vor Nasal zeigt Mello (P 225) im unteren Veltlin: [me: ], [ke: ], [pe: ], [’le: na], [bje: ŋk], [ke: mp] und Domaso in den Tre Pievi: men mano , pen pane , rena rana (Salvioni 1936: 226ss. ). Darüber hinaus finden sich auch dort nur Formen mit erhaltenem haupttonigen a: Mello [sa: ], [ma: ], [’a: va], [fja: ], [fa], [pi’sa], [’ma: nik], [’vaka], [lac] und entsprechend Domaso sa, nas, pra, pe ká, biank, vakka, la , g˙a a ghiaccio (Salvioni 1936: 226ss.). Die sonstige Umgebung Curcios zeigt keine Spuren dieser Palatalisierung. Besonders auffällig ist das Fehlen jeglicher Veränderung im nur 2 km entfernten Colico: [sa: ], [ma: l], [pi’sa: ], [ka: ], [paŋ], [’la: na], im konservativen Germasino in den Tre Pievi: [sa: ], [ma: l], [fja: d], [pi’Sa: ], [kaŋ], [paŋ], [’la: n o ] sowie im 10 km nördlicher im unteren Meratal gelegenen Novate-Mezzola 29 : sàa, àaf, fiàa, pisà, can, biàanch, càamp (cf. Mass passim). 1.2 Palatalisierung von k Einen weiteren auffälligen Unterschied zur lombardischen Umgebung stellt die Entwicklung von k [c] und g [J] vor sekundären Palatalvokalen dar 30 . Im Gegensatz zur nordgalloromanischen Palatalisierung tritt die Veränderung außer vor palatalisiertem a auch vor anderen sekundären Palatalvokalen ein 31 , und die Ergebnisse sind fast immer auf der mediopalatalen Stufe [c] bzw. [J] stehengeblieben. Dieser Lautwandel ist charakteristisch für das Rätoromanische, ohne jedoch 90 Hans Geisler 27 Ähnlich erhält das Oeng. á vor Palatal: glacie [glatS], bracchiu [bratS], vacca [’vacɐ] (cf. Walberg 1907: 12). 28 Stampa 1934: 37 vermutet, daß im Bergell und im Chiavennaskischen haupttoniges a bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jh. weitgehend restituiert war. 29 Wie in vielen lomb. Dialekten erfolgt lediglich Längung des á (orthographisch àa). 30 Dagegen ist bei der frühen Entwicklung von k e,i [tS] [S] kein Unterschied zu den umliegenden Punkten festzustellen: Curcio [Senɐ] wie lomb. [Sena] cena (AIS 6: 1031). Zu den Typen der romanischen k-Palatalisierung cf. ausführlich Geisler 1992: 129-40. Zum Problem der verschiedenen Palatalisierungsstufen [c], [tS], [tX], [ts] etc. im Alpinlombardischen und zu den sehr uneinheitlichen Transkriptionen cf. den Vermerk in LEI 1: 79 N9. 31 Im Altfranzösischen ist die Entwicklung von u [y] erst nach der Palatalisierung von k erfolgt, weshalb hier k y erhalten bleibt (cf. culu afr. [kyl]). in Romanisch Bünden überall durchgeführt zu sein. Durchgehend palatalisiert wird lediglich im Engadinischen, häufig und oft unter unklaren Bedingungen in Mittelbünden, während im Surselvischen k vor sekundären Palatalvokalen fast vollständig erhalten bleibt (cf. die Zusammenfassung in Geisler 1992: 135-38). Über Romanisch Bünden hinaus ist die sekundäre Palatalisierung in südlich angrenzenden galloitalienischen Dialekten zu beobachten. Im Tessin ist die Erscheinung in der Valle Cannobina und in der Val Maggia stark ausgeprägt; die Val Verzasca und Centovalli weisen dagegen nur einige Spuren auf. Isolierte Reste in Isone, südlich des Monte Ceneri, lassen auf eine ehemals ausgedehntere Verbreitung schließen. In der Val Leventina zeigt heute lediglich der oberste Talort Airolo ausgeprägte Palatalisierung (Prader-Schucany 1970: 62ss.), während im Veltlin eine Palatalisierung nur noch in der Valfurva, daran anschließend in Livigno sowie punktuell im mittleren (Pié bei Sondrio) und unteren Veltlin (Traona, Cercino) zu beobachten ist (cf. Salvioni 1901: 26ss., Merlo 1952: 1371 und 1394) 32 . In Curcio findet sich die Erscheinung durchgehend in folgenden Umgebungen: 1) vor [E: ] ( á) 33 : casa [cE: ] (AIS 2: 395 casa ) *circare [Ser’cE] (AIS 4: 636 cercare ) camba [’Jembɐ] (AIS 1: 159 gamba ) *ganda [’Jendɐ] (AIS 3: 427a ganda ) cacare [ka’JE] (AIS 1: 179 cacare ) 2) vor [y] ( u), vor [ ], [ø] ( o): culu [cy] (AIS 1: 136 culo ) coriu [cø: r] (AIS 8: 1568 cuoio ) 3) vor [ɐ] ( auslautendes a): musca [’muScɐ] (AIS 3: 477 mosca ) vacca [’vE: cɐ] (AIS 6: 1045 vacca ) 4) im Auslaut (mit Palatalisierung vor dem Schwund von auslautendem [@]): focu [f c] (AIS 2: 354 fuoco ) iocu [J c] (AIS 4: 740 giuoco ) In der direkten Umgebung von Curcio weist allein die Val San Giacomo noch ähnliche Verhältnisse auf: [cE: ], [cE: n], [’JE: mba], [ne’JE: ] annegare , [cy: ], [cø: r], [’mu: Sca], [’vEca], [fø: c] (Zahner 1989: § 103, 112, 138, 141, 164, 177) 34 . Kleinere 91 Untersuchungen zur alpinlombardischen Mundart von Curcio 32 Cf. ausführlich Salvioni 1901, Wartburg 1950 (speziell Karte 6), Merlo 1952, Schmid 1956: 53-80. 33 In nebentoniger Silbe ist dagegen der Erhalt von k a und g a in Curcio normal, da hier auch a erhalten bleibt: cani+ottu [ka’ ot] (AIS 6: 1103 cane ), gallina [ga’linɐ] (AIS 6: 1122 gallina ). Im Altfranzösischen wiederum wird auch nebentonig palatalisiert: caballu afr. cheval. 34 In Prestone ist nach der Palatalisierung eine sekundäre Weiterentwicklung von [c] [tSj] bzw. [J] [dZj] erfolgt: [tSjE: ], [tSjE: n], [’dZjE: mba], [’vE: tSja] vacca (cf. Zahner 1989: §301, 302). Im AIS findet sich für Prestone (P 205) als Resultat manchmal auch [tsj], [tsjE: n], [’vEtsjɐ], [pXE: n ts ] bianco . Palatalisierungsinseln im Chiavennaskischen wie Gordona und Voga sind in ihrer genauen Ausdehnung nicht näher untersucht und nur lückenhaft dokumentiert (cf. Gordona [bric], Sanga 1984: 31-33, Voga [ce: ] casa , Salvioni 1936: 228). Auch im Bergell ist die Palatalisierung von k nur schwach ausgeprägt; sie findet sich lediglich in Reliktwörtern: [cy] culo vs. [kE: n ] cane , [kE’gE: ] cacare , [vakɐ], [blE: nk] etc. (P 45 und P 46). Die lombardische Umgebung von Curcio weist keine Spuren dieser Palatalisierung mehr auf 35 . So zeigt das nahe Colico nur Formen mit k: [ka], [peS’ka], [’vakɐ] etc. Das gleiche gilt für das nördlicher gelegene Novate-Mezzola: cà, cagà, vaca, cüü, fööch, giööch (cf. Mass passim). 2. Morphologische Sonderstellung 2.1 Negationspartikel Die Mundart von Curcio besitzt die auffällige Negationspartikel bri: parquè se spùSat bri 36 (AIS 1: 69 perchè non vi sposate , cf. ferner 1: 52, 2: 355, 4: 653, 6: 1144 etc.). Der Typ <brich(a)> ist in Romanisch Bünden im Engadin und vereinzelt in Mittelbünden zu belegen und dient dort zur Verstärkung der Negation nun, na und mai (z. B. mai . . . brich nie ) 37 . Darüber hinaus findet sich der Typ im Puschlav und im oberen Veltlin mit Livigno. Ferner weisen die Val Calanca und die Val Verzasca diese Negation auf. Im direkten Anschluß an das Engadin tritt der Typ auch im Bergell und in der Val San Giacomo, punktuell in der Valchiavenna (cf. Sanga 1984: 31-33 und Festarozzi 1975: 44) sowie am oberen Ende des Comersees in den Tre Pievi (cf. Monti: 31) und in Curcio auf. Auch hier bildet Curcio den südlichsten Vorposten dieses spezifisch rätoromanisch-alpinlombardischen Negationstyps 38 . 2.2 Lokaladverbien Curcio verwendet als Ortsadverbien chilò [ki’lO] qui und ilò [i’lO] lì (cf. AIS 8: 1609 venite qui , AIS 2: 352 stare qui , AIS 8: 1519/ 1520 vorrei di questa (tela) qui, non di quella lì ). Außer in Curcio findet sich der Typ <chilò> in der Val San Gia- 92 Hans Geisler 35 Ausführlich zur Revelarisierung cf. Schmid 1956: 65ss. 36 Zur besseren Vergleichbarkeit sind die Formen von Curcio hier und im folgenden jeweils entsprechend der in den Wörterbüchern der Gegend gebräuchlichen Graphie verschriftet. 37 Cf. den ausführlichen Artikel brich(a) im DRG 2: 499ss. mit Verteilungskarte von brich(a), betg(a), buc(a) in Romanisch Bünden. 38 An die alpinlombardischen Gebiete mit <brich(a)> schließt südlich eine Zone mit bris(a) an: mail., bergam. und lomb. brisa no, mica . Brisa geht nach FEW 1: 531 auf keltisch brisare zermalmen zurück, während die Etymologie von <brich(a)> ungeklärt ist; zu den verschiedenen Vorschlägen cf. DRG 2: 506s. como, im Bergell, im Puschlav sowie im Veltlin und im Val di Dentro; darüber hinaus im Tessin (Salvioni 1901: 13) und im bresc. Sonico (P 229). Die Wörterbücher belegen für das Veltlin: gros. chilò, Val di Sotto chigliò (DEG: 290), Val Tartano chilò (VVT: 102) und bergam. chelò, chilò (Rohlfs 3: §909). Im oeng. Fex-Platta (P 47) und im surs. Tavetsch erscheint eine Form [kO], im Surs. daneben auch [kEw] (cf. Ebneter 1994: 36). Die korrelierte Form ilò lì ist noch stärker eingeschränkt auf Puschlav, Veltlin (DEG: 441; VVT: 247s.) und Bergamo (cf. ilò, ilöga lì , Rohlfs 3: §909). Im oeng. Fex-Platta (P 47) tritt neben [kO] eine Form [lO], entsprechend im Surs. neben [kEw] eine Form [lEw] (Ebneter 1994: 39). Die Formen quilò und ilò sind in altlombardischen Texten durchaus gebräuchlich (Rohlfs 3: §909). Die wenigen verstreuten Vorkommen im Alpinlombardischen scheinen also Relikte einer ehemals ausgedehnteren Verbreitung im Lombardischen zu sein. Als etymologische Grundlage ist für chilò wohl *eccu-hi(c)-illoc anzusetzen (Rohlfs 3: §909), analog zu *eccu-hi(c)-illac, das in Formen im oberen Veltlin fortgesetzt ist: Piatta chiglià, Semogo (Val di Dentro) chigliè, Valfurva kiè, cià (DEG: 290). Entsprechend dürfte ilò auf hi(c)-illoc zurückgehen 39 . Curcio kennt weiterhin eine Reihe von zusammengesetzten Richtungsadverbien, die in den umliegenden Orten ungebräuchlich sind und stark auffallen: sugliò a sopra , giugliò a sotto , entigliò a destra , fugliò a sinistra 40 . Vergleichbare Bildungen finden sich im Engadin: sü lo dort oben, dort hinauf , giò lo dort unten, dort hinunter , oura lo dort draußen, dort hinaus , im Surs.: si leu, giu leu, en leu, or leu (Ebneter 1994: 36, 39) sowie im oberen Veltlin: gros. su ilò, gió ilò, int ilò, fò ilò (DEG: 124).Auch in Grosio kann sich die Bedeutung draußen , vermittelt über die Bedeutung schräg, quer , in einigen zusammengesetzten Adverbien zur Bedeutung links entwickeln (analog wird drinnen zu rechts ): fisù di sopra, in posizione obliqua, alla sinistra di chi parla, intermedia tra fò e su (DEG: 380), culafisù lassù, in un punto collocato a metà strada fra culafò e culasù. In alto sulla sinsistra, in contrapposizione a culaingió. (DEG: 313), culafigiò, culafió laggiù, spostato obliquamente sulla sinistra (DEG: 313). 2.3 Indefinitpronomen Curcio besitzt ein auffälliges Indefinitpronomen quaiverün [kwajvE’ryŋ] (AIS 8: 1632, 1639 qualcuno ). Die Form stellt eine Zusammensetzung aus quai + verün dar und dürfte auf eine Zusammenziehung von *quali + vere-uno zurückgehen 41 . 93 Untersuchungen zur alpinlombardischen Mundart von Curcio 39 Die Entstehung der bündnerrom. Formen ist unklar (cf. Prader-Schucany 1970: 152, die für surs. [kEw] ein eccu hac-ibi? ansetzt). 40 Persönliche Auskunft von Prof. Martino Fattarelli. 41 Die Form quài qualche ist die normal entwickelte Pluralform zu quàl quale (cf. DEG: 672). Die Etymologie von verün aus spätlat. vere + unu soltanto qualcuno ist unsicher (cf. ausführlich zu den verschiedenen Deutungsversuchen DEG: 950, LEI 2: 47s.). In der Umgebung findet sich überwiegend der Typ <verün>: Prestone [ve’ryn] (P 205), Soglio [vɐ’ry: n] (P 45), nov.-mezz. verün (Mass: 171), im Veltlin und im Comaskischen auch der Typ <vergün>: gros. vergün, posch. [var’gyŋ] (P 58), lecch. vergün, vergoeun (VIL: lvi), bergam. ergü, quac vergü (Tira 1: 490). Daneben treten vielfach Varianten wie <quaidün>, <quaiun> etc. auf: Mello [kwaj’diŋ] (P 225), nov.-mezz. quaidün, quaivün (Mass: 114), gros. quaiùn (DEG: 672), Leventina [kwEj’dyŋ] (Prader-Schucany 1970: 142), lecch. quaivün, quaighedün (VIL: lvi), mail. quajdùn (Cher 3: 425) 42 . Sehr wahrscheinlich beruht die Form in Curcio auf einer Vermischung der beiden Typen <quai(d)ün> und <verün>. 2.4 Kausale Konjunktion Die kausale Konjunktion perchè hat in Curcio auffälliges [w ]: parquè [par’kwE] (AIS 1: 112 perchè ) und ist im Gegensatz zu [ce] quid (cf. AIS 2: 363 che tempo fa , AIS 6: 1113 che cosa ne fareste ) nicht palatalisiert. Entsprechende Formen finden sich nur in Prestone, im tess. Sonogno (P 42) und weiter westlich im Piem. (P 124, 135, 133, 144). Die nähere Umgebung von Curcio hat dagegen den lomb. Typ <perchè>: nov.-mezz. parchè (Mass: 100), lecch. perchè (VIL: 569). 2.5 Verbalmorphologie Die Verbformen des Präsens Indikativ stimmen in Curcio weitgehend mit den lombardischen Formen der Umgebung überein: mi làavi [mi ’la: vi] lavo , ta làavat [tɐ ’la: vɐt] lavi , lü l làava [ly l ’la: vɐ] lava , niòolter làavum [ni’O: ltEr ’la: vum] laviamo , i làavan [i’la: vɐn] lavano 43 . In der 1. P. Sg. làav-i und 2. P. Sg. làava-t tritt Verstärkung der Endung durch enklitisches Subjektspronomen auf, ebenso in der 2. P. Pl., bei der die wenigen Belege jedoch stark variieren. So zeigt die Form léevuf [’le: v uf] (AIS 4: 661 voi vi levate ) paradigmatisch bedingte Rückverlagerung des Akzents 44 . Daneben steht eine Frageform credìiuf [kre’di: uf] (AIS 8: 1595 credete che se ne vada? ), bei der das enklitische Pronomen -uf 45 an die verallgemeinerte Endung -ìi der 2. P. Pl. in der 4. Konjugation antritt. Vergleichbare Enklise- 94 Hans Geisler 42 Häufig sind die einheimischen Formen bereits durch den it. Typ <qualcheduno, qualcuno> überlagert, z. B. steht in Romanisch Bünden neben enzatgi, insachi jemand ( unum non sapit qui) der Italianismus qualchün jemand (HR 1: 299, 638). 43 Die Formen sind der Konjugationstabelle für reflexive Verben entnommen (cf. AIS 8: 1683 lavarsi ), da Curcio in den restlichen Tabellen durchgehend fehlt. 44 Rückverlagerung des Akzents zeigt auch die 2. P. Pl. von vès essere im Imperfekt: éeruf [’e: ruf] eravate (cf. AIS 7: 1250 [’e: ruf dɐ ve’de: ] avresti dovuto vedere , lett. eravate da vedere ). 45 Zum «voi flexionnel» im Lombardischen cf. ausführlich Jaberg 1936: 87-95 und Karte 18. formen zeigen Canzo marìiuf (P 243, AIS 1: 69 vi sposate? ) und mendris. credaressìuf (2. P. Pl. Konditional, Lurà 1990: 174) 46 . Formen ohne enklitisches Subjektspronomen finden sich in Curcio bei der 2. P. Pl. nur mehr beim Auxiliar i [i] (AIS 8: 1560 [k i da ’dam] che mi dovete , lett. che avete da darmi ), beim Konjunktiv Präsens trùee [’true: ] (AIS 8: 1651 (mi meraviglio) che non lo troviate ) und generell beim Imperativ: venìi (AIS 8: 1609 venite ), ndè (AIS 8: 1610 andate ), paghjèm (AIS 8: 1589 pagatemi ), vendìij (AIS 4: 833 vendeteli ). Die für die 2. P. Pl. auffällige Frageform vuléevat (AIS 8: 1638 volete che ci vada io? ) hat eine Parallele in ueng. pudaivat. Möglicherweise ist hier an das flexivisch aufgefaßte Pronomen ein flexivisches -t angefügt worden, also *pudai-va-t.Zugleich muß - ähnlich wie für it. potete - eine s-lose Ausgangsform des Verbs angenommen werden, die lautgesetzlich zu -t führt, und die im ueng. Tschlin für andere Verbformen wie das Imperfekt (vo purtevet) und das Perfekt (vo purtettet) auch belegt ist 47 . Die 2. P. Pl. reflexiver Verben zeichnet sich in Curcio dadurch aus, daß zusätzlich zum enklitischen Subjektspronomen das auf alle Personen ausgedehnte Reflexivpronomen se angehängt wird: sentéevas (AIS 4: 664 sedetevi! ). Die in den Konjugationstabellen angegebene reflexive Form viòoltar lavéevas (AIS 8: 1683 voi vi lavate ) ist wohl ebenfalls als invertierte Form mit pronominaler Doppelenklise von va und se zu werten 48 . Vergleichbare Fälle von Doppelenklise sind in der Val San Giacomo (lavévas lavatevi! , Zahner 1989: § 457) und im Mendrisiotto belegt (cf. lavívas lavatevi! , Lurà 1990: 161). 2.5.1 1. P. Präs. Ind. von dare, stare, andare Im Gegensatz zum lomb. Typ <do> lautet die 1. P. Sg. Präs. Ind. von dare in Curcio [dE: j] (AIS 6: 1110). Die Form dürfte auf *dago zurückgehen, das analog zu digo ( dico) gebildet ist 49 . Identische Formen finden sich punktuell in der Val San Giacomo in Prestone (Zahner 1989: 116s.), in der Val Leventina in Osco (Prader- Schucany 1970: 204) sowie im tess. Chironico (P 32) und veltl. Lanzada (P 216). Ein Großteil des Tessin sowie Germasino haben den Typ <dak>. Ansonsten weist die Umgebung nur den lomb. Typ <do> auf; Romanisch Bünden hat <dun> (analog zu sun sum). 95 Untersuchungen zur alpinlombardischen Mundart von Curcio 46 Die Schwankungen bei den Endungen der 2. P. Pl. sind für die Gegend keineswegs ungewöhnlich: vsgiac: lèensciof neben lenscìi leggete (Zahner 1989: §432), lecch. sùnef neben sunìi suonate (VIL: xlvi). Im Mendrisiotto finden sich sogar drei Varianten für die 2. P. Pl. des Indikativs: càntuf, cantèe, cantìi cantate (Lurà 1990: 181) und bis zu fünf Varianten für die 2. P. Pl. des Konjunktivs: tàsuf, tasìi, tasèe, tasìguf, tasèguf tacciate (Lurà 1990: 172). 47 Zur ueng. Form cf. ausführlich Linder 1987: 56ss. 48 Die Form wurde von den Herausgebern Jaberg/ Jud angezweifelt und mit dem Kommentar «5 richtig? » versehen. 49 Zur Formenentwicklung von dare und stare cf. ausführlich Schmid 1949: 54-116, speziell zu Curcio cf. p. 108 und 83 N5 sowie die Karte im Anhang. Ähnlich lautet die 1. P. Sg. Präs. Ind. von stare in Curcio [stej] (AIS 4: 695), und in Prestone [stEj], dagegen in Soglio [stuŋ] (analog zu son sum), im Tessin [staj] und Germasino [Stag] (beide aus *stak). Die weitere Umgebung hat den lomb. Typ <sto>. Die 1. P. Präs. Ind. von andare hat in Curcio die Form [vEj] (AIS 8: 1656), entsprechend in Prestone und in Osco [vEj] (Zahner 1989: 116, Prader-Schucany 1970: 214), während das übrige Tessin und Germasino wieder den Typ <vak, vay> zeigen. Die sonstige Umgebung hat durchgehend den lomb. Typ <vo>: Mello [vo: ] (P 225), Lanzada [vo] (P 216). 2.5.2 1. P. Präs. Konj. von andare Abweichend von der Umgebung hat Curcio für die 1. P. Präs. Konj. von andare die Form [’vE: Ji] (cf. AIS 8: 1638 volete che ci vada io? ). Ähnliche Formen mit -i vom Typ <vag-i> finden sich noch in der Val Leventina (Prader-Schucany 1970: 176), der Val Mesolcina (P 44), in Germasino (P 222), Albosaggia (P 227) und im konservativen lomb. Introbio (P 234). Dagegen entspricht die Endung der Formen [’vE: Jɐ] in Prestone und [’vE: dɐ] in Soglio dem lomb.Typ <vag-a>. Die Form in Curcio scheint lautgerecht aus der 2. P. Präs. Konj. der a-Konjugation entwickelt und auf die 1. P. Präs. Konj. übertragen worden zu sein (cf. Prader-Schucany 1970: 177ss.). 2.5.3 Partizip Perfekt Die Entwicklung der Partizipendung -atu [-E: t] (cf. tirèet [ti’rE: t], AIS 8: 1673 tirato ) mit Erhalt des -t läßt sich außer in Curcio nur noch in der Val San Giacomo nachweisen (cf. guardèet guardato , Zahner 1989: §445) 50 . Abgesehen von der späteren Palatalisierung von a [-E: ], gehören Curcio und die Val San Giacomo damit zu einer ostlombardischen Zone mit -àt, die bei den schwachen Partizipien auslautendes -t ebenfalls erhält 51 . Dagegen entwickelt sich -atu im Westlombardischen zu -à, im Tessin zu -ò, im Veltlin zu -à und teilweise zu -è, im Puschlav zu -ù, in Mittelbünden und im Oeng. zu -ò, im Ueng. zu -à und im Surs. zu -au 52 . Da in Curcio auslautendes -t ansonsten gefallen ist (cf. flatu fyèe [fjE: ], AIS 1: 167 fiato , fossatu fusèe [fusE: ], AIS 6: 1176, pratu prèe [prE: ], AIS 3: 456), scheint die Differenzierung vom Infinitiv für den Erhalt des -t beim Partizip ausschlaggebend gewesen zu sein: cf. -atu [-E: t] vs. -are [-E: ] 53 . In der Umgebung 96 Hans Geisler 50 Dies gilt entsprechend für -ati und -ate [-E: t]: ruèet [ru’E: t] (AIS 8: 1646 arrivati ), crumpèet [krum’pE: t] (AIS 4: 823 le due che ho comprate ). 51 Zur genauen Ausdehnung von -at im Ostlombardischen cf. Keller 1943: 604, 618, 622 und Karte iv, v. 52 Cf. ausführlich zum Problem der lautlichen Entwicklung Keller 1943, Prader-Schucany 1970: 173-176, Rohlfs 1: §203. 53 Eine vergleichbare Differenzierung der Ergebnisse von -are und -atu findet sich auch im Piem. und in gallorom. Dialekten, cf. Geisler 1992: 112ss. und Karte 3-7, 3-7a. wird die Differenzierung mit anderen Mitteln aufrechterhalten: in Novate-Mezzola durch Längenunterscheidung incantà (Inf) vs. incantàa (PP) (cf. Mass: 10s.), ebenso lecch. sunà - sunaa (VIL: lxxixss.), im veltl. Grosio durch Erhalt des Infinitiv-r: gros. parlär (Inf) vs. parlä (PP) (DEG: 91s.). 2.5.4 Unregelmäßige Partizipien fatto, stato Das Partizip Perfekt von fare hat in Curcio die Form fèy [fEj], die sich nur im Val di Dentro in der Form [fej] wiederfindet (cf. AIS 8: 1618 ha fatto ). Die Val San Giacomo hat hier [fEtS] (Zahner 1989: §445), das Bergell [fa t ] (P 45) und [fac] (P 46), das Tessin überwiegend [fac], das veltl. Grosio fac (DEG: 97), während die lomb. Typen <fa(t)> und <fay> lauten (cf. nov.-mezz. fàa, Mass: 55; lecch. faa, VIL: lcviii) 54 . Unter dem Einfluß von factu wird statu in Curcio und in Prestone zu stèy [StEj] (AIS 8: 1632). Demgegenüber haben Soglio [Stac], gros. stàc , Mello stà, lecch. staa. 2.5.5 Verkürzter Infinitiv Die Form bur im Ausdruck [faj bur ’dZy] (AIS 7: 1257 far cascare ) und [’bur bri ’Zu] (AIS 8: 1621 non cadere ) stellt einen verkürzten Infinitiv dar, der wohl durch satzphonetisch bedingte Synkope in Verbindung mit einem Richtungsadverb entstanden ist: burlèe giù búrle giù bur giù. Vergleichbare Kürzungen finden sich im tess. Mendrisiotto: bütà giò bütt giò demolire 55 . Die direkte Umgebung weist nur die volle Form des Infinitivs auf: nov.-mezz. burlà giù (Mass: 30), Grosotto burlà gió (Vals: 23), bergam. borlà zo (Tira: 198). 2.5.6 Infinitiv mit a Curcio bildet den Infinitiv durchgehend mit der Präposition a: a dì paròl com un abrèl fluchen wie ein Türke , a sciuncunala ihn (den großen Stamm) mit der Waldsäge zersägen (AIS 3: 557 N; 4: 811; 1: 62, 67; 2: 205 etc.). Die Präposition findet sich beim Infinitiv vereinzelt unter unklaren Bedingungen auch in Prestone und Germasino. Vergleichbare absolute Verwendungen des Infinitivs mit a treten sonst in it. Dialekten nur sehr selten auf (cf. Rohlfs 3: §711). 97 Untersuchungen zur alpinlombardischen Mundart von Curcio 54 Eine ausführliche Darstellung der komplexen lautlichen Entwicklung von factu in oit. Dialekten gibt Schmid 1949: 91-101, speziell 98; zum Surs. und der Val Leventina cf. Prader- Schucany 1970: 224, 227. 55 Cf. Lurà 1990: 192 N66. Die heute im Mendrisiotto als Archaismus geltende Kürzung wird von Lurà als Wechsel zu den konsonantisch auslautenden Infinitiven der 3. Konjugation wie créss crescere , métt mettere aufgefaßt. Wie die konjugierte Form der 3. P. Sg. Präs. bùrla (cf. AIS 2: 220) zeigt, hat jedoch in Curcio kein Konjugationswechsel stattgefunden. 3. Lexikalische Sonderstellung Die erste Gruppe der folgenden Übersicht enthält singuläre Wörter sowie singuläre Wortformen und Wortbedeutungen, die entweder nur in Curcio oder nur ganz vereinzelt auch in anderen Orten nachzuweisen sind. Daran schließt sich eine Gruppe von Wörtern an, die außer in Curcio auch noch im Chiavennaskischen, im Val San Giacomo, in den Tre Pievi, der Val Mesolcina, dem Puschlav sowie in konservativen Gebieten des Veltlin und des Tessin vorkommen und Curcio als südlichsten Vorposten einer alten alpinlombardischen Schicht ausweisen. In einer dritten Gruppe werden weitergehende Verbindungen zum nördlich an die Valchiavenna anschließenden Bergell und dem Bündnerromanischen aufgezeigt. 3.1 Lokales Vorkommen 3.1.1 Singuläre Wörter (1) suleùn Nur in Curcio zu belegendes suleùn [sulE’uŋ] 56 für arcobaleno - Regenbogen (AIS 2: 371) stellt wohl eine Zusammensetzung von sole und leone dar (cf. it. solleone periodo in cui il sole si trova nel segno zodiacale del leone ; la composizione è analoga a ferragosto, DEI 5: 3537). Die Sonne als Bezeichnungsmotiv für den Regenbogen findet sich vereinzelt in gallorom. Dialekten (Haute Bigorre) als <rayon de soleil> und in dt. Dialekten (Hanstedt) als <Sonnenbogen> (Alinei 1983: 67). - Neben dem lomb. Typ <arcobaleno> findet sich in der Umgebung noch Germasino alko da sio (P 222), Mello pàa e vin (P 225), lecch. larimèn arcobaleno (VIL: 490). (2) süSéi Die Form süSéi [sy’zej] (Pl.) tremolino - Zittergras (AIS 3: 624 Cp) ist lediglich noch im benachbarten nov.-mezz. süSéi (Pl.) in der Bedeutung sorta di spinaci selvatici commestibili che si raccolgono nei campi a primavera (Mass: 152) nachzuweisen. Es dürfte eine diminutive Ableitung *sucellu von sucus Saft vorliegen. - Für die Umgebung sind keine Belege angegeben. (3) tiòrbi Auffälliges tiòrbi [ti’O: rbi] (Pl.) orbettino - Blindschleiche (AIS 3: 451) findet sich ähnlich nur noch im bergam. Martinengo als teòrbula [tE’Orbulɐ] 98 Hans Geisler 56 Die Form ist auf der Karte mit einem Fragezeichen in eckigen Klammern versehen, d. h. sie ist vom Explorator Scheuermeier bestätigt, aber von den Herausgebern Jaberg/ Jud angezweifelt worden, und fehlt wohl deshalb im AIS Index 516 s. sole e der. (P 254). Zu segmentieren ist wohl ti-òrbi, wobei tiwegen der fehlenden Palatalisierung nicht auf spätlat. *bistia (zu klass. bestia) mit Aphärese zurückgehen dürfte. Belegt sind Zusammensetzungen aus (b)istia + orba wie lecch. i ś òrbula orbettino (VIL: 486), die jedoch durchgehend Palatalisierung aufweisen. - In der Umgebung überwiegen Ablt. von orbu: nov.-mezz. urbiröla (Mass: 166), Sorico [Or’biŋ], breg. [Or’betɐ] (Stampa: 34), comask. orbisoèula (Monti: 166), lecch. urbi ś oeu, tubi ś oeula (VIL: 769, 780). (4) scarpabüüs Sonst nicht nachzuweisendes scarpabüüs [Skarpɐ’by: s] (Pl.) picchio - Specht (AIS 3: 506) stellt eine Zusammensetzung aus scarpa + büüs dar. Als Bezeichnungsmotiv liegt das Spänebzw. Splittermachen zugrunde. Etymologisch ist von germ. *busc- verga, fuscello auszugehen, das für die Umgebung gut belegt ist: nov.-mezz. büsch fuscello, bruscolo (Mass: 31), gros. busch bruscolo (DEG: 244, FEW 1: 650) sowie einem Verb *dis-carpare zerpflücken (zu carpere): nov.-mezz. scarpà lacerare, stracciare (Mass: 130), comask. scarpà lacerare, fendere, spaccare (Monti: 244). - In der Umgebung finden sich zumeist Fortsetzer von piccu: nov.-mezz. pich picchio (Mass: 106), comask. pìch, picàsc picchio verde (Monti: 182), Germasino [pi’kon] (P 222), lecch. pécch montanaro , picòzz, picòtt picchiotto (VIL: 564, 576), gros. picalégn, becalégn picchio (DEG: 206). (5) ciülùunch Ebenfalls singuläres ciülùunch [cy’lu: ŋk] libellula - Wasserjungfer (AIS 3: 479) beruht auf einem Nomen-Adjektiv-Kompositum *culu-longu. - Die Umgebung hat vielfach Zusammensetzungen des Typs <cava-occhi> wie veltl. Lanzada [Skava’Oc] (P 216), surs. Pitasch [kav’ ʎs] (P 3), oder <infilzaocchi> wie lecch. sfilzaeucc libellula (VIL: 682). (6) mariòrbula Die Bezeichnung mariòrbula [mari’Orbulɐ] in der Wendung [fE la mari’Orbulɐ] giocare a mosca cieca - Blindekuh spielen (AIS 4: 743) findet sich außer in Curcio nur weit entfernt im Veneto (P 352, 362, 373, 364) in räumlicher Nähe zum trent. Typ <maria orba> (P 331, P 343, P 322 etc.). Für die nähere Umgebung ist lediglich noch Val Tartano fà la maria orba (VVT: 717) nachzuweisen. - Die lomb. Umgebung zeigt neben dem it. Typ <mosca cieca> vereinzelt Ableitungen von orbu wie tess. Corticiasca [orbi’z ] (P 73), comask. Canzo [urbi’z r@] (P 243) und Campo im Val Tartano urbiSìi (VVT: 717). (7) sciuncùn Zu singulärem sciuncùn [Sun’kuŋ] segone - Waldsäge (AIS 3: 553) findet sich als verbale Ableitung in Curcio noch [a Suŋku’na: la] ihn (den großen Stamm) mit der Waldsäge zersägen (AIS 3: 557 N). Die Formen sind Ableitungen von einem lokal verbreiteten Verb <cioncare> (mit unklarer Etymo- 99 Untersuchungen zur alpinlombardischen Mundart von Curcio logie): nov.-mezz. sciuncà mozzare, troncare (Mass: 133), breg. unkèr tagliare un albero alla radice (Guarnerio 1910: 374), RB tschuncar abschneiden, entzweischneiden (HR 2: 953). - Die Umgebung zeigt sonst nur die Typen <(re)segùn> und <truncùn> (zu truncare abschneiden, stutzen , REW 8953). (8) spisaròta Curcio hat eine für die Karte singuläre Bezeichnung spisaròta [Spisɐ’rOtɐ] für cascata - Wasserfall (AIS 3: 431). Es handelt sich um eine Ableitung von *piss(i)are, dessen onomatopoetische Wurzel heraussprudelndes oder spritzendes Wasser bezeichnet, cf. nov.-mezz. pisà zampillare, pisciare, orinare (Mass: 108), bergam. spissulà sgorgare, traboccare, uscir fuori (Tira 2: 1281). Die Form besteht aus einem «s-rafforzativo», dem Stamm *piss-, einem Suffix ariu zur Bezeichnung des Ortes (cf. it. ghiacciaio glaci-ariu) und einem diminutiven Suffix -otta. Vergleichbare Bildungen sind lecch. pisaròtt rigagnolo, sottile getto d acqua di fonte (VIL: 579), comask. spìsora zampillo , spisorada gran zampillo (Monti: 294) sowie aretinisch pisciarotta Brunnen , spiscioro Wasserstrahl (REW: 6544). Weitere Ableitungen von einem Stamm *pisssind auf der Karte vereinzelt im Val Müstair [pi’SOt] (P 29), piem. Noasca [pi’Su: n] (P 131) und friaul. Forni Avoltri [pi’Saŋgola] (P 318) zu belegen. Hierher zu stellen ist ferner bündnerrom. pisch(a) Wasserfall (HR 2: 584). - In der Umgebung dominiert der it. Typ <cascata>. (9) léf Die Form léf (f.) [le: f] lievito - Hefe (AIS 2: 235) ist nur in Curcio zu belegen. Etymologisch liegt entweder das Adjektiv *leve leicht oder eine Abl. von levare zugrunde. - Die Umgebung hat Fortsetzer von. levatu: nov.-mezz. levàa (Mass: 78), veltl. levà, levàt, levè (Vals: 44), gros. levè (DEG: 487), comask. levàa (Monti: 126), lomb. levát (neben liévit *levitu) (DEI 3: 2216), ueng. alvà, alvamaint, surs. levon Sauerteig, Hefe (zu *levamentu und *levamen) (HR 1: 51, 433s.). (10) butìn Dem Substantiv butìn [bu’tin] vertice - Korbweide (AIS 3: 601) entspricht nur tess. Prosito [la sa’reSa bu’ti: na] (P 53) und comask.Arcumeggia [i’sa: r@z bu’tin] (P 231). Zugrunde liegt wohl (salice) *buttinu (m.). Das Adjektiv butìn dürfte von but abgeleitet sein, das in nov.-mezz. but botte (Mass: 31) und lecch. butìn bottino (VIL: 294) belegt und wie it. botte zu spätlat. buttis piccolo vaso zu stellen ist (DEI 1: 576). Möglicherweise liegt eine dem dt. Korbweide ähnliche Funktionsbezeichnung Napfweide zugrunde, da aus dem weichen Stammholz bevorzugt Holzgefäße gedrechselt wurden (cf. DEG: 721 s.v. salésc). - Ansonsten finden sich im Lombardischen und in Romanisch Bünden einheitlich Fortsetzer von *salice. 100 Hans Geisler (11) finèt Ein finèt [fi’nEt] pettirosso - Rotkehlchen (AIS 3: 490) erscheint mit etwas abweichender Bedeutung noch in nov.-mezz. finet fanello (Mass: 58) sowie lecch. fanètt fanello (VIL: 397), mail. fanètt fanello (Cher 1: 473). Wie die Formen mit -azeigen, dürfte eine Beziehung zu vlat. *faganellu Hänfling, Stieglitz bestehen, das weit verbreitet in den Dialekten lebt: bergam. fanèl fanello (Tira 1: 511), it. fanello, venez. faganelo (REW: 3141). Beim Typ <finèt> liegt wohl Einkreuzung von fine vor. In Mittelbünden hat das Adjektiv finet die Bedeutung hübsch, zierlich (DRG 6: 337, 344). - Die Umgebung hat zumeist Abl. von *picc klein oder den it. Typ <pettirosso>: lecch. picètt (VIL: 576), mail. piccètt, pincètt, petróss, gossróss (Cher 3: 344), RB eine dem Dt. entsprechende Bildung gulacotschna (HR 1: 385). (12) mobìglia Curcio zeigt ein für die Karte singuläres mobìglia [mo’biʎɐ] corredo - Aussteuer (AIS 1: 70). Wie am Erhalt des [b] erkennbar ist, handelt es sich um ein gelehrtes Wort, das aus mobilia [bona] (neutr. pl.) der mittelalterlichen Juristensprache übernommen wurde. Die Bedeutung Aussteuer ist bereits amail. belegt: moviria le cose che la moglie reca in casa al marito (FEW 6,3: 4). Angrenzende Dialekte weisen vereinzelt maskulines <mòbil> auf, das auf mobile zurückgeht: gros. [’mobil] (P 218), Grosotto mòbil (Vals: 47), bergam. mòbel de sposa (Tira 2: 805s. ). Das Ueng. und das Surs. haben muvel mobile in der Bedeutung Viehbestand . - Es handelt sich um ein Reliktwort, das im Lomb. von *corredo (zu conredare), dote und langob. skerpa ersetzt wird: nov.-mezz. dòta, schèlfa (Mass: 52, 131), gros. dòta, schìrpia (DEG: 346, 757), lecch. dòta, schèrpa (VIL: 376, 662). (13) pópa Die Verwendung von pópa in der Wendung [fa la popa] giocare a nascondersi - Versteck spielen (AIS 4: 742) ist singulär für Curcio. Pópa dürfte zu *puppa ( pupa Puppe ) zu stellen sein. Zugrunde liegt wohl der Vergleich mit einer Insektenlarve, die sich durch Verpuppung den Blicken entzieht (cf. it. pupa Insektenpuppe ). - Die Umgebung zeigt einheitlich den it. Typ, und in Romanisch Bünden findet sich analog ueng. giovar a zoppar, oeng. giuver a zuppar, surs. far da sezuppar Versteck spielen (mit [se]zuppar nascondersi , HR 2: 1017). (14) stòs Der Ausdruck bütéer stòs [by’te: r stOs] burro rancido - ranzige Butter (AIS 6: 1208) ist nur in Curcio nachzuweisen. Das Adjektiv stòs findet sich in etwas anderer Bedeutung noch im oberen Veltlin: gros. stósc, borm. stóc’ sporco, sudicio (DEG: 849) und im bergam. Val Seriana und Valle Gandino stós lordo, sudicio, sporco (Tira 2: 1302). Die Etymologie ist unklar (cf. ausführlich DEG: 849). - Die Umgebung hat überwiegend die Typen <ransc> aus rancidu und <stantìf> zu stare (cf. dt. abgestanden ). 101 Untersuchungen zur alpinlombardischen Mundart von Curcio (15) velüü In der Wendung [por’tE: l ve’ly: ] portare lutto - Leid tragen (AIS 1: 79) verwendet Curcio velüü velluto - Samt (cf. AIS 8: 1517), das wie it. velluto auf spätlat. villutu ( Ablt. von villu pelo ) zurückgeht. - Die Umgebung zeigt sonst nur die Typen <portare condizione>, <portare caso>, <portare lutto>: Prestone [por’tE: kundi’tsjun], Germasino [’porta ’lyt], Mello [por’tajl’lyt], gros. purtär de cäs, purtär de cundizión vestire il lutto (DEG: 276). (16) trepasèet Die Verwendung des Partizips trepasèet in [um ’pe: r trepa’sE: t] una pera mezza - eine teige Birne (AIS 7: 1259) ist singulär in Curcio. Zugrunde liegt *transpassatu (cf. it. trapassato morto ). - Die umgebenden Punkte der Karte zeigen zumeist màrcia ( marcida). (17) traversèet Im Ausdruck [l a travEr’sE: ti ’Spal] ha le spalle larghe - er hat breite Schultern (AIS 1: 124) hat Curcio traversèet, das in vergleichbarer Bedeutung nur in lecch. traversaa (agg.) tarchiato (VIL: 764) belegt ist. - In der Umgebung findet sich sonst nur der Typ <ha le spalle larghe>. (18) abrèl In der Wendung [a ’di pa’rOl kom un a’brEl] bestemmiare come un turco - fluchen wie ein Türke (AIS 4: 811) zeigt Curcio singuläres abrèl, das in der Karte unterstrichen ist, um anzuzeigen, daß der Explorator die Form explizit bestätigt (abrèl fehlt jedoch im AIS Index: 179). Die Form ist zu mail. abrèj, Variante von ebrèj ebreo, giudeo (Cher 1: 2, 2: 60) zu stellen und zeigt Rückbildung aus einer vermeintlichen Pluralform abrèj (cf. Curcio l agnèl, i agnèj [l a’ El,i a’ ej] l agnello, gli agnelli , AIS 6: 1071). Die Bildung gehört somit vom Bezeichnungsmotiv her zum vereinzelt im Lomb. auftretenden Typ <bestemmiare come un ebreo> (P 237, P 244) und etwas häufigerem <bestemmiare come un giudeo> (lomb. P 254, P 243, P 73 und surs. P 5, P 15, P 16, P 17, Bivio P 35). Ähnliche Bedeutungsentwicklung zeigt noch nov.-mezz. giüdée (m.) uomo perfido, bestemmiatore (Mass: 66). - Die direkte Umgebung hat durchgehend den it. Typ <bestemmiare come un turco>. (19) deSenamìis Die seltene Bildung deSenamìis [dezenɐ’mi: s] nemico - Feind (AIS 4: 734) ist vereinzelt zu belegen im tess. Corticiasca (P 73) und im piem. Borgomanero (P 129) - Sonst findet sich nur der lomb. Typ <nemìis>. (20) brèsba Die Form brèsba [’brEzbɐ] (neben [’bEzbɐ]) vespa - Wespe (AIS 3: 463) ist vermutlich durch Metathese aus *vespra (Variante zu vespa) entstanden. Einige wenige Formen mit -rfinden sich in Soglio: [vejspr] und in Romanisch Bünden: viaspra, vespra, speziell Lumbrein [’bjaSprɐ] und Val Müstair 102 Hans Geisler [’beSprɐ] (HR 2: 996). Der Typ <brespa> lebt verstreut in it. Dialekten: trent. Albisano (P 360), ven. Tonezza [’brESpɐ] (HR 2: 996), veron. brespa (REW 9272) etc. Die Form in Curcio hat jedoch zusätzlich auffälliges [b] im Wortinnern, was auf germ. Einfluß hindeuten könnte (cf. westgerm. *wab-so, Kluge/ Seebold 1989: 788). - Die Umgebung zeigt sonst nur den Typ <vespa>: Germasino [’vESpɐ] (P 222), Prestone [’vespa] (P 205), gros. avèspa vespa (DEG: 188), lecch. vèspa (VIL: 793). 3.1.2 Singuläre Bedeutung Diese Gruppe enthält Wörter, die zwar häufig in der Umgebung belegt sind, jedoch in Curcio auffällige Bedeutungsabweichungen zeigen. (21) antìina [an’ti: nɐ] annello della bandella - Ring des Beschlages (AIS 5: 882) - lomb. antìna sportello (cf. LEI 2: 1534ss.) - (Ablt. von lat. anta Türpfosten ). (22) bàalz [ba: lts] cencia - (schwdt.) Tschengel [= kleine Grasbänder in den Felsen, die noch von Ziegen beweidet werden] (AIS 3: 425a Cp, Jaberg 1936: 47ss., Karte 5) - nov.-mezz. bàalz cascino, sottile fascia cilindrica di legno entro cui si comprime il latte coagulato per dar forma al formaggio (Mass: 22), gros. Sbalz salto (DEG: 729), it. balzo Felsvorsprung , Absturz - (lat. balteu Gürtel ). (23) campanéi [kampa’nej] gattini del nocciolo - (Weiden-)Kätzchen (AIS 7: 1303) - gros. campanèla (Campanula persicifolia) (DEG: 260), lecch. campanèll Schneeglöckchen (VIL: 300), mail. campanèlla Glockenblume (Cher 1: 195) - (Ablt. von lat. campana Glocke ). (24) galinèta [gali’nEtɐ] maggiolino - Maikäfer (AIS 3: 471) - lecch. gainèta (zool.) gallinella (VIL: 420), eng. giallinetta Marienkäfer (DRG 7: 149), comask. galinèta bestia di Dio, coccinella (Monti: 42), Mesocco farfalla (AIS 3: 480, P 44) - (Ablt. von lat. gallina Huhn oder galbinu gelbfarben ). (25) sgiàn [Zan] (Pl.) larva del maggiolino - Engerling (AIS 3: 471 Cp) - nov.mezz. gianèt verme, spec. della carne e della frutta (Mass: 65), comask. gianèt baco del cacio, delle carni, verme, tonchio , lomb. Val Anzasca giàn baco del cacio , veltl. Teglio gianèta giannetta, bachetta (Monti: 98), tess. Ligornetto gianín e der. baco del formaggio (AIS 3: 482 Cp, P 93), mail. gianìn, gianìtt (Pl.) tonchio, baco che sciupa il grano (Cher 2: 216), bergell. dZanet Holzwurm (REW 4589) - (zu PN Gianni Johannes). (26) làabri [’la: bri] la palpebra - das Lid (AIS 1: 102) - lomb. labar, labròt labbro - (lat. labru Lippe ). (27) scimòsa [Si’mOsa] il ciglione in pendio - Böschung zwischen zwei Äckern (AIS 7: 1421 Cp) - nov.-mezz. scimusa cimosa, ognuno dei due margini late- 103 Untersuchungen zur alpinlombardischen Mundart von Curcio rali dei tessuti in pezza, di colore diverso e d ordito più fitto (Mass: 132), gros. scimósa cimossa, parte perimetrale del mucchio di fieno nel fienile (DEG: 762), mail. scimossa (Cher 4: 150), it. cimosa Webkante etc. - (spätlat. cimussa cimosa ). (28) tròosa [’trO: zɐ] grappolo - Traube (AIS 7: 1314) - comask. trôza tralcio di vite destinato a fruttare quell anno, tirato e legato al suo rincontro (Monti: 346), bergam. trósa filare di vite (Tira 2: 1382), mail. tròs tralcio, treccia (Cher 4: 454) - (Etym. unklar). (29) tuseghìn, tuseghjìn [tuse’giŋ]/ [tuse’Jiŋ] (Pl.) mirtilli rossi - Preiselbeeren (AIS 3: 614) - nov.-mezz. tuseghìn bacca velenosa (Mass: 164), breg. tosciaghìn (Aconitum Napellus) (Schaad 1939: 49), veltl. tuseghèi, tusighiglia, tosich (Daphne mezereum) (DEG: 150), oeng. tuzchül [tutscyl] ( *toxic-uleu) una bacca rossa somigliante all uva orsina (Vaccinium vitis idaea) ma che è velenosa (Walberg 1907: 117, N2), mail. tóssegh vincetossico, erba nota (Cher 4: 432) - (Ablt. von lat. toxicu Gift ). 3.1.3 Singuläre Formen Die Wörter dieser Gruppe weichen in Curcio durch unterschiedliche Präfigierung oder Suffigierung von ihren Entsprechungen in der lombardischen Umgebung ab. (30) labrüsc [la’bryS] labbro - Lippe (AIS 1: 105) - Prestone [la’brOt] (P 205), Mello [la’brOt] (P 225), Cataeggio labròt (Vals: 23), nov.-mezz. labar (Mass: 76), lecch. làber (VIL: 488) - (Ablt. von lat. labru Lippe ). (31) mochüsc [mo’kyS] moccolo - Kerzenstummel (AIS 5: 907) - Germasino [mOk] (P 222), nov.-mezz. mucul moccolo (Mass: 90), Mello [mutsi’kuŋ] (P 225), gros. mòcul (DEG: 545), lecch. mùcul (VIL: 534), Prestone [mo’tSet] (P 205), Albosaggia [mu’cet] (P 227), comask. mochèt moccolo (Monti: 399), mail. mochètt, mócol mòccolo (Cher 3: 118, 119) - (Ablt. von *muccu Rotz ). (32) scendrùn [SEn’druŋ] ceneracciolo - Laugentuch (AIS 8: 1520) - tess. Prosito [Sen’drES] (P 53), tess. Breno [SEn’drE: ] (P 71) - (Ablt. von lat. cenere Asche ). (33) telidùu [tel i ’du: ] tessitore - Weber (AIS 8: 1515) - tess. Cimalmotto [ta’lat] (P 50), Prosito [te’rat] (P 53), Ligornetto [te’rat] (P 93), westlomb. Arcumeggia [ta’re] (P 231), comask. telàt (Monti: 323), Val Tartano teleröla tessitrice (VVT: 674) - (Ablt. von lat. tela Tuch ). (34) perfurnìi [pErfur’ni: n lau’re: ri] terminare un lavoro - eine Arbeit beendigen (AIS 8: 1615 Cp) - Prestone [for’ni: un lao’re: ri] (P 205), Isolaccia [fur’ni: r un lu’re: di] (P 209), gros. furnìr finire, ultimare (DEG: 394), comask. fornì fornire, finire, cessare (Monti: 83), mail. fornì finire (Cher 2: 165), RB furnir versehen, versorgen, liefern (HR 1: 348) - (Zss. mit furnì germ. *frunjan eseguire ). 104 Hans Geisler 3.2 Alpinlombardische Schicht Im folgenden sind in Tabellenform Wörter zusammengestellt, die außer in Curcio nur noch punktuell in der Valchiavenna, der Val San Giacomo, den Tre Pievi, der Val Mesolcina, dem Puschlav sowie in konservativen Gebieten des Veltlin und des Tessin vorkommen. (35) garùj [ga’ruj] fusto del cavolo C-chiav AIS 7: 1367; Mass: 64 (36) belèersc [be’lE: rS] lumaca C-chiav-vsgiac AIS 3: 461; Stampa: 40 (37) cràgul [’kra: g ul ] cacherelli C-chiav-vsgiac AIS 8: 1083; Mass: 41 (38) garghjée [gar’Je: ] galaverna C-chiav-vsgiac AIS 2: 376; Stampa: 164 (39) lüSachjüü [lyzɐ’cy: ] lucciola C-chiav-vsgiac-tess-posch AIS 3: 469; Stampa: 52 (40) bjüüchj [bjy: c ] sugo C-chiav-vsgiac-tpiev-tess AIS 3: 567; Mass: 26 (41) béenula [’be: nulɐ] edera C-chiav-vsgiac-tpiev-veltl AIS 3: 619; Stampa: 76; Monti: 389 (42) èeva [’E: vɐ] nonna C-chiav-vsgiac-veltl-tess- AIS 1: 17 mesolc (43) ganàsa [ga’nasɐ] guancia C-chiav-vsgiac-veltl-tess AIS 1: 113; DEG: 402 (44) cràspula [’kraSpul O ] schiumarola C-chiav-tpiev-veltl AIS 5: 983; Monti: 58; Stampa: 186s. (45) bàsa [’basɐ] avvallamento C-chiav-veltl AIS 3: 428a; DEG: 203; LEI 4: 1721-26; DRG 2: 233 (46) spunsgiaràt [SpunZɐ’rat] cardo C-chiav-veltl AIS 3: 623 (47) teùn [te’uŋ] pino selvatico C-chiav-veltl-posch AIS 3: 573; DEG: 895; Vals: 72 (48) brindzöö [brin’dz : ] pustula C-vsgiac AIS 4: 686 (49) armül [ar’myl] midollo C-vsgiac-tpiev AIS 3: 566 (50) pestùn [pES’tuŋ] damigiana C-vsgiac-tpiev-tess AIS 7: 1333; Zahner 1989: 158 (51) bàrba [’barbɐ] mento C-vsgiac-tpiev-tess AIS 1: 115; LEI 4: 1157ss. (52) bràgna [’bra ɐ] felce C-vsgiac-tpiev-veltl AIS 3: 618; DEG: 143; Monti: 29; Stampa: 75 (53) nööt [n : t] giuntura C-vsgiac-veltl-tess AIS 1: 156; DEG: 575 (54) bròstula [’brOStulɐ] crosta C-vsgiac-veltl-mesolc AIS 4: 689; VSI 2/ 2: 1094s.; Zahner 1989: 156 (55) s-chjisùla [Sci’zulɐ] slittino C-vsgiac-tess AIS 6: 1221 (56) sguàza [’Zgwatsɐ] rugiada C-tpiev AIS 2: 374 (57) maròos [mɐ’rO: s] ontanello C-veltl AIS 3: 582; DEG: 144, 127; Vals: 64; Stampa: 66, 74 (58) trementìna [tremen’ti: nɐ] resina C-veltl AIS 3: 568; DEG: 686 (59) liscée [li’Se: ] tralcio C-veltl (Mello) AIS 7: 1311 (60) rèena marìina [’rE: nɐ ma’ri: nɐ] C-veltl-bergam AIS 3: 454; Tira 2: 1058 raganella (61) pùnta [la ’puntɐ] vomero C-tess AIS 7: 1437 (62) séeda [se: dɐ] stoppa C-tess AIS 8: 1499 (63) balaròta [balɐ’rOtɐ] ballerina C-tess-bergam AIS 3: 498; VSI: 2: 806; Tira 1: 126; LEI 4: 845s. 105 Untersuchungen zur alpinlombardischen Mundart von Curcio 3.3 Alpinlombardisch-bündnerromanische Schicht In dieser dritten Gruppe werden Verbindungen von Curcio über das Alpinlombardische hinaus zum nördlich an die Valchiavenna anschließenden Bergell und zu Romanisch Bünden aufgezeigt 57 . (64) müfa [’myfɐ] musco C-chiav-veltl-tess- AIS 3: 620; Mass: 90 mesolc-breg (65) lavìna [la’vina] valanga C-veltl-tess-breg-RB AIS 3: 426; Stampa: 152 (66) fulèt [fu’lEt] incubo C-RB AIS 4: 812; DRG: 6: 688 (67) müsgiöö [my’Zø: ] mozzo C-RB* AIS 6: 1231; HR 1: 482s. (68) vaselàt [vase’lat] bottaio C-breg-RB* AIS 2: 201; HR 2: 1001 (69) ciùf [tSuf] sudicio C-chiav-RB* AIS 8: 1549, 1039 Cp; Mass: 40; HR 2: 952 (70) Sbalèenchja [Zba’lE: ncɐ] altalena C-chiav-vsgiac-breg-RB* AIS 4: 748; HR 2: 697; (eng) Salvioni 1936: 229 (71) manèli [ma’nEli] covoni C-chiav-vsgiac-breg-RB* AIS 7: 1454; Mass: 83; (eng) HR 1: 492 (72) ciürèe [cy’rE: ] pascolare C-chiav-vsgiac-tess-breg AIS 6: 1185; Mass: 46; HR 2: 227, 581 (73) rüpíi [ry’pi: ] ruttare C-chiav-vsgiac-tess- AIS 1: 173, 8: 1704; mesolc-breg-RB* Mass: 123; HR 2: 683 (74) cheghjastréensc [’kE: Jɐ’Stre: nS] C-chiav-vsgiac-tess- AIS 3: 604 Cp; (Pl.) frutto del biancospino mesolc-RB* Mass: 32; Stampa: 79; DRG 3: 14; HR 1: 141 (75) àmpul [’amp ul ] (Pl.) lampone C-chiav-vsgiac-tpiev- AIS 3: 611; LEI 2: 919; veltl-tess-breg-RB DRG 1: 244s. (76) baràsc [ba’raS] mallo della noce C-chiav-vsgiac-veltl-tess- AIS 7: 1301; DEG: 599; breg-RB Salvioni 1936: 228; HR 2: 555 (77) gulanòc [gula’nOtS] pipistrello C-chiav-tpiev-veltl- AIS 3: 448; Mass: 69; breg-RB (surm, suts) Monti: 394; Vals: 73; HR 2: 788 (78) varùsch [va’ruSk] rosolia C-chiav-tpiev-veltl-tess- AIS 4: 691; Mass: 170; mesolc-RB Vals: 75; DEG: 689; HR 2: 997 (79) büi [byj] trogolo C-chiav-veltl-tess-breg-RB AIS 5: 854; DRG 2: 534a; Vals: 23; Monti: 35 + App. 48; Schaad 1936: 43 (80) vööga [’vø: gɐ] via ripida per C-chiav-veltl-tess- AIS 3: 535; Mass: 173; avvallare tronchi di legno breg-RB Stampa: 149; DRG 2: 449 (81) sèerp [sE: rp] serpe C-vsgiac-tess-breg-RB AIS 3: 452 (82) zupèet [tsu’pE: t] nascosto C-vsgiac-tess-breg-RB AIS 5: 900; Monti: 369 (83) fusèe [fu’sE: ] zanella C-vsgiac-tess-RB (surs) AIS 6: 1176; HR 1: 349 106 Hans Geisler 57 Die mit RB* markierten Einträge sind im AIS Index als «spezifisch für Romanisch Bünden» klassifiziert. (84) giüp [dZyp] ginepro C-vsgiac-tpiev-veltl- AIS 3: 599, 612; tess-RB (eng) DEG: 141; Monti: 101, 394; DRG 7: 295 (85) tempjì [’te: mp j i] (Pl.) tempie C-vsgiac-veltl-RB AIS 1: 100; HR 2: 906 (86) silùn [si’luŋ] manico della falce C-tpiev-veltl-RB AIS 7: 1404; Salvioni 1936: 228 (87) pà grànt [pa’grant] nonno C-tess-breg-RB (eng) AIS 1: 16 (88) mòta [’mOtɐ] vaso C-tess-breg-RB (eng) AIS 6: 1203; Schaad 1936: 107; HR 1: 503 (89) làama [’la: m O ] cerchio di ferro C-veltl-posch-RB (eng) AIS 6: 1229 (90) büst [bySt] corpetto C-veltl-RB* AIS 8: 1562; DEG: 245; HR 1: 105 (91) sulàan [su’lA: ] sorbo montano C-veltl-RB AIS 3: 587 Cp; Stampa: 69s.; Monti: 282 (92) distetèet [diSte’tE: t] dislattato C-veltl-tess-mesolc- AIS 1: 59; DEG: 340 breg-RB (eng) (93) bumbàas [bum’ba: s] lucignolo C-veltl-tess-RB (surs) AIS 5: 908; DRG 2: 109a, 611a 4. Zusammenfassung Der vorangegangene Überblick macht deutlich, daß die Mundart von Curcio einige charakteristische phonetische und morphologische sowie zahlreiche lexikalische Abweichungen aufweist, die sie deutlich von den Mundarten der umliegenden Dörfer abhebt 58 . Die Art der lautlichen und morpho-syntaktischen Abweichungen (wie á [E], k á [c], negierendes bri, spezielle Lokal- und Richtungsadverbien) läßt auf einen alten alpinlombardischen Dialekt mit starkem Bezug zur Val San Giacomo und dem Bergell schließen, der isoliert in der lombardischen Umgebung viele seiner konservativen Züge bewahren konnte. Düsseldorf Hans Geisler 107 Untersuchungen zur alpinlombardischen Mundart von Curcio 58 Umso verwundlicher ist es, daß Curcio trotz der vielen Auffälligkeiten bisher in der einschlägigen Literatur keine Beachtung gefunden hat. So nennt z. B. Wartburg bei der Aufzählung der alpinlomb. Gebiete mit á e zwar die Val San Giacomo und das Bergell, jedoch nicht Curcio, und der Ort wird in der nach dem AIS erstellten Überblickskarte «a[ e im Italienischen» nicht dem e-Gebiet zugerechnet (cf. Wartburg 1950: 134 und Karte 18). Nach Pellegrinis Karte «Palatalizzazione di CA e GA» im Italienischen dürfte Curcio nicht einmal sporadische Palatalisierung von k vor á aufweisen (cf. Pellegrini 1991: 71, Karte 5). Abkürzungen bergam. = bergamaskisch mesolc. = Dialekt der Val Mesolcina breg. = Dialekt des Bergell oeng. = oberengadinisch C = Curcio posch. = Dialekt des Puschlav chiav. = chiavennaskisch RB = Romanisch Bünden comask. = comaskisch surs. = surselvisch eng. = engadinisch tess. = Dialekte des Tessin friaul. = friaulisch tpiev. = Dialekt der Tre Pievi gros. = Dialekt von Grosio ueng. = unterengadinisch lomb. = lombardisch veltl. = veltlinisch mendris. = Dialekt des Mendrisiotto vsgiac. = Dialekt der Val San Giacomo Bibliographie AIS = Jaberg, K./ Jud, J. 1928-40: Sprach- und Sachatlas Italiens und der Südschweiz, 8 vol., Zofingen AIS Index = Jaberg, K./ Jud, J. 1960: Index zum Sprach- und Sachatlas Italiens und der Südschweiz. Ein propädeutisches etymologisches Wörterbuch der italienischen Sprache, Bern ALE = Wejnen, A. et al. 1975ss.: Atlas Linguarum Europae, Assen Alinei, M. 1983: «Arc-en-ciel», Atlas Linguarum Europae. Commentaires, Assen, vol. 1/ 1: 47-80 Ascoli, G. 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