eJournals Vox Romanica 58/1

Vox Romanica
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0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
1999
581 Kristol De Stefani

Annie Boone/André Joly, Dictionnaire terminologique de la systématique du langage, Paris/Montréal (L’Harmattan) 1996, 448 p.

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1999
P.  W.
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drucksseitige Habitus des Ausgangstextes. - Das letzte Kapitel trägt den Titel La lingua come «istituzione»: Problematicità della sua definizione (231-48). In ihm setzt sich Raggiunti mit Croces lingua-Begriff auseinander. Er geht davon aus, daß Croce feststellt, es gebe auch in der espressione prosastica «qualcosa di irriducibile alla logicità», gleichwohl aber nicht in der Lage ist, dieses Etwas näher zu definieren. Es handelt sich offenbar um Reste seiner Eingangsthese, nach der der linguaggio nicht das Denken, sondern die Phantasie repräsentiert. Dazu paßt auch, daß für ihn die lingua dei linguisti nicht «lingua» ist, denn diese wäre nur Produktion, Kontemplation und Beurteilung der espressione; für sich genommen, wäre diese nur ein fatto pratico. Hier hakt nun Raggiunti ein. Eine lingua per sé gibt es nach ihm nicht, weil die lingua notwendigerweise und unauflöslich mit dem atto linguistico (parole) korreliert. Dieses Verkennen der Bedeutung von Saussures Dichotomie ist verantwortlich für seine entscheidenden Fehlleistungen: Er kann nicht sehen, daß Sprache nicht nur eine praktische Dimension, sondern immer auch «theoretischen» (gnoseologischen) Charakter hat und damit relevant für die kognitive Erfahrung ist; daß sie auch eine praktische Dimension hat, bleibt dabei unbestritten. Er verkennt den arbiträr-konventionellen Charakter der Sprache, ihren Status als soziale Institution und «individualisiert» das, was er als lingua bezeichnet. Er übersieht den Systemcharakter der lingua und die Tatsache, daß diese jeden atto linguistico konditioniert (auch den poetischen, der bei ihm als eine Art creatio ex nihilo erscheint). Die Vernachlässigung der gnoseologischen Komponente führt ferner dazu, daß das intersubjektive Verstehen für ihn «misterioso» bleiben muß und er vor der philosophischen Aufarbeitung dieses Problems letztlich kapituliert. Sein totales Unverständnis der Linguistik und ihrer Leistungen kann letztlich nur zu einer endlosen Kette von Aporien führen. Raggiuntis Buch ist eine sorgfältige, scharfsinnige Analyse von Croces Aussagen zur Sprache von den frühen Schriften bis in die letzten Lebensjahre. Er mutet einerseits dem Leser sehr viel zu, weil er ihn zwingt, sich auf diese «geballte Ladung von hochexplosivem Unsinn» einzulassen, entschädigt ihn andererseits aber dadurch, daß seine eigenen Kommentare leicht nachzuvollziehen und über weite Strecken pointiert und brillant sind. Immer wieder bewundert man auch die Leichtigkeit, mit der sich der Verfasser sowohl im philosophischen als auch im linguistischen Bereich bewegt und die beiden Domänen gewissermaßen nahtlos miteinander verzahnt. Was man vielleicht kritisieren könnte, ist eine gewisse Redundanz der vorgetragenen Argumente, doch läßt sich diese kaum vermeiden, wenn man die verschiedenen Phasen von Croces Denken in chronologischer Reihenfolge aufzuarbeiten versucht. P. W. H Annie Boone/ André Joly, Dictionnaire terminologique de la systématique du langage, Paris/ Montréal (L’Harmattan) 1996, 448 p. Ein Wörterbuch der Terminologie von Gustave Guillaume bzw. seiner Systématique du langage zu erstellen, ist ein gewaltiges Unternehmen, zu dem man die beiden Verfasser ohne Vorbehalt beglückwünschen muß; sie haben dieses Projekt über rund zwanzig Jahre hinweg mit einem wechselnden Stab von Mitarbeitern und z. T. sehr großen organisatorischen Schwierigkeiten zu einem glücklichen Ende gebracht. Wie sie in ihrem Vorwort unter Berufung auf Jean Stefanini betonen, liegt die Schwierigkeit der guillaumistischen Terminologie weniger in ihrem innovativen Charakter (wie z. B. bei Damourette/ Pichon), sondern vielmehr darin, daß traditionelle Termini mit neuen Inhalten versehen werden. Dies ist z. T. sicher richtig, spielt aber das Innovationspotential des Werkes von Guillaume im termino- 200 Besprechungen - Comptes rendus logischen Bereich doch ungebührlich herunter: Wo finden sich in der Linguistik vor ihm Termini wie chronogénèse, chronothèse, incidence, schéma bitensif, cinétisme, cinèse usw.? Unbestritten bleibt, daß seine Terminologie für viele abschreckend war und ist, und daß dieses Wörterbuch ein dringendes Desiderat darstellte. Es kann hier nicht darum gehen, den außerhalb des frankophonen Raumes kaum rezipierten und auch noch heute kontroversen guillaumistischen Ansatz darzustellen und zu bewerten 1 ; es geht im Rahmen dieser Anzeige nur um die Qualitäten des Werkes von Boone/ Joly, zwei ausgewiesenen Guillaume-Kennern und «praktizierenden» Guillaumisten. Dies garantiert von vorneherein eine profunde Sachkenntnis und makellose Interpretation der Quellentexte, und die Lektüreproben bestätigen dies auch vollumfänglich. Präsentiert werden über 400 Stichwörter, für die sowohl das ganze zu Lebzeiten Guillaumes publizierte Werk als auch die postum veröffentlichten Schriften ausgewertet wurden - also auch die zwölf Bände der Leçons de linguistique (1971-93), die von Roch Valin publizierten Principes de linguistique théorique (1973) und der erste (und bisher einzige) Band der Correspondance scientifique de Gustave Guillaume (ed. Marjolaine Malengreau, 1995). Exemplarisch sei hier der von Annie Boone verfaßte Artikel chronogénèse vorgestellt. Mit  markiert, wird zuerst eine Definition des Begriffs gegeben. Es folgen dann unter  eineinhalb Spalten Kommentare, Glossen, Erklärungen, wobei immer wieder über  auf andere Stichwörter verwiesen wird; zudem werden die Ausführungen durch ein von Guillaume abgeleitetes Schaubild illustriert. Unter  folgt dann eine Liste der Belegstellen, die über das Quellen- und Abkürzungsverzeichnis (11-13) leicht zu entschlüsseln sind. Damit wird die Publikation nicht nur zu einem Wörterbuch der guillaumistischen Terminologie, sondern auch zu einer Art propädeutischem Index zu Guillaumes Werk. Diese Komponente ist vielleicht noch viel wertvoller als die terminologische Hilfestellung. Alles in allem: Eine außerordentlich erfreuliche Publikation, solide und von höchstem Informationsgehalt, die für jeden am Werk von Gustave Guillaume Interessierten oder mit diesem (aus welchen Gründen auch immer) Befaßten absolut unverzichtbar ist. P. W. H Mortéza Mahmoudian, Le contexte en sémantique, Louvain-La-Neuve (Peeters) 1997, viii + 164 p. (BCILL 89) Questo volume del noto linguista generale attivo a Losanna si può considerare sotto una duplice prospettiva: da un lato è, forse al di là delle intenzioni dell’autore, una vera e propria introduzione critica ai problemi della semantica, presumibilmente utilizzabile con profitto nella didattica universitaria; dall’altro rappresenta una sorta di avvicinamento personale alla teoria del significato linguistico sub specie del rapporto fra il segno e il suo contesto. Consta di otto capitoli, ciascuno articolatamente suddiviso in numerosi brevi paragrafi a carattere enunciativo, e dotato di un titolo-esca che rende iconicamente assai bene il percorso tematico e il suo inquadramento - diremmo noi - anche a fini didattici. I primi tre capitoli (1. «En premier», 2. «En gros» e 3. «En général») illustrano i preliminari di una corretta analisi semantica: i compiti, i fini, i problemi e i concetti cardini della semantica (1.), gli aspetti della nozione di significato (2.), il concetto di struttura e i suoi caratteri (3.) (Mahmoudian propone qui un’opportuna rimeditazione della «struttura», che ne ricuperi gli aspetti rilevanti per 201 Besprechungen - Comptes rendus 1 Cf. hierfür z. B. M. Wilmet, Gustave Guillaume et son école linguistique, Paris/ Bruxelles 1972; P. Wunderli, «Sémiologie, temps opératif und chronogénèse. Aus Anlaß des ersten Bandes von Gustave Guillaumes nachgelassenen Schriften», VRom. 32 (1973): 1-21.