Vox Romanica
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0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
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Kristol De StefaniPierre Rézeau, Le dictionnaire des noms de cépages de France. Histoire et étymologie, Paris (CNRS) 1997, 422 p.
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J. Lengert
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lung von Tempo und kleenex nicht zum «Killerkriterium für Wörterbücher» (129) hochstilisieren oder wenn er anmerkt, daß ein Produktname wie Küchelweib für einen Weichspüler ein potentieller « Killerbrand » (153) sei. Kulturkritik findet man bei Platen im Prinzip nicht 1 . Das ist, so wie er seine Arbeit konzipiert hat, kein Manko. Für ihn tritt die Linguistik «[i]m Tribunal über Kulturverfall durch Kommerzialisierung der Gesellschaft . . . nicht als Zeugin der Anklage, sondern als gutachtende Sachverständige auf» (144) - eine solche Positionierung scheint sinnvoll. Doch die Gratwanderung zwischen einem gutachtenden Sachverständigen einerseits, der sich u. a. durch eine gewisse kritische Distanz gegenüber seinem Objekt auszeichnen sollte, und einem bei der Produktnamenplanung engagiert mitwirkenden Sprachwissenschaftler andererseits, wie ihn Platen an anderer Stelle fordert, gelingt ihm nicht immer. Die kritische Distanz läßt der Verf. in seinem Enthusiasmus bisweilen vermissen. Das zeigt sich an keinesfalls ironisch gemeinten Formulierungen wie der von der «bunten Welt der kommerziellen Kommunikation» (107), den erwähnten engen Anlehnungen an der Werbesprache oder auch daran, daß er kulturelle Differenzen assimiliert, wenn er in bezug auf das assoziative Aufladen Parallelen zwischen einem Werbespot für Kelts, ein alkoholfreies Bier, und Marcel Prousts Interpretation nordwestfranzösischer Stationsnamen konstatiert (wenngleich er Proust ein höheres Niveau konzediert) (22). Es stellt sich darüber hinaus auch die Frage, ob diese Analogie überhaupt zutrifft, denn die Kelts-Werbung erinnert viel eher an die sprachspielerisch geprägte Lyrik des Dadaismus denn an Proust. Yvonne Stork H Pierre Rézeau, Le dictionnaire des noms de cépages de France. Histoire et étymologie, Paris (CNRS) 1997, 422 p. Vorliegendes Wörterbuch füllt eine Lücke in einem reichhaltig bestückten überwiegend fachsprachlichen Teilbereich der französischen Weinbauterminologie. Die «Introduction» (9-23) gibt einen kurzen Überblick über die Zusammensetzung der Makrostruktur, die Geschichte und Etymologie der Rebsortenbezeichnungen sowie deren gut entwickelte terminologische Synonymie, in der «Présentation» (25-29) wird die Mikrostruktur der Artikel erläutert. Naturgemäß ist der überwiegende Teil dem alphabetisch geordneten «Dictionnaire» (31-377) gewidmet. Beschlossen wird das Werk durch die Bibliographie (379-407), die im wesentlichen das Inventar der ausgewerteten Fach- und literarischen Texte enthält. Zwei Anhänge (409-22) beinhalten Dokumente des 18. Jahrhunderts zur französischen Weinbauterminologie sowie einen alphabetischen Index der in den Artikeln versteckten, nicht eigens lemmatisierten Materialien. Die Mikrostruktur der Artikel ist standardisiert. Nach dem fettgedruckten Lemma (in Kleinschrift) und der grammatischen Information folgt die Bedeutungsbzw. Sachbeschreibung, die entweder synonymisch unter Bezugnahme auf andere Artikel des Wörterbuchs erfolgt oder aber wesentlich häufiger in Form einer Paraphrase, die eine fachspezifi- 308 Besprechungen - Comptes rendus 1 Von daher ist es überraschend, daß er in einer Fußnote Ruth Becker beipflichtet, die über die von Werbestrategen festgestellte «Hinwendung zu übernationaler Artifizialität sowie das Abrücken der Bezeichnung vom konkreten Produkt und damit den Abschied vom beschreibenden, allzu durchsichtig semantisierten und folglich eindimensionalen Namen» (117) schreibt: «Wortschnipsel, aus Sprach- und Bedeutungsfetzen zusammengepappt, sorgen in einer Welt, der der sinnstiftende Deutungszusammenhang abhanden gekommen ist, für Ersatzsinn» (zit. bei Platen, p. 117). Platen bezeichnet Beckers Urteil als «eine kulturkritisch gefärbte, gleichwohl überaus treffende Wertung» (117 N250). sche Beschreibung in zumeist ebenfalls standardisierter Abfolge vermittelt: Reifezeit, Produktivität, Rebgröße und -geschmack, Größe und Farbe der Trauben. Bei den paraphrasierenden Definitionen schließt sich zudem die Angabe der aktuellen Größe des Anbaugebietes an. Es folgen Zitate in zwei Gruppen: Belege aus Quellen nach 1950 - wobei sich das Wörterbuch dadurch auszeichnet, daß in der Regel zwei oder drei umfangreiche enzyklopädische Zitate gegeben werden - sowie, falls vorhanden, ältere Belege in chronologischer Anordnung. Querverweise erlauben den Zugriff auch auf Belege unter anderen Lemmata. Komposita fungieren als Sublemma vor der Angabe der Semantik, bei diversen Komposita unter einem Lemma werden diese ebenso wie divergente Bedeutungen polysemer Termini durchnumeriert und separat behandelt. Am Ende eines jeden Artikels befindet sich ein historisch-wortgeschichtlicher Kommentar und, soweit möglich, der Verweis auf Referenzwörterbücher (Definitionswörterbücher des 19. und 20. Jahrhunderts, FEW). Die Auszählung des Wörterbuches ergibt 312 Artikel, die Zahl der behandelten Elemente ist jedoch etwas höher, da Komposita nicht eigens lemmatisiert werden und einige wenige ältere Termini keinen separaten Artikel erhalten haben, sondern (durch einen Verweis erschließbar) unter frequenteren Synonyma mitbehandelt werden. Kritikpunkte gibt es nur wenig. Die Makrostruktur ist unter der Prämisse etabliert worden, die gegenwärtig gebräuchliche Terminologie in Frankreich zu erfassen, insofern kann man geographisch-chronologische Lücken kaum bemängeln. Nicht berücksichtigt worden ist nämlich die Suisse romande, und so mag zumal der Schweizer Benutzer die einheimische Terminologie vermissen, die neben klassischen Rebsorten wie amigne, arvine (auch petite arvine), humagne (auch humagne blanc, rouge), œil de perdrix oder rèze 1 auch neuere Züchtungen wie gamaret oder garanoir (gamay x reichensteiner) oder Importe aus anderen Regionen (findling, kerner, scheurebe) aufweist. Es fehlen aber auch Materialien aus französischen Weinanbaugebieten, so aus der Region Côtes du Rhône/ Provence/ Corse: doucillon, manosquin, petit-brun, pignerol. P. Rézeau verweist in seinem Vorwort zu Recht auf die restriktive Haltung der Definitionswörterbücher, aber man findet in der lexikographischen Tradition durchaus Termini, die hier fehlen, jedenfalls was das 19. Jahrhundert betrifft. Um einige Beispiele (A-C) aus dem Supplément von Littré (1877) zu zitieren: arcenant, s. m. nom, en Bourgogne, d’un cépage dit aussi gamet commun (Littré, Suppl.: 21a); balzac blanc (noir), s. m. noms, dans l’Angoumois, d’un cépage blanc et d’un cépage noir bzw. balzac noir sorte de cépage du Limousin (Littré, Suppl.: 33b); bauchalès, s. m. nom, dans Tarn-et-Garonne, d’un cépage noir, dit aussi mourastel (Littré, Suppl.: 37b); blanmansais, s. m. nom, dans la Vienne, d’un cépage blanc, dit aussi chenin (Littré, Suppl.: 43b); bouilleau, s. m. nom, dans l’Angoumois, d’un cépage blanc (Littré, Suppl.: 48a); chaillant, s. m. nom d’un cépage, dans les Hautes-Alpes (Littré, Suppl.: 69a); chambonnin, s. m. nom, dans l’Indre, d’un cépage rouge (Littré, Suppl.: 69c); chardenai (chardenet), s. m. nom, dans le Rhône, d’un cépage qui donne un vin blanc (Littré, Suppl.: 71b); chauché, s. m. nom d’un cépage de l’Aunis (Littré, Suppl.: 73a); chétuan, s. m. nom d’un cépage rouge, dans l’Ain (Littré, Suppl.: 74c); coigne, s. f. dans l’Aunis, cépage rouge à feuilles découpées, à grains gros et séparés (Littré, Suppl.: 82c); colombier, s. m. nom, dans l’Angoumois, d’un cépage blanc (Littré, Suppl.: 83c); curanche noir, s. m. sorte de cépage du Limousin (Littré, Suppl.: 100a). Hier ist vermutlich das ein oder andere veraltet und insofern versteht sich die Nichtberücksichtigung. Dieses Argument gilt jedoch nicht für das bei P. Rézeau (418) nur im Index auftretende corbeau, 309 Besprechungen - Comptes rendus 1 Cf. dazu und zu anderen Termini die entsprechenden Artikel im Dictionnaire suisse romand. Particularités lexicales du français contemporain, une contribution au Trésor des vocabulaires francophones conçu et rédigé par A. Thibault sous la direction de P. Knecht avec la collaboration de Gisèle Boeri et Simone Quenet, Genève 1997, sowie ib.: 807s. das entsprechende onomasiologische Inventar. s. m. cépage de la Savoie (Littré, Suppl.: 91c), das in seiner Vitalität noch in TLF 6: 172 ( cépage à raisins noirs, cultivé dans le sud-est de la France ) bezeugt wird. Hinsichtlich der Mikrostruktur ist vielleicht ein Kritikpunkt am offenkundigsten, und das ist die Beschreibung von Status und Verbreitung der Materialien. Handelt es sich um Regionalismen oder überregionale Fachtermini, und wenn das erste zutrifft, wo sind diese regional begrenzten Termini beheimatet? Die Antwort auf diese Frage geht zwar häufig aus den Zitaten hervor, aber man hätte sich der Übersichtlichkeit halber eine explizite, graphisch abgehobene Rubrik in der Mikrostruktur gewünscht, um diese Information in systematisierter Form vorliegen zu haben. Nur bei den angesprochenen synonymischen Bedeutungs-/ Sachbeschreibungen wird immer in der Definition auf das Verbreitungsgebiet verwiesen. Auch diachrone Markierungen, d. h. der Verweis auf durch das Schwinden der Sache bedingte Alterungsprozesse von Termini (wie z. B. bei abouriou [Zitat 1], carmenère oder malbec), hätten deutlicher vergeben werden und nicht nur durch Zitate erschließbar sein sollen. Die Etymologie wird verständlicherweise nur im Sinne der «etimologia prossima» beschrieben, was mit sich bringt, daß der Bezug auf das FEW z. B. bei Italianismen wie carcajolo (102) fehlt. Die Querverweise sind nicht immer vollständig, vor allem in der Gruppe der älteren Zitate; es fehlen z. B. Verweise auf Belege für: muller thurgau (31 s. abondant), macabèou (46 s. aramon), (petit) meslier (49 s. arbois, 54 s. aubaine) etc. Manchmal entgehen so Varianten: chalosse noire (38 s. alicante), plant de Chypre (42 s. altesse), plantde-dame (52 s. arruf(f)iac) etc. Selten fehlt auch schon einmal ein Verweis auf eine lexikographische Quelle, so s. bouteillan (Littré, Suppl.: 49c). Das Wörterbuch überzeugt trotz der ein oder anderen Kritik im Detail in seinen Grundstrukturen rundum: auf der Basis einer reichhaltigen Mikrostruktur liefert es eine durch seinen Materialreichtum ebenso wie durch die ausgewogene und kritische etymologische Diskussion bestechende lexikographische Aufarbeitung. Wenn auch die historische Perspektive dieses Terminologiesektors vertieft werden kann, so verfügt man mit dem jetzt vorliegenden Werk über eine zuverlässige Inventarisierung des gegenwärtigen Sprachgebrauchs. J. Lengert H Ronald Landheer/ Paul J. Smith (ed.), Le paradoxe en linguistique et en littérature, Geneve (Droz) 1996, 240 p. Die von Ronald Landheer und Paul J. Smith herausgegebene Aufsatzsammlung bietet viele verschiedene Lösungsansätze zum für Logik und Semantik gleichermaßen «anstößigen» Problem des Paradoxons. Die überwiegende Zahl der Aufsätze befaßt sich mit dieser linguistisch-logischen Seite des Paradoxons, ein gutes Drittel mit philologischen Beiträgen zu Paradoxa in der Literatur. Den gemeinsamen Hintergrund der linguistischen Beiträge bilden Autoren wie Ducrot, Martin, Rastier, Russell, Sperber/ Wilson, um nur einige zur Orientierung zu nennen. Die gemeinsame Fragestellung ist: Wie kann die aus der Widersprüchlichkeit sich herauskatapultierende Sinnwirkung des Paradoxons erklärt werden? Kann «Wahrheit» der natürlichen Sprache in logischen Begriffen erfaßt werden? Was können die linguistischen Ansatzpunkte Denotation, Konnotation, Ko(n)text der logischen Beschreibung entgegensetzen? Wie lassen sich die Ansätze kombinieren? Hierfür werden mit unterschiedlicher Fokussierung unterschiedlich weitreichende Antworten geboten, über die ein kurzer Überblick folgt, bei dem auch die literaturwissenschaftlichen Beiträge nicht fehlen sollen. Das autoreflexive Paradoxon des Lügners macht Béatrice Godart-Wendling (« Je mens : Histoires sémantique et logique d’un paradoxe») zum Prüfstein für die Angemes- 310 Besprechungen - Comptes rendus
