eJournals Vox Romanica 58/1

Vox Romanica
vox
0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
1999
581 Kristol De Stefani

Jürgen Trabant (ed.), Die Herausforderung durch die fremde Sprache: das Beispiel der Verteidigung des Französischen, Berlin (Akademie Verlag) 1995, 223 p. (Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Interdisziplinäre Arbeitsgruppen, Forschungsberichte 1)

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1999
Petra  Braselmann
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Jürgen Trabant (ed.), Die Herausforderung durch die fremde Sprache: das Beispiel der Verteidigung des Französischen, Berlin (Akademie Verlag) 1995, 223 p. (Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Interdisziplinäre Arbeitsgruppen, Forschungsberichte 1) Grundlage für den vorliegenden Sammelband ist eine Tagung vom Dezember 1994 über die Verteidigung der französischen Sprache. Die einzelnen Aufsätze, denen eine Einleitung von J. Trabant «Zur Einführung: Fremde Sprachen in Babel und Paris» (7-16) vorangestellt ist, sind thematisch in drei Hauptteile zusammengefaßt: i. Verteidigung und Illustration (19-75) mit Beiträgen von E. Oksaar, «Zur Verteidigung einer Sprache gegen das Fremde. Sozio- und psycholinguistische Überlegungen», und W. Settekorn, «Bouhours, die Sprache, die Anderen und der Krieg. Betrachtungen zu den Entretiens d’Ariste et d’Eugène». ii. Gegen die englischen Wörter (79-147) mit Aufsätzen von Christiane Beinke, «Tomatine statt ketchup. Ein Weg zum reinen Französisch? », Chr. Schmitt, «Das Fremde als Staatsaffaire: hebdo Langage, télélangage und MEDIAS & langage», und Gabriele Beck-Busse, «Vom Fremderleben in der Sprachpflege. Die Radiosendung La langue française, joyau de notre patrimoine», iii. Für das Französische (151-91) mit Überlegungen von J.-C. Chevalier, «La langue française et les pouvoirs: le Conseil supérieur de la Langue française - historique, fonctionnement et résultats 1989-1994», R. Balibar, «Défense et Illustration de la langue française», H. Weinrich, «Ein Gesetz für die Sprache? », und von J. Trabant, «Die Sprache der Freiheit und ihre Freunde». Der Band schließt mit einem Dokumentationsteil (195- 223), der die exposés des motifs der Sprachgesetze von 1975, der loi Bas-Lauriol 1 (195s.), und von 1994, der loi Toubon (195-98), zwei Le Monde-Artikel von J. Toubon selbst zum Thema («L’esprit des langues» [199-201], und «La langue de tous» [209-12] vom 24. Februar und 4. August 1994), den Gesetzestext der loi Toubon in seiner endgültigen Fassung (203- 07) sowie den Beitrag von Y. Marek, Conseiller technique im Ministerium von Jacques Toubon, mit dem Titel «La loi Toubon» (212-23) enthält. Schon aus diesem Inhaltsüberblick wird deutlich, daß die beiden jüngsten Sprachlegislativen im Zentrum des Sammelbandes stehen, wobei allerdings die Berücksichtigung der loi Toubon bisweilen etwas zu kurz kommt. Dies läßt sich u. a. erklären mit der geringen zeitlichen Distanz von vier Monaten zwischen dem definitiven Gesetzesbeschluß (4. August 1994) und der Tagung, aus der der Band hervorgegangen ist (cf. 10 und 117 N1). Schade ist auch, daß die ebenfalls 1994 erschienene neueste (und gemessen an den Vorgängerversionen) vom Konzept her stark veränderte Sammlung der proskribierten Anglizismen mit ihren offiziellen Ersatzwörtern, das von der Délégation générale à la langue française herausgegebene Dictionnaire des termes officiels de la langue française, kaum berücksichtigt wird, sondern, wie etwa bei Beinke, mit der Version von 1984 gearbeitet wird 2 , was bisweilen zu Scheinproblemen führt: So findet sich etwa die von Beinke beklagte zweifache Art von Ersetzungen (termes obligatoires/ recommàndés [86]) in der neuen offiziellen Sammlung nicht mehr, die genau wie jedes andere Wörterbuch durchgängig alphabetisch lemmatisiert und nicht mehr (wie die Vorgängerversionen) die Ersatzwörter jeweils unter dem jeweiligen Fachgebiet anordnet. Auch das von ihr angesprochene Problem der Gültigkeit der verschiedenen Erlasse der einzelnen Kommissionen und damit der nur zeitweise verbotenen Anglizismen (wie etwa hitparade und show-business [86]) läßt sich mit dem Dictionnaire von 1994 leicht lösen: Die Erlasse, die weiterhin aufgeführt werden, gelten kumulativ; erscheint ein älterer nicht mehr im Index, so ist er durch den jeweils neueren außer Kraft gesetzt. 327 Besprechungen - Comptes rendus 1 Hier fälschlich «Bas-Loriol» geschrieben, cf. aber p. 81, 86, 151, 157, 179 et passim in der adäquaten Schreibung der beiden Parlamentarier Lauriol und Bas, die das Gesetz redigiert und verteidigt haben. 2 So zitiert etwa auch Schmitt die Vorgängerversion von 1991. Trabant zeigt in seiner Einleitung, die (mit Schwerpunkt Frankreich) einen historischen Überblick über die unterschiedlichen Einstellungen zur Konfrontation mit fremden Sprachen gibt, zwei interessante konträre Perspektiven auf: 1. Die kommunikative Sprachauffassung folgt dem biblischen Sprach-Mythos, wonach die Verschiedenheit der Sprachen als Strafe Gottes ein Kommunikationshindernis, ein Übel darstellt, das es zu Gunsten einer paradiesischen Einheitssprache auszumerzen gilt. Diese Haltung liegt den einzelnen sprachpuristischen Varianten zugrunde. 2. Demgegenüber steht die kognitive Sprachauffassung, die (gekoppelt an das europäische Denken von Leibniz und Humboldt) in fremden Sprachen mit den an sie gebundenen «Weltansichten» eine Bereicherung sieht. Erst diese Konzeption schafft nach Trabant die Voraussetzung, fremde Sprachen als ernstzunehmende Gegenstände der Wissenschaften anzusehen. In der Tat handelt es sich hierbei um zwei stets wiederkehrende Topoi «Sprachenvielfalt als Verderbnis» bzw. als «Bereicherung», die sich trotz ihrer grundsätzlichen Gegensätzlichkeit friedlich vereint in verschiedenen (oft ministeriellen) Legitimationen für die Sprachgesetze wiederfinden 3 . Dies interpretiert Trabant allerdings nicht als reines Lippenbekenntnis, spricht er doch bei den jüngsten sprachpolitischen Aktivitäten Frankreichs von der «Wende zu einer Theorie der kulturellen und sprachlichen Diversität» (15), womit sich Frankreich definitiv vom biblischen Sprachmythos verabschiede - meint er damit in letzter Konsequenz dann auch vom Sprachpurismus? In seinem zweiten Beitrag wird deutlich, daß er sich dabei ausschließlich auf die offizielle Rhetorik bezieht und nicht in Rechnung stellt, daß diese gegenwärtig bestimmte opportunistisch-europäische Akzente enthalten muß. - Im weiteren Verlauf der hier zur Diskussion stehenden Einleitung unterteilt Trabant die Stoßrichtung der französischen Sprachpolitik einerseits in den Kampf gegen das englische Wort, den er als Zielsetzung der loi Bas-Lauriol bzw. «der staatlichen Maßnahmen der sechziger und siebziger Jahre» (13) erklärt. Andererseits in den Kampf gegen das Zurückdrängen des Französischen aus «internationalen Zusammenhängen (aus der Sprache der Diplomatie z. B.) und vor allem aus bestimmten Diskursdomänen durch die zunehmende exklusive Verwendung des Englischen in Wissenschaft, Technik und Handel» (13). Mit anderen Worten geht es in Trabants Sichtweise um folgende Ziele: 1. défense der pureté des Französischen in Frankreich; 2a. externe diffusion des Französischen, also außerhalb Frankreichs, 2b. interne diffusion innerhalb Frankreichs. Die Intention der internen und externen diffusion weist er ausschließlich der loi Toubon zu. Für ihn ist der Unterschied so fundamental, daß er entsprechend die Hauptteile ii (Gegen die englischen Wörter) und iii (Für das Französische) konzipiert. - Mir scheint diese Trennung nicht in allen Punkten einsichtig: Es ist richtig, daß die Verpflichtung, Französisch als Kongreßsprache für in Frankreich stattfindende internationale wissenschaftliche Tagungen zu verwenden, 1974 noch nicht im Gesetz stand, sie wurde allerdings schon 1976 (Circulaire No 76-U-156 relative à l’emploi de la langue française dans le service public d’enseignement et de recherche) formuliert und nicht erst in der loi Toubon. Ferner ist der erste Teil des zweiten Kampfes (2a: für Französisch als internationale Sprache in EG-Institutionen, Diplomatie, etc.) nicht in der loi Toubon verankert - und konnte es auch gar nicht sein. Das Gesetz ist für Bürger Frankreichs und nicht für transnationale Institutionen bestimmt 4 . Allerdings wird die Sorge um das Ver- 328 Besprechungen - Comptes rendus 3 Cf. etwa im selben Band J. Toubon: «Nous ne sommes pas chauvins, nous qui préconisons le plurilinguisme européen, la modernisation et le rayonnement international de la langue française . . . » (210), oder Y. Marek: « . . . la ‹loi Toubon›, d’abord motivée par des considérations républicaines, est aussi une contribution au respect de toutes les langues européennes.» (223). 4 Cf. auch Chevalier im selben Band: «Au défaut de transformer la langue, on pouvait en encourager la diffusion. Non dans les pays francophones; c’était la terre réservée du Haut Conseil de la francophonie; non a l’étranger; c’étaient les domaines réservés des ministères de l’Education et des Affaires étrangeres; mais en France même.» (157). drängen des Französischen als die «universale» Sprache und der Wunsch, diesen Status zu reanimieren, in Äußerungen von Toubon in Senats- und Parlamentsdebatten immer wieder formuliert. Ich würde den Schwerpunkt anders setzen: Dieser Aspekt ist nicht die Hauptstoßrichtung der loi Toubon, er liegt vielmehr an der Wurzel der französischen Sprachpolitik, der es weniger um die Stützung der Mehrsprachigkeit in Europa geht - wie immer wieder betont wird (cf. auch oben) -, sondern um das nostalgische Wiederaufleben der alten französischen Idee von der Universalsprache 5 : Danach kann ein sich auf dem Weg zu einem «tout anglais» befindendes vereintes Europa kein wahrhaftes Europa sein, wie Toubon im März 1994 auf der 10. Session des Haut conseil de la francophonie zum Thema «L’Europe et la langue française» verlauten läßt 6 . In diesem Sinne wird fast beschwörend immer wieder betont: « . . . la langue française doit demeurer une langue de communication internationale de premier plan» 7 . Mit anderen Worten: Der Kampf gegen die englischen Wörter ist nicht eine andere Zielsetzung wie Trabant vermutet, sondern nur eines der Symptome im ideologisch-politischen Kampf gegen die Vormachtstellung des Englischen in internationalen Diskursen und gegen die Dominanz der anglo-amerikanischen Kultur [so auch Beinke (83) und Chevalier (158)]. Was das Bemühen angeht, Französisch in allen Diskursdomänen wiederzubeleben, also die interne diffusion zu reaktivieren, so hält Trabant dies für einen berechtigten Kampf «um die demokratische Verpflichtung . . ., sich dem Volk auch verständlich zu machen, das diese Tätigkeiten [i. e. Wissenschaft, Technik und Handel] alimentiert» (14). Nun ist es doch aber nicht so, daß «das Volk» an Kongressen und Fachtagungen teilnimmt, sondern vielmehr (oft internationale) Fachleute, und für diese schafft der Zwang zum Französischen als Kommunikationssprache eher Barrieren. Das Verständlichkeitsargument erinnert an die offizielle Zielsetzung «Verbraucherschutz» (der - anders als bei Trabant - nach Weinrich [171] bei der Begründung für die loi Toubon noch deutlicher im Vordergrund steht als für das alte Gesetz): Der Verbraucher soll vor «unverständlichen» Anglizismen geschützt werden, indem indizierte Anglizismen durch verordnete «verständliche» (d. h. genetisch reine) französische Äquivalente ersetzt werden. Wie verschiedene Untersuchungen, so auch die von Beinke im Band, zeigen, sind die Ersatzwörter oft Kommunikationshindernisse: « . . . [Es] ist offensichtlich, daß es den Verantwortlichen bei diesem Sprachgesetz nicht in erster Linie um die französische Sprache als Verständigungsmittel geht, was das Motto ‹Verbraucherschutz› eindeutig suggeriert. Erreicht werden weder eine verbesserte kommunikative Leistung, die bei einem solchen Ziel im Vordergrund stehen müßte, noch die angestrebte ‹Demokratisierung› des französischen Wortschatzes.» (83). Die Beiträge von Beinke und Schmitt thematisieren nun die Ersatzwörter und verweisen auf ihre Defizite, während Beck-Busse eine Radioserie zum Thema daraufhin analysiert, wie mit dem «Fremden» rhetorisch umgegangen wird, wobei das Angloamerikanische als das bedrohliche Fremde empfunden wird, das sich widerspiegelt in einer an Kriegsvokabular und -metaphern reichen Sprache. Das bereichernde, das zu eigen gemachte Fremde, das «Eingebürgerte», «Entlehnte» (wie z. B. supporteur, leitmotiv) dagegen wird akzeptiert. Beck-Busse differenziert hier zwischen dem «Anderen», das nicht immer als fremd wahrgenommen werden muß, und dem als fremd Wahrgenommenen, das nicht immer «anders» sein muß. Für den zweiten Fall nennt sie Beispiele wie den im Französischen gebildeten 329 Besprechungen - Comptes rendus 5 Cf. auch L.-J. Calvet: «En fait, derriere cela [= défendre le lexique de la langue française], je dirais . . . qu’il y a une nostalgie de l’empire, une nostalgie de l’époque ou le français était la langue internationale. Cela, c’est le vrai problème . . . » (Echos 73/ 74, sept.-oct. 1994: 64). - Cf. auch Le Monde 4. 5. 1994. 6 Cf. Le Monde 24. 3. 1994: 5. 7 Cf. Débats parlementaires (Journal officiel de la République française 4 mai 1994: 1366). Pseudoanglizismus baby-foot: « erlebte Fremd-heit [kann] eine Eigen-schöpfung sein» (129). In N46 betont sie, daß der diesbezügliche sprachtheoretische Standpunkt bei ihrer Differenzierung sekundär sei. Meines Erachtens kann das «Andere» und das «Fremde» im Sinne von Beck-Busse gerade sprachtheoretisch sehr überzeugend festgemacht werden, und zwar zum einen an dem Begriff der «Entlehnung» als einem diachronischen Terminus (von einer anderen als der aufnehmenden Sprache zu irgendeinem Zeitpunkt übernommenes Element), und zum anderen an dem des «Fremdwortes» als einem synchronischen Terminus. Synchronische Fremdheitsmerkmale auf verschiedenen Ebenen (graphische, phonetische, graphophonematische/ phonographematische Relationsebenen, morphologische, lexematische Ebenen und vor allem: Gebrauchsebene) 8 konnotieren einem normalen Sprecher, daß das entsprechende Wort von den jeweiligen Normalparadigmen abweicht und sich so nicht wie heimische Wörter verhält. Inwieweit die Konnotation «fremd» jedoch konkret in der Sprachverwendung wahrgenommen wird, hängt dann natürlich von der individuellen Vorkenntnis, vom jeweiligen Kontext etc. ab 9 . Insofern kann sich ein Lehnwort synchronisch wie ein heimisches Wort verhalten, wenn es diese Fremdheitsstimuli nicht (mehr) signalisiert. Dabei ist es unerheblich, ob baby-foot historisch im Französischen gebildet wurde oder nicht (dies interessiert nur den Linguisten! ), es sieht einfach (synchronisch) englisch aus, nicht zuletzt aufgrund der typischen graphophonematischen Relation a [e] und besonders oo [u]. - Chevalier, Balibar und Weinrich beleuchten in ihren Beiträgen die politisch-ideologischen Hintergründe und die Genese der loi Toubon im Vergleich mit der loi Bas-Lauriol.Weinrich weist auf die Veränderung hin, die der ursprüngliche Gesetzestext durch das Urteil des Verfassungsgerichtes erfahren hat: «In seiner ursprünglichen Fassung wollte der Gesetzgeber . . . den Gebrauch aller derjenigen Fremdwörter in der Öffentlichkeit verbieten, für die es in der französischen Sprache geeignete Ausdrücke mit gleicher Bedeutung gibt.» (172). Die Sachlage ist etwas anders. Der (in der Regel 10 ) gestrichene Textpassus heißt: « . . . lorsqu’il existe une expression ou un terme français de même sens approuvés dans les conditions prévues par les dispositions réglementaires relatives a l’enrichissement de la langue française». Die proskribierten Anglizismen sind auch in der neuen definitiven Gesetzesversion verboten, es ist - unter Geltendmachung der vom Menschenrecht garantierten freien Presse- und Meinungsfreiheit - nur nicht mehr der Zwang zur Verwendung der durch die Terminologiekommissionen gebildeten, «offiziellen», kodifizierten Ersatzwörter (in der Presse «novlangue» genannt). D. h. der Sprachbenutzer kann entscheiden, was er für französisch hält [cf. auch Trabant (188)], bzw. die Richter, wie Toubon selbst formuliert: « . . . c’est désormais aux juges qu’il appartiendra de dire souverainement quel mot est français ou pas.» (211). - Chevalier liefert eine scharfsinnige Analyse des Conseil supérieur de la Langue française und seiner Mitwirkung an der geplanten Orthographiereform und an der loi Toubon, seiner politischen Hintergründe, seiner jahrelangen Tätigkeit und Auseinandersetzung mit dem Paradoxon Konservatismus und Modernismus der französischen Tradition und seines schließlich schwindenden Einflusses, der auf mangelnde Kontinuität sozialpolitischer Unterstützung zurückgeführt wird. - Balibar beleuchtet die Entscheidung des Verfassungsgerichtes (Conseil constitutionnel) und plädiert mehr für die «Illustration» als für die «Verteidigung» der französischen Sprache, und zwar vor allem durch eine bessere Schulpolitik. - Den letzten Beitrag liefert wieder Trabant, der seine Überlegungen mit einer Kritik an ei- 330 Besprechungen - Comptes rendus 8 Cf. Petra Braselmann, Konnotation - Verstehen - Stil, Frankfurt a.M. 1981: 177s., 241s. 9 Cf. hierzu auch Marion Cypionka, Französische «Pseudoanglizismen», Tübingen 1994: 97. 10 Der Textpassus und damit der Verweis auf «Toubons Katalog» der Ersatzwörter ist erhalten geblieben in all jenen Bereichen, in denen der Staat alleinige Verfügungsgewalt hat: bei öffentlichen Verträgen (Art. 5) und bei der Verwendung von Markennamen durch öffentliche Institutionen (Art. 14). Cf. hierzu Trabant (178 N7). nem Spiegel-Artikel (16. 5. 1994) zum Thema, einem «notorisch anti-französischen Nachrichten-Magazin» (175), verbindet, dessen Desinformation er richtigstellen will. Trabant fragt sich, was an den vom Spiegel angeprangerten französischen Ersatzwörtern wie stylique für design, tir de réparation für penalty, restovite für fast-food « . . . schlimm sein soll, beziehungsweise wieso die englischen Wörter . . . so schön und treffend sein sollen . . . », dies müsse «dem Leser ein Geheimnis bleiben» (177). Dieses Geheimnis ist wohl schnell zu lösen: Die genannten (wie auch viele andere) proskribierten Anglizismen haben nicht nur im Französischen eine so hohe Gebrauchsfrequenz in der Standardsprache (wohlgemerkt: nicht in der Fachsprache), daß sie schon zum zentralen Standardwortschatz gehören 11 , sondern sie sind darüber hinaus Bestandteile einer internationalen Kommunikation. Aus diesem Grunde protestierte man auch in Frankreich in den Medien gegen solche künstlichen anti-europäischen Schreibtischwörter 12 . Laut Trabant sollte ferner der Vorwurf der Xenophobie, der kulturellen Abschottung («Maginotlinie») und des «Kulturchauvinismus» an ein Land wie Frankreich, « . . . das . . . traditionellerweise großzügig fremden Menschen seine Staatsbürgerschaft verleiht», nicht gerade aus einem Land kommen «mit einem problematischen, weltweit kritisierten und kleinlichen Staatsbürgerschaftsrecht.» (177). Frankreich möchte « . . . fremden Wörtern die Einbürgerung verweigern . . . (es sind übrigens nicht die Wörter der Mühseligen und Beladenen, die abgewehrt werden sollen, sondern die Wörter der Sieger, Wörter ‹von oben› sozusagen). Was immer man mit den fremden Wörtern tut, es tut ihnen nicht weh; fremde Menschen aber schmerzt, was ihnen angetan wird.» (177s.). Hier scheint der Autor nicht nur etwas über das Ziel einer unbenommen durchaus legitimen frankophonen Einstellung hinausgegangen zu sein, sondern er übersieht darüber hinaus, daß der Spiegel in einer Weise Kritik übt, die fast wortwörtlich mit der kritischen Öffentlichkeit Frankreichs anläßlich der kontroversen Diskussion um das Gesetz übereinstimmt 13 . Im folgenden schließt Trabant an seine einleitenden Gedanken bezüglich der seiner Meinung nach unterschiedlichen Zielsetzungen der beiden Gesetze an und verstärkt die Argumentation, wonach die loi Toubon - zumindest nach den «offiziellen» Erklärungen - eine plurilinguale und multikulturelle Öffnung anvisiere. Der Aufsatz schließt mit der launigen Bemerkung, ihm gehe es nicht um «kriminalistisches» Nachspüren, ob sich de facto hinter den geäußerten Motiven als einer «neuen Rhetorik die alte jakobinische Vereinheitlichungsstrategie verbirgt» (189) - womit er die oben angemeldeten Bedenken elegant außer Kraft setzt . . . Das vorliegende Buch garantiert eine anregende Lektüre - die Länge der Besprechung mag dafür ein Beispiel sein. Hier nun wirkt sich die Form des Sammelbandes äußerst positiv aus (was ja nicht immer der Fall ist): Die unterschiedlichen Beiträge reflektieren, angereichert durch die «offiziellen» Dokumente, eine Vielzahl von Haltungen und differenzierten Deutungsansätzen, die auf einer Skala mit den jeweiligen Endpunkten eindeutig pro und eindeutig contra französische Sprachlegislative anzusiedeln sind, und liefern - selbst 331 Besprechungen - Comptes rendus 11 Die Akzeptanz eines Ersatzwortes hängt ab vom Bekanntheitsgrad und Verbreitungsumfang des zu vermeidenden Anglizismus: Je geläufiger dieser im Sprachgebrauch ist, um so geringer ist die Chance des entsprechenden Neuwortes, sich durchzusetzen. - Cf. zur entsprechenden Situation in Deutschland auch Oksaar (27s.). 12 Cf. z. B. Libération 17. 3. 1994: 39; 13. 4. 1994: 2s.; Journal de Dimanche 31. 7. 1994: 1. Cf. auch die Diskussion in der Radiosendung Bouillon de Culture, France 2 (19. 4. 1994). 13 «Le défaut majeur de cette loi est qu’elle tente de constituer une ligne Maginot contre les mots anglais qui ont investi le français.» (L’Evénement du jeudi 21.-27. 4. 1994: 53). - «En proscrivant l’anglais, sommes-nous nationalistes, ou résistants? » (Le Nouvel Observateur 26. 5. 1994). - «Inquisition linguistique» (L’Evénement du jeudi 25.-31. 8. 1994: 75). Cf. auch Le Monde 5. 5. 1994, wo die Ablehnung der englischen Sprache mit Ausländerfeindlichkeit parallelisiert wird. wenn sie sich bisweilen auch in ihren Einschätzungen widersprechen - ein so facettenreiches Bild von den sprachpolitischen Aktivitäten in Frankreich, wie es dem bei weitem nicht nur linguistisch anzugehenden Gegenstand angemessen ist. Dies könnte eine Monographie nur schwerlich in diesem Maße einlösen. Petra Braselmann H Eva Vetter, Nicht mehr Bretonisch? Sprachkonflikt in der ländlichen Bretagne, Frankfurt a. M./ Berlin/ Bern (Lang) 1997, 195 p. (Sprache im Kontext 2) Bretonisch gehört zu den Sprachen, die von immer weniger und immer älteren Leuten gesprochen werden, die hauptsächlich in kleinen Landgemeinden leben. Da eine fortschreitende Rationalisierung und Verstädterung nicht zwingend eine Aufgabe des Bretonischen zugunsten des Französichen bedingen, fragt die Autorin nach den Prozessen, die für Veränderungen im Sprachverhalten ausschlaggebend sind. «Warum halten gewisse Gruppen verstärkt am Bretonischen fest, andere nicht? Ja, wieso wird die Sprache trotz jahrhundertelanger Bemühungen, sie auszurotten, überhaupt noch gesprochen? Was steckt hinter dem Prozeß, der sich im Datenmaterial als Rückgang der Sprecher zeigt . . .? » Frau Vetter will nicht nur Tatsachen systematisch darlegen, sondern vor allem nach den Ursachen fragen, denn «das Warum bleibt häufig völlig im dunkeln» (15). Sie hinterfragt, welche Veränderungen im Alltag wohl dazu geführt haben mögen, daß Gemeinschaften der ländlichen Bretagne den Sprachwechsel vom Bretonischen zum Französischen vollziehen, ein Prozeß, den sie in der zweisprachigen, zum Arrondissement Brest sowie zum westlichsten der vier bretonischen Départements des Finistère gehörenden Gemeinde Plonger/ Ploumoguer untersuchte. Dabei hat sich eine Synthese verschiedener Methoden als sinnvoll erwiesen: die Kombination einer Fragebogenstudie, die auf alle Dorfbewohner zielte, die älter als neunzehn Jahre waren, einer sechsmonatigen Phase teilnehmender Beobachtung, von Tiefeninterviews, Expertengesprächen und der Auswertung von Archivmaterial (19). Der grundlegende theoretische Stellenwert kommt dem Konzept des Sprachkonfliktes zu. Darunter versteht die Autorin ein umfassendes Phänomen, dessen mögliche Ausdrucksform die Diglossie sein kann. Eine bedeutende Rolle mißt sie der Hierarchie zwischen dominierender und dominierter Sprache in einer konfliktuellen, instabilen Situation bei, als deren Lösungen sie ausschließlich die Normalisierung, die Durchsetzung der dominierten Sprache, oder die Substitution, die Verdrängung der beherrschten Sprache durch die herrschende, betrachtet (25). Für ihre Analyse verwendet Frau Vetter den Begriff des sozialen Netzwerkes, der für sie eine Mittlerfunktion zwischen Theorie und Methodologie besitzt: Theorie deshalb, weil das Netzwerk als mikrostrukturelle Kategorie für das Sprachverhalten Erklärungswert hat. Methodologie, weil sich das weitere Vorgehen an der eigenen Definition vom Netzwerk ausrichtet, die Ergebnisse aber immer in bezug auf die Begriffe des Sprachkonfliktes interpretiert werden. (18) Sie wendet das Netzwerkkonzept auf bestimmte Personen oder abstraktere soziale Organisationen und ihre spezifischen Beziehungen an, um soziales Verhalten zu interpretieren. Für wichtig hält sie dabei die links, die Verbindungen, die zwischen den Einheiten des Netzwerkes existieren. Damit hofft sie, neue Aspekte der Beziehung Sprache-Gesellschaft studieren zu können und zwar sowohl auf der mikrostrukturellen Ebene als auch bezüglich eines globalen Verständnisses des Sprachverhaltens oder des Versuchs, Prognosen anzustellen (48). 332 Besprechungen - Comptes rendus