eJournals Vox Romanica 58/1

Vox Romanica
vox
0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
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1999
581 Kristol De Stefani

Bernd Bauske, Sprachplanung des Asturianischen. Die Normierung und Normalisierung einer romanischen Kleinsprache im Spannungsfeld von Linguistik, Literatur und Politik, Berlin (Köster) 1995, 312 p. (Wissenschaftliche Schriftenreihe Romanistik 1)

121
1999
C. Wittlin
vox5810363
Kommen wir zu unserer Kritik, die man aus textsortenbedingten Gründen nicht unterlassen darf. Unsere Bemerkungen betreffen eher Details. Es wurde auf die Kategorie Adversativität (Está muy guapa hoy, pero ayer no me gustaba) verzichtet (248), weil K. S.-S. darunter einen Gegensatz versteht, bei dem die beiden Sachverhalte in keinem Kausalzusammenhang stehen (136). Auch wenn objektiv kein Kausalzusammenhang vorliegt, muß man jedoch bedenken, daß die Sprecher darin einen Kausalzusammenhang sehen oder in Szene setzen können. Dies würde dann nicht mit dem Entscheid in Einklang stehen, alle Beziehungen als kausal zu betrachen, die der Sprecher/ Schreiber für kausal hält oder dafür ausgibt (258). Man könnte sich ansonsten nicht erklären, wieso zwei Sachverhalte überhaupt miteinander in Verbindung gebracht werden. Vielleicht wäre die Theorie der Polyphonie von Bakhtine, die von Ducrot im Rahmen der Argumentationstheorie weiterentwickelt wurde, imstande, sowohl die Adversativität als auch die Konzessivität besser in den Griff zu bekommen 3 . Im Falle der Konzessivität würde es sich um einen Kausalzusammenhang (p) handeln, den der Sprecher einer anderen Instanz zuschreibt, dem er zwar eine gewisse Gültigkeit einräumt, die aber im gegebenen Kontext für die Schlußfolgerung (q) nicht als relevant präsentiert wird. Schließlich glaube ich, daß man vielleicht, statt des Versuches, die mit viel Scharfsinn erfaßte Evolution des Spanischen praktisch ausschließlich aus systeminternen Gründen zu erklären, was an die überholte Konzeption der Sprachen als selbständige Organismen erinnert, vermehrt soziohistorische Aspekte hätte heranziehen können, wie z. B. die Erfindung des Buchdrucks für die Reduzierung der Polymorphie. Dennoch darf man insgesamt behaupten, daß diese ausführliche und mit großer Akribie durchgeführte Studie nicht nur einen wertvollen Beitrag zur Überwindung des Mangels an systematischen Untersuchungen zur spanischen Kausalität leistet, sondern daß sie auch zu einem besseren Verständnis der Evolution des Kausalausdrucks in einer panromanischen Perspektive verhilft. Es sei nur das Beispiel des gesprochenen Modernitalienischen erwähnt, das hinsichtlich der allmählichen Reduzierung der Anzahl der Konjunktionen interessante Parallelen zum Modernspanischen aufweist 4 . Schließlich kann ein anderer positiver Aspekt dieser Arbeit nicht genügend betont werden: Kausalität wird nicht global und pauschal, sondern nuanciert nach Epoche, Textsorte, Medium, Konzeption, Kontext betrachtet, was ganz im Sinne einer pragmatischen Betrachtungsweise ist. G. Manno H Bernd Bauske, Sprachplanung des Asturianischen. Die Normierung und Normalisierung einer romanischen Kleinsprache im Spannungsfeld von Linguistik, Literatur und Politik, Berlin (Köster) 1995, 312 p. (Wissenschaftliche Schriftenreihe Romanistik 1) Wie aus einer Zeile des Vorwortes hervorgeht, handelt es sich hier um eine Mainzer Dissertation von 1994. Wie es in Doktorarbeiten leider häufig ist, wollte der Autor die Prüfungskommission mit einem Übermaß an Materialien beeindrucken, und dies sowohl im Text wie in den Fußnoten. Der Hinweis p. 1, Anmerkungen sollten «erst bei einer zweiten Lektüre ausführlicher berücksichtigt werden», provoziert eher ein Lachen als ein dankbares Aufatmen. Viele Leser werden nicht nur Fußnoten, sondern sogar mehrere Seiten des Textes überspringen, weil sie in akademischen Arbeiten bloß zitierbare Daten suchen und nicht «weiterentwickelte Gedanken», mit denen Bauske Helvétius «nacheifert» (1). Gera- 363 Besprechungen - Comptes rendus 3 Ducrot, O. 1984: Le Dire et le dit, Paris. 4 Berruto, G. 1987: Sociolinguistica dell’italiano contemporaneo, Roma. de bei einer Dissertation möchte man gerne rasch wissen, was der Doktorand Neues zu bieten hat. (Deshalb mußten zu Helvétius Zeiten jeder Dissertation die Thesen in Listenform beigelegt werden.) Was Bauske Neues bringt, ist sein Augenzeugen-Bericht von seinem Studienaufenthalt in Asturien (wo er per «Bummelzug [tranvía] bei typischem/ typisiertem Nieselregen und leichtem Nebel» ankam [5 N19]). Er hat äußerst fleißig Dutzende von nur lokal einsehbaren Publikationen durchblättert und mit mehreren dramatis personae Kontakt aufgenommen, um so aus erster Hand die Geschichte des Versuches, das Asturianische als eine weitere europäische Kleinsprache auszubauen, aus sozialpolitischer Sicht resümieren zu können. Die Arbeit steht ganz im Rahmen der Soziolinguistik. Es überrascht deshalb, daß vom Doktoranden nicht verlangt worden ist, mit einer methodologischen Einführung zu zeigen, daß er sich in dieses Gebiet eingearbeitet hat. Bauske beginnt mit einigen Angaben zur «Urgeschichte» des asturianischen Regionalismus und kann sich hier kurz fassen, da es sich um «verpaßte Anfänge» handelt. In den Kapiteln zur «Phase der Vorbereitung des Übergangs zur Demokratie» und zur «Phase des Demokratischen Pakts» (diese «Phasen» sind in einer «Zeittafel» im Anhang [308-12] nützlich zusammengestellt) lesen wir von frühen Normierungsversuchen in den Jahren kurz vor und nach dem Tode Francos. Nach 1979 führte die Ablösung des Conseyu Bable durch die Academia de la Llingua Asturiana nicht zur Konsolidierung, sondern zu Brüchen und allgemeiner Ernüchterung. Bauske geht ausführlich auf die drei Regionalumfragen von 1977, 1983 und 1985, ein (präsentiert aber die Resultate leider nicht in synoptischen Tabellen [um das desk-top publishing zu erleichtern? ], sondern im [leserfreundlichen? ] Klartext - ich imitiere hier Bauskes Gebrauch von Einschüben; cf. z. B. p. 194 N988) und beschreibt gut die Situation des Asturianu/ Bable (zwei Bezeichnungen mit wechselndem Gefühlsinhalt, wie bestens erklärt wird) im Erziehungswesen, in den Medien und in der Selbsteinschätzung der Asturianer. Der Ausbau des Serviciu de Política Llinguística innerhalb der autonomen asturianischen Regierung führte zu neuen Konflikten mit der Academia (und der Universität), aber dank ihrer Subventionspolitik konnte das Sprachbüro die sprachplanerischen Segel mehr denn je aufbauschen lassen. Werbespots, Schlager, Plakate, Aufkleber, verteilte Schilder usw. forderten die Bevölkerung auf, untereinander Asturianisch zu reden (Díylo n’asturiano [mit -o! ]), ihre Namen zu asturianisieren und in ihren Geschäftslokalen z. B. die Täfelchen homes und muyeres aufzuhängen. Mit Geld ließ sich natürlich vieles machen, aber doch nicht alles, vor allem nicht das Wichtigste: die Allgemeinbevölkerung zu überzeugen, daß es den Aufwand lohne, aus den regionalen Sprechvarianten eine provinzweite Kleinsprache für das autonome Fürstentum auszubauen, auch wenn dies nur den wenigsten persönliche Vorteile bringt. Bauske hat seine Materialiensammlung 1993 abgeschlossen. Die Jahre, die seither vergangen sind, zeigen, daß seine Prognose im letzten Kapitel über die Zukunft der asturianischen sprachnationalistischen Bewegung nicht allzu pessimistisch war. Der Sprachsoziologe fühlt sich an ein gutes Dutzend von Parallelfällen erinnert. Bauske macht einige Hinweise auf die Situation in Katalonien, kennt diese aber nur ungenügend - sonst würde er nicht Aina Moll, die er p. 267 N1322 aus zweiter Hand zitiert, eine «Autorin» nennen; sie war die erste Generaldirektorin für Sprachpolitik der Generalitat, dann Beraterin für Sprachfragen der balearischen Regierung. Die wenigen Hinweise auf das Plattdeutsche hätten, im Hinblick auf die Leserschaft der Studie, vermehrt werden sollen. Auch Friulanisch, Sardisch, Okzitanisch, Walisisch und weitere Minoritätensprachen hätten hinzugezogen werden sollen, um über eine bloß beschreibende Arbeit hinauszukommen und zum Beispiel darüber nachzudenken, auf welche der vielen möglichen Variablen geschichtlicher, politischer, demographischer und sozialer Art es am meisten ankommt, damit ein Projekt der Normierung, Normalisierung und Prestige-Gewinnung für eine Kleinst-Sprache gelingt. Das philologische Kriterium des «Abstandes» von benachbarten Sprachen und Dialekten darf über- 364 Besprechungen - Comptes rendus gangen werden (wie das Bauske auch tut), da, wie wir heute in Weißrußland, Moldawien, Valencia usw. beobachten können, Abstand künstlich und per amtlichem fiat «ausgebaut» oder gar erfunden werden kann, zumindest visuell. Der Sprachsoziologe, der mit solchen Fragen vertraut ist, aber dazulernen möchte, wie es sich mit dem Bable/ Asturianu/ Asturiano verhält, kommt in Bauskes detailliertem Überblick sicher auf seine Rechnung, wäre aber dankbar, wenn ihm dies alles reichlich konzentrierter dargeboten würde. C. Wittlin H Annette Endruschat/ Eberhard Gärtner (ed.), Untersuchungen zur portugiesischen Sprache. Beiträge zum Deutschen Lusitanistentag 1995, Frankfurt a. M. (TFM/ Domus Editoria Europa) 1996, 267 p. (Beihefte zu Lusorama. Studien zur portugiesischen Sprachwissenschaft 7) Dieser Band enthält die Beiträge der Sektion Sprachwissenschaft des ersten Deutschen Lusitanistentages (1995) und zeigt einen Querschnitt durch die Aufgabenstellungen und die methodischen Ansätze des Faches portugiesische Sprachwissenschaft. Die Themen der einzelnen Beiträge umfassen ein Spektrum, das von der Wissenschaftsgeschichte (Michael Scotti-Rosin) über die Geschichte der portugiesischen Grammatikographie und Lexikographie (Barbara Schäfer, Mechtild Bierbach, Rolf Kemmler), die Stellung der portugiesischen Objektklitika in Vergangenheit und Gegenwart (Annette Endruschat), die Frage der illokutiven Indikatoren im archaischen dialogischen Text (José Luís Azevedo do Campo), einzelne Aspekte der portugiesischen Gegenwartssprache (Maria de Fátima Brauer de Figueiredo, Cornelia Döll und Bernhard Pöll), das brasilianische Portugiesisch (Eberhard Gärtner, Lutz Franzke und Thomas Johnen), Überlegungen zur typologischen Situierung des Galicischen zwischen Portugiesisch und Kastilisch (Christoph Petruck) bis zu den Demonstrativa und anderen verwandten Wortarten in iberoromanischbasierten Kreolsprachen (Angela Bartens) reicht. Es würde natürlich den Rahmen dieser Rezension bei weitem sprengen, wenn auf jeden einzelnen Beitrag ausführlich eingegangen würde. Deshalb will ich statt dessen einige Bemerkungen allgemeiner Art über die Forschungstätigkeit auf dem Gebiet der portugiesischen Sprachwissenschaft machen. Michael Scotti-Rosin beschreibt in seinem Beitrag die Anfänge der deutschen Lusitanistik. Er stellt fest: «Es entbehrt dabei nicht einer gewissen Tragik, daß Portugal durch ein Naturereignis [das Erdbeben von Lissabon 1755; Anm. des Rezensenten] und nicht durch seine in Deutschland weitgehend unbekannten kulturellen und politischen Leistungen in den Mittelpunkt des europäischen und damit auch des deutschen Interesses gelangte.» Der Autor des Beitrags zeigt des weiteren auf, daß der Deutsche, der sich für Portugal interessierte und für einen besseren Zugang zur Kultur dieses Landes die Sprache lernen wollte, bis 1785 keine brauchbare Grammatik zur Verfügung hatte. Dieser Mangel ist heute behoben, sind doch genügend brauchbare Grammatiken und Lehrbücher des Portugiesischen auf dem Markt. Dennoch ist die portugiesische Sprache ein - nicht nur in Deutschland - noch relativ wenig erforschtes Gebiet. Maria de Fátima Brauer de Figueiredo schreibt in der Einleitung ihres Beitrags «Zu einigen Aspekten des gesprochenen Portugiesisch»: «Die Situation, in der sich bis heute jeder befindet, der sich für die Beschreibung des gesprochenen Portugiesisch interessiert, ist bekannt: Es liegen Analysen oder Untersuchungen zu einzelnen Phänomenen vor, aber zu einer auch nur einigermaßen umfassenden Beschreibung gab es bisher nicht einmal einen Ansatz». Bernhard Pöll beginnt seinen Beitrag über das «Projekt eines portugiesischen Kollokationswörterbuchs» folgendermaßen: «Wer die jün- 365 Besprechungen - Comptes rendus