Vox Romanica
vox
0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
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1999
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Kristol De StefaniMatthias Perl et al., Portugiesisch und Crioulo in Afrika. Geschichte – Grammatik – Lexik – Sprachentwicklung, Bochum (Brockmeyer) 1994, 243 p. (Bochum-Essener Beiträge zur Sprachwandelforschung 25)
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1999
V. Noll
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gere Literatur zur portugiesischen Sprachwissenschaft auch nur einigermaßen kennt, weiß, daß zum fixen Bestandteil fast aller Beiträge zur Lexikographie bzw. Metalexikographie die Klage über den schlechten Zustand der portugiesischen Lexikographie gehört». Solche Bemerkungen über den Stand der Erforschung der portugiesischen Sprache ziehen sich wie ein roter Faden durch fast alle Beiträge im besprochenen Band und zeigen, wie viel auf diesem Gebiet noch zu tun ist. Der Grundtenor der Artikel verrät jedoch nicht Resignation, sondern zeugt ganz im Gegenteil vom festen Willen der Verfasser, die große Aufgabe mit Elan anzupacken. So bringt die Lektüre dieses Buchs nicht nur neue Erkenntnisse in den behandelten Teilgebieten der portugiesischen Sprachwissenschaft, sondern hinterläßt beim Leser auch die feste Überzeugung, daß das Defizit, das die portugiesische Sprache in Bezug auf ihre Erforschung gegenüber anderen Sprachen immer noch aufweist, in nächster Zeit, wenn nicht beseitigt, so doch verringert wird. A. Schor H Matthias Perl et al., Portugiesisch und Crioulo in Afrika. Geschichte - Grammatik - Lexik - Sprachentwicklung, Bochum (Brockmeyer) 1994, 243 p. (Bochum-Essener Beiträge zur Sprachwandelforschung 25) Bei dem 1994 erschienenen Band handelt es sich um die gebundene, in wenigen Punkten überarbeitete Fassung des 1989 von einem Autorenkollektiv an der Universität Leipzig unter der Leitung von Matthias Perl herausgegebenen Skriptes Portugiesisch und Crioulo in Afrika. Als Einführung in die Thematik werden (1.) Forschungsstand (12-20) und (2.) Varietätenlinguistik des Portugiesischen (21-37) behandelt. Daran schließen sich Kapitel (3.) zur externen Sprachgeschichte des Portugiesischen in Afrika (38-43), (4.) zur Sprachpolitik (43- 66), (5.) zum Portugiesischen in Angola (66-109) und (6.) in Mosambik (110-39) sowie (7.) zum portugiesisch-basierten Kreolisch (140-67) an. Das letzte Kapitel behandelt (8.) syntaktische Besonderheiten des Portugiesischen in Angola und Mosambik (168-98). Den Abschluß der Arbeit bilden (9.) ein Glossar afrikanischer Lusismen, (10.) eine Länderkurzübersicht, (11.) ein nach Sprachgebieten geordnetes Literaturverzeichnis sowie (12.) eine Aufstellung Leipziger lusitanischer Dissertationen und Publikationen der Forschungsgruppe «Außereuropäische Romania». Portugiesisch und Crioulo in Afrika ist bis heute die einzige deutschsprachige Publikation, die einen linguistischen Gesamtüberblick über die afrikanische Lusophonie bietet 1 . Lediglich Südafrika, das bis zum 18. Jh. in den Komplex Portugiesisch und Kreolisch eingebunden war und das auch heute eine größere immigrierte lusophone Gemeinschaft besitzt, wurde nicht näher einbezogen, was durchaus verständlich ist. Eine geschichtlich-geographische Ergänzung zu dem vorliegenden Band bietet Die Gemeinschaft der Staaten portugiesischer Sprache von M. Kuder 2 . Bereits 1992 erschienen ist der Atlas da língua portuguesa na história e no mundo, der ein wichtiges Kapitel zu Afrika enthält 3 . Darüber hinaus liegen mittlerweile der Band des LRL zum Portugiesischen 4 und die Ak- 366 Besprechungen - Comptes rendus 1 Cf. J.-M. Massa/ M. Perl, La langue portugaise en Afrique, Rennes 1989. 2 M. Kuder, Die Gemeinschaft der Staaten portugiesischer Sprache. Ziele, Strukturen und die sieben Mitgliedsländer, Bonn 1997. 3 A. L. Ferronha (ed.), Atlas da língua portuguesa na história e no mundo, Lisboa 1992: 40-70. 4 G. Holtus/ M. Metzeltin/ Ch. Schmitt (ed.), Lexikon der Romanistischen Linguistik (LRL). vol. 6/ 2: Galegisch, Portugiesisch, Tübingen 1994. ten des Bremer Kongresses Afrolusitanistik - eine vergessene Disziplin in Deutschland? vor 5 . Die von verschiedenen Autoren/ -innen redigierten Abschnitte des Bandes präsentieren sich inhaltlich unterschiedlich. Zu kritisieren ist das 2. Kapitel von C. Döll zur Varietätenlinguistik des Portugiesischen. Das darin enthaltene diskussionswürdige Schema zur Verbreitung des Portugiesischen entstammt einem Schulbuch («10° ano de escolaridade»), das als Hochschullehrbuch bezeichnet wird (33s.). Definitiv falsch ist die Darstellung, das brasilianische Portugiesisch sei historisch gesehen eine «von der europäischen Literatursprache abgeleitete Varietät» (29). Das Gegenteil ist der Fall. Die Entwicklung des brasilianischen Portugiesisch stellt sich bis zum 19. Jh. fast ausschließlich als Entwicklung der gesprochenen Sprache dar, ohne Buchdruck, ohne höhere Ausbildungsstätten, ohne Normkorrektiv 6 . Allgemein auffällig ist die Graphie «Moçambique» für Mosambik im Deutschen. Im 7. Kapitel zum Kreolischen führt P. Thiele aus, die portugiesisch-basierten Kreolsprachen seien «vereinfacht dargestellt, als Syntheseprodukt portugiesischer Lexik und substratsprachlicher Grammatik» zu sehen (141). Dies entspricht einer Vorstellung des 19. Jhs. (L.Adam), der bereits H. Schuchard widersprach 7 . Die Varietätenvielfalt der Niger- Kongo Sprachen, von denen in bezug auf einen Kontakt mit dem Portugiesischen die Gruppen Westatlantisch, Mande, Kwa und die Bantusprachen relevant sind, relativieren die grammatikalische Substratthese angesichts der einheitlichen Typologie des Kreolischen außerordentlich. Dies betrifft natürlich auch die portugiesisch-basierten Kreols des indischen und malaiischen Raums, die mit afrikanischen Substraten nichts zu tun haben. Diese Bemerkungen tun dem Band Portugiesisch und Crioulo in Afrika in keiner Weise Abbruch. Er ist eine sehr willkommene und nützliche Publikation, gerade auch vor dem Hintergrund dessen, daß das Portugiesische nach wie vor einen schweren Stand hat. Die Veröffentlichung bietet eine Fülle von Informationen zur afrikanischen Lusophonie und ihrem autochthonen Umfeld. Dies betrifft gleichermaßen die Beschreibung von Strukturen und Regionalismen wie die Behandlung einheimischer Sprachen und soziolinguistischer Aspekte. Der Band verdeutlicht gleichwohl, daß die Kenntnis der definitiven Verbreitung und Beherrschung des Portugiesischen vor allem für Angola und Mosambik statistisch nur in Ansätzen erfaßt ist, wobei man auf Material der siebziger und achtziger Jahre angewiesen ist. Für die Zukunft wünscht man sich eine aktualisierte Nachfolgepublikation ähnlicher Konzeption. V. Noll H 367 Besprechungen - Comptes rendus 5 R. Degenhardt/ Th. Stolz/ H. Ulferts (ed.): Afrolusitanistik - eine vergessene Disziplin in Deutschland? Dokumentation des 2. Bremer Afro-Romania Kolloquiums vom 27.-29. Juni 1996, Bremen 1998. 6 Cf. V. Noll, Das brasilianische Portugiesisch. Herausbildung und Kontraste, Heidelberg 1999. 7 Cf. H. Schuchardt, «Die Lingua franca», ZRPh. 33 (1909): 441-61: 443.
