Vox Romanica
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2941-0916
Francke Verlag Tübingen
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Kristol De StefaniGeorges Lüdi et al., Die Sprachenlandschaft Schweiz, Bern (Bundesamt für Statistik) 1997, 650 p.
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J. Darquennes
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Legende ist allerdings in letzter Zeit vor allem durch Malkiel weitertradiert worden 5 . - P. 43 N121: Zur Textphilologie und ihrer Geschichte ist sicher wichtig, wenn auch in manchen Punkten diskutabel: B. Cerquiglini, Éloge de la variante. Histoire critique de la philologie, Paris 1989. - P. 53: Diez hatte in Bonn keinen Lehrstuhl für Romanistik, sondern für «Geschichte der mittleren und neueren Literatur» inne. - P. 55: Bei der langen Aufzählung deutscher Romanisten vermisst man - einmal mehr - Elise Richter; auch Victor Klemperer hätte vielleicht, wenn auch nicht unbedingt aus rein fachlicher Perspektive, eine halbe Zeile verdient. - Für mich unverständlich ist, dass man bei den «ältesten Belegen für das Provenzalische» (§78) nichts zur Chanson de Sainte Foi findet; ich vermisse ebenfalls einen Hinweis auf die Arbeiten G. Hiltys zur zweisprachigen Alba (zuletzt in RLiR 62 [1998]: 321-30, mit entsprechenden Hinweisen auf frühere Arbeiten) sowie zu den ältesten provenzalischen Denkmälern im allgemeinen («Les plus anciens monuments de la langue occitane», in: L. Rossi [ed.], Cantarem d’aquestz trobadors. Studi occitanici in onore di Giuseppe Tavani, Alessandria 1995: 25-45). - P. 463: Vom Dicziunari rumantsch grischun liegt mittlerweile Band 9 (1993-97) vor. Ursula Bähler H Georges Lüdi et al., Die Sprachenlandschaft Schweiz, Bern (Bundesamt für Statistik) 1997, 650 p. Ein erheblicher Teil der Leitseite des Schweizer Bundesamtes für Statistik (BfS) ist der Volkszählung 2000 gewidmet (cf. www.statistik.admin.ch/ vz2000). Die Volkszählung, die seit 1850 eine gefestigte Tradition ist, demzufolge oft als «kollektives Gedächtnis» der Schweizer Nation bezeichnet und vom BfS stichwortartig als «unentbehrlich, einzigartig, effizient, modern, zukunftsweisend» und «sicher» umschrieben wird, hat zum Ziel, die wichtigsten Strukturen der Schweiz zu ermitteln, indem sie demographische, wirtschaftliche, räumliche und kulturelle Aspekte miteinander verknüpft. Die Eidgenossenschaft verändert sich - die Volkszählung dient dazu, diesen Wandel festzuhalten. Dazu bekommt jeder Bewohner der Schweiz einen vier Seiten umfassenden, thematisch aufgegliederten Fragebogen. Zum kulturellen Teil des Fragebogens gehören neben Fragen zur Religion auch solche zur Sprache. Sie beziehen sich auf die Hauptsprache und die im Beruf, in der Schule und in der Familie verwendete Umgangssprache. Damit knüpfen sie an die Fragen aus der vorigen Volkszählung 1990 an, deren «Sprachergebnisse» im 650 Seiten umfassenden, allerdings erst 1997 veröffentlichten Band Die Sprachenlandschaft Schweiz analysiert werden. Er wurde von einem Autorenkollektiv, das aus einer linguistischen Arbeitsgruppe hervorgegangen ist, die sich 1987 konstituiert hatte, um dem Bundesamt für Statistik bei der Formulierung der erweiterten Sprachfrage beratend zur Seite zu stehen, zusammengestellt. Georges Lüdi und Iwar Werlen leiteten das Autorenkollektiv, die Koordination wurde von Rita Franceschini übernommen. Es darf als Verdienst aller Autoren betrachtet werden, dass Die Sprachenlandschaft Schweiz ein transparentes, leserfreundliches Werk geworden ist, das sich einer Vielzahl von sprachlichen Problemstellungen widmet. Diese werden in dem von Georges Lüdi und Iwar Werlen zusammengestellten Einführungskapitel beschrieben. Nicht nur die Sprachgebiete und Sprachgrenzen im Wandel sowie die Präsenz der Landessprachen innerhalb und ausserhalb der Sprachgebiete werden als Problemstellungen in 237 Besprechungen - Comptes rendus 5 Z. B. Y. Malkiel, «The Centers of Gravity in Nineteenth-Century Romance Linguistics», in: W. J. Ashby et al. (ed.), Linguistic Perspectives on the Romance Languages. Selected papers from the 21 st Linguistic Symposium on Romance Languages (LSRL xxi) (Santa Barbara/ Cal., 21-24 February 1991), Amsterdam/ Philadelphia 1993: 5s. der Sprachenlandschaft Schweiz beleuchtet. Auch der Mehrsprachigkeit, dem Verhältnis von Standardsprachen und Dialekten sowie Sprachverlust und Spracherhalt wird Aufmerksamkeit entgegengebracht. Hauptziel des Bandes ist es, eine Darstellung vom Zustand der Sprachen in der Schweiz und deren Entwicklung über die letzten Jahre hinweg sowie eine - durch die Interpretation der Daten ermöglichte - Aussage über die mögliche Zukunft der mehrsprachigen Schweiz zu vermitteln. Dazu wird im Einführungskapitel ein sprachwissenschaftlicher Rahmen präsentiert, in dem einige Begriffsbestimmungen erläutert werden (z. B. die auch hier nicht unkontroversiell beschriebene Diglossie und Polyglossie), die grösstenteils auch im von Iwar Werlen zusammengestellten Glossar am Ende des Bandes zu finden sind. Das auf aus technischer und sprachwissenschaftlicher Sicht interessante Begriffe beschränkte Glossar ist - sicher für den Leser, der sich mit der sprachwissenschaftlichen Terminologie weniger auskennt - eine lobenswerte Initiative. Im Hinblick auf eine neue Ausgabe anlässlich der Volkszählung 2000 könnte man dieses Glossar vielleicht um solche, für ein gutes Verständnis der schweizerischen Situation nicht ganz unwichtigen Begriffe wie «Welschlandjahr», «Dialektwelle» und «Romand», erweitern. Dies, sowie eine Kurzdarstellung der schweizerischen politischen, bildungspolitischen, sprachpolitischen Situation (z. B. mit einer Erörterung des Schweizer Territorialitätprinzips und des damit verbundenen §116 der Verfassung) könnte ebenfalls zu einer noch grösseren Leserfreundlichkeit des Bandes beitragen. So wird z. B. im Band mehrmals darauf hingewiesen, dass man mit einer statistischen und nicht mit einer politischen Definition der Ortssprache arbeitet. Welche die politische Definition der Ortssprache ist, erfährt man in diesem (sonst die weiteren Kapitel des Bandes adäquat untermauernden) Einführungskapitel jedoch nicht. Im zweiten Kapitel beschreiben Jean-Jacques Furer, Iwar Werlen und Adrian Wymann die Sprachgrenzen. Sind die sprachlichen Mehrheitsverhältnisse im deutschen, französischen und in dem in einen westlichen und östlichen Teil aufgeteilten italienischen Gebiet relativ stabil geblieben, so zeigen sich «starke» Veränderungen im rätoromanischen Gebiet. Diese haben die Autoren dazu veranlasst, das rätoromanische Gebiet neu aufzuteilen, so dass im weiteren Verlauf des Bandes von einem «rätoromanischen Gebiet 1» (RR1: Gemeinden mit einer statistischen Mehrheit an rätoromanischen Hauptsprachlern) und einem «rätoromanischen Gebiet 2» (RR2: Gemeinden mit signifikanten rätoromanischen Minderheiten) die Rede ist. Das Bild der Sprachgrenze als eine trennende, die Schweiz in vier einsprachige Gebiete aufteilende Instanz wird durch den aufgrund der neuen Fragestellung möglich gewordenen Einbezug der Daten zur Umgangssprache - 1980 wurde noch nach dem emotionsträchtigen Begriff «Muttersprache» gefragt, und es fehlte eine Frage nach dem Sprachgebrauch - dynamisiert. Dies versucht man anhand der Dichtekarten, deren Prinzip im Einführungskapitel verdeutlicht wird, zu veranschaulichen. Die detaillierte und einleuchtende Beschreibung ist leider keineswegs in Übereinstimmung mit der - nicht nur auf das zweite Kapitel beschränkten - etwas unklaren kartographischen Darstellung. Der Leser sei an dieser Stelle hingewiesen auf bessere kartographische Darstellungen, die man in Kontaktlinguistik, vol. 2 (ed. H. Goebl et al., Berlin/ New York 1997) sowie auf der Leitseite des BfS finden kann.Auf dieser Leitseite findet man eine Karte, die die verschiedenen Kantone (mitsamt deren Abkürzungsverzeichnissen, die in den Grafiken und Tabellen der Sprachenlandschaft leider fehlen) deutlich darstellt (cf. www.statistik.admin.ch/ stat_ch/ ber00/ deck_m.htm). Nach der knappen Darstellung der Sprachgebiete wird in den Kapiteln 3 und 4 die Situation der Landessprachen innerhalb bzw. ausserhalb ihres jeweiligen Sprachgebietes ausführlich beschrieben. Die Diversität und Heterogenität der Daten macht es unmöglich, an dieser Stelle detailliert auf die Gesamtheit der Daten einzugehen. Einige auf gewisse Tendenzen hinweisende Resultate bzw. Schwerpunkte sollten jedoch in Auswahl hervorgeho- 238 Besprechungen - Comptes rendus ben werden. In Kapitel 3 zeigt sich, dass Deutsch und Italienisch (trotz prozentualer Verluste) und Französisch (mit einer prozentualen Zunahme) die größten Sprachen in ihren jeweiligen Gebieten bleiben. Auch Rätoromanisch bleibt - im RR 1 - die stärkste Sprache, obwohl aus historischer Perspektive ein erheblicher Rückgang zu verzeichnen ist, der unverkennbar mit dem geringen Marktwert des Rätoromanischen verbunden ist. Der Marktwert von Sprachen wird - im Zuge der schweizerisch-kanadischen «ökonolinguistischen Tradition» - im ganzen Buch, besonders jedoch in den Kapiteln 3 und 4, betont. Die ökonolinguistischen Analysen gehören zu den interessantesten Ergebnissen dieses Bandes. Obwohl in jedem Subkapitel Angaben zu sozio-ökonomischen Faktoren, dem Effekt von gemischtsprachigen Paaren, der Anzahl von Ausländern und der Art von Gemeindetypen, in denen die Sprache am stärksten vertreten ist, erscheinen, werden auch eigene Akzente gesetzt. Im Kapitel über Deutsch (Iwar Werlen, Adrian Wymann) wird besonders die «mediale Diglossie» berücksichtigt; im Kapitel über Italienisch (Sandro Bianconi, Francesca Antonini) stehen neben der Lage der «dialetti» im Tessin und in Italienischbünden auch die nicht-territorialen Sprachen im Mittelpunkt; im Kapitel über Rätoromanisch (Jean Jacques Furer) wird auf die eigentliche Zweisprachigkeit des rätoromanischen Gebietes und auf die «Bedrohung» des Rätoromanischen im Beruf und in der Schule eingegangen; im Teil über das Französische im französischen Sprachgebiet (Georges Lüdi, Christine Quiroga-Blaser) werden Stereotype (z.B. die Germanisierungsgefahr) entkräftet und wird der wirtschaftliche Aspekt mit einem äusserst interessanten «Frankophonieindex» - der in den anderen Subkapiteln leider keine auf die jeweilige Sprache bezogene Nachfolge gefunden hat - verbunden. Das vierte Kapitel stellt die Situation der Sprachen ausserhalb des eigenen Sprachgebietes dar. Generell zeigt sich, dass die Sprachen ausserhalb des eigenen Sprachgebietes - sei es auch in unterschiedlichem Masse - weniger stark vertreten sind. Mit Ausnahme des Deutschen im rätoromanischen Gebiet hat sich der Anteil der Landessprachen in den anderen Gebieten im Vergleich zu 1980 - ein Vergleich, der aufgrund der 1990 geänderten Fragestellung mit einiger Vorsicht zu interpretieren ist - generell vermindert. Trotz Sprachverlusten, die im Erwerbsleben stärker sind als in der Familie und im französischen und italienischen Gebiet am spürbarsten sind, bleibt das Deutsche - was Beleg dafür ist, dass es keinen massiven Binnendruck der deutschsprachigen Schweizer auf das französische oder italienische Sprachgebiet gibt - die stärkste Minderheitssprache in den drei nicht-deutschen Sprachgebieten. In ihrem Subkapitel weisen Iwar Werlen und Adrian Wymann darauf hin, dass die meisten Deutschsprachigen ausserhalb des deutschen Sprachgebietes Schweizer Binnenwanderer sind, so dass die Diglossiesituation im familiären Bereich spürbar bleibt. Die schweizerische frankophone exterritoriale Minderheit (beschrieben von Georges Lüdi, Christina Quiroga-Blaser) weist einen geringen Anteil von Ausländern auf und geht deutlich zurück. Offensichtlich behindert die Sprachgrenze die Mobilität und scheint Verwurzelung im Herkunftsgebiet als Motiv für das Pendeln zu dienen. Der Rückgang des Französischen ausserhalb des eigenen Sprachgebietes ist besonders spürbar in der Deutschschweiz, wo Französisch jedoch einen sehr hohen Marktwert hat, Frankophone ihre Herkunftssprache weniger schnell verlieren als im italienischen Sprachgebiet und Englisch gegenüber dem Französischen nirgendwo dominant ist, obwohl es manchmal leicht überwiegt. Das Rätoromanische (beschrieben von Jean-Jacques Furer und redaktionell überarbeitet von Iwar Werlen) hat sein Zentrum innerhalb des Kantons Graubünden in Chur und ausserhalb des Kantons vor allem in den städtischen Agglomerationen. In der französischsprachigen und italienischsprachigen Schweiz ist es deutlich weniger vertreten als in der deutschen Schweiz. Generell herrscht bei den Rätoromanen rätoromanisch-deutsche Zweisprachigkeit vor. Kinder und Jugendliche sind jedoch als Rätoromanischsprecher unterrepräsentiert, so dass ausserhalb des Sprachgebietes - wie übrigens auch innerhalb des Sprach- 239 Besprechungen - Comptes rendus gebietes - infolge von Zweisprachigkeit Sprachverlust droht. Die Lage des Italienischen ausserhalb des eigenen Sprachgebietes (dargestellt von Francesca Antonini) ist eng verbunden mit dem stark von der sozio-ökonomischen Situation abhängigen gesellschaftlichen Wandel. Die größte Konzentration der Italienischsprachigen findet man im französischen Sprachgebiet. Die Stärke der italienischen Präsenz hängt vor allem mit der Staatsangehörigkeit und dem Sprachgebiet zusammen. So nimmt das Italienische in der deutschsprachigen Schweiz eine wichtige Stellung ein, während seine Erhaltung im französischen und rätoromanischen Gebiet problematischer ist, so dass sich die Schweizer Italophonen durch eine erfolgreiche Integration auszeichnen, die auf Kosten des Italienischen geht. Dass der Leser in den mit einem erheblichen Anteil von statistischen Auswertungen, Zahlen, Ziffern und Tabellen ausgestatteten Kapiteln 3 und 4 den Faden nicht verliert, hängt damit zusammen, dass das Buch nicht nur über eine ausführliche allgemeine Zusammenfassung (am Anfang des Bandes) und verschiedene kleinere Zusammenfassungen (in den Kapiteln und in vielen der Subkapiteln) verfügt. So werden die Kapitel 3 und 4 mit einem «Vergleich der Landessprachen innerhalb resp. ausserhalb des eigenen Sprachgebietes» abgeschlossen. Wurde in den Kapiteln 3 und 4 die viersprachige Schweiz behandelt, so steht in den Kapiteln 5 und 6 die vielsprachige Schweiz im Mittelpunkt.Im kleineren deskriptiven Kapitel 6 beschreibt Rita Franceschini die Präsenz der Nicht-Landessprachen in der Schweiz. «Die Nicht-Landessprachen,» so heisst es, «bilden eine zusätzliche neue und (noch) nicht vollständig sedimentierte Sprachschicht - um eine Metapher aus der Geologie zu brauchen -, welche sich auf den traditionellen Sockel der Landessprachen legt» (464). Wie die Präsenz der Landessprachen ausserhalb des eigenen Sprachgebietes weist auch die Anwesenheit von Nicht-Landessprachen auf eine gewisse Heterogenität in der Sprachenlandschaft Schweiz. Der Trend bei den Nicht-Landessprachen geht von den klassischen Immigrationssprachen weg und hin zu den Sprachen aus dem östlichen und ausserkontinentalen Raum. Die südwestlichen Mittelmeersprachen (zusammen mit Griechisch) haben starke Anteile verloren, die nordischen Sprachen geringe. Der Anteil der slawischen und türkischen Sprachen beläuft sich auf ca. ein Drittel der Nicht-Landessprachen. Die Nicht- Landessprachen werden - was im breiteren Rahmen dieses Bandes verständlich ist - in grobe Kategorien aufgegliedert. Die «südslawischen» Sprachen sind in bunter Vielfalt unter einem Nennen vertreten und «Katalanisch» und «Galizisch» werden unter den Oberbegriff «Spanisch» gerechnet, «Baskisch» jedoch zu den «übrigen europäischen Sprachen». Eine solche Einteilung dürfte sicherlich bei vielen Soziolinguisten auf Widerspruch stossen, auch weil die Daten nicht immer vergleichbar sind mit den Ergebnissen der anderen Volkszählungen, wo mit einer anderen Kodierung gearbeitet wurde (so gehörten Katalanisch und Galizisch 1980 zu den «anderen europäischen Sprachen»). Die fünf größten Nicht-Landessprachen nach der Volkszählung 1990 und den dabei verwendeten Kriterien sind: Spanisch, das vor allem im französischen Sprachgebiet und zwar primär in den Städten und kaum auf dem Land vertreten ist; die südslawischen Sprachen, die ihr Schwergewicht ohne ein eindeutiges Zentrum in der Nord-Ostschweiz haben; Portugiesisch, das wie Spanisch ebenfalls im französischsprachigen Gebiet verankert ist und im Gegensatz zum Spanischen in den ländlichen Gebieten vertreten ist; die türkischen Sprachen, die zwar auf das nord-östliche Mittelland konzentriert sind und mit der «Insel Basel» sozusagen eine extraterritoriale Hauptstadt haben, aber an sich ein sehr parzelliertes Sprachgebiet bilden, das noch parzellierter und weniger zusammenhängend als bei allen anderen bisher betrachteten Sprachen ist. Eine besondere Rolle nimmt das Englische ein, das als Hauptsprache auf das Genferseebecken konzentriert ist und dreimal so viele Nennungen hat als Familiensprache, wobei Muttersprachler und Benutzer hier natürlich ziemlich stark divergieren. 240 Besprechungen - Comptes rendus Die Nicht-Landessprachen reagieren verschieden auf die jeweiligen Sprachgebiete. In den romanischen Gebieten wird die Ortssprache generell mehr übernommen als im deutschen. Obwohl das französische Sprachgebiet prozentual die meisten Nicht-Landessprachler beherbergt, gelingt gerade dort die sprachliche Integration dieser Sprecher am weitestgehenden. Die im Gegensatz dazu geringere sprachliche Integration in der Deutschschweiz kann nicht mit der Diglossiehürde (Schweizerdeutsch und «Hochdeutsch») erklärt werden, sondern eher mit dem Ausweichen auf andere Sprachen, allen voran Italienisch. Jedenfalls ist bei den Nicht-Landessprachigen sicher im ausserfamiliären Bereich eine ausgeprägte Tendenz zur Mehrsprachigkeit zu beobachten, die dem verbreiteten Vorurteil, dass viele von ihnen sich immer nur der eigenen Herkunftssprache bedienen würden, widerspricht. Von den Nicht-Landessprachen an sich geht demzufolge keine Bedrohung aus, da deren Sprecher grösstenteils die Herkunftssprache als Hauptsprache beibehalten und gleichzeitig der jeweiligen Ortssprache in ihrem sprachlichen Repertoire einen Platz einräumen, wobei das Erwerbsleben eine wesentliche Rolle spielt. Doch ist bei allen Nicht-Landessprachen ein Sprachverlust an Hauptsprachensprechern zu beobachten, dessen Ausmass aufgrund der Datenlage der Volkszählung 1990 leider nicht nachvollzogen werden konnte. Im 6. Kapitel werden «gesellschaftliche Mehrsprachigkeit» (Francesca Antonini und Rita Franceschini) und «individuelle Mehrsprachigkeit» (Rita Franceschini) behandelt. Im Teil über die gesellschaftliche Mehrsprachigkeit steht das sprachliche Repertoire der Sprachgemeinschaft im Mittelpunkt. Anhand eines Mehrsprachigkeitsindexes werden Gemeinden in bezug auf ihre Mehrsprachigkeit verglichen. Der Mehrsprachigkeitsindex gibt Auskunft darüber, inwiefern an einem bestimmten Ort über die Ortssprache hinaus auch andere Sprachen verwendet werden. Es zeigt sich, dass völlige Einsprachigkeit auf gesellschaftlicher Ebene so gut wie inexistent ist. Auch hier sind wieder Unterschiede je nach Sprachgebiet erkennbar. In der deutschsprachigen Schweiz liegt der durchschnittliche Indexwert tiefer als in den anderen Sprachgebieten. Die französischsprachige und italienischsprachige Schweiz sind beide - und zwar in etwa in gleichem Ausmass - mehrsprachiger. Das rätoromanische Sprachgebiet weist erwartungsgemäss die höchste gesellschaftliche Mehrsprachigkeit auf. Und während im rätoromanischen und italienischen Gebiet vor allem die Landessprachen für die Mehrsprachigkeit verantwortlich sind und dort endogene Mehrsprachigkeit überwiegt, liegt im deutschen und französischen Sprachgebiet exogene Mehrsprachigkeit vor. Im Teil über individuelle Mehrsprachigkeit, die nur für Sprecher der Landessprachen untersucht wurde, wird versucht, eine eher qualitative als quantitative Gewichtung zu geben. Es stellt sich heraus, dass, im Widerspruch zum gängigen Stereotyp von den angeblich polyglotteren Deutschschweizern, Deutschsprachige gegenüber Französischsprachigen durchaus nicht wesentlich mehrsprachiger sind.Am mehrsprachigsten sind die Sprecher des Rätoromanischen. Nach der in diesem Kapitel angewandten Typologie der Mehrsprachigkeit sind die meisten Schweizer jedoch einsprachige Sprecher. Allgemein geht die Einsprachigkeit ausserhalb des Sprachgebietes um rund die Hälfte zurück, so dass man folgern kann, dass die typischen mehrsprachigen Personen nicht-autochthon sind. Die Mehrsprachigkeit von zugewanderten Personen ist insgesamt im französischen und italienischen Sprachgebiet am stärksten ausgeprägt. Beide Sprachgebiete üben auf andere Personen mit einer Landessprache als Hauptsprache eine grössere sprachliche Integrationskraft aus. Da Mehrsprachigkeit, wie sich im 6. Kapitel zeigt, gehäuft bei den unter 30jährigen vorkommt und sie sich also offenbar nicht im Berufsleben fortsetzt, löst dies nicht nur Fragen aus zum Bildungssystem, sondern auch zum gesamtpolitischen und wirtschaftlichen Umgang mit der vierbzw. vielsprachigen Realität. Im Kapitel «Zwischen Beharren und Wandel» stellen Iwar Werlen und Georges Lüdi die «Sprachergebnisse» der Volkszählung 1990 in einer breiteren Perspektive dar und formulieren einige anwendungsorientierte, 241 Besprechungen - Comptes rendus wohlbedachte Empfehlungen für Politik, Unterricht und Wirtschaft. Dieses Kapitel bildet den vielleicht etwas kurz geratenen Schluss eines Buches, das am Anfang in einer Fussnote wie folgt charakterisiert wird: Es steht freilich bereits fest, dass eine statistische Auswertung der Volkszählungsdaten zwar sehr wichtige Grundinformationen bieten wird, dass sie aber aus verschiedenen Gründen, welche für die verschiedenen Sprachgebiete unterschiedlich sind, nur ungenügende Antworten auf einige der brennendsten Fragen zur aktuellen Sprachensituation liefern wird. Entsprechend einer Leitlinie der neueren internationalen kontaktlinguistischen Forschung wird die statistische Analyse der Sprachzensusdaten von qualitativen Mikroanalysen verschiedenster Prägung (Tiefeninterviews, teilnehmende Beobachtung, Konversationsanalyse usw.) ergänzt werden müssen. (26) Dass Sprachzensusdaten mit einer gewissen Vorsicht zu interpretieren sind (cf. die hohen «Patoisangaben» und die ebenfalls hohen «Loyalitätswerte» für das Rätoromanische in diesem Band) und sie durchaus einer Reihe von Ergänzungen bedürfen, steht ausser Frage. Doch liegt mit der Sprachenlandschaft Schweiz eine lesenswerte Arbeit vor, die man noch am besten umschreiben könnte als eine logisch aufgebaute Makroanalyse der gesamtschweizerischen Sprachsituation, und die zweifelsohne als Nachschlagewerk für weitere Arbeiten dienen kann und wohl auch bereits gedient hat. Die vorliegende Analyse gibt zu der berechtigten Hoffnung Anlass, dass die Volkszählung im Jahre 2000 und deren Datenauswertung das fesselnde Mit- und Gegeneinander der Schweizer Sprachgemeinschaften noch vertiefender darstellen könnte. J. Darquennes H August Dauses, Englisch und Französisch. Zwei indogermanische Sprachen im Vergleich. Stuttgart (Steiner) 1998, 122 p. Seit 1985 hat Dauses im Franz Steiner Verlag dreizehn Büchlein herausgegeben. Vier davon führen im Titel die Worte «Sprachwandel» oder «sprachlicher Wandel». In diesem neuen Bändchen verspricht Dauses, die in seinen letzten Schriften entworfenen Sprachtheorien zu vertiefen (Vorwort). «Im Sinne einer alternativen Philologie» verzichtet er auf «Details, Fakten und einzelsprachliche Besonderheiten», sowie auf Fussnoten und Bibliographie (eine halbe Seite «Verwendete Literatur» am Ende). Der Ausdruck «alternative Philologie» erinnert an «alternative Medizin», mit Kräutertee, Kneippkur und Aromatherapie. In Schriften über solche Themen hängt es nicht von Zitaten und Fussnoten ab, ob der Leser auf seine Rechnung kommt. Aber während der Schreiber eines Pamphlets über eine neue Abmagerungskur von der Erwartung seiner Leser eine präzise Vorstellung hat, so bleibt es gänzlich unklar, an wen sich Schriften über «alternative Philologie» richten. Der Titel, «Englisch und Französisch. Zwei Sprachen im Vergleich», lässt es nicht voraussehen, dass der Autor die in diesem Wissensgebiet übliche Schreibweise ablehnt, und erweckt in vielen Käufern und Benutzern von Bibliographien Erwartungen, die wohl zum grössten Teil enttäuscht werden. Mich selbst erinnerte der Titel an das Buch von Wolf Dietrich, Griechisch und Romanisch. Parallelen und Divergenzen in Entwicklung, Variation und Strukturen (Münster 1995), und in der Tat könnte eine Kapitelüberschrift aus Dietrich auch in Dauses’ Buch verwendet werden: «Universalistische Bemerkungen und typologische Betrachtungen», aber damit endet die Vergleichbarkeit. Nach Dauses’ eigener Angabe im Vorwort geht bloss das dritte Kapitel (59-115) auf «ausgewählte Beispiele aus dem Englischen und Französischen» ein, wobei dessen Titel, Prognostizierbarkeit versus Zufall der Sprachgeschichte, ahnen lässt, dass die «allgemeinen methodischen Überlegungen» der ersten beiden Kapitel - und in manchen Kapiteln in Dauses’ früheren Schriften - frischfröhlich weitergehen. Das 242 Besprechungen - Comptes rendus