Vox Romanica
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0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
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Kristol De StefaniAnn-Kathrin Mälzer, Methodische Überlegungen zur Adjektivstellung in den romanischen Sprachen, Erlangen/Jena (Palm & Enke) 1999, 253 p.
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Simone Roggenbuck
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erste «ausgewählte Thema» des dritten Kapitels betrifft «Subjekts- und Objektspronomina». Wie schon in seinen Theorien des Sprachwandels von 1990 (p. 44-46), bekämpft Dauses die Vorstellungen, die Franzosen hätten Subjektspronomina eingeführt, weil sie einen Hang zu analytisch-logischem Denken entwickelten, oder aber weil sie die Verbendungen nicht mehr deutlich aussprechen wollten. Der Philologe mag gewiss mit Dauses einig gehen, Wartburgs «rhythmische Erklärung» (zitiert nach der 1970 erschienenen Auflage der Einführung in Problematik und Methodik der Sprachwissenschaft, ohne Angabe des Datums der Erstausgabe) sei eine «Verwechslung von Ursache und Folge» (62), und dass Kuens Erklärungsversuch aus der Superstrattheorie «an der Chronologie scheitert» (weitere Forscher werden nicht erwähnt, und von Subjektspronomina im Englischen ist nirgends die Rede), aber Dauses präsentiert seine eigene Hypothese nie in einer Weise, die man in einer «nicht-alternativen» Arbeit zitieren könnte. Etwa auf jeder dritten Seite schreibt Dauses etwas, das durchaus überzeugt, und das man sogar gerne an die eigenen Studenten in seiner prägnanten Formulierung weiterleiten würde, aber man möchte ihm öfters zurufen: «Das hast Du schon ein paar mal gesagt; wir glaubens Dir ja! ». Es könnte paradox wirken, dass ich diese (alternative) Rezension damit beende, Dauses anzuraten, sein definitives, letztes, und endlich zitierbares Buch zu schreiben; ein Buch, das man auch Studenten empfehlen kann (denen mit Hinweisen wie z. B. «Martinetsche Idealvorstellungen», ohne Anmerkung und ohne Eintrag in der Bibliographie, nicht gedient ist), das auf neuere Publikationen, auch aus Amerika, direkt eingeht (Coseriu, Bossong, Geisler, Eckert, Schwegler, Labov und seine Schule, usw.), in dem er weder Windmühlen angreift, noch offene Türen einrennt, noch Eulen nach Athen trägt, noch alte Pseudo-Probleme terminologischer Art wieder aufwärmt. Kurzum, ein Buch, das ein Beitrag zur heute gängigen Sprachwissenschaft sein will, und nicht bloss «Anregung für eine zukünftige (alternative) Philologie». C. Wittlin H Ann-Kathrin Mälzer, Methodische Überlegungen zur Adjektivstellung in den romanischen Sprachen, Erlangen/ Jena (Palm & Enke) 1999, 253 p. Die Adjektivstellung in den romanischen Sprachen ist ein viel bearbeitetes und dennoch immer wieder ergiebiges Thema. So ergiebig, daß man gern nach einer Neuerscheinung, die «methodische Überlegungen» verspricht, greift - in der Hoffnung, dort mindestens eine gelungene Zusammenfassung der vielen bestehenden Ansätze zu finden (hier flüstert der Hintergedanke der Seminarverwertbarkeit), nach Möglichkeit aber natürlich einen neuen «Dreh» für die Adjektivdiskussion. Um es gleich vorweg zu sagen: Beides findet man in der Arbeit von Mälzer nicht. Bereits das Inhaltsverzeichnis der von der Universität Nürnberg-Erlangen angenommenen Dissertation läßt den geübten linguistischen Leser stutzig werden. Zwar erscheint es auf den ersten Blick recht systematisch (i. Syntaxtheorien, ii. Theorien zur Adjektivstellung, iii. Praktischer Teil), bei genauerem Hinlesen notiert man sich bereits im Geiste die ersten vorläufigen Fragezeichen: z. B. dazu, daß die Kapitel «Entwicklung und Teleologie» (21-28) und «Pragmatischer Nutzen der Syntax» (28-32) die Hälfte desAbschnittes Syntaxtheorien ausmachen; oder zu schwachen Kapitelformulierungen wie «Mehrere Kriterien im Spiel» oder «Extensionstheorien»,die die synchronenAdjektivtheorien unterteilen sollen; vor allem aber dazu,daß der praktische Teil (Materialerhebung, Statistik,Auswertung) einer Arbeit, die im Titel «methodische Überlegungen» führt und sich als «Diskussionsbeitrag zur allgemeinen Syntaxtheorie» (9) verstanden wissen möchte, weit mehr als die Hälfte der Seiten beansprucht. 243 Besprechungen - Comptes rendus Ein kurzer Blick auf das Vorwort wandelt die vorsichtigen Fragezeichen in Alarmglocken - will die Dissertation doch nicht mehr und nicht weniger als « . . . einmal ohne Rekurs auf eine bestimmte Theorie anhand von Materialauswertungen pragmatisch begründete Hypothesen zur Positionsproblematik . . . entwickeln», um so zu einer «vorurteilsfreien Beschreibung dieses so wenig systematischen, sondern eher assoziativen Phänomens» (9) zu gelangen. Angestrebt ist also eine Theorieminimierung bei gleichzeitiger Phänomenmaximierung bzw. die Klärung der Frage «wieviel Theorie man überhaupt braucht, um einen Sprachzustand . . . zu beschreiben», da «Ordnungsmodelle» dazu verleiten, « . . . die sprachliche Wirklichkeit zu verfälschen» (11). Die Ablehnung jedweder theoretischen Fundierung äußert sich u. a. auch in terminologischen Schwächen der Arbeit: «in den Syntaxen» (9), «Eine mögliche Vorgehensweise wäre ein . . . Deskriptivismus . . . » (11), «Es gibt eben viele Polysemien, Nebenbedeutungen und Sinngebungen.» (92). Daneben gibt es zahlreiche allgemeinsprachlich schwache und unpräzise Formulierungen: «ziemlich einmaliges Phänomen» (244), «Verben die nur vorne und andere, die nur hinten stehen» (244), «Die Positionen der verschiedenen Konstituenten im Satz sind ja auch ziemlich streng geregelt . . . und der Sprecher hat sich längst daran gewöhnt . . . » (245). Auch im Detail erweist sich die Lektüre als enttäuschend. Die hohen Erwartungen, die Überschriften mit Stichwörtern wie Syntaxtheorie, Universalienforschung, Ökonomie, Analogie für die ersten Seiten wecken, werden durchweg nicht eingelöst - was im Rahmen solch weniger Seiten auch schwer sein dürfte. So wird z. B. zum Stichwort Universalienforschung nur sehr diffus auf Greenberg zurückgegriffen (12), dann kurz eine onomasiologische Definition des Adjektivs in Betracht gezogen (13s.), um schließlich zu dem wenig überraschenden Schluß zu gelangen, daß die Wortstellungstypologie der Universalienforschung statistische Wortstellungsminoritäten vernachlässigt. Das zeige, « . . . wie wenig die Syntax in eine Einheitsregel gefaßt werden kann» (15): quod erat demonstrandum. Ein ähnliches Ergebnis zeitigt sodann die Betrachtung der Faktoren Ökonomie und Analogie. Erstere wird dabei schlicht mit den «Bedürfnissen des Sprechers» gleichgesetzt und scheidet als Kriterium wegen Mangel an objektiver Verifizierbarkeit aus (16). Die Beziehung zwischen Ökonomie und Analogie wird auf einen Satz gebracht: «Vorstellungen von einem Streben nach ökonomischem Sprachbau verbergen sich auch hinter dem traditionellen Analogiebegriff, mit dem manche Philologen sprachliche Entwicklungen begründen» (17). Zur Analogie werden dann immerhin für wenige Zeilen Wartburg und Martinet herangezogen. Darauf folgt unvermittelt eine sehr detaillierte Wiedergabe eines Artikels von Baldinger zur Post- und Prädetermination im Französischen 1 (18-21), anhand derer Mälzer offenbar die Inadäquatheit des Analogiemodells abarbeiten will, denn auch Baldinger gebe « . . . der Theorie mitunter den Vorzug vor einer Sprachbeschreibung» (20). Obwohl eine stringente argumentative Ausarbeitung und Linie völlig fehlt, ahnt man dann schließlich doch, wohin die Reise gehen soll. Und diese Ahnung bestätigt sich in den argumentativ nicht minder konfusen folgenden Kapiteln des ersten Teils (21-32), die in expliziter Anlehnung an Dauses’ «Theorien» von der «Relativität der Sprache» (21) jeglichen Systemgedanken zugunsten einer Individualisierung und Irrationalisierung sprachlicher Phänomene zurückdrängen: « . . . nicht nur in der Syntax, im gesamten Bereich der Grammatik finden sich ‹irrationale› Phänomene, die von den Sprechern dennoch sehr fest memoriert werden . . . » (30). Der Forschungsüberblick (33-98) bietet Kürzestdarstellungen verschiedenster Theorien zur Adjektivstellung. Die Darstellung folgt dabei strikt sukzessiven Inhaltsangaben eines Werkes je eines Autors. Querverweise bzw. eigenständige argumentative Vergleiche ver- 244 Besprechungen - Comptes rendus 1 K. Baldinger, «Post- und Prädeterminierung im Französischen», in: id. (ed.), Festschrift für Walther v. Wartburg zum 80. Geburtstag, vol. 1, Tübingen 1968: 87-106. schiedener Theorien sucht man vergeblich. Die Zusammenfassung des Forschungsstandes ist eine tabellarische Rekapitulation (94-96), gefolgt von der Synthese, daß alle diese Theorien (von Wydler, Paufler, Dietrich, Bello, Gröber, Reiner, Braselmann, Diez, Blinkenberg, Weinrich,Tesnière,Waugh u. a.) mehr oder weniger zur «Zirkularität» neigten: «Dann interpretiert man eben auch leicht solche Regelmäßigkeiten in die Sprache hinein, die man sonst gar nicht gesucht hätte.» (96). Pikanterweise versucht Mälzer just an Marc Wilmet (! ) eine wohlgetane Abkehr von den Irrlichtern der Theorie zu illustrieren: «Hatte Wilmet . . . erst noch selbst eine binäre Einteilung der Adjektive . . . versucht, so äußert er sich in einer späteren Arbeit ironisch über einige dieser Modelle . . . ohne sich dabei in vertiefter Weise auf theoretische Fragen einzulassen . . . » (97). - Nach meiner Kenntnis von Wilmets Arbeiten meine ich, daß hier nicht eine gekonnte Lässigkeit im Umgang mit verschiedensten Theorien mit der Ablehnung jeglicher Erklärungsfähigkeit von Theorien verwechselt werden sollte 2 . - Zur Zusammenfassung ihrer Position zieht Mälzer wiederum ein langes Dauses- Zitat heran, das die verschiedenen Stellungen des Adjektives schlicht durch «reine [kollokative] Memorierung» erklärt, ohne daß der Sprecher dabei der speziellen Positionierung des Adjektives «Beachtung» schenke (98). Aus dem statististischen Teil sei beispielhaft die Behandlung der Position der französischen Adjektive herausgegriffen. Nach anfänglichen Versuchen, ein Korpus der gesprochenen Sprache zu erstellen oder ein Korpus über schriftliche Befragung von native speakers zu erarbeiten (99s.) - hier scheint Mälzer nicht vor den zu erwartenden Schwierigkeiten gewarnt worden zu sein - entschloß sie sich wie Larsson, für das Korpus auf schriftliche Belege in Zeitschriften, Reiseprospekten und Tageszeitungen zurückzugreifen. Für das Französische führt sie ein Korpus von 2.259 Belegen für insgesamt fast 500 Adjektive an (104ss.). Schon aus dieser Relation von Okkurrenzen und Typen läßt sich vermuten, daß die Aussagekraft der Statistik mager ausfallen dürfte, und in der Tat bewegen sich die Relationen der genannten Adjektive meistenteils in einer Größenordnung von (vorangestellt zu nachgestellt) 0: 1 bis 1: 3 oder umgekehrt, also bei einer Differenz von max. 2 Punkten. Aussagekräftige Relationen werden erst bei Hochfrequenz-Adjektiven erreicht. Da Mälzer die Beleglage hier offenbar selbst als etwas dürftig empfunden hat, wurde die Statistik von Larsson 3 als Ergänzung hinzugezogen. Selbst wenn man für die Probleme, ein repräsentatives Korpus zu erstellen, vielleicht noch Verständnis aufbringen könnte, so gibt es doch keine Rechtfertigung für die halsbrecherische Interpretation der Zahlen. Zunächst einmal werden alle Niedrigfrequenzadjektive (1 bis 5 Okkurrenzen im Korpus) ohne mit der Wimper zu zucken aus der Auswertung ausgeschlossen - mit dem schlichten Argument, die Okkurrenzen seien nicht repräsentativ genug. Für den Rest der Adjektive stellt Mälzer fest, daß der Prozentsatz von Voranstellung zu Nachstellung bei ca. 1: 1 liege (117). Dies werde auch durch die Statistik Larssons bestätigt. - Daß Larsson aber mit einem sehr speziellen Korpus von ausschließlich positiv wertenden Adjektiven arbeitet, bei denen mit einer höheren Gesamtrate an Voranstellungen gerechnet werden muß, wird dabei mit keinem Wort erwähnt. Offenbar kann auch der von der Verfasserin bevorzugte theoriefreie Zugang zu den Phänomenen den Tücken der «Zirkularität» anheim fallen. Aus unerfindlichen Gründen wird nämlich die umfassende Statistik von Forsgren 4 nicht herangezogen, obwohl sie in der Bibliographie aufgeführt ist. 245 Besprechungen - Comptes rendus 2 Cf. z. B. M. Wilmet, Grammaire critique du français, Paris/ Bruxelles 1998. 3 B. Larsson, La place et le sens des adjectifs épithètes de valorisation positive. Étude descriptive et théorique de 113 adjectifs d’emploi fréquent dans les textes touristiques et dans d’autres types de prose non-littéraire, Lund 1994. 4 M. Forsgren, La place de l’adjectif épithète en français contemporain. Étude quantitative et sémantique, Uppsala 1978. Sie hätte zu einer Korrektur der Relation in Richtung 1: 2 führen müssen. - Nachdem die 1: 1- Relation von Voran- und Nachstellung für «das» französische Adjektiv solchermaßen «belegt» ist, tut der Leser gut daran, nicht etwa eine weiterführende, differenzierende Auswertung zu erwarten. Mälzer verliert kein Wort über etwaige Adjektivgruppen, die zu Voran- oder Nachstellung tendieren (dazu müßte systematisch das Kriterium der Frequenz eines Adjektives oder gar eine semantisch oder anderweitig geartete Theorie eingeführt werden, welche ja gerade vermieden werden soll 5 ), sondern schreitet unbeirrt auf den Kern der Sache zu: «Insgesamt vermitteln die Statistiken nicht den Eindruck einer ausgeprägten Positionssystematik; offensichtlich memorieren die Sprecher viele Adjektive mit einer Stellungspräferenz und somit wohl auch in bestimmten Kollokationen, die in begrenzter Weise als Muster für weitere Kollokationen dienen» (118). Auf solcherlei Basis wird dann u. a. noch eine Hypothese zu den verschiedenen Entwicklungen des Spanischen, Italienischen und Französischen seit dem Mittellateinischen entworfen (119-133) 6 , die in den Schlußkapiteln in der These gipfelt, die Positionierung der Adjektive in den romanischen Sprachen war und bleibe (von wenigen Ausnahmen abgesehen) asystematisch. Gleichzeitig wird allen linguistischen Spekulationen über Erklärungen für verschiedene Positionierungen oder gar diachrone Trends die Grundlage abgesprochen: «[Es zeigt sich] . . . wie leicht romanistische Theorien in Gefahr sind, von der Nachstellung einiger Adjektive . . . auf gemeinsame immanente Merkmale dieser Adjektive zu schließen . . . Im Romanischen gibt es . . . eine solche Teilsystematik bei den relationellen Adjektiven und auch bei einigen Adjektiven, die nicht steigerbar sind. Von diesen abgesehen aber ist keine Systematik mehr zu erwarten . . . Für eine solche Labilität der einzelnen Adjektive und Stabilität der Komplexität insgesamt . . . spricht ja auch die gesamte Entwicklung, beginnend mit dem Latein selbst» (238). Der Sprecher hat dies offenbar, im Gegensatz zu den Romanisten, schon lange erkannt: « . . . der Sprecher hat sich längst daran gewöhnt und es aufgegeben, nach der Berechtigung der [Adjektiv-] Positionen oder gar einem tieferen Sinn zu fragen» (245). Auch die Rezensentin hat wider allen guten Willens nach 245 Seiten resigniert und es aufgegeben, in dieser Dissertation doch noch einen wissenschaftlich fundierten Zusammenhang zu finden. Simone Roggenbuck H Marius Sala: De la latin la român Bucure ti (Univers Enciclopedic) 1998, 162 p. Dieses Werk soll den Anfang einer Reihe mit dem Titel Limba român bilden, die verschiedene kurze Bände über verschiedene Aspekte der rumänischen Sprache umfassen und sich an ein möglichst breites Publikum richten soll. Deshalb wird der wissenschaftlich gebildete Leser gleich zu Anfang vor allzu großen Ansprüchen gewarnt («textul nu va fi o expunere savant cu citate i trimiteri bibliografice», p. 5). Mit dem Eröffnungsband will Marius Sala einen Abriss der rumänischen Sprachgeschichte für ein breiteres Publikum schreiben. Bei einem solchen Unterfangen kommt man am Anfang nicht um die Frage herum, ob denn nun die heutige rumänische Sprache die Fortsetzung des Lateinischen ist, das die von den Römern besiegten Daker von den 246 Besprechungen - Comptes rendus 5 Diese Kriterien tauchen erst später, und dann auch nur ansatzweise und ohne in eine systematische Argumentation eingebettet zu werden, im Kapitel «Besprechung einzelner Adjektivpaare» auf (134ss.). 6 Die Untersuchung der Verhältnisse im Lateinischen wird mit brieflichen Auskünften eines Schweizer Latinisten erledigt.