Vox Romanica
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Francke Verlag Tübingen
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Kristol De StefaniMarius Sala: De la latin la român Bucure ti (Univers Enciclopedic) 1998, 162 p.
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Sie hätte zu einer Korrektur der Relation in Richtung 1: 2 führen müssen. - Nachdem die 1: 1- Relation von Voran- und Nachstellung für «das» französische Adjektiv solchermaßen «belegt» ist, tut der Leser gut daran, nicht etwa eine weiterführende, differenzierende Auswertung zu erwarten. Mälzer verliert kein Wort über etwaige Adjektivgruppen, die zu Voran- oder Nachstellung tendieren (dazu müßte systematisch das Kriterium der Frequenz eines Adjektives oder gar eine semantisch oder anderweitig geartete Theorie eingeführt werden, welche ja gerade vermieden werden soll 5 ), sondern schreitet unbeirrt auf den Kern der Sache zu: «Insgesamt vermitteln die Statistiken nicht den Eindruck einer ausgeprägten Positionssystematik; offensichtlich memorieren die Sprecher viele Adjektive mit einer Stellungspräferenz und somit wohl auch in bestimmten Kollokationen, die in begrenzter Weise als Muster für weitere Kollokationen dienen» (118). Auf solcherlei Basis wird dann u. a. noch eine Hypothese zu den verschiedenen Entwicklungen des Spanischen, Italienischen und Französischen seit dem Mittellateinischen entworfen (119-133) 6 , die in den Schlußkapiteln in der These gipfelt, die Positionierung der Adjektive in den romanischen Sprachen war und bleibe (von wenigen Ausnahmen abgesehen) asystematisch. Gleichzeitig wird allen linguistischen Spekulationen über Erklärungen für verschiedene Positionierungen oder gar diachrone Trends die Grundlage abgesprochen: «[Es zeigt sich] . . . wie leicht romanistische Theorien in Gefahr sind, von der Nachstellung einiger Adjektive . . . auf gemeinsame immanente Merkmale dieser Adjektive zu schließen . . . Im Romanischen gibt es . . . eine solche Teilsystematik bei den relationellen Adjektiven und auch bei einigen Adjektiven, die nicht steigerbar sind. Von diesen abgesehen aber ist keine Systematik mehr zu erwarten . . . Für eine solche Labilität der einzelnen Adjektive und Stabilität der Komplexität insgesamt . . . spricht ja auch die gesamte Entwicklung, beginnend mit dem Latein selbst» (238). Der Sprecher hat dies offenbar, im Gegensatz zu den Romanisten, schon lange erkannt: « . . . der Sprecher hat sich längst daran gewöhnt und es aufgegeben, nach der Berechtigung der [Adjektiv-] Positionen oder gar einem tieferen Sinn zu fragen» (245). Auch die Rezensentin hat wider allen guten Willens nach 245 Seiten resigniert und es aufgegeben, in dieser Dissertation doch noch einen wissenschaftlich fundierten Zusammenhang zu finden. Simone Roggenbuck H Marius Sala: De la latin la român Bucure ti (Univers Enciclopedic) 1998, 162 p. Dieses Werk soll den Anfang einer Reihe mit dem Titel Limba român bilden, die verschiedene kurze Bände über verschiedene Aspekte der rumänischen Sprache umfassen und sich an ein möglichst breites Publikum richten soll. Deshalb wird der wissenschaftlich gebildete Leser gleich zu Anfang vor allzu großen Ansprüchen gewarnt («textul nu va fi o expunere savant cu citate i trimiteri bibliografice», p. 5). Mit dem Eröffnungsband will Marius Sala einen Abriss der rumänischen Sprachgeschichte für ein breiteres Publikum schreiben. Bei einem solchen Unterfangen kommt man am Anfang nicht um die Frage herum, ob denn nun die heutige rumänische Sprache die Fortsetzung des Lateinischen ist, das die von den Römern besiegten Daker von den 246 Besprechungen - Comptes rendus 5 Diese Kriterien tauchen erst später, und dann auch nur ansatzweise und ohne in eine systematische Argumentation eingebettet zu werden, im Kapitel «Besprechung einzelner Adjektivpaare» auf (134ss.). 6 Die Untersuchung der Verhältnisse im Lateinischen wird mit brieflichen Auskünften eines Schweizer Latinisten erledigt. neuen Herren angenommen haben, oder ob das Latein, das am Ursprung des Rumänischen stand, später von Zuwanderern aus dem Adria-Raum in das heutige Sprachgebiet gebracht wurde. Marius Sala weicht der Lösung dieses Problems ein Stück weit aus, indem er das Entstehungsgebiet der rumänischen Sprache relativ weit umgrenzt («se poate afirma c limba român s-a format pe un teritoriu întins, în care Dunarea era axul principal», p. 31). Die rumänische Sprache hat sich also nach Meinung des Autors irgendwo zwischen Adria und Karpaten gebildet, bevor sie sich in die heutigen Dialekte (Dakorumänisch, Aromunisch, Meglenorumänisch und Istrorumänisch) aufgespalten hat. Von diesen Dialekten entspricht das im Norden der Donau gesprochene Dakorumänisch der Sprache, die wir heute gemeinhin als Rumänisch bezeichnen. Damit bleibt die Frage, ob der Autor der Kontinuitätstheorie oder der Hypothese einer späteren Einwanderung Recht gibt, unbeantwortet. Den breitesten Raum nimmt im Buch von Marius Sala die Untersuchung des Wortschatzes ein, die den Hauptpfeiler für die Verteidigung der Latinität des Rumänischen bildet. An der lateinischen Herkunft der Wörter, die über Seiten hinweg aufgeführt werden, gibt es kaum etwas zu rütteln. Hingegen kann man sich fragen, ob man wirklich zu einem hypothetischen Etymon mas, maris ( Mann ) Zugriff nehmen muss, um die Herkunft von mare ( groß ) zu erklären. Diese Etymologie steht auch im Dic ionarul explicativ al limbii române (DEX). Es wäre aber durchaus denkbar, dass mare vom lateinischen Komparativ maiore kommt, umsomehr als Sala selbst im Kapitel über das Adjektiv Beispiele von lateinischen Komparativen gibt, die in romanischen Sprachen als Positiv fortbestehen. Ferner haben sich bei der Behandlung des Wortschatzes noch zwei Widersprüche eingeschlichen: - pl cint < placenta (das übrigens über das Ungarische als Palatschinken als eines der wenigen Wörter rumänischen Ursprungs Eingang in die deutsche Sprache fand) findet sich sowohl unter der Rubrik der in der gesamten Romania vorkommenden Wörter («cuvinte panromanice», p. 36) als auch unter den ausschließlich im Rumänischen weiterbestehenden («cuvinte mo tenite numai de român », p. 37); - ti < scire wird einmal als Beispiel eines Verbs, das sich nur im Rumänischen erhalten hat, dargestellt, ein paar Seiten weiter wird das Gegenteil behauptet («existent în câteva limbi romanice», p. 53). Im Großen und Ganzen wird der Beitrag der anderen Sprachen, insbesondere des Ungarischen und des Slawischen, eher minimiert, obwohl einem, wenn man dieser Sprachen ein wenig mächtig ist, die Herkunft von nicht wenigen rumänischen Wörtern sofort klar wird. Diese Entlehnungen mindern die Latinität des Rumänischen in keiner Weise, diese ist vielmehr so lebendig, dass sogar Lehnwörter aus anderen Sprachen noch mit lateinischen Vorsilben versehen werden, wie z. B. întâlni < ungar. talál. Morphologie, Syntax und Phonologie/ Phonetik werden im Vergleich zur Lexikologie kürzer abgehandelt, wobei sich in diesen Kapiteln derselbe Grundtenor findet, den Einfluss anderer Sprachen als des Lateins auf das Rumänische als äußerst minimal darzustellen, wie beim Beispiel der neutralen Substantive vom Typ scaun scaune, timp timpuri, bei denen Marius Sala einen slawischen Ursprung ausschließt («Recent acest fenomen a fost explicat [I. Fischer] ca o reorganizare petrecut în latina târzie i care a avut loc în partea oriental a României [urme ale unei st ri de fapte asem n toare cu cea din român exist în vechea italian i în sard ]. Nu este deci nevoie s se apeleze la influent¸a slav .», p. 129). Wenn der slawische Einfluss vielleicht auch nicht am Ursprung des Phänomens liegt, so dürfte er doch bestimmt bei seiner Bewahrung mitgeholfen haben. In ähnlicher Weise wird generell die Rolle eines balkanischen Substrats, das vielleicht die Besonderheiten des Rumänischen gegenüber den anderen romanischen Sprachen nicht begründet, aber doch verstärkt hat, gering geschätzt. Das am Anfang des Buches vom Autor geäußerte Vorhaben, eine kurze Geschichte der rumänischen Sprache für ein breiteres Publikum schreiben zu wollen, ist auf diese Weise 247 Besprechungen - Comptes rendus nur beschränkt gelungen. Zuviel Platz nimmt der Vergleich zwischen dem Rumänischen und den anderen romanischen Sprachen ein. Man wird bei der Lektüre das Gefühl nicht los, Hauptziel des Autors sei es gewesen, ein Plädoyer für die Latinität des Rumänischen zu verfassen. Marius Sala scheint von der Hypothese aus zu gehen, dass man gemeinhin das Rumänische als weniger lateinisch als die anderen romanischen Sprachen betrachtet, und will nun offenbar dem Leser das Gegenteil beweisen. Auf den Sprachwissenschaftler, für den Rumänisch unbestrittenerweise zur romanischen Sprachfamilie gehört, wirkt das Buch deshalb manchmal etwas bemühend. A. Schor H Katharina Maier-Troxler/ Costantino Maeder (ed.), Fictio poetica. Studi italiani e ispanici in onore di Georges Güntert, Firenze (Cesati) 1998, 321 p. Die Festschrift zum 60. Geburtstag von Georges Güntert, Ordinarius für italienische und iberoromanische Literaturen in Zürich, vereint Aufsätze von Freunden, Kollegen und ehemaligen Schülern und widerspiegelt sowohl inhaltlich wie thematisch das breite Interessenspektrum des Jubilars in Lehre und Forschung (eine Publikationsliste des Geehrten ergänzt den Band). So finden sich in Fictio poetica, etwa was die italienische Literatur betrifft, Beiträge zu Autoren von den Anfängen bis ins 19. Jh. (von Dante 1 , Petrarca 2 , Ariost, hin zu Tasso 3 , Leopardi und Arrigo Boito). In seinem Aufsatz «Il nodo di Bonagiunta e le penne degli stilnovisti: ancora sul xxiv del Purgatorio» (27-52) greift Luciano Rossi eine zentrale Stelle der zweiten Cantica heraus: die Begegnung des Wanderers Dante, begleitet von Vergil und Statius, mit den Dichtern Forese Donati und Bonagiunta Orbicciani. Ein Vergleich der Commedia mit der Poetik der wichtigsten im Purgatorio anzutreffenden Dichterpersönlichkeiten ist Grundlage für die Kritik am interpretatorischen Paradigma der Zugehörigkeit Dantes zum «dolce stil novo» (cf. Purg. xxiv 57) und der daraus sich ergebenden Überwindung früherer Poetiken (provenzalisch-höfische Liebeslyrik; sizilianische wie auch toskanische Schule). Rossi suggeriert lustvoll polemisch (51s.), dass Dante sich hier bewusst über die stilnovisti stelle und sich von ihnen distanziere, da sein Stil zur Zeit der Niederschrift des Purgatorio (vermutlich 1309-12) stärker von der Erfahrung der rime petrose geprägt gewesen sei als allgemein angenommen: letzte Konsequenz daraus ist die These einer relativ späten Entstehung der rime petrose (sonst um 1296-98 angesiedelt). Ein Petrarca-Gedicht « Padre del ciel di Petrarca: la conversione desiderata» (lxii im Canzoniere) ist Grundlage für Michelangelo Picones feine narratologischen, inter- und intratextuellen Betrachtungen (Bezug zum Secretum; Dantes Vita Nuova als Gegenpart). Der Dialog dieses Sonetts mit seinen biblischen und literarischen Quellen gestaltet sich dabei als besonders konfliktreich, aber auch als sehr ergiebig. Ohne troubadourische oder volkssprachliche Einflüsse des 13. Jahrhunderts zu vernachlässigen, zeigt Picone auf, wie durch die intertextuellen Anleihen vor allem beim Roman de Tristan die petrarchische Liebesthematik als fol’amor gelesen werden könne (53-81). 248 Besprechungen - Comptes rendus 1 Gemeinsam mit Michelangelo Picone koordiniert Georges Güntert seit Oktober 1997 die Züricher Lectura Dantis. Cf. G. Güntert/ M. Picone (ed.), Lectura Dantis Turicensis, vol. 1: Inferno, Firenze 2000. 2 Cf. dazu seine drei Beiträge in: V. Caratozzolo/ G. Güntert (ed.), Petrarca e i suoi lettori, Ravenna 2000. 3 Es sei hier an seine poetologische Untersuchung der Gerusalemme Liberata erinnert: cf. G. Güntert, L’epos dell’ideologia regnante e il romanzo delle passioni. Saggio sulla «Gerusalemme Liberata», Pisa 1989.
