eJournals Vox Romanica 59/1

Vox Romanica
vox
0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2000
591 Kristol De Stefani

Katharina Maier-Troxler/Costantino Maeder (ed.), Fictio poetica. Studi italiani e ispanici in onore di Georges Güntert, Firenze (Cesati) 1998, 321 p.

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2000
Th.  Stein
Itzíar  López Guil
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nur beschränkt gelungen. Zuviel Platz nimmt der Vergleich zwischen dem Rumänischen und den anderen romanischen Sprachen ein. Man wird bei der Lektüre das Gefühl nicht los, Hauptziel des Autors sei es gewesen, ein Plädoyer für die Latinität des Rumänischen zu verfassen. Marius Sala scheint von der Hypothese aus zu gehen, dass man gemeinhin das Rumänische als weniger lateinisch als die anderen romanischen Sprachen betrachtet, und will nun offenbar dem Leser das Gegenteil beweisen. Auf den Sprachwissenschaftler, für den Rumänisch unbestrittenerweise zur romanischen Sprachfamilie gehört, wirkt das Buch deshalb manchmal etwas bemühend. A. Schor H Katharina Maier-Troxler/ Costantino Maeder (ed.), Fictio poetica. Studi italiani e ispanici in onore di Georges Güntert, Firenze (Cesati) 1998, 321 p. Die Festschrift zum 60. Geburtstag von Georges Güntert, Ordinarius für italienische und iberoromanische Literaturen in Zürich, vereint Aufsätze von Freunden, Kollegen und ehemaligen Schülern und widerspiegelt sowohl inhaltlich wie thematisch das breite Interessenspektrum des Jubilars in Lehre und Forschung (eine Publikationsliste des Geehrten ergänzt den Band). So finden sich in Fictio poetica, etwa was die italienische Literatur betrifft, Beiträge zu Autoren von den Anfängen bis ins 19. Jh. (von Dante 1 , Petrarca 2 , Ariost, hin zu Tasso 3 , Leopardi und Arrigo Boito). In seinem Aufsatz «Il nodo di Bonagiunta e le penne degli stilnovisti: ancora sul xxiv del Purgatorio» (27-52) greift Luciano Rossi eine zentrale Stelle der zweiten Cantica heraus: die Begegnung des Wanderers Dante, begleitet von Vergil und Statius, mit den Dichtern Forese Donati und Bonagiunta Orbicciani. Ein Vergleich der Commedia mit der Poetik der wichtigsten im Purgatorio anzutreffenden Dichterpersönlichkeiten ist Grundlage für die Kritik am interpretatorischen Paradigma der Zugehörigkeit Dantes zum «dolce stil novo» (cf. Purg. xxiv 57) und der daraus sich ergebenden Überwindung früherer Poetiken (provenzalisch-höfische Liebeslyrik; sizilianische wie auch toskanische Schule). Rossi suggeriert lustvoll polemisch (51s.), dass Dante sich hier bewusst über die stilnovisti stelle und sich von ihnen distanziere, da sein Stil zur Zeit der Niederschrift des Purgatorio (vermutlich 1309-12) stärker von der Erfahrung der rime petrose geprägt gewesen sei als allgemein angenommen: letzte Konsequenz daraus ist die These einer relativ späten Entstehung der rime petrose (sonst um 1296-98 angesiedelt). Ein Petrarca-Gedicht « Padre del ciel di Petrarca: la conversione desiderata» (lxii im Canzoniere) ist Grundlage für Michelangelo Picones feine narratologischen, inter- und intratextuellen Betrachtungen (Bezug zum Secretum; Dantes Vita Nuova als Gegenpart). Der Dialog dieses Sonetts mit seinen biblischen und literarischen Quellen gestaltet sich dabei als besonders konfliktreich, aber auch als sehr ergiebig. Ohne troubadourische oder volkssprachliche Einflüsse des 13. Jahrhunderts zu vernachlässigen, zeigt Picone auf, wie durch die intertextuellen Anleihen vor allem beim Roman de Tristan die petrarchische Liebesthematik als fol’amor gelesen werden könne (53-81). 248 Besprechungen - Comptes rendus 1 Gemeinsam mit Michelangelo Picone koordiniert Georges Güntert seit Oktober 1997 die Züricher Lectura Dantis. Cf. G. Güntert/ M. Picone (ed.), Lectura Dantis Turicensis, vol. 1: Inferno, Firenze 2000. 2 Cf. dazu seine drei Beiträge in: V. Caratozzolo/ G. Güntert (ed.), Petrarca e i suoi lettori, Ravenna 2000. 3 Es sei hier an seine poetologische Untersuchung der Gerusalemme Liberata erinnert: cf. G. Güntert, L’epos dell’ideologia regnante e il romanzo delle passioni. Saggio sulla «Gerusalemme Liberata», Pisa 1989. In ihren «Appunti di lettura su Gerusalemme Liberata, ii, 1-54» untersucht Maria Antonietta Terzoli die Beweggründe, die Tasso zur Ausklammerung der Sofronia-Olindo- Episode in der revidierten Fassung seines Heldengedichts (1593) veranlasst haben könnten. Die Verf. erkennt hier, nebst dem den hohen Ansprüchen des Epos nicht genügenden Gehalt der eingeschobenen Erzählung, gerade in deren orthodoxer, exemplarischer Aussage - die eigentlich ganz gut zum Geist der Conquistata passen würde - ideologische Konfliktpunkte mit der Doktrin des Konzils von Trient (113-29). Mit Tasso beschäftigt sich auch Alessandro Martinengos Studie «Il sonetto di Torquato Tasso a Vasca da Gama e Camões. Note di commento e proposta di datazione», die eine Neudatierung des Sonetts «Vasco, le cui felici, ardite antenne» auf die Jahre 1572-73 nahelegt: inhaltliche und kontextuelle Indizien zeugen von einer engen Verbindung speziell mit dem Finale des fünften Gesangs der Lusiaden, dem den Weltenfahrern gewidmeten Epos von Luis de Camões (131-40). Im Spannungsfeld von lingua und dialetto, zwischen dem Kanon der Klassiker und der noch immer wenig erforschten Literatur der Epigonen, bewegen sich Francesco Bellatis (1749-50 bis 1819) Übersetzungen des Furioso und der Äneis ins Mailändische; beide sind Gegenstand von Pietro De Marchis spannenden Ausführungen in «L’Ariosto meneghino e l’Eneide travestita di Francesco Bellati» (207-29; im Anhang ist die dialektale Version des dritten Gesang des Vergilschen Epos abgedruckt). Der Zufall wollte es, dass gleichzeitig mit Bellati ein junger Dichter und Philologe seine italienische Übersetzung Vergils veröffentlichte. Dieser Dichter war Giacomo Leopardi, mit dem sich die Aufsätze von Pier Giorgio Conti (231-41) und Hanspeter Klaus (243-51) befassen. Um die Begriffe Distanz und Annäherung, dokumentiert anhand der Gedichte «L’infinito» und «Canto notturno di un pastore errante dell’Asia», kreisen Contis stilistische Anmerkungen in «Della distanza e dell’approssimazione nella poesia leopardiana», die einmal mehr den engen Bezug der Leopardischen Poetik zu seinem philosophisch geprägten Zibaldone unterstreichen; wohingegen Klaus in «Così che il poco e il nulla è negli oggetti e non nella ragione: Walter Friedrich Otto und Giacomo Leopardi in einem Aufsatz anlässlich von Martin Heideggers 60. Geburtstag» die These von der Möglichkeit eines Nachlebens der Canti in der europäischen Geistesgeschichte (bei Nietzsche, Heidegger usw.) postuliert und damit auf ein wichtiges, in vielerlei Hinsicht noch unerforschtes Teilgebiet der Leopardi-Studien hinweist. Costantino C. Maeder schliesslich porträtiert in «La forza di gravità nel ‹Libro dei versi› di Arrigo Boito» behutsam einen Autor, der - von Croce als einzig wahrer italienischer Romantiker bezeichnet - beispielhaft für viele Vertreter der scapigliatura eine Abkehr vom Inhalt und eine Hinwendung zur Form als letzten Ausweg aus der Vertrauenskrise in die eigenen sprachlichen Ausdrucksmittel sah (253-64). Zur spanischen Literatur sind in Fictio poetica acht Beiträge versammelt.Elsa Dehennins Aufsatz «La structure en abyme dans Lazarillo de Tormes » untersucht die Struktur des bedeutendsten spanischen Schelmenromans, dessen Erzählung eine retrospektive mise en abyme darstelle. Aufgrund dieser textbezogenen Reflexion drängt sich eine interessante Neuinterpretation auf, insbesondere was den Ehrbegriff (honra) und den Lernprozess des Schelmen, des pícaro, betrifft (83-97).In ihremArtikel « . . . que me divierta un poco del propósito empezado : il Leandro de Boscán come digressio » analysiert Katharina Maier-Troxler die dreiteilige Struktur der Historia de Leandro y Hero von Juan Boscán - speziell die zentrale digressio - und folgert daraus, dass der Autor sich der rhetorischen Überzeugungskraft des exemplum bediene, um die Allmacht der Liebe, gegen die sich aufzulehnen sinnlos sei, zu beschreiben. Das exemplum, das die Liebesgeschichte zwischen Leandro und Hero erzählt, ist als Ganzes ebenso digressiv wie das zentrale diverticulum in Bezug auf die anderen zwei narrativen Textsegmente (99-111). Georg Bossong befasst sich in seinem Essay «Sprache, Mystik, Intertextualität bei Ibn ’Arabì und San Juan de la Cruz» mit dem Verhältnis zwischen den beiden grossen Mystikern aus Spanien. Die beiden Autoren eigene, spezifische Verbin- 249 Besprechungen - Comptes rendus dung zwischen Dichtung und Prosa in Form eines Selbstkommentars verdeutlicht die Problematik, die in der Unsagbarkeit der mystischen Erfahrung liegt, wo hingegen die Intertextualität - die Bezogenheit auf die vorislamische arabische Dichtkunst einerseits, das Lied der Lieder andererseits - die Möglichkeit für die Transzendierung des Wortsinnes bietet, indem sie eine autonome Welt von Metaphern aufbaut, und dadurch gestattet, das Unsagbare sagbar zu machen (141-67). Peter Fröhlicher erforscht in «Muerte y escritura en la poesía amorosa de Quevedo» beispielhaft einige Formen der Revalorisierung des Todes in der Liebeslyrik von Quevedo. Die vielfältigen Figuren der Zerstörung drücken häufig den Triumph der Liebe über die Zeit aus: der Liebende, in Asche oder Staub verwandelt, erlangt eine mythische Daseinsform, die der Liebe als höchstem Wert untergeordnet ist (169-86). In «Die Jüdin von Toledo» geht Gerold Hilty der Frage nach, wie Lope de Vega in La Jerusalén Conquistada (1609) und im Drama Las paces de los reyes y Judia de Toledo (1613) das Motiv der Jüdin von Toledo verwertet und welche Neuerungen er der Tradition hinzufügt. Zudem dokumentiert Hilty, dass handschrifliche Kopien der Raquel von Luis de Ulloa y Pereira schon zirkulierten, bevor Mira de Amescua La desgraciada Raquel (1625) veröffentlichte; woraus sich schliessen lässt, dass es Ulloa - und nicht Mira de Amescua - war, der in seinem Werk als erster Dichter nach Lope de Vega wieder das Motiv der Jüdin von Toledo verwendete (187-206). María Paz Yáñez analysiert «Las enumeraciones alimentarias en la obra de Juan Valera» auf der Ebene sowohl der énonciation als auch des énoncé. Sie kommt zum Schluss, dass diese nicht im Dienste der Schaffung eines Lokalkolorits stehen, wie dies bei einigen costumbristas der Fall sei, sondern dass Valera damit eine Poetik postuliere, die durch die Verwendung von Naturelementen - ohne den «guten Geschmack» zu verletzen - fähig ist, das zu schaffen, was er als letzten Sinn und Zweck der Kunst betrachtet: die Schönheit (265-78). In «Las frases nominales en cuanto sintagmas sintomáticos del modernismo español» legt María Antonia Martín Zorraquino eine eingehende Untersuchung von verschiedenen Formeln der Nominalphrase in Texten von F. Villaespesa, J. R. Jiménez, M. Machado, A. Zayas sowie des Prämodernisten Salvador Rueda vor, welche zwischen 1900 und 1905 erschienen sind. Darin bezeichnet sie die Tendenz zum nominalen Stil als ein Charakteristikum für die Sprache des spanischen Modernismus und auch als Resultat einer ästhetischen Haltung, die den Einfluss des Impressionismus sowie der französischen Autoren des letzten Drittels des 19. Jahrhundert offenbare; hinsichtlich einiger nominaler Formeln besteht eine gewisse Übereinstimmung zwischen dem Werk Salvador Ruedas und dem der erwähnten modernistischen Autoren (279-303). In «Et in Arcadia ego . . . » (305-16) analysiert Maya Schärer das Gedicht «Luna llena en Semana Santa» von Luis Cernuda und untersucht eingehend den letzten Vers - der als Titel ihres Aufsatzes figuriert - und die vielfältigen Lesarten, die dieser bietet. Ausgehend von einer mallarmeschen Vision liest sich das Gedicht als Grabmal des Poeten, auf dem dieser seine leyenda einschreibt: Et in Arcadia ego. Zwei literarische Texte bilden den würdigen Schlusspunkt dieser Festschrift. Beide Prosatexte - die Kurzerzählung La povera signora Emma von Anna Felder (317s.) und das Romanfragment Auf der Suche nach dem Unvergessenen von Annette Gersbach (319-21) - sind auch eine Hommage an einen Kritiker mit einer besonderen Leidenschaft für Literatur, die sich, wie es Jacques Geninasca einleitend liebevoll und treffend formuliert hat, «mit jeder Lektüre erneuert» (12). Th. Stein/ Itzíar López Guil H 250 Besprechungen - Comptes rendus