eJournals Vox Romanica 59/1

Vox Romanica
vox
0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2000
591 Kristol De Stefani

Ricarda Liver, Rätoromanisch. Eine Einführung in das Bündnerromanische, Tübingen (Narr) 1999, 192 p. (Narr Studienbücher)

121
2000
J.  Kramer
vox5910270
motore. L’autore registra una serie di esempi sintomatici della costante tendenza a passare da una soluzione semplice a una più complessa e viceversa. Nel caso di motore si assiste dapprima alla sua progressiva sostituzione in molte occorrenze con il sintagma complesso gruppo motopropulsore, che in un secondo tempo viene sdoppiato in propulsore da un lato, nel semplice gruppo dall’altro; entrambi sono così stati fatti diventare quasi sinonimi, più connotati in senso tecnico, di motore. Ma a loro volta possono poi essere soppiantati, secondo un analogo processo di complessificazione, dal sintagma unità motrice, poi soggetto a venir di nuovo semplificato nell’uso assoluto di unità, che è attualmente il termine più frequente per dire motore. Fenomeni analoghi sono riscontrabili a proposito dei fanali (diventati dapprima fari, poi proiettori e, infine, gruppi ottici o anche compresi nel collettivo astratto fanaleria) o dei freni (da cui impianto frenante o dispositivo di frenatura). L’abbondanza di termini ed espressioni figurate di origine automobilistica, riscontrabili nell’oralità corrente e anche sulla stampa quotidiana, conferma come non sia trascurabile l’impatto di questo mondo (con le connesse mentalità) al modificarsi dell’uso della cosiddetta lingua comune, favorito per altro dall’alto tasso di motorizzazione raggiunto in Italia e, parallelamente, dalla grande diffusione della stampa specializzata; significativa in proposito la notizia che «tra i mensili pubblicati in Italia, solo il Messaggero di Sant’Antonio ha una tiratura superiore» (32). Lo studio, che si impone per chiarezza di impostazione e per novità di accertamenti, consentendo tra l’altro di retrodatare numerosi termini automobilistici diventati di uso corrente, è completato da una bibliografia plurilingue e da un ricco (quasi ottocento entrate) indice analitico. Un libro che si consulta e legge con profitto, pure per le prospettive che apre sulle proiezioni di attese e di prestigio (suscitate anche da uno scaltrito discorso pubblicitario) che molti di noi continuano a fare sull’automobile. O. Lurati H Ricarda Liver, Rätoromanisch. Eine Einführung in das Bündnerromanische, Tübingen (Narr) 1999, 192 p. (Narr Studienbücher) Die meisten Studierenden der Romanistik werden wohl nur in selteneren Fällen in wirklich engen Kontakt mit dem Rätoromanischen treten oder gar eine seiner Varietäten tatsächlich erlernen, aber doch wird es für einige wenige immer wieder einen Anlass geben, sich grundlegende Informationen in gut aufgearbeiteter Form aus zuverlässiger Expertenhand zu wünschen. Diesem Wunsch, den man bislang nicht guten Gewissens mit der spontanen Angabe eines einzigen Einführungswerkes bibliographisch erfüllen konnte, sucht Ricarda Liver mit dem hier anzuzeigenden «Narr Studienbuch» gerecht zu werden - mit großem Erfolg, das sei gleich zu Anfang gesagt. So wird ein wohl von jedem, der je rätoromanische Themen im akademischen Unterricht behandelt hat, empfundenes Desiderat erfüllt, nämlich «eine Synthese» der «vielfältigen Forschungsbeiträge, die einem nicht spezialisierten Leser den Einstieg in die Rätoromanistik erleichtert» (13). Anders als normalerweise in der Romanistik nötig, ist zunächst eine genaue Klärung dessen, was unter dem Sprachnamen zu verstehen sei, absolut unerlässlich - und damit sind wir schon mitten in einem campo minato, nämlich mitten in der leidigen questione ladina, die seit nunmehr bald einem Jahrhundert Forschungskapazitäten, die relevanteren Fragen gewidmet werden könnten, bindet und die Atmosphäre zwischen «Ascolianern» und «Battistianern» vergiftet; die Erstgenannten glauben auf den Spuren von G. I. Ascoli an eine in Opposition zu norditalienischen Sprachformen stehende unità ladina vom Gotthard bis zur Adria, repräsentiert vom Bündnerromanischen, Dolomitenladinischen und Friaulischen, 270 Besprechungen - Comptes rendus die Letztgenannten folgen der Skepsis von Carlo Battisti gegen diese These und halten die alpinen und präalpinen Idiome für einerseits archaische, andererseits eigenwillig neuernde Randgebiete der südlich anschließenden Sprachräume Norditaliens. Ricarda Liver, selbst bei aller sympathischen Zurückhaltung und Bemühung um Neutralität den «Battistianern» zuzurechnen (26), widmet nolens volens (16) das erste Kapitel ihrer Einführung der Geschichte der questione ladina. Der Terminus «Rätoromanisch» wird von Frau Liver erfreulich eindeutig als Synonym des klareren, aber zumindest im Alltagssprachgebrauch weit ungewöhnlicheren «Bündnerromanisch» gebraucht 1 (27); gemeint sind also die Sprachformen, die von den fünf Schriftidiomen Surselvisch, Sutselvisch, Surmiran (oder Surmeirisch), Vallader (oder Unterengadinisch) und Puter (oder Oberengadinisch) überdacht sind, denen seit 1982 die vom Zürcher Romanisten Heinrich Schmid konstituierte gemeinsame «Kanzleisprache» Rumantsch Grischun an die Seite tritt. Der häufigen Unschärfe, je nach Bedarf unter Rätoromanisch mal nur das Bündnerromanische, mal Bündnerromanisch + Dolomitenladinisch + Friaulisch zusammen zu verstehen, wird eine scharfe Abfuhr erteilt: «So bleibt denn jedem Forscher, der sich mit dem Gebiet befaßt, die Verpflichtung, seine eigene Terminologie klar zu definieren und konsequent anzuwenden» (27). Die Übersicht über die Geschichte der questione ladina, die Darstellung der gegensätzlichen Positionen, die Kritik an der lange gängigen «Vermengung linguistischer und außerlinguistischer Argumentation» (21), die Einbettung der questione ladina in die generelle «Problematik linguistischer Typologie» (22), all das ist das Ausgewogenste, was ich je zu diesem Fragenkomplex zu Gesicht bekommen habe, und es wäre zu wünschen, dass Frau Liver sich entschließen könnte, einmal eine umfassende Darstellung der Problematik aus ihrer Sicht zu verfassen, denn sie ist anders als die meisten anderen Fachleute in diesem Bereich nicht von vorneherein eindeutig als parteiisch für die eine oder andere Seite verschrien und könnte daher leichter sine ira et studio gehört werden. Jedenfalls sollte sich jeder Handbuchautor die folgende Schlussfolgerung zu Gemüte führen, bevor er ein Kapitel «Rätoromanisch vom Gotthard bis zur Adria» verbricht: «Weder die Kriterienlisten der älteren, historisch ausgerichteten Dialektologie noch die Konstrukte der Dialektometrie können den Anspruch erheben, eine typologisch relevante Einheit der rätoromanischen oder ladinischen Dialekte zu definieren» (26); und «selbst wenn sie auf linguistischer Basis bewiesen werden könnte, findet sie keine Stütze in der soziolinguistisch-historischen Realität der betreffenden Gebiete» (15). Das zweite Kapitel behandelt «Die Forschung zum Bündnerromanischen» (29-40), betrachtet als Teil der gesamtromanistischen Fachgeschichte. Vorgestellt werden zunächst Bibliographien (30-31) und Forschungsüberblicke (31), dann geht es um die üblichen Teilgebiete, also um Phonetik und Phonologie, Morphosyntax, Wortschatz, Namenkunde, Soziolinguistik und Sprachgeschichte. Das bietet denen, die auf der Suche nach den essentials sind, eine hervorragend ausgewählte und zudem deutlich gegliederte Orientierung; für die Kenner der Materie sind vielleicht die Hinweise auf Forschungslücken noch wichtiger, denen ein eigener Abschnitt gilt (40) und die auch im übrigen Text immer wieder angesprochen werden. Stiefkinder der Rätotomanistik sind bislang Phonologie, Syntax, Wortbildung, Semantik, Intonation und Soziolinguistik jenseits der Bilinguismusforschung, also eigentlich fast alle moderneren synchronisch orientierten Ansätze. Man fragt sich natürlich, 271 Besprechungen - Comptes rendus 1 In der Verfassung der Schweiz, in der Rechts- und Mediensprache wird ausschließlich «Rätoromanisch» verwendet, und zwar im Sinne von «Bündnerromanisch»; somit ist klar, dass das Wort in der Alltagssprache seinen unverdrängbaren festen Platz hat, womit die Sprachwissenschaftler natürlich rechnen müssen. Zur Terminologiefrage cf. J. Kramer, «Antike Sprachform und moderne Normsprache I», Balkan-Archiv 10 (1985): 9-117, bes. 84-90. wie das kommt. Frau Liver tippt auf eine gewisse «zeitliche Verzögerung, die man als provinzielle Verspätung verstehen mag» (29). Das ist sicher richtig, und Jürgen Rolshovens böses Wort von den Kleinsprachen «als ökologischen Nischen für die Anwendung traditioneller Methoden» 2 hat leider auch seine partielle Berechtigung. Ein weiterer Faktor spielt aber jedenfalls auch eine Rolle: Die Erforschung des Bündnerromanischen wurde ein gutes halbes Jahrhundert lang von den junggrammatischen Interessen der Jakob-Jud-Schule geprägt, die einer gewissen Serialisierung von Arbeiten («Historische Lautlehre der Mundart von xy») Vorschub leistete und zugleich abweichenden Ansätzen den Wind aus den Segeln nahm. Wie so oft: Wissenschaftsschulen bringen in ihrer Blütezeit durch Synergie- Effekte einen enormen Forschungsschub, hemmen aber in ihrer Spätphase durch Beharren auf Bewährtem und Blindheit gegen Neuerungen die Hinwendung zu aktuelleren Fragestellungen und Lösungswegen. Das dritte Kapitel möchte unter dem Titel «Das Bündnerromanische heute» (41-72) ein Bild der aktuellen Sprache und ihrer Probleme vermitteln. Es geht zunächst um die Gliederung in fünf Schriftidiome und um deren Verzahnung sowie um die Sprecherzahlen (mit gehöriger Skepsis gegen die Volkszählungs-Ziffern, deren Diskrepanz zwischen 66356 Schweizern, die «Rätoromanisch als Umgangssprache» angekreuzt haben, und nur 39632, für die Rätoromanisch die am besten beherrschte Sprache ist, in der Tat zu denken gibt). Dann wird anhand von kurzen literarischen Texten, die in Normalorthographie und in (breiter) phonetischer Umschrift (nach API, bislang ungewöhnlich in der auf AIS - auch das ein Jud-Erbe - eingeschworenen Rätoromanistik) präsentiert werden, ein «erster Eindruck von den Gemeinsamkeiten und den Verschiedenheiten zwischen den fünf bündnerromanischen Idiomen » vermittelt (46). Ein detaillierter sprachlicher Einzelkommentar, der vor allem die Charakteristika des jeweiligen Idioms gegenüber den anderen heraushebt und an passender Stelle auf Parallelen oder Unterschiede zum Französischen oder Italienischen hinweist, schließt jedes Textbeispiel ab. Man kann sich natürlich fragen, ob nicht manches klarer herausgekommen wäre, wenn statt fünf unterschiedlicher literarischer Prosaabschnitte fünfmal derselbe Text geboten worden wäre - dem Profi hängt sicherlich der «Verlorene Sohn» zum Halse heraus, aber das Buch richtet sich ja an Anfänger, bei denen das doch noch nicht so sein kann, und auch jenseits der Bibel gibt es Texte, die in allen fünf Idiomen vorliegen, wie etwa Saint-Exupérys Petit Prince; andererseits muss man die Entscheidung der Autorin für Originaltexte respektieren, man würde ja auch das Italienische lieber mit Dante als mit Saint-Exupéry vorstellen. Den Abschluss des dritten Kapitels bildet ein kurzer Blick auf die soziolinguistische Situation (deutsch-romanischer Bilinguismus mit beidseitiger Diglossie) und eine Darstellung der Kanzleisprache Rumantsch Grischun, für deren zukünftige Akzeptanz als Dachsprache Frau Liver optimistisch ist - der Rezensent ist da skeptischer, und aller Enthusiamus der Intellektuellen kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Rumantsch Grischun als Zeitungssprache zunächst einmal kläglich Schiffbruch erlitten hat. Das vierte Kapitel widmet sich der «Geschichte des Bündnerromanischen» (72-126), wobei Ricarda Liver eine Thematik, «mit der sie sich in eigenen Arbeiten wiederholt beschäftigt» hat, nämlich «die Entstehung der bündnerromanischen Schriftsprachen im 16. und 17. Jh.» (14), besonders ausführlich behandelt - auch von der Sache her zu Recht, denn die Aufsplitterung einer Sprache in verschiedene Schriftidiome ist sicher für die meisten Studierenden mit das Faszinierendste am Bündnerromanischen, und da ist eine historische Erklärung dieses in der Romania ungewöhnlichen Phänomens auf jeden Fall am Platze. 272 Besprechungen - Comptes rendus 2 J. Rolshoven, «Interrumantsch - ein System zur maschinellen Übersetzung bündnerromanischer Varietäten», in: G. A. Plangg/ Maria Iliescu (ed.), Akten der Theodor Gartner-Tagung, Innsbruck 1987: 123-44, bes. 123. Beim zweiten Faszinosum, dem bunten Panorama vorlateinischer und gar vorindogermanischer Sprachschichten, wie es zuletzt noch J. Hubschmid erstrahlen ließ 3 , muss Frau Liver, dem heutigen Forschungsstandard entsprechend, auf Schwarz-Weiß zurückschalten - keine etruskischen oder etruskoiden Räter mehr, keine Kelten und Parakelten, keine geheimnisschwangeren Verbindungen zu Basken, Berbern und Kaukasiern, sondern nur noch global «vorrömisches Wortgut» (75). Schlecht für die Phantasie, aber als nüchterner Sprachwissenschaftler atmet man auf: Die Substratomanie wird endlich unspektakulär aus einem ihrer letzten Refugien entfernt. Zugleich muss man freilich nicht ohne ein gewisses Bedauern festhalten, dass eine traditionsreiche Forschungsrichtung, in der die Schweiz einige Hauptvertreter stellte, letztlich ein Irrweg war. Die neuere Sprachgeschichte nach dem 17. Jh. wird von Frau Liver mit zwei Seiten (125s.) etwas sehr knapp und nach meinem persönlichen Eindruck lustlos abgehandelt - man vermisst etwa einen Hinweis auf Giuseppe Gangale, man erfährt nichts über die Motive, die die Lia Rumantscha im 20. Jh. zur (Neu-) Verschriftsprachlichung der mittelbündnerischen Idiome brachte, man wartet vergeblich auf eine Darstellung der Rolle der Medien für die neueste Sprachentwicklung. Ein anderes Manko wiegt aber schwerer: Vorgestellt wird fast nur die äußere Sprachgeschichte, es fehlt aber völlig so etwas wie eine Skizze der wichtigsten Fakten der historischen Grammatik - sicher ist ihr Stellenwert gegenüber früher erheblich gesunken, aber andererseits ist ein Großteil der Arbeiten zum Bündnerromanischen eben aus junggrammatischer Perspektive geschrieben, so dass in einer Einführung ein paar Seiten zur historischen Lautlehre, vielleicht in tabellarischer Kurzdarstellung, doch angebracht gewesen wären. Das fünfte Kapitel bietet eine «Synchronische Beschreibung des Surselvischen» (127- 51), konzipiert als «grobe Charakterisierung der Grundzüge von Phonetik/ Phonologie, Morphosyntax und Lexik eines der beiden prominentesten, sprecherreichsten und vitalsten Idiome des Bündnerromanischen» 4 (127). Die Wahl des Surselvischen, das viel mehr Besonderheiten, ja in der Romania Einmaligkeiten als die anderen Idiome aufweist, wird sicher jeder Kenner der Materie sofort billigen, und die Darstellung von Frau Liver ist in ihrer Herausstreichung der Auffälligkeiten überzeugend; möglicherweise wären auch hier ein paar Tabellen und Schemata für eilige Informationssuchende hilfreich gewesen. Das sechste Kapitel stellt einige außersurselvische Eigentümlichkeiten vor: die verhärteten Diphthonge Mittelbündens (und des älteren Oberengadinischen), das engadinische belebte direkte Objekt mit a und die klitischen Personalpronomina. «Das Bündnerromanische in der Romania» ist das Thema des abschließenden siebten Kapitels (165-80), wobei die Berührungspunkte zur Skizzzierung der questione ladina im ersten Kapitel natürlich zahlreich sind. Ricarda Liver charakterisiert das Bündnerromanische als «der Galloromania zugehörig», innerhalb derer es «einen klar ausgeprägten Eigencharakter» hat, der sich einerseits aus «der Randzonenlage des Gebietes», andererseits aus der «starken Prägung durch den jahrhundertealten intensiven Kontakt mit dem Deutschen» erkläre (165) - deutsch beeinflusstes Italoromanisch archaisch-lateralen Typs mit geringen Kontakten zu den Entwicklungen der italienischen Kultursprache, könnte man ebenfalls sagen. Hier zeigt sich noch einmal die Sonderstellung des Bündnerromanischen auch gegenüber dem Dolomitenladinischen, in dessen Gebiet die italienische Kulturspra- 273 Besprechungen - Comptes rendus 3 In gewisser Weise sein Vermächtnis: «Wörter vorindogermanischen Ursprungs zur Bezeichnung von Höhlen in den Ostalpen und ihre Beziehungen zum mediterranen Substrat der Romania und angrenzender Gebiete», in: J. Kramer (ed.), Siue Padi ripis Athesim seu propter amoenum. Festschrift für G. B. Pellegrini, Hamburg 1991: 135-74. 4 Das Vokalsystem ist mit der Annahme von drei palatalen und nur zwei velaren Phonemen (128) sicher richtig dargestellt; der von mir früher postulierte Gegensatz zwischen offenem und geschlossenem o existiert nicht, nur das offene o hat Phonemstatus. che immer präsent war, und gegenüber dem Friaulischen, wo das ebenfalls gilt und zudem der deutsche Einfluss so gering war und ist wie sonst überall in Norditalien auch.Wenn man, anders als Frau Liver es tut, den Aspekt der area laterale stärker in den Blick nimmt als die Verortung innerhalb der Italoromania, dann drängt sich notwendigerweise das Rumänische als Parallelfall auf, nicht so sehr wegen der von Frau Liver durchaus erwähnten (142, 169, 172 u.s.w.) Übereinstimmungen in einigen Konservativismen wie Fehlen des synthetischen Futurs und des Konditionals oder wegen einiger Wortschatzgemeinsamkeiten 5 , sondern vor allem wegen der Sonderstellung: slavisch beeinflusste Romanität archaisch-lateralen Typs mit geringen Kontakten zur lateinischen Kulturwelt. Die mehr als ein Jahrtausend währende Isolierung vom Rest der Romania hat in beiden Fällen, also beim Bündnerromanischen und beim Rumänischen, Sprachformen entstehen lassen, die gegenüber dem, was man romanischen Normaltyp nennen könnte, singuläre Spezifika aufweisen - Sonderromania, aber doch Romania! Alteritätserfahrung - das ist es wohl, was den linguae Romanicae minores immer wieder Adepten verschafft hat und verschaffen wird, selbst in einem universitären Umfeld, das immer stärker die Großen Drei favorisiert. Ricarda Liver müssen wir für ein gelungenes Einführungswerk dankbar sein, das auch Studierenden der vielen Hochschulen, an denen eine Veranstaltung zur alpinen Romanität immer zu den undenkbaren Allotria gehören wird, die Möglichkeit eröffnet, einen Zugang zu einer der faszinierendsten Weiterentwicklungen der Sprache Roms zu bekommen. J. Kramer H Wolfgang Eichenhofer, Historische Lautlehre des Bündnerromanischen, Tübingen/ Basel (Francke) 1999, 575 p. Als 1989 die Dissertation von Wolfgang Eichenhofer zur Diachronie des betonten Vokalismus im Bündnerromanischen herausgekommen war, schrieb ich, dass sie «eine beachtliche Vorarbeit zu der historischen Grammatik des Bündnerromanischen» darstelle, «die von allen, die sich mit dieser Sprache beschäftigen, dringend erwartet wird» (ZRPh. 112 [1996]: 201-03); ich hätte damals nicht zu hoffen gewagt, dass Herr Eichenhofer selbst derjenige sein könnte, der dieses Langzeit-Desiderat der sprachgeschichtlich orientierten Romanistik realisieren würde. Nun, das opus magnum liegt jetzt vor, finanziert vom Schweizerischen Nationalfonds, gefördert von der Universität Zürich und unterstützt von vielen Bündner Sprachinstanzen. Dass die Arbeit in der doch recht kurzen Frist von drei Jahren mit geringem Personal («eineinviertel Stellen» [5]) durchgeführt werden konnte, liegt nicht zuletzt daran, dass die digitalisierten Daten des Handwörterbuches des Rätoromanischen (1994) genutzt werden konnten. Nach nur vier Seiten Vorbemerkungen (12-15), nach neun Seiten Literatur-Siglen und Abkürzungen (16-24) - das veraltete ZRPh. statt des heute gängigen ZrP stört etwas - und nach den (dem DRG entsprechenden) Orts-Siglen (25s.) folgt bereits die eigentliche historische Lautlehre (27-454); ein Fazit der Darstellung gibt es nicht, den Abschluss bilden lediglich die Register (p. 455-96 Etyma; p. 497-575 bündnerromanische Wörter und Formen). Das ist schnörkellose Beschränkung auf das strikt Notwendige, was Fachleute sicher nicht stören wird - dass aber irgendjemand außerhalb des sehr engen Kreises der Spezialisten für historische Lautlehre am Nordrand der Italoromania dieses Werk nutzen wird, 274 Besprechungen - Comptes rendus 5 Cf. (mit weiterer Literatur) J. Kramer, «Rumänisch-bündnerromanische Sprachparallelen», Balkan-Archiv 7 (1982): 143-59.