Vox Romanica
vox
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Francke Verlag Tübingen
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Kristol De StefaniRobert Lafont (ed.), La Chanson de Sainte-Foi. Édition et traduction par R. L., Genève (Droz) 1998, 185 p. (TLF 490)
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P. W.
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einer Zusammenschau präsentiert, die das Anliegen und die Qualität der Arbeit erneut in ein positives Licht rücken. Nicht ohne Augenzwinkern wird abschließend frz. écologie mit dem dt. Ökologie im Hinblick auf assoziative Verbindungen konfrontiert, um aufzuzeigen, dass beide in je einzelsprachlich bestimmten komplexen Umfeldern sprachlicher und nichtsprachlicher Natur stehen, die keineswegs deckungsgleich sind und für die durchaus divergierende Nutzungsweisen verantwortlich sind. Ein weiteres Positivum der Arbeit ist die Bereitstellung der Korpusmaterialien geordnet nach Substantiven und Adjektiven und hier jeweils in alphabetischer Reihenfolge, so dass es dem Leser jederzeit möglich ist, die Interpretationen anhand der Belege zu überprüfen. Zudem liefern diese Materialien aufgrund ihrer großzügig gehandhabten kotextuellen Einbettung auch viel Zusatzinformationen zu Argumentationszusammenhängen, in denen die jeweiligen Lexien verwendet sind. Als Fazit bleibt festzuhalten, dass mit der Dissertation von Y. Stork ein außerordentlich sorgfältig recherchierter Beitrag mit scharfsinnigen Interpretationen vorliegt, expliziert an einem Sprachausschnitt zu einem hochaktuellen Bereich gesellschaftlichen Handelns und Argumentierens. Die sprachwissenschaftliche Perspektive gestattete es, ein spannendes Kapitel modernen Problembewusstseins jederzeit nachvollziehbar, antiintuitionistisch aufzuarbeiten, und man wünscht sich mehr solcher Beiträge zu gesellschaftlich und epochal relevanten Schlüsseldomänen. Pauschale Feststellungen und polarisierende sprachwissenschaftliche Klassifikationsversuche nur um der Klassifikation willen unterbleiben zugunsten der immer wieder anzutreffenden Betonung, dass sich die betrachteten Wortfamilien und -felder weiterhin in der Entwicklung befinden, so dass die mikrodiachronische Analyse gleichzeitig eine Perspektivierung auf die Zukunft enthält, die sowohl die sprachliche Seite im engeren Sinne als auch die gesellschaftlich-kulturell-politische und ideengeschichtliche Relevanz tangiert. Und auch das soll nicht unerwähnt bleiben: die Arbeit ist sehr gut geschrieben. Edeltraud Werner H Robert Lafont (ed.), La Chanson de Sainte-Foi. Édition et traduction par R. L., Genève (Droz) 1998, 185 p. (TLF 490) Die bisherige Standardedition der Chanson de Sainte Foi (d’Agen) (Sancta Fides) war diejenige von Antoine Thomas in den Classiques Français du Moyen Age (Band 45) - eine Ausgabe, die sicher ihre Qualitäten hat, aber in fast jeder Hinsicht weit hinter der nur ein Jahr später (1926) erschienen Edition von Alfaric/ Hoepffner zurückbleibt 1 . Grund für diese verbreitete Mißachtung der besseren Ausgabe war eindeutig die Tatsache, daß es sich um ein hochwissenschaftliches, schwer zugängliches und keineswegs wohlfeiles Werk handelte. Die hier vorgelegte Ausgabe von Robert Lafont trägt den Erkenntnissen von Alfaric/ Hoepffner ausgiebig Rechnung und berücksichtigt außerdem die spätere (z. T. eigene) Forschung; sie bringt überdies die notwendigen Voraussetzungen mit sich, die Ausgabe von Thomas als «Arbeitsedition» abzulösen. Zwar bietet sie nicht wie ihre Vorgängerin eine Faksimile-Wiedergabe der Handschrift, dafür aber eine gut gelungene neufranzösische Übersetzung - ein Konzeptwandel, der als geradezu charakteristisch für den inzwischen grundlegend veränderten Status der Mittelalterphilologie nicht nur in den deutschsprachigen Ländern, sondern auch in Frankreich gelten kann. Lafonts Behandlung der Chanson de Sainte Foi ist durch eine geradezu dogmatische Vorentscheidung geprägt, für die er zwar eine Reihe von guten Gründen geltend machen kann, 347 Besprechungen - Comptes rendus 1 Für die Editionsgeschichte und die genauen bibliographischen Angaben cf. Lafont 1998: 7-10. die aber nicht hinreichend stark sind, um den Ausführungen einen stark spekulativen Charakter zu nehmen. Für ihn muß die Sainte Foi mit dem Alexius und dem Boeci zusammengestellt werden; die drei Texte würden zusammen eine älteste Schicht epischer Literatur darstellen. Zudem gäbe es eine enge Beziehung zwischen der chanson de saint und der chanson de geste, was ja auch im Zusammenhang mit dem Alexius schon immer wieder betont wurde. Der Oxforder Roland wäre der letzte Zeuge dieser ursprünglichen Einheit von Heiligenvita und Heldenepos, ein Ableger eines formal mit der Sainte Foi auf das engste verwandten (okzitanischen) Ur-Roland 2 . Die grundlegende Gemeinsamkeit all dieser Texte wäre die Tatsache, daß sie als eine Art Gesamtkunstwerke (fast im Wagnerschen Sinne) konzipiert sind: Wir haben nicht nur einen (literarischen) Text, dieser Text ist vielmehr auch für eine sowohl gesungene als auch getanzte Aufführung geschrieben. Dies zu zeigen, ist das vordringliche Ziel der Einleitung. Die Introduction beginnt mit einer Darlegung der außerordentlich schwierigen Handschriftenlage (11ss.), wobei Lafont v. a. auf die Untersuchungen von Hoepffner rekurriert. Die Sainte Foi ist nur in einer einzigen Handschrift überliefert, die sich in Leyden befindet (Vossianus Latinus 60); hierbei handelt es sich um ein Aggregat von Manuskripten bzw. Manuskriptbruchstücken unterschiedlichster Provenienz. Die die Chanson de Sainte Foi enthaltenden Folien 14v° - 23r° sind ein Bruchstück einer ursprünglich umfangreicheren Kompilation, deren übrige Teile heute in Orléans und in Paris (BN) zu finden sind. Lafont skizziert die Geschichte der Handschrift und die ihrer Kenntnis überzeugend und bringt schon an dieser frühen Stelle eine Art Knalleffekt: In dem um 1100 entstandenen Manuskript werden nach seinen Erkenntnissen die Verse immer durch einen Punkt, die Laissen durch eine Majuskel voneinander getrennt. Leite de Vasconcellos und Thomas (der erste und der zweite Herausgeber des Textes) hatten v. a. den zweiten Punkt nicht erkannt, sondern sich bei der Laissenzählung ausschließlich auf den Assonanzenwechsel verlassen. Basiert man aber wie Lafont die Laissenstruktur nicht nur auf den Assonanzen, sondern auch und primär auf den Majuskeln, dann kommt man zu 55 statt zu 49 Laissen, denn nicht jeder Laissenübergang ist mit einem Assonanzwechsel verbunden. - In einem zweiten Unterkapitel befaßt sich der Herausgeber dann in überzeugender Weise mit der Sprache des Textes. Er zeigt, daß die diatopisch fixierbaren Züge z. T. sehr widersprüchlich sind und in einem Raum Toulouse - Conques - Narbonne angesiedelt werden können. Vollkommen überzeugend und konsequent verzichtet er deshalb (anders als Gröber und Hoepffner) darauf, die Sprache präzise zu lokalisieren: Nach seiner überzeugenden Auffassung handelt es sich um eine «langue de chemin», die für den Strahlungsbereich der Abtei von Conques in südlicher Richtung typisch ist. Diese Koine ist aber nicht nur diatopisch fundiert, sondern auch diachronisch: Lafont zeigt ebenso überzeugend, daß ganz gezielt verschiedene historische Entwicklungsstufen je nach Bedarf amalgamiert werden. Die Sprache der Sainte Foi ist somit eine livreske Kunstsprache, die man typologisch durchaus (wenn auch auf niedrigerem Niveau) mit dem Franko-Italienischen vergleichen könnte. - Reichlich überraschend schließt dann dieses Kapitel (19) mit Ausführungen zur Verwendung des Apostrophs in der Ausgabe und zur Charakterisierung von offenem e und o über einen accent grave. Dies paßt zu dem Gesamteindruck, daß die Einleitung zwar überaus anregend und gehaltvoll, aber recht wenig strukturiert und oft sehr assoziativ ist. Das nächste Unterkapitel befaßt sich mit den Laissen, dem Vers und der Melodie (20ss.). Nach Auffassung von Lafont finden sich auf fol. 13v° die Hinweise Dixit dominus und Alleluia, begleitet von Neumen; diese würden sich auf den nachfolgenden Text beziehen und deutlich machen, daß dieser als ein langer narrativer Tropus zu betrachten sei. Es folgt dann eine scheinbare Digression über die Versstruktur des Textes, die letztlich aber durchaus 348 Besprechungen - Comptes rendus 2 Gerade hier wird die dogmatisch-ideologische Position von Lafont besonders deutlich. konsequent ist. Die Sainte Foi ist in gereimten Achtsilber-Laissen verfaßt, eine Merkmalkonstellation, die sie von allen archaischen Texten (Lyrik, Alexius, Chanson de geste) unterscheidet; am nächsten steht sie noch Gormont et Isembart, dem archaischsten Text unter den Heldenepen, von dem sie nur der Reim trennt. Daraus schließt Lafont auf eine originäre okzitanische Schöpfung, deren Modell der (limousinische) Boeci wäre. Die Laissen zählen (nach Lafonts Struktur) alle zwischen 7 und 15 Versen, was insofern ein Problem aufwirft, als nach Hoepffner und Paul Meyer immer zwei Verse ein (syntaktisch fundiertes) Couplet bilden: Der letzte Vers jeder Laisse ist somit isoliert 3 . Lafont löst das Problem auf elegante Weise und unter Verweis auf ähnliche Phänomene in Aucassin et Nicolette, der Eulalia und v. a. auf das geheimnisvolle AOI im Rolandslied: Es würde sich um (wohl die Melodie von Vers a der Couplets) wieder aufnehmende Vokalisen handeln, die die Laissen voneinander trennen; gesungen worden wären sie in der für die Narration typischen D-Dur - was allerdings (wie vieles andere) hypothetisch bleibt. Das nächste Unterkapitel ist mit Récit canonique et périodisation überschrieben (25ss.). Nach Lafont zeigt die Sainte Foi die gleiche (wenn auch etwas expandierte) Struktur wie die Eulalia. Anschließend geht er auf die „Theorie der Valenzen“ von Segre ein, nach der die Sainte Foi in Gruppen von 11 Laissen organisiert wäre, die durch Echos zwischen den Gruppen (v.a. an deren Ende) charakterisiert wären. Eine entsprechende Technik findet sich nach Lafont auch im Oxforder Roland und in vielen anderen Chansons de geste (und Chansons d’histoire), die über eine gute Handschriftentradition verfügen. - Diese Überlegungen werden dann in Périodisation et „tresca“: La carole de Conques (29ss.) fortgeführt. Auf einige Ausführungen zur Zahlensymbolik in unserem Text folgen kurze Überlegungen zur Etymologie von tresca. Anschließend wendet sich Lafont der Geschichte des Tanzes in der Kirche (bis zum 15. Jh.) und insbesondere der (profanen und religiösen) carole in Conques zu. Auch für die getanzte Sakralinszenierung glaubt er, Parallelen im Oxforder Roland und in den übrigen Chansons de geste nachweisen zu können - allerdings nur bis ca. 1150; anschließend ist das Heldenepos nur noch Gegenstand weltlicher Inszenierungen durch die Jongleurs. Während Lafonts Argumentation für die Sainte Foi zwar nicht als bewiesen oder beweisbar, aber immerhin als einleuchtend und kohärent bezeichnet werden kann, ist ihrer Ausdehnung auf die Chanson de geste der Charakter einer zwar faszinierenden, aber doch recht gewagten Spekulation nicht abzusprechen. - In Conques et le poème sur le chemin (36ss.) wird die Geschichte von Conques und seine Rolle für den Jakobsweg 1060-1100 (also der Entstehungszeit der Sainte Foi) aufgearbeitet. In L’idéologie de «Sainte Foi»: Croisade et chevalerie (42ss.) wird dieses an sich für die Chanson de geste typische Thema entfaltet. Nach Lafont wird die Masse der heidnischen Götter auf eine infernale Diana reduziert (die auch Schutzherrin der Hexen im Mittelalter war); sie ist es letztlich, die als die Gegenspielerin von Sancta Fides im religiösen Bereich zu gelten hat. Im politischen Bereich sind die (als Sarazenen dargestellten) Basken die großen Bösewichte, die gewissermaßen als Blitzableiter für den Haß gegen Muselmanen, Juden und Normannen dienen müssen.Aber Sainte Foi ist nicht nur eine Kristallisationsfigur für diese chevaleresken Elemente, die sonst typisch für die Chanson de geste sind, sie zeigt auch Ähnlichkeiten mit der Dame der Troubadours; sie ist somit das Symbol einer Aufsteigerklasse, der joven (Köhler). Die Chanson de Sainte Foi als eine in den Heiligenbereich transponierte Chanson de geste in der feudalen Perspektive der Troubadours - eine faszinierende These, die auf einer stupenden Informationsfülle beruht, die aber eben doch weitgehend spekulativ bleibt. 349 Besprechungen - Comptes rendus 3 Diese Struktur der Laisse - (durch eine Leerzeile getrennte) Verspaare mit einem isolierten Schlußvers - prägt denn auch die Ausgabe von Lafont und unterscheidet sie schon auf den ersten Blick von derjenigen von Thomas. Bleibt noch das letzte Unterkapitel der Einleitung, das mit L’autre chanson überschrieben ist (49ss.) und sich vordringlich mit der Quellenfrage befaßt. Die Sainte Foi fußt auf einem lateinischen Prosatext (Passio Sanctorum Fidis et Caprisii), auf einem lateinischen Verstext (Passio metrica Sanctorum Fidis et Caprisii) 4 , sowie auf einem Text von Lactanz, De mortibus persecutorum - alle drei im benediktinischen Umfeld gut dokumentiert. Im Anschluß an Alfaric analysiert Lafont die Quellenverarbeitung durch den Autor der Sainte Foi gründlich und überzeugend. Damit aber nicht genug. Aufgrund einer Reihe von Anspielungen (bzw. als Anspielungen oder Verweise interpretierten Stellen im Text) schließt Lafont auf eine weitere Quelle: l’autre chanson, eine Art okzitanischer Ur-Roland. Und hier befinden wir uns wieder im Bereich der gewagten Spekulation. Der Text selbst (mit Übersetzung) umfaßt die Seiten 58-99. Sowohl Ausgabe wie Übersetzung überzeugen. Besonders auffällig ist, daß Lafont die von ihm behauptete Couplet- Struktur der Laissen (mit einem vers orphelin am Ende) auch vom Layout her durchhält. Es folgen dann die Notes (153-79), die v. a. auf den Vorarbeiten von Alfaric/ Hoepffner basieren, ein sehr umfangreiches und nützliches Glossar, sowie ein Namenindex.Alles in allem eine sehr schöne und anregende Ausgabe - auch wenn man nicht bereit ist, die allzu spekulativen Elemente in Lafonts Einleitung zu übernehmen: Anregend sind auf jeden Fall selbst diese! P. W. H Frede Jensen, Troubadour Lyrics. A Bilingual Anthology, New York/ Washington (Lang) 1998, 593 p. Dopo essersi dedicato alla poesia ispiratasi alla tradizione trovadorica in The Earliest Portoguese Lyrics (1978) e nelle antologie: The Poetry of the Sicilian School (1986), Medieval Galician-Portoguese Poetry (1992) e Tuscan Poetry of the Duecento (1994), F. Jensen ha pubblicato (nel 1998) una antologia sulla lirica dei trovatori occitanici stessi. La parte introduttiva del volume contiene una panoramica generale sulla produzione lirica occitanica ed una breve presentazione delle sue caratteristiche più importanti, tra cui gli aspetti della versificazione, i generi, il trobar leu ed il trobar clus (1-51). Nella parte antologica sono raccolti novanta componimenti con la loro traduzione inglese, di rispettivamente trenta tra i più importanti trovatori (62-439). I singoli componimenti elencati nell’indice dei capoversi (Index of first lines, 591-93), sono completati da note esplicative alla fine del volume (Textual notes, 441-589). Nel breve capitolo Language (1-2), oltre a dare una breve spiegazione del trobar e dei diversi termini usati nelle varie epoche per designare la lingua dei trovatori (cf. provençal, occitan ecc.), Jensen elenca tre tra le caratteristiche fonologiche più importanti, quali la n- «mobile» (barone > baron vs. baró), la palatalizzazione di [k] davanti ad [a] e gli esiti del nesso latino -ctin [jt] o [ts], senza però specificarne la diffusione geografica. Anche se l’intento di Jensen è di «[familiarize] the readers with a poetry that would otherwise remain inaccessible» (xiii), questa parte, a parer nostro, avrebbe dovuto essere sviluppata ulteriormente, o perlomeno essere completata con rimandi bibliografici. Per quel che riguarda la problematica della trasmissione della lirica occitanica in canzonieri (The Transmission Process, 3), Jensen rinvia alle loro descrizioni in M. de Riquer, C. di Girolamo e A. Pillet e 350 Besprechungen - Comptes rendus 4 Die Rolle von Caprisius ist in der Sainte Foi allerdings anulliert worden.
