Vox Romanica
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0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
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Kristol De StefaniGian Carlo Belletti (ed.), Rolando a Saragozza, Alessandria (Dell’Orso) 1998, 127 p. (Gli Orsatti 2)
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P. W.
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Se un lavoro tanto minuto ha invitato a qualche esame puntuale non è però che manchino motivi di interesse più generale e, al limite, teorico. Ad esempio, in regime di codice unico, la casistica degli errori di copia, che si pongono per l’editore in prospettiva tutta particolare. Si pensi ai problemi legati ai pronomi possessivi, senz’altro emendabili (ed emendati) di fatto nella rappresentazione quando i locutori ripristineranno automaticamente, nella recita, i corretti deittici. La prospettiva globale, che questa recensione vuole suggerire, offre poi un gioco di specchi impressionantemente legato, del quale non vanno dimenticate le basi latine. Per restare al tessuto (diacronico) di Sponsus, Passion Didot e La Resurectio dei Mystères rouergats, si prenda la strofe xiii dello Sponsus v. 63-66: «(prudentes) De nostr’oli queret nos a doner? / No.n auret pont, alet en achapter / deus merchaans que lai veet ester. / Dolentas, chaitivas, trop i avem dormit! » (455). Tale testo viene così emendato da L.-P.Thomas, Le Sponsus. Mystère des Vierges sages et des Vierges folles, suivi de trois poèmes limousins et farcis, Paris 1951: 182, «[fatue ad Prudentes] De vostr’oleo queret nos a doner? / [prudentes] No n’auret pont, alet en achapter / deus merchaans que lai veét ester! » (444s. e 456). Nei Mystères rouergats si legge senz’altro, v. 2855s.: «digua la Magdalena . . . He de vos, senher comprar volem / Del nostre enguen en que lo hongesquem . Ora, il confronto che l’autrice propone con la fonte diretta, Passion Didot, v. 1853-55 «maria magdalena Puis que aysi et, senhor nos vos querem / De bon enguent, car luy onchar volem / Mostra lo mos, c’ades lo comparem » (565), e quello istituibile con il ben divulgato modello latino «Aromata precio querimus / Christi corpora ungere volumus / Holocausta sunt odorifera / Sepulture Christi memoria» (cf. K. Young 1962/ 1: 403, 405, 421, 435), dà in questo caso la portata dell’intervento individuale dell’adattatore, diffuso un po’ dappertutto (anche il Ludus paschalis v. 44s. mantiene i sintagmi in rima «le ii maries Gentius marchans, du millour bien nous vent, / tant que tu veus de l’argent, plus en prent / no grant Signour du ciel oindre en volons »). Se l’adattatore dei Mystères rouergats si è anche permesso di intervenire sul prezzo di questo balsamo «l’imitateur a modifié le prix de l’onguent (trois marcs d’argent et non plus trente, valeur du baume après la remise)» (173), mercanteggiando forse meglio, non a caso la sua singularis recita «comprar volem», ma dimenticando del tutto il biblico prezzo del Giusto, non bisognerà sobbalzare troppo di fronte a certe coincidenze che vengono da una periferia montana del xv secolo. Paola Allegretti H Gian Carlo Belletti (ed.), Rolando a Saragozza, Alessandria (Dell’Orso) 1998, 127 p. (Gli Orsatti 2) Die neue Reihe Gli Orsatti, herausgegeben von Massimo Bonafin, Nicolò Pasero und Luciano Rossi, trägt den Untertitel «Testi dell’Altro Medioevo». Damit wird dezidiert auf die Zielsetzung angespielt: Es geht hier einmal nicht darum, kanonisierte Texte der mittelalterlichen «Höhenkammliteratur» zu publizieren, sondern vielmehr randständige, «apokryphe» Texte, die aber für das literarische Leben der Epoche nicht weniger aussagekräftig, ja oft sogar weit relevanter sind als diejenigen, die (warum auch immer) zu den «Klassikern» zählen, zugänglich zu machen. Die Reihe ist sehr schön und gepflegt aufgemacht und der Preis von Lit. 16000 für ein derartiges Bändchen darf als mehr als angemessen gelten. Die hier zu besprechende Ausgabe ist Band 2 der Reihe 1 , und weitere Bände sind angekündigt bzw. bereits erschienen. 361 Besprechungen - Comptes rendus 1 Band 1: Massimo Bonafin (ed.), Il Romanzo di Renart la Volpe. Introduzione, traduzione e note a cura di M.B., Alessandria 1997. Etwas eigenartig mutet allerdings an, daß die Titel durchgängig italianisiert werden, ganz gleichgültig, in welcher Sprache der betreffende Text abgefaßt ist. Das ist zumindest verwirrend, und die Tatsache, daß immer eine italienische Übersetzung den Originaltext begleitet, vermag dies auch nicht zu rechtfertigen. Der okzitanische Roland a Saragosse wurde erst 1912 in einer dem Ende des 14. Jh.s zuzuweisenden Notariatsakte aus Apt entdeckt und von Mario Roques 1942/ 43 erstmals vollständig publiziert 2 . Der Text ist - trotz oder gerade wegen seines parodistischen Charakters - nach allgemeiner Auffassung ein Zeuge dafür, daß es eine (heute weitestgehend verschüttete) eigenständige okzitanische Epentradition gegeben hat, denn er enthält eine Reihe von Episoden, die in anderen Texten und Zyklen nicht bezeugt sind. Dies ergibt sich schon aus der knappen Zusammenfassung des Haupthandlungsstranges 3 : L’azione si svolge da un intreccio che non trova riscontro in tutto il ciclo. Per amore della bella regina di Saragozza, Braslimonda, Rolando va da solo all’assalto della città saracena, lasciando in disparte Olivieri, che pur profondamente offeso, salva il compagno da una ignominiosa sconfitta, e poi si vendica abbandonando il campo cristiano. La pace tra i due paladini sarà fatta a fatica solo negli ultimi versi, dopo un duello, cui Olivieri partecipa travestito da infedele. Nur schon dieser geraffte Überblick läßt erkennen, daß der Roland a Saragosse eine Art Kontrapunkt zum Oxforder Roland und seinen direkten Derivaten darstellt. Die Einleitung (5-26) liefert zuerst einmal einen kurzen Überblick über den Forschungsstand, der dann nahtlos in die eigene Bewertung des Textes einmündet. Im Zentrum der Diskussion steht die Frage, ob man von einer eigenständigen okzitanischen Epik ausgehen kann oder nicht. Mario Roques hält den Roland a Saragosse für ein spätes Werk (14. Jh.), das von einem altfranzösischen Text des 13. Jh.s abhängig wäre. Nach ihm wird dann aber die «provenzalische» Komponente immer stärker betont und der Ursprung wird z.T. erheblich zurückdatiert. So plädieren z. B. Aurelio Roncaglia, Martin De Riquer und Jules Horrent für einen katalanischen Ursprung im 12. Jh., während Hans-Erich Keller die Auffassung vertritt, es handele sich um die avignonesische Adaptation (Mitte 14. Jh.) einer Vorlage aus Grenoble, die ihrerseits auf einem altfranzösischen (anglonormannischen oder pikardischen) Text beruhen würde. All dies, meint Belletti, seien nichts als stark ideologisch geprägte Hypothesen, und einig sei man sich eigentlich nur darüber, daß es sich um eine Parodie, um ein poème héroï-comique handele, wobei die komische Kompenete erheblich stärker sei als die heroische. Es bleibt allerdings die Frage: Ist die Parodie durchgängig oder nur punktuell? Diese Frage wird aufgrund einer sorgfältigen Inhaltsanalyse im wesentlichen im ersten Sinne beantwortet. Der Text lebt weitestgehend vom Antagonismus Roland/ Olivier, wobei Roland den Norden, Olivier den Süden verkörpert. Die karnevalesken Elemente (im Sinne Bachtins) finden oft intertextuelle Entsprechungen in aus der Saintonge, aus Italien oder dem franko-italienischen Bereich stammenden Werken, doch sind die Übereinstimmungen nie sehr eindeutig, so daß sie die These einer eigenständigen okzitanischen Tradition nicht zu widerlegen vermögen, zumal es auch zahlreiche Elemente gibt, für die nirgends eine Entsprechung gefunden werden kann. Trotzdem ist der Roland a Saragosse hinsichtlich der Motive nicht besonders originell. Was ihn v. a. auszeichnet, ist vielmehr die Anordnung und die gedrängte Wiederholung der Elemente, sind die expressiven Hypercharakterisierungen von Personen und Situationen im Rahmen einer zweigleisigen Ent- 362 Besprechungen - Comptes rendus 2 Eine weitere, nach Belletti allerdings sehr nachlässige Ausgabe ist Roques 1956; cf. schließlich auch Gouiran 1991 (für genauere Angaben cf. die Bibliographie von Belletti). 3 Belletti 1998, Rückseite des Einbandes. wicklung (Roland/ Olivier). So kommen zu den intertextuellen Reminszenzen v. a. die textinternen Echos, und es sind v. a. diese, die den parodistischen Charakter durch sich ständig verändernde Kontexte ausmachen. Dazu kommt noch - gewissermaßen als Hintergrundsfolie -, daß der sakrale Charakter des Rolandslieds anulliert wird, was sich u. a. darin äußert, daß Träume der Helden (im Text) nicht mehr realisiert werden, daß Karl mit seinen Traumdeutungen regelmäßig daneben liegt, und daß die christlichen Zielsetzungen durch perönliche Interessen ersetzt werden. Wir haben also eine allgemeine Profanisierung und Verflachung, die ihre komischen Effekte allerdings nur im intertextuellen Bezugsraum erzielen kann. Zum parodistischen Charakter trägt natürlich auch bei, daß die Handlung in eine Art verkehrte Welt verlagert ist. So ist der eigentliche Held nicht mehr Roland, sondern vielmehr sein Schwert, und Roland ist eigentlich nur noch ein Anhängsel seiner Waffe. In gleichem Maße, wie Roland abgewertet wird, wird Olivier aufgewertet. Eine dezidierte Aufwertung haben wir auch bezüglich der Heiden, die als weitgehend gleichwertig mit den Christen dargestellt werden: Die Formel «paien unt tort e chrestiens unt dreit» des Rolandslieds ist damit außer Kraft gesetzt 4 . Und eine Aufwertung haben wir schließlich auch für das Bürgertum in der Form der normannischen Kaufleute, die selbstbewußt die Kaufmannswelt dem Rest der Welt entgegenstellen, was natürlich eine Abwertung des Adels impliziert. All dies scheint in der Zusammenfassung kohärent und strukturiert. Der Text von Belletti ist es bedeutend weniger, und es kostet einige Mühe, den roten Faden in der kenntnisreichen, aber oft sprunghaften Darstellung zu finden - und der manierierte Stil des Herausgebers vereinfacht dieses Unternehmen auch nicht gerade. Davon einmal abgesehen, ist die Einleitung substantiell und überzeugend. Was die Ausgabe angeht, so fußt sie im wesentlichen auf Roques 1942/ 43, berücksichtig aber auch eine Reihe von Korrekturen von Gouiran 1991 und fügt überdies eine Reihe von eigenen Verbesserungen ein. Ohne Einsicht in die Handschrift kann die Qualität des Textes allerdings nicht abschließend beurteilt werden, und auch eine punktuelle Kontrolle (z. B. anhand einer reproduzierten Handschriftseite) ist nicht möglich. Der subjektive Eindruck ist jedoch positiv. Erfreulich ist sicher auch, daß uns Belletti jetzt auch eine italienische Übersetzung des Textes liefert 5 . Allerdings ist sie sehr oft allzu approximativ. Hierfür nur zwei Beispiele, die sich endlos vermehren ließen: v. 74 El palafren vay Olivier montant wird mit Poi monta in groppa al suo palafreno . . . übersetzt; eine derartige Übertragung kann bei jedem Reiter nur Kopfschütteln hervorrufen. Und wenn in v. 77 las mayneyas mit le sue schiere übersetzt wird, dann ist das auch alles andere als adäquat. Es gilt also auch hier, was man für die meisten Übersetzungen mittelalterlicher Texte sagen muß: Man hüte sich tunlichst vor ihnen! P. W. H 363 Besprechungen - Comptes rendus 4 Diese Erscheinung haben wir u. a. auch für den franko-italienischen Aquilon de Bavière festgestellt. 5 Für eine neufr. Übersetzung cf. Gouiran 1991, für eine sp. Alvar 1978.
