eJournals Vox Romanica 60/1

Vox Romanica
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0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2001
601 Kristol De Stefani

Peter Stotz, Handbuch zur lateinischen Sprache des Mittelalters, vol. 2: Bedeutungswandel und Wortbildung, München (Beck) 2000, xxvi + 482 p. (Handbuch der Altertumswissenschaft ii.5.2)

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2001
R. L.
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de fuentem, ces toponymes renvoient tous les deux à la même «image toponymique», composée des trois référents lieu sombre (Paco, Nara-), lieu élevé (Ota-, Otero) et source (-juán, -guantes). R. de Dardel ★ Peter Stotz, Handbuch zur lateinischen Sprache des Mittelalters, vol. 2: Bedeutungswandel und Wortbildung, München (Beck) 2000, xxvi + 482 p. (Handbuch der Altertumswissenschaft ii.5.2) Es ist erfreulich, daß hier schon wieder ein Band des Handbuchs zur lateinischen Sprache des Mittelalters von Peter Stotz angezeigt werden kann. Im letzten Jahrgang dieser Zeitschrift (VRom. 59: 217s.) ist der 4. Band dieses Werkes besprochen worden. Neu liegt jetzt Band 2 vor, der die beiden «Bücher» v: Bedeutungswandel (3-228) und vi: Wortbildung (231- 482) enthält. Die zügige Abfolge, in der bisher die Bände 3 (1996), 4 (1998) und 2 (2000) erschienen sind, läßt auf einen baldigen Abschluß des Gesamtwerkes hoffen, von dem nun noch Band 1 (Einleitung. Lexikologische Praxis. Wörter und Sachen. Lehnwortgut) und der abschließende Registerband 5 (Bibliographie, Quellenübersicht und Register) ausstehen. Was in früheren Rezensionen schon gesagt wurde, kann nicht genug unterstrichen werden: Peter Stotz hat sich mit diesem Handbuch auf ein riesiges Wagnis eingelassen, denn etwas Vergleichbares gibt es überhaupt noch nicht, und die Aufgabe, die vielfältigen Erscheinungsformen des mittelalterlichen Lateins in einem kohärenten Ganzen darzustellen, läßt an Schwierigkeit nichts zu wünschen übrig. Daß dieses Titanenwerk tatsächlich zu einem glücklichen Ende kommen und für alle Mediävisten ein lange ersehntes und wertvolles Hilfsmittel darstellen wird, kann man jetzt zuversichtlich erwarten. Der Wert eines Handbuchs (ähnlich wie der eines Wörterbuchs) läßt sich erst beurteilen, wenn man intensiv damit gearbeitet hat. Zudem werden die verschiedenen Benutzer (Latinisten, Romanisten, Historiker etc.) je verschiedene Fragen an ein solches Auskunftswerk stellen, und es ist a priori auszuschließen, daß alle Bedürfnisse aller Leser befriedigt werden können. Wichtig ist, daß eine übersichtliche Gliederung, ein detailliertes Verweissystem und ein ausführliches Register den Benutzer bei seiner Konsultation leiten. Da beim gegenwärtigen Stand der Publikation noch nicht all diese Informationen vorliegen, ist es nicht möglich, jetzt schon eine abschließende Wertung vorzunehmen. Gerade bei der Lektüre des jetzt neu vorliegenden 2. Bandes fragt man sich zuweilen, wie denn der Stoff im Einzelnen von dem in Band 1 behandelten abgegrenzt sei. Sowohl die Thematik «Wörter und Sachen» als auch das Gebiet «Lehnwortgut», die laut Inhaltsübersicht einen Teil des ersten Bandes ausmachen werden, spielen auch im 2. Band eine wichtige Rolle. Was allfällige theoretische Unschärfen angeht, versucht sich der Autor mehrfach durch den Hinweis abzusichern, sein Werk sei primär auf den praktischen Nutzen ausgerichtet. Allerdings ist für mich die Erklärung, das Handbuch richte sich «an den linguistischen Laien» (4), schwer verständlich. Wer könnte mehr an der Darstellung der mittellateinischen Sprache interessiert sein als Linguisten, seien es nun (aufgeschlossene) Altphilologen oder Spezialisten der mittelalterlichen Vulgärsprachen? Daß freilich bei den Mittellateinern selbst, mit wenigen Ausnahmen, der Schwerpunkt mehr auf der literarisch-textkritischen Seite liegt als auf der Linguistik, ist eine bekannte Tatsache und dürfte mit ein Grund sein für die apologetischen Bemerkungen des Verfassers. Ein Punkt, in dem ich mit der (allerdings nicht explizit formulierten) Grundposition des Autors nicht übereinstimme, betrifft die Auffassung von den Modalitäten des Sprachwandels im Bereich der Wortbildung. In den einleitenden Paragraphen zu Buch vi, das der 238 Besprechungen - Comptes rendus Wortbildung gewidmet ist, scheint mehrfach die Vorstellung auf, Neubildungen seien das Produkt intentionaler Schöpfung 1 . Wenn eine solche Sicht auch für einzelne Neologismen zutreffen mag, so dürfte doch die Mehrzahl auch der lexikalischen Neuerungen (wie derjenigen auf anderen Ebenen der Sprache) einem komplizierten evolutionären Prozess zu verdanken sein, wie ihn Rudi Keller in seiner Sprachwandeltheorie postuliert: einem Prozess, dessen Endprodukt die nicht-intendierte Folge einer kommunikativen Handlung ist, die zwar ursprünglich von einer bestimmten Intention (Handlungsmaxime) gesteuert war, aber erst durch das Zusammenspiel von linguistischer und sozialer Selektion in einem «invisible-hand-Prozess» zur Etablierung des neuen sprachlichen Faktums in der Sprache führt 2 . Überblickt man die Fülle der in Buch vi dargestellten Wortbildungsprodukte, zeichnen sich unter einer Menge von vereinzelten und ephemeren Gelegenheitsbildungen gewisse Verfahren ab, für die das Mittellatein (oft v. a. die dichterische Sprache) eine gewisse Vorliebe entwickelt und die sich als entsprechend produktiv erweisen. Es sind dies fast ausschließlich Muster, die schon im antiken Latein angelegt sind, im Mittelalter jedoch in bestimmten Textsorten Hochkonjunktur erleben. Als besonders produktiv fallen etwa die von Stotz «verbale Rektionskomposita» genannten Adjektivbildungen (die auch als Substantive genutzt werden) auf -fex, -fer, -ger, -ficus, -fluus, -sonus, -loquus, -dicus etc. auf, die zu Bildungen wie fenestrifex Fenstermacher , christifera Christusgebärerin , cuculliger eine Mönchskutte tragend , dulcificus süß , ludifluus fröhlich (431-37) führen, um nur einige auffällige Beispiele zu nennen. Bei den Verben verzeichnen die Zsammensetzungen mit -(i)ficare einen auffälligen Zuwachs: animalificare lebende Junge gebären , guerrificare Krieg führen (398). Besonders produktiv wird im Mittelalter das schon klassisch belegte, im christlichen Latein der Spätantike verbreitete griechische Lehnsuffix ι ειν resp. -izare (cf. den ausführlichen §104, p. 385-90). Das Suffix tritt oft in fachsprachlichen Termini auf (Musik, Rhetorik, Grammatik, Philosophie), wird jedoch schließlich zum frei verfügbaren Wortbildungsmorphem, das sich u. a. auch mit Basislexemen nicht-lateinischer Herkunft verbindet: bannizare ächten , bargan(n)izare Handel treiben (388). Dazu eine Anmerkung aus romanistischer Sicht: Im Surselvischen tritt das Suffix —egiar/ -iar, das lateinisch -idiare, der volkstümlichen Variante von -izare, entspricht, oft an Stämme germanischer Herkunft: schenghegiar schenken , malegiar malen etc. Ergänzungen aus dem Bereich der mittelalterlichen Vulgärsprachen und ihrer Nachfolger ließen sich natürlich vielerorts anfügen; aber es leuchtet ein, daß der Autor in dieser Hinsicht eine vernünftige Auswahl treffen wollte und mußte. Das Handbuch, das, wie schon in früheren Rezensionen hervorgehoben, nicht nur ein Nachsschlagewerk ist, sondern auch ein durchaus lesbares Buch, enthält auch so einen reichen Schatz von übersichtlich geordnetem und differenziert kommentiertem Material. Alle interessierten Benutzer, seien es nun linguistische Laien oder Fachleute, warten gespannt auf die Vollendung dieses epochalen Werkes, das eine der bisher bedauerlichsten Forschungslücken schließt. R. L. ★ 239 Besprechungen - Comptes rendus 1 « . . . die Schaffung neuer Wörter, soweit sie auf die Aufnahme in den Sprachgebrauch ausgerichtet sind», « . . . bedeutet dies nicht eigentlich eine Schöpfung, eine Erfindung» (231). 2 R. Keller, Sprachwandel, Tübingen 1990.