Vox Romanica
vox
0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2001
601
Kristol De StefaniJohannes Kramer, Die Sprachbezeichnungen Latinus und Romanus im Lateinischen und Romanischen, Berlin (Schmidt) 1998, 173 p. (Studienreihe Romania 12)
121
2001
Eske Prasuhn
vox6010245
Johannes Kramer, Die Sprachbezeichnungen Latinus und Romanus im Lateinischen und Romanischen, Berlin (Schmidt) 1998, 173 p. (Studienreihe Romania 12) In gewohnt eloquentem Stil beschreibt Johannes Kramer in der vorliegenden Studie die Etymologie zweier Wortfamilien: Es handelt sich um die Wortgeschichte der Sprachbezeichnungen Latìnus und Rõmñnus und deren sprachliche Umfelder im Lateinischen und allen romanischen Sprachen. Üblicherweise gehören der Name eines Volkes und seiner Sprache zusammen: Die Deutschen sprechen deutsch, les Français parlent français . . . Bekanntlich geht diese Regel im Falle der alten Römer nicht auf: Sie pflegten ihre Sprache normalerweise nicht nach ihrem Volksnamen, der seinerseits vom Namen ihrer Heimatstadt kommt, zu benennen, sondern nach dem Namen des sie umgebenden Volkes, der Latìnì, die in zähen Kämpfen bis 338 v. Chr. von der aufstrebenden Stadt am Tiber unterworfen wurden (59). Unter dem Motto der Société de linguistique romane «Razze latine non esistono - esiste la latinità» (7 N2) benennt der Autor das zur Diskussion stehende Thema: die Wortschatzanomalie des Lateinischen. Der systemwidrige Name der Sprache der Römer wirkt bis in die modernen romanischen Sprachen weiter. Nach einer kurzen Einleitung (7-10) folgt ein präziser Überblick über die Forschungsgeschichte (11-57), in dem « . . . die wichtigsten Beiträge genannt und kurz präsentiert werden, die sich mit den Wörtern Latìnus und Rõmñnus sowie ihrem Umfeld als Sprachnamen beschäftigen» (11). Johannes Kramer strebt hierbei keine Vollständigkeit an, sondern will einen repräsentativen Überblick bieten und rät zugleich: « . . . dem eiligen Leser, dem wenig an Wegen und Irrwegen der Forschung liegt, sei empfohlen, dieses Kapitel zu überspringen» (11). Im forschungsgeschichtlichen Teil betont der Autor, daß vor dem neunten Jahrhundert nicht von einer begrifflichen Differenzierung zwischen Latein und Romanisch zu reden ist und « . . . lingua Latìna und lingua Rõmñna auch in den meisten Kontexten austauschbare Synonyme blieben» (56). Im Verlauf des neunten Jahrhunderts bildete sich in Frankreich im Zuge der karolingischen Reform ein Bewußtsein dafür aus, daß Latein und Romanisch als zwei verschiedene Sprachen zu betrachten waren. Diese Erkenntnis setzte sich in Spanien 1 und Italien erst ein bis zwei Jahrhunderte später durch. Für die Terminologie der romanischen Sprachen bedeutete das, daß in Gebieten, in denen der Gegensatz zu nichtromanischen Sprachen (Griechisch, Deutsch, Arabisch) wichtiger war als der Unterschied zwischen Schrift- und Sprechsprache, Nachfolgeformen von Latìnus zur eigenen Sprachbenennung bevorzugt wurden. In den isolierten östlichen Gebieten benutzte man die Nachfolgeform von Rõmñnus, d. h. « . . . eine regionale Adverbbildung des Typs *Rõmñniscè wurde zur üblichen Sprachbezeichnung» (57). Im Mittelalter wurden in den meisten romanischen Sprachen, in denen die Abgrenzung vom Lateinischen im Vordergrund stand, Nachfolgeformen von Rõmñnicè zur Benennung der eigenen Sprache üblich. Nachdem das heutige « . . . Prinzip der Bezeichnung nach dem Landesnamen aufkam» (57), wurde der ältere Typ Rõmñnicè auf ein « . . . kleines alpines Rückzugsgebiet in Graubünden» (57) zurückgedrängt. Erkenntnisse zu Latìnus und Rõmñnus als Sprachbezeichnung im Lateinischen (Kap. iii, 59-94) und zu Latìnus und Rõmñnus als Sprachbezeichnung in der Romania (Kap. iv, 95- 162) stellen den Hauptteil der vorliegenden Studie dar. Im dritten Kapitel werden alle 245 Besprechungen - Comptes rendus 1 Zur Situation in Spanien gibt Volker Noll genauer Aufschluß: «Die Bezeichnung al-andalusiyya bei Ibn Khurdñdhbih bezieht sich konkret auf das mozarabische Spanisch, das im 9. Jh. aus orientalischer Sicht somit als erste romanische Volkssprache unabhängig vom Lateinischen benannt wird»; cf. V. Noll, «Spanisch und Romanisch im 9. Jahrhundert», ZRPh. 114 (1998): 665. denkbaren Ableitungen und Varianten von Latìnus und Rõmñnus im Detail behandelt (z. B. Latìnus, lingua Latìna, Latìnè, Latìna, Latìnum, latìnñre und latìnizñre, Latìnus mit positivem Nebensinn, Latìnitñs etc.; Rõmñnus, lingua Rõmñna, Rõmñnè, Rõmñnitñs, Rõmñnicus, Rõmñnicè, Rõmñnia etc.). Obwohl « . . . als eigentliche Bezeichnung der Sprache Roms die Familie von Latìnus im Vordergrund steht . . . » (91), so führt Johannes Kramer weiter aus, « . . . sind aber lingua Latìna und lingua Rõmñna weitestgehend austauschbare Synonyme» (91). Im vierten Kapitel thematisiert der Autor alle Nachfolgeformen von Latìnus und Rõmñnus in der Romania, wobei hier der gemeinromanische Aspekt hervorzuheben ist. Besonders interessant und aufschlußreich sind die Informationen zu den «kleinen» romanischen Sprachen (cf. Kap. iv.1.1. Latìnus in der Balkanromania, 95-100; Kap. iv.1.3. Latìnus in der zentralalpinen Romanität, 106-15; Kap. iv.2.1. Rõmñnus in der Balkanromania, 130-39; Kap. iv.3.1. Rõmñnicus/ Rõmñnicè in der Balkanromania, 143-46; Kap. iv.3.2.1. Rõmñnicus/ Rõmñnicè in Graubünden, l46-48). Als Zwischenbilanz (129s.) ergibt sich, daß Latìnus als Buchwort in allen romanischen Sprachen vorliegt (Grundbedeutung «lateinisch», Sekundärbedeutung «schwer verständlich», 130) und daß « . . . es nachweislich erbwörtliche Formen nur im Norditalienischen, in der zentralalpinen Romanität, im Frankoprovenzalischen und im Nordostprovenzalischen sowie im Spanischen und vielleicht im Portugiesischen gibt . . . » (129). Im letzten Kapitel (Versuch einer Synthese, 163-65) thematisiert Johannes Kramer noch einmal die einzelnen Nachfolgeformen von Latìnus und Rõmñnus und kommt zu zwei wichtigen Erkenntnissen. Erstens: «Es ergibt sich für die romanischen Sprachen der Gesamteindruck, daß zwar Ansätze vorhanden waren, mit den auf Latìnus und Rõmñnus zurückgehenden Formen zu einer klaren terminologischen Unterscheidung zwischen Lateinisch und Romanisch zu kommen, daß diese Ansätze aber nirgendwo wirklich systematisiert wurden» (163s.). Zweitens: «Die Geschichte der Sprachbezeichnungen Latìnus und Rõmñnus ist ein schönes Beispiel dafür, daß keineswegs immer mit einer sprachökonomischen Entwicklung in Richtung auf eindeutige und klare Wortschatzstrukturierung zu rechnen ist» (165). Dieses nicht unbedingt neue, aber dennoch ewig währende und interessante Thema wird in der vorliegenden Untersuchung von Johannes Kramer in höchstem Maß präzise und detailliert unter panromanischem Aspekt behandelt. Der Autor bietet in seiner Monographie de facto alle wichtigen Informationen, Daten, bibliographischen Referenzen und eine enorme Zitatensammlung, um über die Fachtermini Latìnus und Rõmñnus weitestgehend Aufschluß zu geben. Bleibt am Ende noch einmal zu betonen, daß der besondere Wert dieser Studie darin liegt, daß « . . . die aus der Mode gekommene und doch oft sehr aussagekräftige panromanische Perspektive . . . » (8) vom Autor stringent eingehalten wurde - somit hält die Monographie von Johannes Kramer jeder kritischen Rezension stand. Eske Prasuhn ★ Richard Laurent, Past Participles from Latin to Romance, Berkeley (University of California Press) 1999, XXV + 574 p. (University of California Publications in Linguistics 133) This is an extremely learned book which must have cost the author much time and energy. Not only are all Romance languages and Latin taken into account but also many different dialects; even secondary literature concerning Russian and Greek is quoted. The reader gets an impression of the wealth of material by looking at the Indices verborum: the Latin words 246 Besprechungen - Comptes rendus
