Vox Romanica
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0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
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Kristol De StefaniJürgen Lang/Ingrid Neumann-Holzschuh (ed.), Reanalyse und Grammatikalisierung in den romanischen Sprachen, Tübingen (Niemeyer) 1999, viii + 209 p. (Linguistische Arbeiten 410)
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Edeltraud Werner
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discussed are listed on p. 476-88 (strangely under the headings «Latin» and «Late Latin»; why not «Classical Latin» and «Late Latin»? ), the Romance words p. 489-574. The author has gone through Jaberg/ Jud, Sprach- und Sachatlas Italiens und der Südschweiz, but could only find 11 past participles in it (3). One disadvantage is that the reader has to get used to several new termes, e.g. rhizotonic stressed on the root , arrhizotonic stressed after the root (7). The most interesting result of the investigation, highlighted in the Synopsis p. 333ss., is «a drift across Romania toward clearer marking of past participles, a drift swelling through the centuries and swelling toward the west»; cf. p. 353 «the number of major types of past participle in Spanish and Portuguese has been reduced to two, from -ñtu and -ìtu». Non omnia possumus omnes. Despite the author’s great learning there are gaps in his knowledge of Latin philology, and now and then one is struck by a sloppy formulation. P. 6: «In Latin, stress could fall on the last syllable or ultima, on the second-to-last syllable or penult, or on the third-from-last syllable or antepenult». In latin, there is never a stress on the ultima except in monosyllabic words. P. 9: «How were past participles devised for verbs that had lacked them, and how were they devised? » The repetition of the same question makes this nonsensical. P. 11s.: «Over the centuries, but especially in Late Latin and Proto-Romance times, there appears to have been interplay between two competing tendencies: forces of tradition tended to preserve archaic types of past-participial formation, especially high-frequency ones, while analogical reshapings tended to move most past participles into more transparent classes». The same tendencies are at work at all languages at all times. P. 33: «one may confidently identify the analytic phrase sit consumptus as a present-tense passive for CL synthetic consumitur». Sit consumptus is subjunctive, and the analytic equivalent is consumatur. P. 46 N6: The Itinerarium Egeriae should certainly not be quoted according to B ECHTEL ’s outdated 1902 edition, but according to the edition by O. P RINZ (1960) or that by M ARAVAL (1982). P. 47: The Mulomedicina Chironis is not a «a translation by Vegetius of a Greek handbook». It is anonymous («de qua Claudius Hermeros quidam quodam modo, sive vertendo sive colligendo sive retractando, meritus est» according to Thesaurus linguae Latinae, Index librorum, p. 50); Vegetius has written his own Digesta artis mulomedicinae in which he used Mulomedicina Chironis and normalized its vulgar Latin. P. 55: Concerning the homonomy and semantic development of quaerere and queri see P ULGRAM , «lat. quaerere und queri», Eranos 77 (1979): 157ss.; also Smaragdus’ grammar Liber in partibus Donati 9 T, 1216 (Corp. Christ. Cont. Med. 68: 153): queror de querela et queror de questione (under the rubric De illis diversis, qui unum praeteritum habent). B. Löfstedt ★ Jürgen Lang/ Ingrid Neumann-Holzschuh (ed.), Reanalyse und Grammatikalisierung in den romanischen Sprachen, Tübingen (Niemeyer) 1999, viii + 209 p. (Linguistische Arbeiten 410) Der Sammelband enthält eine Auswahl der Beiträge aus der Sektion «Zwischen Lexikon und Grammatik. Reanalyse in den Romanischen Sprachen», die 1997 anlässlich des Romanistentages Romania I in Jena gehalten wurden. Daß der Sektionstitel nicht einfach als Bandtitel übernommen wurde, resultiert aus den Ergebnissen der Diskussionen in der 247 Besprechungen - Comptes rendus Sektion selbst und ist eine Entscheidung der Herausgeber, die durchaus als sachdienlich angesehen werden kann, erreicht der Band doch aus dieser verlagerten Perspektivierung einen recht hohen Grad an Geschlossenheit. Der Band umfasst elf Beiträge zuzüglich einer Einführung der Herausgeber: J. Lang/ Ingrid Neumann-Holzschuh, «Reanalyse und Grammatikalisierung. Zur Einführung in diesen Band» (1-17); R. Waltereit, «Reanalyse als metonymischer Prozeß» (19-29); U. Detges, «Wie entsteht Grammatik? Kognitive und pragmatische Determinanten der Grammatikalisierung von Tempusmarkern» (31-52); G.A. Kaiser, «Sprachwandel durch Reanalyse und Parameterwechsel. Kritische Betrachtungen generativer Sprachwandeltheorien am Beispiel der Entwicklung der Verbstellung im Französischen» (53-73); Julia Mitko, «Zur Herausbildung einer formalen Aspektopposition auf der temporalen Nullstufe: être en train de + Infinitiv als teilgrammatikalisierte Verlaufsform des Gegenwartsfranzösischen» (75- 95); Barbara Schäfer-Prieß, «Lateinische und romanische Periphrasen mit haben und Infinitiv: zwischen Obligation , Futur und Vermutung (97-109); Th. Krefeld, «Agens mit Leib und Seele. Zur Grammatikalisierung romanischer Adverbbildungen» (111-27); Elisabeth Stark, «Französische Voranstellungsstrukturen - Grammatikalisierung oder universale Diskursstrategien? » (129-46); Cl.D. Pusch, «Reanalyse von Spaltsatzkonstruktionen und grammatikalisierte Prädikationsexplizierung. Zur Entwicklung des que im Gaskognischen» (147-59); Angela Schrott, « Nous aurons entendu cela . Temporalität und Modalität - zur Dynamik der Kategorienorganisation beim futur antérieur» (161-86); D. Véronique, «L’émergence de catégories grammaticales dans les langues créoles: grammaticalisation et réanalyse» (187-209). Bedauerlicherweise fehlt der Beitrag von M. Haspelmath, der einen festen Bezugspunkt in fast allen Aufsätzen darstellt, da er anderweitig publiziert wurde 1 . In ihrer Einführung in den Band zeichnen die Herausgeber den Stellenwert von Grammatikalisierung und Reanalyse in ihrer Bedeutung für die romanistische Sprachwissenschaft nach. Im Kontext des Sprachwandels hat sich zumindest das Konzept der Grammatikalisierung in der Romanistik bereits seit längerem etabliert, wohingegen die Reanalyse in diesem Zusammenhang noch ihrer genauen Bestimmung bedürfe. Es wird dabei offen plädiert für eine je eigene Begriffsbestimmung, die es vermeidet, die beiden Begrifflichkeiten in eine zu verschmelzen. Daß man dies zurecht postuliert, zeigen einmal ein Blick auf die formalen Assoziationsketten, die von den beiden Einheiten ausgelöst werden, und zum anderen auch die einzelnen Beiträge, die - in welcher Weise auch immer - bemüht sind, Grammatikalisierung und Reanalyse als zwei Schritte unterschiedlicher Notwendigkeit im Sprachwandelprozeß herauszulösen. Daß die Thematik im Fluß ist und noch keinen allgemeinen Konsensstatus gefunden hat, macht das Verdienst des Sammelbandes umso größer. Und auch die Herausgeber präsentieren ihr eigenes Verständnis zur Problematik, welches nicht immer deckungsgleich mit den in den anderen Beiträgen gelieferten Sichten ist. Während die Reanalyse als Reinterpretation des Verhältnisses von Ausdrucksseite und Gesamtsinn einer Äußerung gesehen wird, betreffe die Grammatikalisierung einen fortschreitenden, zeichenbezogenen und nicht nur auf die Inhalte reduzierbaren Prozeß. Reanalyse sei dabei immer Voraussetzung für eine Grammatikaliesierung neuer Abhängigkeitsbezüge (cf. je vais faire mes courses: je - vais - faire mes courses je - vais faire - mes courses, und dann auch je - vais rester), allerdings muß nicht jede Reanalyse auch einen Grammatikalisierungsprozeß auslösen. Die Reanalyse bestehe in der Zuordnung eines neuen ordre structural zu einem vorgegebenen ordre linéaire bzw. derjenigen einer neuen 248 Besprechungen - Comptes rendus 1 M. Haspelmath, «Does grammaticalization need reanalysis? », Studies in Language (1998) 22: 49-85. underlying structure zu einer Oberfläche (Harris/ Campbell). Wichtig ist, dass es hierbei nicht um zwei etablierte Lesarten einer Oberfläche geht, sondern um das Hinzufügen einer neuen Lesart, die in einer Synchronie nicht vorhanden war. Erst aus dieser Perspektive wird die Reanalyse zu einem Beschreibungsinstrument auch für die Sprachwandelforschung. Reanalyse wird dabei - vor der Usualisierung der neuen Inhaltsstruktur - primär hörerseitig lokalisiert, der Hörer wird zum Kristallisationspunkt für die Neuinterpretation der einer Ausdrucksstruktur zugrundeliegenden Inhaltsstruktur. Was das Verhältnis von Reanalyse und Grammatikalisierung angeht, so werden beide Phänomene getrennten Ebenen zugewiesen: Während die Reanalyse parole-fundiert erscheint, wird die Grammatikalisierung als potentielles Resultat derselben der langue-Ebene zugewiesen. Richard Waltereit, «Reanalyse als metonymischer Prozeß», arbeitet zunächst die Polysemie auf, die den Begriff der Reanalyse seit seinem Aufkommen als terminus technicus der Sprachwandelforschung charakterisiert. Zwei Grundthesen zur sprachlichen und zur psychologischen Fundierung der Reanalyse werden kritisch beleuchtet: 1. Reanalyse basiere auf einer ambigen syntaktischen Ausgangsstruktur (Haspelmath, Harris/ Campbell) und 2. Reanalyse beruhe auf einem Übertragungsfehler beim Spracherwerb (Timberlake, Hopper/ Traugott). Beides wird zurückgewiesen. Die ambige syntaktische Struktur sei in Wirklichkeit Ergebnis und nicht Ausgangspunkt der Reanalyse. Und Auslöser sei nicht das syntaktische Missverständnis eines Kindes in der Spracherwerbsphase, sondern vielmehr eine hörerseitige Innovation, die in der Dekodierung einer vom Sprecher nicht intendierten, aber aufgrund des Inferenzpotentials naheliegenden Struktur, die usualisiert wird, zu sehen sei. Die Reanalyse ist dabei nicht an einzelne Sätze angebunden, sondern betrifft Konstruktionstypen. Aufgrund des Postulats der semantischen Kontiguität von alter und innovativer Lesart, rückt Verf. die Reanalyse in die Nähe des metonymischen Bedeutungswandels im lexikalischen Bereich (cf. Blank) und vollzieht in einer sorgfältigen Analyse eine saubere Abgrenzung zwischen metonymischem Bedeutungswandel (beruhend auf einer Kontiguität einzelner Konzepte, manifest in «Wörtern»), Reanalyse (beruhend auf einer Kontiguität von Sachverhaltstypen, manifest in Konstruktionen mit der Folge einer Veränderung syntaktischer Abhängigkeiten) und metonymischem Wandel semantischer Aktantenrollen (beruhend auf einer Neuinterpretation der Aktantenrolle ohne Konsequenzen im Bereich der syntaktischen Abhängigkeitsstruktur). Die Argumentation ist überzeugend und stellt ein handhabbares Raster von Sprachwandeltypen zur Verfügung, das es gestattet, Sprachwandel für den herausgelösten Bereich plausibel zu klassifizieren. Dem zweiten großen Themenbereich, der Grammatikalisierung, ist der Beitrag von Ulrich Detges, «Wie entsteht Grammatik? Kognitive und pragmatische Determinanten der Grammatikalisierung von Tempusmarkern», gewidmet. Ausgehend von der Feststellung, daß Grammatikalisierung immer gerichtet ist, nämlich von lexematischen Vollwörtern verlaufend zu unselbständigen Einheiten mit deiktischer oder grammatisch-relationaler Bedeutung, wird nach denjenigen semantischen Mechanismen gesucht, die diesem Wandel zugrunde liegen. Dabei werden bleaching, d. h. zunehmende semantische Entleerung, und metaphorische Abstraktion als Erklärungsmodelle für Grammatikalisierung plausibel abgelehnt. Die Erklärung liege vielmehr in der Metonymie, die denjenigen semantischen Mechanismus darstelle, der für die umrissene Grammatikalisierung verantwortlich sei. Metonymie beruhe auf der assoziativ wahrgenommenen Kontiguität von Designaten sprachlicher Zeichen, also zunächst einmal im außersprachlichen Bereich. Verf. geht davon aus, daß Designate in sog. frames, d. h. in stabilen konzeptuellen Zusammenhängen, organisiert sind, und das, was die Elemente eines frame zusammen halte, sei eben die Kontiguität. Metonymie meint nun die Verschiebung der Bedeutung eines Zeichens dergestalt, daß an Stelle des bisherigen Designats ein anderes, kontiges trete (36). Metonymie ist damit ein Figur-Grund-Effekt innerhalb eines frame, durch den bewirkt wird, daß aus konzep- 249 Besprechungen - Comptes rendus tuellen, pragmatischen oder emotionalen Gründen ein Hintergrundkonzept in den Vordergrund rückt, so daß Figur und Grund ausgetauscht werden. Dies sei etwa geschehen bei der Herausbildung des romanischen Passivs (cf. lat. hic murus bene constructus est diese Mauer ist gut gebaut diese Mauer ist gut gebaut worden ), bei dem die Bedeutung gegenwärtiges Resultat metonymisch umgedeutet wurde in zurückliegender Vorgang . Der gleiche Mechanismus wird dann anhand derjenigen Bewegungsverben nachvollzogen, die metonymisch temporal umgedeutet wurden; das sind im Verlaufe der Geschichte der fr. Sprache aller, s’en aller und venir, bei denen das Figurmerkmal Ziel metonymisch umgedeutet worden sei zunächst in Absicht und dann in Zukunft , welche quantitativ mehr und mehr in den Vordergrund rückten. Bewegung im Raum wird umgedeutet zu Bewegung in der Zeit, die bereits in ersterer inferiert, impliziert, ist, dort allerdings dem Bereich des Grunds angehört. Vor diesem Hintergrund wird dann die Instabilität von Futursystemen in den romanischen Sprachen erklärt. Georg A. Kaiser, «Sprachwandel durch Reanalyse und Parameterwechsel», verfolgt Reanalyseprozesse aus der Perspektive generativer Sprachwandeltheorien anhand des Wandels des Französischen zu einer Nicht-Verb-Zweit-Sprache. In einer Kritik dieses Ansatzes gelangt er letztendlich zu einer Ablehnung der dort formulierten Annahme einer Abfolge «Reanalyse» - «Parameterwechsel». Julia Mitko, «Zur Herausbildung einer formalen Aspektopposition auf der temporalen Nullstufe: être en train de + Infinitiv», macht sich in ihrer sorgfältigen Studie auf die Suche nach aspektuellen Ausdrucksmitteln im Bereich der temporalen Nullstufe, die analog funktionieren wie etwa im Vergangenheitsbereich imparfait und passé simple bzw. passé composé, und findet ein solches in der Wendung être en train de + Infinitiv als teilgrammatikalisiertes Verfahren zum Ausdruck aspektueller Teilbedeutungen (Verlaufsform). Aspekt wird als deiktische Kategorie geführt, die eine räumliche Dimension etabliere und zwar in derselben Weise, wie dies Tempus in der zeitlichen Dimension tue. Die Problematik um eine Zuordnung des Aspekts zur Deixis soll hier nicht aufgegriffen werden. Gerold Hilty hat hierzu in den 60er Jahren bereits das Notwendige gesagt. Grammatikalisierung wird hier eher im traditionellen Sinne verstanden, d. h. als Übergang von der lexikalischen zur grammatikalischen Bedeutung, die sich in Kombinationsmustern manifestiert, die bei rein lexikalischer Implikatur nicht möglich wären. Barbara Schäfer-Prieß, «Lateinische und romanische Periphrasen mit haben und Infinitiv: zwischen Obligation , Futur und Vermutung », verfolgt die verschiedenen Möglichkeiten der Futurbildung in den romanischen Sprachen und zeichnet die Grammatikalisierung der Werte Obligation (prototypisch in habere ad manifest) und daraus resultierend Futur ausgehend von der Bedeutung Besitz bei Bildungen mit ursprünglich lat. habere vor (+/ - präpositionalem) Infinitiv nach. Das Hervorgehen der futurischen Bedeutung aus der obligativen sei gerade bei dem Muster cantare habeo, also mit dem Infinitiv nachgestelltem habere, nicht so ohne weiteres nachvollziehbar. Für Verf. ließe sich das Problem allerdings umgehen, wenn man habere hier nicht deontisch, sondern im Sinne von vorhaben interpretierte, dann sei der Weg zu Zukunft wieder gangbar. Dahingegen ist der Weg Obligation Futur ein universell gesehen recht geläufiger Entwicklungsweg. Ähnliches gilt für die konjekturale Bedeutung, die durch Futurformen in den romanischen Sprachen in unterschiedlicher Dichte ausgedrückt werden könne: Vermutung kann dabei sowohl aus Obligation als auch aus Zukunft resultieren - eine Möglichkeit, die im sp. tener que + Infinitiv problemlos leistbar sei, die im fr. avoir à + Inf. jedoch defizitär sei. Thomas Krefeld, «Agens mit Leib und Seele. Zur Grammatikalisierung romanischer Adverbbildungen», nimmt in einem innovativen Beitrag die semantisch, morphologisch und funktionell überaus heterogene «Klasse» der Adverbien unter die Lupe, die so vielfäl- 250 Besprechungen - Comptes rendus tiges enthalte, daß es kaum zu rechtfertigen sei, sie unter einem Etikett abzulegen. Um die Verhältnisse in den romanischen Sprachen in das rechte Licht zu rücken, wird zunächst der Polymorphie des Adverbs im Lateinischen ein eigenes Kapitel gewidmet, welche allerdings keine Spuren in den romanischen Sprachen hinterlassen habe. Eine Kontinuität bestehe nur bei einigen wenigen primären Adverbien, ansonsten entsteht ein neuer synthetischer Typ der Adverbbildung, zumindest in der Westromania und in Mittelitalien (Bildungen auf -ment[e]), für den es erste Belege bereits in der klat. Literatur gibt. Da sich der Übergang von der freien syntaktischen Fügung zum Affix in historischer Zeit vollzieht, gehören die -mente-Adverbien zu den bevorzugten Beispielen der Grammatikalisierungsforschung, wenn ihre Behandlung dort auch nur rudimentär erfolgt. Krefeld legt den Finger zielsicher auf die wunden Punkte der Behandlung dort und zeigt, daß der Ursprung der -mente-Adverbien die Inzidenz auf eine Aktanzbeziehung (zwischen Verb und Erstaktanten) leiste. Damit sei ein Adverbtyp entstanden, der im Lateinischen unbekannt war. Erst im Laufe der Zeit sei dieser Typ in die Funktionen der traditionellen lat. Adverbien sozusagen hineingerutscht, d. h. in deren Sinne grammatikalisiert worden. Als zweiter Bildungtyp wird die für das Italienische typische Bildung auf -oni betrachtet (cf. a tastoni), die syntaktisch v. a. auf Substantive in Aktantenfunktion (Rolle Agens ) spezialisiert sei, also im Prinzip genau wie die -mente-Adverbien. Allerdings seien -oni-Adverbbildungen nie als Satzadverbien nutzbar. Ergänzt werden die Betrachtungen durch Einbeziehen der rum. Adverbien auf -is¸. Auch hier gehört die Agentativität zum semantischen Kernbereich des Adverbs. Seine Untersuchungen führen Verf. schließlich zu generellen typologischen Konstatierungen, die über den Adverbialbereich hinausführen in den Bereich der Auxiliarisierung von habere, sedere, tenere oder von volere und debere etwa für die Futurbildung oder in den des präpositionalen Akkusativs. Überall zeige sich eine Agensorientierung, die im Lateinischen in dieser Weise nicht anzutreffen sei. Elisabeth Stark, «Französische Voranstellungsstrukturen - Grammatikalisierung oder universale Diskursstrategien? », widmet sich einem Phänomen des Sprachwandels im syntaktischen Bereich, das gleichzeitig auch als rein synchronisches Phänomen in der Diskursdispositionierung im Rahmen der Topikalisierung betrachtet werden könne. Claus D. Pusch, «Reanalyse von Spaltsatzkonstruktionen und grammatikalisierte Prädikationsexplizierung», stellt die Entwicklung des Enunziativs que im Gaskognischen in den Mittelpunkt und liefert somit ein Fallbeispiel für das Zusammenspiel von Grammatikalisierung und Reanalyse. Angela Schrotts «Nous aurons entendu cela. Temporalität und Modalität - zur Dynamik der Kategorienorganisation beim futur antérieur» stellt einen synchronischen Beitrag zum Verhältnis von Futur und Grammatikalisierung dar, in dem das Konzept der Grammatikalisierung aus der historischen in eine systematische Dimension verlagert wird. Als ideales Demonstrationsfeld wird das futur antérieur angesehen, bei dem sowohl temporale als auch modale Werte kopräsent sind. Untersucht werden die Modalitäten des Übergangs bzw. der Umdeutung von erstem zu letzterem. Die Polyfunktionalität des futur antérieur wird dabei als Momentaufnahme einer Entwicklung begriffen, deren möglicher weiterer Verlauf prinzipiell, wenn auch nicht in concreto in der betrachteten Synchronie angelegt sei. Allerdings scheint es Rez. nicht unproblematisch, den Wert des accompli bei temporaler Nutzung als Aspekt zu beschreiben. Vielmehr liegt hier ein Aktionsstand vor, der das Verbalgeschehen zu einem bestimmten Zeitpunkt als abgeschlossen oder als nicht abgeschlossen präsentiert. Der Aktionsstand hat nichts mit einer Betrachterperspektive, wie sie für den Aspekt relevant wird, zu tun. Und gerade der Aktionsstand des accompli ist es denn auch, der die modale Umdeutung ermöglicht: nur etwas, das als vollendet vorgestellt ist, kann in seiner Gesamtheit modalisiert und gegebenenfalls auch in Frage gestellt bzw. retrospektiv beurteilt werden - und das ist ja die modal-pragmatische Leistung des nicht mehr 251 Besprechungen - Comptes rendus primär temporal genutzten futur antérieur. Bei einer solchen Deutung läge eindeutig eine metonymische und keine metaphorische Umdeutung vor. Daniel Véronique, «L’émergence de catégories grammaticales dans les langues créoles: grammaticalisation et réanalyse», korreliert sozusagen Kreolisierung und Grammatikalisierung. Expliziert wird dies an den schon prototypischen Bereichen für solche Untersuchungen, nämlich der Entwicklung aspektueller, temporaler und modaler prädikativer Marker einiger fr. Kreolsprachen, wie z. B. te/ ti être/ été (a), pu pour/ être pour und alé/ va aller/ va, die Nachzeitigkeit/ Futur ausdrücken, sowie der modalen Auxiliarien. Insgesamt gesehen darf der Sammelband als geglückt angesehen werden. Er liefert keineswegs nur eine Buchbindereinheit divergierender Kongreßbeiträge, sondern kann als fundierter Überblick zu den Bereichen Reanalyse und Grammatikalisierung gesehen werden, der zudem noch zahlreiche Einzelanwendungen auf romanische Sprachen liefert, die das Erklärungspotential der beiden Verfahren illustrieren. So ist ein Band entstanden, der zur Diskussion einlädt. Die Herausgeber sind für ihre Entscheidung, die Tagungsbeiträge in dieser Weise zu bündeln, zu beglückwünschen. Edeltraud Werner ★ Andreas Blank, Prinzipien des lexikalischen Bedeutungswandels am Beispiel der romanischen Sprachen, Tübingen (Niemeyer) 1997, 533 p. (Beih.ZRPh. 285) Die hier anzuzeigende Publikation halte ich für das wichtigste Buch, das in den letzten zehn Jahren über Probleme der lexikalischen Semantik veröffentlicht worden ist. In dieses positive Urteil mischt sich tiefe Trauer. Andreas Blank ist im Januar 2001 einer heimtückischen Krankheit erlegen. So wird die Habilitationsschrift über den Bedeutungswandel der letzte grosse Forschungsbeitrag dieses hochbegabten Romanisten und Linguisten bleiben. Das Werk ist sehr breit angelegt. In einem Wissenschaftsgeschichtlichen Rückblick (7-46) zeichnet der Verfasser in klaren Strichen die Versuche nach, den Bedeutungswandel zu beschreiben und zu deuten. Die Darstellung reicht von Cicero bis Stephen Ullmann. Dessen 1962 in erster Auflage erschienenes Buch Semantics. An Introduction to the Science of Meaning (2. Auflage 1964) betrachtet Blank gewissermassen als state-of-the-art der Theorie des Bedeutungswandels, als umfassenden Entwurf, der Ausgangspunkt für alle weiteren Überlegungen zum Bedeutungswandel sein müsse und auch von jenen Forschern als solcher betrachtet worden sei, die Ullmann seither kritisiert haben, nicht ohne ihm im übrigen Anerkennung zu zollen. Auf die historische Einleitung folgt ein Kapitel zum Problem der Bedeutung (47-102), auf das ich im zweiten Teil dieser Besprechung eingehen werde. Die zwei Kapitel Wesen und Prozess des Bedeutungswandels (103-30) und Psychologische Grundlagen des Bedeutungswandels (131-56) leiten über zum fünften Kapitel, in dem auf fast 200 Seiten Die Verfahren des Bedeutungswandels untersucht werden (157-344). Nach Blank beruhen alle Formen des Bedeutungswandels auf bestimmten gedanklichen Assoziationen. Grundlagen für diese sind Similarität, Kontrast und Kontiguität. Die Similarität kann aussersprachlich oder sprachlich sein, und wenn sprachlich, dann inhaltlich oder formal. Der Kontrast kann aussersprachlich oder sprachlich-inhaltlich sein. Die Kontiguität schliesslich ist aussersprachlich oder sprachlich-syntagmatisch. Aus diesen verschiedenen Möglichkeiten ergeben sich für Blank 13 zu belegende Verfahren des Bedeutungswandels. Ich liste diese Verfahren im folgenden auf und illustriere jedes Verfahren mit einem der zitierten Beispiele. 252 Besprechungen - Comptes rendus
