eJournals Vox Romanica 60/1

Vox Romanica
vox
0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2001
601 Kristol De Stefani

Giuliana Fiorentino, Relativa debole. Sintassi, uso, storia in italiano, Milano (Franco Angeli) 1999, 201 p. (Materiali Linguistici. Collana a cura dell’Università di Pavia, Dipartimento di Linguistica)

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2001
Sabine  Schwarze
vox6010284
Damit gelingt es der Autorin, die im Eingangskapitel beschriebenen Leistungen einer auf die Interaktion der Sprecher ausgerichteten Konversationsanalyse an ihrem Material eindrucksvoll aufzuzeigen. Barbara Frank-Job ★ Giuliana Fiorentino, Relativa debole. Sintassi, uso, storia in italiano, Milano (Franco Angeli) 1999, 201 p. (Materiali Linguistici. Collana a cura dell’Università di Pavia, Dipartimento di Linguistica) Unter dem Etikett «schwache Relativsätze» stellt Giuliana Fiorentino Konstruktionen in den Mittelpunkt ihrer syntaxtheoretischen Untersuchung, die heute besonders in der gesprochenen Sprache der Romania zunehmend produktiv sind. Gemeint sind Relativsätze, die anstelle eines Relativpronomens von einer unveränderlichen Partikel (it. che, fr. que, sp. que) eingeleitet werden, die in den jeweiligen Sprachen daneben die Funktion einer Subordinationskonjunktion haben kann (Bsp.: it. . . . questa è una famiglia bella completa ricca che [in cui] andiamo d’amore e d’accordo con l’onestà . . . [15]). Fiorentino geht von der Prämisse aus, dass es sich bei den Relativsätzen um einen instabilen und damit variablen Bereich der romanischen Syntax handelt, der in den großen romanischen Sprachen (Französisch, Spanisch und Italienisch) ganz ähnliche Entwicklungstendenzen durchläuft, woraus sie eine in der syntaxtheoretischen Forschung bisher nicht vorhandene Sichtbreite auf das Phänomen ableitet. Neben dem diachronen und komparatistischen Aspekt streift die Arbeit einen soziolinguistischen Beschreibungsansatz, der im Gebrauch dieser Konstruktionen die Wirkung von Faktoren erkennen lässt, die auf die verschiedenen Achsen der diamesischen, diaphasischen und diastratischen Varietät zurückzuführen sind. Es handelt sich bei der Arbeit um die monographische Aufbereitung der tesi di dottorato aus dem Jahr 1994, deren Ergebnisse auszugsweise bereits in mehreren Aufsätzen veröffentlicht wurden, die in der hier vorliegenden Komplexität den theoretisch-methodischen Ansatz für die Korpusanalyse nachvollziehbar machen soll. Fiorentinos Ansatz geht deduktiv von einer theoretischen Modellierung der Relativsätze (clausole relative - im folgenden CR) aus, die in drei empirisch ausgerichteten Kapiteln zunächst auf einen diachronen Abriss der Relativsatzkonstruktionen vom Lateinischen bis zu den romanischen Sprachen und danach auf die italienische, französische und spanische Sprache angewandt wird. Ein Schlusskapitel systematisiert die empirisch gewonnenen Daten und evaluiert die Ergebnisse. Obwohl der Akzent offensichtlich auf dem Italienischen liegt (gemessen am Kapitelumfang - 60 Seiten im Vergleich zu 20 bis 30 Seiten der anderen Kapitel), wäre ein Hinweis auf die inhaltliche Breite auch in einem entsprechenden Untertitel wünschenswert gewesen. Das Korpusmaterial bezieht Verfasserin aus Manuskripten und edierten lateinischen Texten mit verstärktem Anteil vulgärlateinischer Elemente sowie aus aktuellen veröffentlichten und unveröffentlichten universitären Korpora zur gesprochenen Sprache und Mediensprache in der Romania (Italien LIP, Frankreich Corpus Aixen-Provence, Corpus Paris, Spanien Corpus Madrid). Diese Korpusauswahl folgt der These einer verstärkten typologischen Variation der CR in der Mündlichkeit und in Varietäten außerhalb der Literatursprache (im Modell der Verfasserin als Standardsprache im engeren Sinn). Kapitel 1, Questioni teoriche e metodologiche (13-41), geht der Differenziertheit der Relativsatzkonstruktionen entsprechend von einer weiten Definition aus und erfasst als CR mit Givón «subordinate clauses embedded - as noun modifiers - inside noun phrase. Functionally, they partake in the grammar of anaphoric reference and referential iden- 284 Besprechungen - Comptes rendus tification» 1 . Damit wird die Koreferenz von je einem Element in Haupt- und Nebensatz als notwendige Bedingung fixiert und die formale Realisierung nicht prinzipiell eingegrenzt. Fiorentino geht von drei Grundformen mit steigender morphologischer Gewichtung aus: Relativsätze mit che ohne pronominale Wiederaufnahme, Relativsätze mit che und pronominaler Wiederaufnahme des Antezedens (pleonastische CR) und Relativsätze mit Relativpronomen (cui, il quale), denen sie auf funktionaler Ebene drei Strategien der Relativierung zuordnet (gap-Strategie, Strategie des anaphorischen Pronomens, Strategie des Relativpronomens 2 ). Im typologischen Paradigma stehen somit Relativsätze mit Relativpronomen als funktionale Äquivalente neben anderen Relativsatzkonstruktionen, wodurch die durchaus nicht eindeutige Unterscheidung von normativen und nicht-normativen Lösungen umgangen werden kann. So verdeutlicht die Synopse, CR restrittiva standard e substandard in italiano (23), dass Relativsätze ohne Relativpronomen sich nicht auf den Substandardbereich beschränken. Mit Blanche-Benveniste 3 charakterisiert Fiorentino dieses Paradigma der CR als ein sistema tipologico non puro. Davon ausgehend sucht die Autorin nach Kriterien für die Wahl des Relativsatztyps, wobei sie zunächst für das Italienische deren Abhängigkeit von der syntaktischen Funktion des Antezedens überprüft (gerarchia di accessibilità alla relativizzazione nach Keenan/ Comrie). Für den Bereich der Standardsprache findet diese weitgehend Bestätigung, im Falle der CR mit pronominaler Wiederaufnahme spielen dann aber offensichtlich semantische Faktoren eine größere Rolle (Bsp.: Im Possessiv wird auf das Possessivadjektiv bei Personenbezeichnungen zurückgegriffen). Als weitere Erklärungsmatrix wird der Ansatz der Government-and-Binding-Theorie auf seine Brauchbarkeit für eine umfassende Beschreibung der Relativsätze untersucht, den bereits Cinque 4 ausgehend von der Existenz verschiedener stilistischer Varianten (ordinarie/ marcate) auf die italienischen CR angewandt und dabei für Standard und Substandard unterschiedliche Generierungsverfahren der CR ermittelt hat. Der Wert dieses Ansatzes bestehe v. a. im Nachweis, dass den verschiedenen Relativsatztypen die gleiche Strategie zugrunde liege. Aufgrund der Beschränkung auf syntaktische Kriterien stoße jedoch auch dieser Ansatz an Grenzen (in diesem Fall bei der Beschreibung der CR mit che ohne pronominale Wiederaufnahme). Fiorentino schlägt nun ein eigenes Beschreibungsraster vor, dem sowohl syntaktische als auch semantische Parameter zugrunde liegen (die Kriterien sind dabei nicht sprachspezifisch gewählt und lassen sich so theoretisch auch auf nicht-romanische Sprachen anwenden (z. B. die Voranstellung des Relativsatzes, die in romanischen Sprachen nicht vorkommt): a) syntaktische Funktion des relativierten Satzgliedes in der CR (die Autorin unterscheidet Subjekt, Objekt und Obliquus [in inhaltlicher Anlehnung an Tesnières Begriff der Zirkumstanten]), b) +/ - Vorhandensein eines Wiederaufnahmeelements (klitisches Pronomen, Possessivadjektiv, Pronominalpartikel, Präposition), c) CR restrittive/ appositive, d) Stellung der CR bezüglich des Antezedens (CR anteposta, CR incassata, CR posposta), 285 Besprechungen - Comptes rendus 1 T. Givón, Syntax, Amsterdam/ Philadelphia 1990: 645. 2 Cf. B. Comrie, Universali del linguaggio e tipologia linguistica, Bologna 1983 [ 1 1981]. 3 Cf. Claire Blanche-Benveniste, «Usages normatifs et non normatifs dans les relatives en français, en espagnol et en portugais», in: J. Bechert et al. (ed.), Towards a Typology of European Languages. Empirical Approaches to Language Typology, Berlin 1990: 317-35. 4 Cf. G. Cinque, «La frase relativa», in: L. Renzi (ed.), Grande grammatica italiana di consultazione, vol. 1, Bologna 1988: 443-503. e) Analyse des Antezedens nach syntaktischen und semantischen Kriterien (syntaktische Kategorie; belebt/ unbelebt; syntaktische Funktion), f) Beziehung zwischen Antezedens und dem Verbalsyntagma der CR (obligatorische oder fakultative Bestandteile der Verbvalenz). Mit der Verbvalenz (die allerdings in der Korpusanalyse nur sporadisch aufgegriffen wird) bringt Fiorentino einen Grundgedanken der strukturalistischen Syntax Tesnièrescher Prägung in die Beschreibung ein, die in der neueren syntaxtheoretischen Forschung Italiens auf wachsendes Interesse zu stoßen scheint. Die Notwendigkeit einer gesonderten Betrachtung leitet Fiorentino aus der relativ hohen Alternanz von Relativsätzen mit che und Relativpronomen im Bereich der Zirkumstanten in Standardrealisierungen ab. Diese beschränke sich nicht auf den Bereich der Temporalbestimmungen, sondern finde auch in anderen complementi obliqui eine relativ große Akzeptanz. Die Autorin stützt sich dabei auf eine empirische Studie von Larsson 5 , die ihr Korpusmaterial sowohl aus dem literarischen Bereich als auch aus aktuellen Tages- und Wochenzeitungen bezieht. Hier wäre zumindest eine problematisierende Reflexion über die Funktion der aktuellen italienischen Pressesprache als Maßstab für die Standardsprache angebracht. Kapitel 2, La clausola relativa dal latino alle lingue romanze (42-65), verfolgt die Herausbildung des für die romanischen Sprachen typischen Mischparadigmas der Relativsatzkonstruktionen zurück bis zum Latein. Es zeigt sich in der Tat, dass die CR deboli zunächst in der Alltagssprache (lingua d’uso quotidiano) entstehen und im Spätlatein als Folge der Abschwächung des Relativpronomens und der Grammatikalisierung einer unveränderlichen Partikel che gebraucht werden. Die morphologische Entwicklung des Relativpronomens über eine Reduktion der formalen Vielfalt (colasso della morfosintassi) zu einem Dreierparadigma (qui/ que[m]/ cui) verfolgt Abschnitt 2.3. Dabei wird die Herausbildung eines universellen Relativpronomens / ke/ parallel zur Bildung einer universellen Subordinationskonjunktion quod herausgestellt, die in den romanischen Sprachen zunächst zu it. che, fr. que, sp. que führt (später Basis für die Herausbildung eines semantisch spezifizierten Konjunktionsparadigmas). Redundanzphänomene in Form von pleonastischen CR (Relativpronomen + pronominale Wiederaufnahme, cf. 1.2) parallel zu CR debole mit pronominaler Wiederaufnahme lassen sich schon bei Plautus und in lateinischen Bibelübersetzungen nachweisen (2.4). Ausführlich wird der Ansatz von Touratier 6 vorgeführt, der im Ergebnis seiner Analysen die These aufstellt, dass es sich bei diesen Formen nicht, wie vielfach angenommen, um Entlehnungen aus dem Griechischen, sondern vielmehr um Vulgarismen des latino popolare handelt, die in einigen Varietäten immer existiert haben. Der Leser erwartet nun, dass Fiorentino anhand eigener Textanalysen (2.5 bis 2.7) diese These verfolgt. Leider nennt sie nur einzelne wenige Beispiele (Satyricon: Cena Trimalchionis), die kaum näher hinterfragt werden. Ohne zu prinzipiell neuen Ergebnissen zu kommen wie Andeutungen (5) hatten erwarten lassen, stellt die Autorin in einer Synopse (64) die Paradigmen in Sprechlatein-Spätlatein-Italienisch gegenüber und formuliert folgende Ergebnisse: (a) pleonastische CR seien einerseits im Gebrauch emphatisch markiert, andererseits als Entlehnungen des griechischen Modells ins Lateinische gekommen (wofür keine Belege angeführt werden); (b) die CR debole habe sich im Spätlatein, verbunden mit dem Kasuswegfall, als neue Form entwickelt; (c) die Entstehung des Paradigmas der Relativpronomina, die mit der Konventionalisierung eines polyvalenten che abschließe, sei 286 Besprechungen - Comptes rendus 5 Cf. L. Larsson, La sintassi dei pronomi relativi in italiano moderno. Con particolare riguardo alla concorrenza tra che e prep. + cui/ il quale nella proposizione relativa ad antecedente temporale, Upsala 1990. 6 Cf. C. Touratier, La relative. Essai de théorie syntaxique, Paris 1980. Folge der Abschwächung des Relativpronomens im Zuge der morphosyntaktischen Veränderungen der lateinischen Nominalmorphologie. Kapitel 3, La clausola relativa in italiano (66-125), behandelt auf der Grundlage von Beispielmaterial aus drei historisch versetzten sprechsprachlich geprägten Korpora (13. Jahrhundert: Novellino; 16. Jahrhundert: Pietro Aretino, La Cortigiana [1534]; 20. Jahrhundert: Textkorpus des Lessico di frequenza dell’italiano parlato [1993]) die Entwicklung der Relativsatzkonstruktionen im Italienischen und schließt mit einer varietätenlinguistischen Interpretation (112-25) ab. Die Autorin verfolgt damit das erklärte Ziel zu zeigen, dass es sich bei dem aktuellen Paradigma von Relativsatzkonstruktionen nicht um strukturelle Veränderungen der Moderne handelt, sondern um veränderte Gebrauchsbedingungen diachronisch nachweisbarer Strukturen im Zuge der Erweiterung des Kommunikationsradius der italienischen Sprache. Sie geht damit konform mit einem Ansatz, der in der italienischen Sprachwissenschaft seit der verstärkten Zuwendung zur gesprochenen Sprache zu Beginn der 90er Jahre verfolgt wird 7 . Ein Vergleich der drei Korpora (3.5) anhand einer statistischen Auswertung zeigt deutliche Veränderungen im aktuellen Sprachgebrauch in Form einer Reduktion der in den historischen Korpora prävalenten CR debole sowie einer Prävalenz von cui vor il quale, die mit einer funktionalen Modifikation von cui begründet wird. Zur Erklärung der hohen Frequenz der CR debole im Altitalienischen trotz ihrer offensichtlichen Ambiguität greift die Autorin auf nicht-syntaktische Faktoren zurück und nimmt diese als Beleg dafür, dass die Normierung der Literatursprache und die kommunikative Einschränkung des Italienischen auf den schriftsprachlichen Bereich später habe zur Selektion führen müssen, die Entwicklung also auch außersprachlichen Einflussfaktoren unterliege. Insofern macht es Sinn, ein soziolinguistisches Raster auf die Beschreibung der Distribution der Relativsatzkonstruktionen anzuwenden, was die Autorin in 3.6 auch tut. Sie geht dabei von der in der Grammatikographie üblichen Einordnung der CR debole als stereotype Form des italiano popolare aus. Das ausgewertete Korpus zur Gegenwartssprache (LIP) ermöglicht jedoch aufgrund geringer soziolinguistischer Informationen lediglich rudimentäre Aussagen zur diatopischen und diaphasischen Variation.Im Ergebnis einer statistischenAuswertung bestätigt sich eine hohe Frequenz der CR debole in den Bereichen gesprochener Sprache mit hoher Spontaneität und Informalität (conversazioni telefoniche, conversazioni faccia a faccia), wobei kaum signifikante diatopische Unterschiede feststellbar sind (dabei gilt natürlich zu beachten, dass sich das Korpusmaterial nur auf ausgewählte italienische Großstädte bezieht). Für eine diastratische Interpretation benutzt Fiorentino Korpora, deren Relevanz aufgrund ihres Umfangs und ihrer diastratischen Spezifik (zwei Extreme der diastratischen Achse: Universitätsstudenten und neapolitanische Carabinieri) sehr begrenzt ist. Die Ergebnisse bestätigen allerdings die Hypothese einer sehr eingeschränkten Variabilität in der Anwendung von Relativsatzkonstruktionen im italiano popolare zugunsten einer Verwendung von CR debole mit und ohne pronominale Wiederaufnahme. Kapitel 4, La clausola relativa nelle lingue romanze occidentali (126-59), gibt einen Einblick in das Paradigma der Relativsatzkonstruktionen im Französischen und Spanischen. Die Betrachtung geht aus von einem jeweils sehr knappen Überblick über das Paradigma der Standardsprache, um dann kontrastiv einige neuere Forschungsergebnisse zum Gebrauch der CR debole im Substandard zu resümieren. Für das moderne Französisch stützt sich Fiorentino besonders auf Arbeiten von Blanche-Benveniste und eigene Analysen von zwei umfangreichen Korpora zum gesprochenen Französisch (cf. o.), die nach ähnlichen Kriterien wie die italienischen Korpora analysiert werden. Im Vergleich zum LIP sind diese 287 Besprechungen - Comptes rendus 7 Cf. G. Berruto, «Varietà diamesiche, diastratiche, diafasiche», in: A.A. Sobrero (ed.), Introduzione all’italiano contemporaneo. La varietà e gli usi, Bari 1993: 86. Korpora allerdings wesentlich vielfältiger in der stilistischen und der Textsortenvariation. Auch wird berechtigter Weise auf die eingeschränkte Relevanz der Ergebnisse durch eine orthographische Transkription verwiesen. Im aktuellen Französisch ist der Wechsel zwischen verschiedenen Relativsatzkonstruktionen ausgeprägter als vergleichsweise im Italienischen und dehnt sich auch auf Subjekt- und Objektrelativierung aus. Proportional unterscheidet sich die Frequenz der verschiedenen Substandardrealisierungen vom Italienischen (z. B. höhere Frequenz der CR debole mit pronominaler Wiederaufnahme). Fiorentino leitet diese Unterschiede von dem größeren Formenreichtum des französischen Paradigmas und der obligatorischen Präsenz des Subjekts ab. Im Spanischen geht Fiorentino zunächst der Frage nach, ob es sich bei que in Funktion einer unveränderlichen Partikel und eines Relativpronomens um homophone und homographe Morpheme oder wie im Italienischen und Französischen um ein polyvalentes Morphem handelt. Die Frage scheint berechtigt angesichts der Tatsache, dass im Spanischen que mit Präposition und somit mit pronominalem Status auftritt, was eine völlige Abschwächung (cf. it. che, fr. que) in Frage stellen könnte. Dieser Umstand führt in der spanischen Syntaxforschung zur Interpretation einer CR debole als Auslassung der Präposition (es werden Beispiele wie die Akademiegrammatik angeführt). Fiorentino argumentiert für die Existenz eines polyvalenten konjunktionalen que parallel zu einem pronominalen que. Danach lässt sich dann auch für das Spanische der Gebrauch verschiedener Relativierungskonstruktionen als Entscheidung für Standard und Substandard interpretieren. Ähnlich wie für das Französische kommt Fiorentino in ihrer Korpusanalyse von gesprochenen Texten zu dem Ergebnis (das sich mit den Ergebnissen neuerer spanischer Studien im wesentlichen deckt), dass eine CR debole mit pronominaler Wiederaufnahme im Spanischen weitaus höher frequent ist als im Italienischen. Abweichend von den anderen Sprachen sei dagegen die Prävalenz von que gegenüber anderen Relativsatzkonstruktionen im gesprochenen Spanisch (153), für die Fiorentino eine Erklärung in der parallelen Existenz eines pronominalen Paradigmas «Präposition + que» findet, die den Gebrauch der CR debole weniger als Abweichung vom Standard erscheinen lasse. Kapitel 5, Conclusioni (160-82), fasst die Ergebnisse zusammen. Auf der diachronen Achse stellt sich die Entwicklung als Abschwächung des Relativpronomens und als Formenreduktion gegenüber dem klassischen Latein mit Herausbildung einer hochfrequenten polyvalenten complementatore und als Reorganisation des Paradigmas der Relativpronomina in den romanischen Sprachen bei Verdrängung der polyvalenten Partikel in den Substandard dar, ein Prozess, der die Existenz eines heterogenen Paradigmas von Relativsatzkonstruktionen in den modernen romanischen Sprachen bewirkt. Der nichtpronominale Charakter des polyvalenten it. che (ebenso fr. que) lasse sich über eine distributionelle Analyse verdeutlichen. Im Spanischen sei die Grammatikalisierung des Pronomens que hingegen nicht abgeschlossen, die Bildung der CR debole biete aber dennoch bereits die gleichen Möglichkeiten wie in den anderen betrachteten Sprachen. Fiorentinos Arbeit bereichert in mehrfacher Hinsicht die Syntaxforschung der romanischen Sprachen in einem Bereich, dessen Brisanz nicht zuletzt die Fülle an einschlägigen Studien in den 90er Jahren belegt. Die Grenzen bisheriger Beschreibungsmodelle können durch Erweiterung des Analyserasters um semantische und varietätenlinguistische Kriterien weiter gesteckt werden. Der kontrastive Ansatz, der auf einer diachronen Achse ähnliche Entwicklungsphasen bei gleicher Okkurrenz der Phänomene in den drei behandelten romanischen Sprachen verdeutlicht, ermöglicht deren Interpretation auf der synchronen aktuellen Achse als gemeinsame (panromanische) typologische Aspekte. Diese Ergebnisse stützen damit auch Prognosen, die in der jetzigen Entwicklung nicht die Vorboten eines zu erwartenden drastischen Wandels (wie er verschiedentlich hypothetisiert wird) sehen. 288 Besprechungen - Comptes rendus Wie andere Arbeiten zu diesem Bereich zwischenzeitlich belegen (die Bibliographie ist offensichtlich wesentlich vor dem Erscheinen der Druckfassung abgeschlossen worden), ließe sich das konstatierte Erklärungsdefizit für den Gebrauch verschiedener Relativsatzkonstruktionen (das die vorliegende Arbeit nicht beseitigen kann) eher über den von Fiorentino nicht berücksichtigten pragmatischen Ansatz decken 8 . Sabine Schwarze ★ Paul Videsott/ Guntram A. Plangg, Ennebergisches Wörterbuch/ Vocabolar Mareo. Ennebergisch-deutsch mit einem rückläufigen Wörterbuch und einem deutsch-ennebergischen Index/ Mareo-todësch con en vocabolar invers y en indesc todësch-mareo, Innsbruck (Wagner) 1998, 383 p. (Schlern-Schriften 306) Mit dem Ennebergischen Wörterbuch von Paul Videsott und Guntram A. Plangg besitzt nun auch die letzte Variante der dolomitenladinischen Idiome ein eigenes Wörterbuch. Es enthält unter anderem drei Teile. Der erste umfasst das ennebergisch-deutsche Wörterbuch mit 7100 Stichwörtern, unter denen weitere 6000 Wendungen angeführt werden (73-256). Der zweite Teil ist ein inverser Index der Stichwörter (257-94), der dritte (295-383) eine Liste mit rund 8000 deutsch-ennebergischen Einträgen, eine Neuigkeit innerhalb der Reihe der Wörterbücher über das Dolomitenladinische. Ein ansehnlicher Teil des Werks ist verschiedensten Erläuterungen gewidmet. So wird in Teil 1 (13ss.) die politische Gemeinde Enneberg vorgestellt, in der das Ladinische 1991 von über 94 Prozent der Bevölkerung bzw. etwas über 2100 Personen gesprochen wurde (14ss.) und wo sich auch eine Karte mit den Orts- und Flurnamen Ennebergs findet (17), die eine Lemmatisierung dieser Namen (im Gegensatz zu den Personennamen) im ennebergischdeutschen Wörterbuch überflüssig gemacht hat. P. 18ss. geben über die sprachlichen Eigenheiten des Ennebergischen Auskunft, das durch seine Randlage am Nordsaum der Romania verglichen mit den anderen dolomitenladinischen Idiomen archaische Züge aufweist. Neben der Unterscheidung zwischen Vokallänge und -kürze liegen hier Reste der Zweikasusflexion vor, cf. z. B. *monacanem, das mognan Nonne ergeben hat, aber monaca mit dem Reflex mogna Mesnerin . Auffällig ist weiterhin die Existenz von Lehnübersetzungen älterer deutscher Wörter besonders im kirchlichen Sprachbereich wie etwa dé(de)dolönesc Dienstag , was schwäb. Aftermè n tig entspricht. Das Ennebergische zeichnet sich auch durch eigentümliche Entlehnungen wie greda Kanzel von mittelhochdeutsch grede Stufe oder les Antlês Fronleichnam von altbairisch antlâz aus. P. 21ss. sind die Quellen des Wörterbuchs und die Vorgehensweise bei der Überarbeitung dieser Quellen abgehandelt. Einen Grundstock zu diesem Wörterbuch bildet die Sammlung von 2500 Wörtern und Wendungen von J. Michael aus dem Jahre 1912. Diese Materialien sind im ennebergisch-deutschen Index mit der Sigle «M12» versehen, cf. etwa p. 206 s. ru. ssen. P. 27ss. wird die Anordnung der Materialien erläutert. In diesem Wörterbuch wird erstmalig in einem dolomitenladinischenWörterbuch systematisch dieVerbvalenz angegeben. P. 30ss.folgen Angaben zu Phoneminventar, Schul-, Stichwort-Ortographie und zu den Sonderzeichen. P. 36 (Teil 2) wird das rückläufige Wörterbuch kurz erläutert. Leider haben technische Gründe dazu geführt, dass vokalische Grapheme mit Diakritika, wie sie im ennebergischdeutschen Wörterbuch zu finden sind, hier oft nicht erscheinen. So stehen etwa p. 95 die Lemmata ca. jo (auf der ersten Silbe betont) und cajö. (auf der letzten Silbe betont) im in- 289 Besprechungen - Comptes rendus 8 Cf. Antonietta Scarano, «Frasi relative e frasi pseudo-relative in italiano», Studi di grammatica italiana 16 (1996): 377-423 auf der Grundlage der teoria della lingua in atto von Cresti.