eJournals Vox Romanica 60/1

Vox Romanica
vox
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2941-0916
Francke Verlag Tübingen
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2001
601 Kristol De Stefani

URSULA BÄHLER, Gaston Paris dreyfusard. Le savant dans la cité. Préface de MICHEL ZINK, Paris (CNRS) 1999, 226 p. (CNRS Histoire)

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2001
P. W.
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v du mois de janvier, vigille des roys 1589.» (1588/ 111) FEW 17: 21b (*sazjan): nfr. se saisir de douleur, jalousie, etc. être vivement frappé de (OudC 1640-Ac 1798) 19 . - « . . . et qui [le duc de Nemours], par le moyen du menu peuple et des Seizes, avoit la force et tenoit tout le monde en crainte . . . » (1590/ 184) m. pl. chefs élus des seize quartiers de la ville de Paris durant la journée des Barricades (zu ergänzen in FEW 11: 392a s. sedecim). - « . . . avoient ostez les armez à plusieurs souldatz qui estoient sortiz de ladicte ville . . . » (1589/ 146) FEW 12: 54b (solidus): mfr. souldat m. celui qui sert dans une armée (1532, FM 18, 238; 1540, Br 2, 212; 1553, Gdf; 1559, Amyot) 20 . - « . . . le xxiii de febvrier 1590, et [l’accusé] tiré à quatre chevaulx, puis son corps brulé et mis en cendre.» (1590/ 169) FEW 6/ 1: 398a (martyrium): nfr. tirer qn à quatre chevaux faire démembrer (qn) à l’aide de 4 chevaux qui tirent chacun d’un côté (seit Nicot 1606). - «Par ce moien, ceulx qui ambrouioient [= embrouillaient] lesdictz estats furent tonduz pour ce coup.» (1589/ 133) FEW 13/ 2: 25a (tondere): nfr. tondre qn attraper, tromper (1668 - Rich 1759, Molière, auch SSimon). - « . . . tous messieurs de la Grand Chambre et de la Tournelle estoient à ladicte publication avec leurs robes rouges.» (1588/ 100) FEW 13/ 2: 436a (turris): mfr. nfr. tournelle f. chambre du parlement de Paris, qui juge des matières criminelles (Est 1549-Ac 1798). - « . . . qui avoit [un châtelain] juré de le conserver [le château], tourna sa robbe et voulust le mettre es mains du Roy de Navarre . . . » (1590/ 169) FEW 13/ 2: 47b (tornare): mfr. tourner sa robe changer de parti (Amyot; Montaigne, Lac). - «Le sabmedy xvi de juin 1590, vigile de la Trinité . . . » (1590/ 178) FEW 13/ 2: 286a (trinitas): afr. Trinité premier dimanche après la Pentecôte (1348, Runk), nfr. id. (seit Trév 1721). - « . . . ne fut restably [le parlement] qu’apres la Nostre-Dame de septembre que l’on feit une chambre des vaccations [sic], composé de vingt conseillers et de monsieur le president Brisson.» (1590/ 192) FEW 14: 96b (vacatio): nfr. chambre de vacations chambre intérimaire chargée de juger les affaires urgentes pendant les vacances judiciaires (Cotgr 1611; seit Fur 1690). - « . . . le president Potier, sieur du Blasmesnil, lequel en ayant eu le vent [d’une affaire], se cacha quelque deux jours . . . » (1589/ 156) FEW 14: 259a (ventus): mfr. nfr. avoir le vent de qch être informé de (Chastell; Nic 1606 - Gattel 1797). - «Ledict passeport arriva le vendredy matin xvii dudict mois, en vertu duquel lesdictz sieurs partirent l’apresdisner . . . » (1590/ 190) FEW 14: 518a (virtus): nfr. en vertu de en conséquence de (seit 1668, LaFont). Die Ausbeute ist besonders hoch im Bereich der zahlreichen Lehnwörter, hier besonders der jungen Italianismen, die über das höfische Milieu und die Literatur schnell in die Allgemeinsprache eindrangen, aber auch im Hinblick auf Fachsprachen (besonders Kriegswesen und Verwaltung) und umgangssprachliche Wortbedeutungen und -wendungen. V. Mecking ★ U RSULA B ÄHLER , Gaston Paris dreyfusard. Le savant dans la cité. Préface de M ICHEL Z INK , Paris (CNRS) 1999, 226 p. (CNRS Histoire) Schon die Reihe, in der diese Publikation erschienen ist, macht deutlich, daß es sich nicht um eine spezifisch romanistische Arbeit handelt; ihre Besprechung in der Vox Romanica ist deshalb nicht zwingend. Immerhin geht es um die Position von Gaston Paris in der Dreyfus-Af- 342 Besprechungen - Comptes rendus 19 Hier ohne präpositionelle Ergänzung; cf. noch nfr. être saisi être touché de déplaisir, pénétré de douleur (seit Ac 1694). 20 Diese nur sporadisch belegte Variante wird von der italianisierenden Form soldat (1475; seit ca. 1536) rasch verdrängt. färe, und er ist ja auch einer der ganz großen Fachvertreter des 19. Jh.s - in erster Linie im Bereich der Mittelalterphilologie, aber auch nicht ohne beachtlichenWeitblick im linguistischen Bereich 1 . Da diese Arbeit zudem nur ein erstes Teilergebnis einer umfassenden Beschäftigung mit dem Werk von Gaston Paris darstellt, ist eine Besprechung durchaus angezeigt. In einem kurzen Vorwort faßt Michel Zink das Wesentliche von Frau Bählers Studie zusammen. Gaston Paris ist zwar ein bedeutender, hochangesehener Philologe, sonst aber eine eher unbedeutende Persönlichkeit - v. a. was das öffentliche Leben angeht. Trotzdem ist er (eher gegen seinen Willen) in die Dreyfus-Affäre verwickelt, und zwar über seine beiden Freunde Paul Meyer und Gabriel Monod, der zweite ein «Dreyfusard engagé», der erste graphologischer Gutachter im Dreyfus-Prozeß und entschiedener Verteidiger von dessen Unschuld. Gaston Paris kann als «Dreyfusard modéré» bezeichnet werden: Zwar von der Unschuld von Dreyfus überzeugt, erweist er sich immer als ängstlich, schreckt vor öffentlichen Stellungnahmen zurück und läßt sich nur ausnahmsweise dazu bewegen, wenn die Antidreyfusards die Oberhand zu gewinnen scheinen oder mit schwerwiegenden Tatsachenverfälschungen aufwarten. In ihrer Introduction (11ss.) stellt Ursula Bähler das Ziel ihrer Untersuchung dar. Gaston Paris wird zwar allgemein als Dreyfusard angesehen, aber er hat keines der beiden Manifeste zugunsten von Dreyfus unterzeichnet und nimmt auch in der öffentlichen Polemik nur selten und zögerlich Stellung. Die früheren Arbeiten von Madeleine Rebérioux (1976), Bertrand Joly (1989) und anderen stellen v. a. Paul Meyer und Gabriel Monod ins Zentrum und gehen nur marginal auf die Haltung von Paris ein. Sie will deshalb erstmals die Haltung eines «Dreyfusard modéré» aufarbeiten, und zwar aufgrund aller zur Verfügung stehenden Quellen, d. h. sowohl der (spärlichen) öffentlichen Stellungnahmen als auch (und v. a.) der umfangreichen persönlichen Korrespondenz von Gaston Paris 2 . In einem zweiten Unterkapitel gibt Verf. dann eine Charakterisierung der Persönlichkeit von Paris, umreißt seine ideologische Position (ein «konservativer Liberaler») und zeichnet sein Leben und seine berufliche Karriere nach - alles in allem eine gelungene Biographie, wenn sie auch an einigen Stellen etwas ausufert. Etwas abrupt geht Bähler dann zu den Editionskriterien über, die unanfechtbar sind (29s.). Was man dagegen in der Einleitung vermißt, ist ein Abriß der Dreyfus-Affäre. Ursula Bähler verzichtet bewußt darauf, da sie davon ausgeht, die Fakten seien bekannt. Das dürfte für die Grundzüge stimmen - eine tabellarische Chronologie wäre aber zumindest sehr nützlich für den Leser gewesen, denn wer hat schon all diese Details präsent? Der Hauptteil der Arbeit ist mit «Dialogues et positions» überschrieben (31-158). Es handelt sich um eine kommentierte, im wesentlichen chronologisch aufgebaute Edition der einschlägigen Dokumente (und v. a. Briefe) von Gaston Paris, aber auch seiner Gesprächspartner und Korrespondenten, unter denen Paul Meyer und Gabriel Monod eine herausragende Stellung einnehmen. Aber auch andere den Romanisten besonders interessierende Namen wie Joseph Bédier, Alessandro D’Ancona, Léopold Delisle, Louis Havet, Alfred Jeanroy, Charles Langlois, Ferdinand Lot, Alfred Morel-Fatio u. v. a. m. tauchen immer wieder auf; aber auch der Erzfeind aller Dreyfusards, Ferdinand Brunetière, ist reichlich vertreten. Gaston Paris hat ein umfangreiches und vielfältiges Netz von Korrespondenzen gehabt und in dessen Pflege beachtlich viel Zeit investiert. - Die Auswertung der Dokumente durch Ursula Bähler erfolgt mit großer Umsicht und viel Fingerspitzengefühl; sie schafft es überzeugend, die zwiespältige Haltung des großen Philologen nachzuzeichnen. Einerseits ist er der unerschütterlichen Überzeugung, daß Dreyfus unschuldig und das Opfer einer üblen Intrige der Armeeführung sei, andererseits schreckt er immer wieder 343 Besprechungen - Comptes rendus 1 Cf. Gaston Paris, Mélanges linguistiques, ed. Mario Roques, Paris 1909. 2 Es ist erstaunlich, daß diese Korrespondenz größtenteils erhalten und in der B.N. aufbewahrt ist. Die Fälle, wo ein erschließbares Dokument nicht mehr aufgefunden werden konnte, sind recht selten. davor zurück, öffentlich Stellung zu nehmen und entschließt sich nur dazu, wenn der Druck der Antidreyfusards für sein Lager zu mächtig wird. Seine Begründungen für die zögerliche Haltung sind immer die gleichen: Er darf sich in seiner akademischen Führungsposition nicht exponieren, muß als Direktor der EPHE, als Administrator der École des Chartes und als Mitglied der Académie française ein Ansprechpartner bleiben; und v. a. geht es ihm nicht um politische Agitation, sondern nur um die Durchsetzung seines wissenschaftlichen Credos, der Wahrheitsfindung 3 . Immerhin scheint seine Bereitschaft zum öffentlichen Engagement im Laufe der Dreyfus-Debatte zu wachsen: Er wächst selbst in und an der Auseinandersetzung und erweist sich immer mehr als eine Art «geheimer Ratgeber» der Dreyfusards, der bei einer Reihe von Aktionen eine nicht unwichtige Rolle im Hintergrund spielt. 1899 scheint er sogar bereit zu sein, persönlich in die Offensive zu gehen - aber die Ereignisse überholen ihn und es kommt nicht mehr zu seiner direkten Intervention. In der Conclusion (159ss.) geht dann Verf. kurz ein auf die Ereignisse nach der Begnadigung von Dreyfus. Ende 1899 stirbt Arthur Giry, dem der Auftritt im Prozeß von Rennes offensichtlich arg zugesetzt hatte. Am 5.3.1903 stirbt Gaston Paris, der sich vom Scheitern sowohl seiner bürgerlichen als auch wissenschaftlichen Ideale nie mehr richtig erholte, auch wenn nach 1899 eine Wiederannäherung an zahlreiche alte Freunde stattfand, denen er sich während der Dreyfus-Affäre entfremdet hatte. - Es folgt dann eine Bilanz der Ergebnisse der Untersuchung, die im wesentlichen der Präsentation von M. Zink im Vorwort entspricht. Gegenüber den Schlüssen von Joly (1989) weicht Bähler nur geringfügig ab. Auch sie ist der Meinung, daß für Gaston Paris die persönlichen Beziehungen in dieser Angelegenheit im Vordergrund stehen und seine Haltung maßgeblich bestimmen, und daß die politischen Überzeugungen nur eine sekundäre Rolle spielen. Anders beurteilt sie dagegen die Bedeutung der wissenschaftlichen Position: Diese wäre nicht marginal, sondern vielmehr zentral, da es Paris immer wieder und nur um die «recherche impartiale de la vérité» gegangen sei; er erweise sich so als richtiger und typischer «Intellektueller». Die Arbeit schließt mit einer ausführlichen Bibliographie (177ss.), mit einem «Annexes» überschriebenen Anhang, in dem 35 Dokumente publiziert werden, die in einem eher lockeren Zusammenhang mit der Dreyfus-Affäre stehen, gleichwohl aber wichtig sind für die Beurteilung der Person und der Haltung des Protagonisten, und einem ausführlichen (Namens-)Index (217-24). Die sorgfältige und einfühlsame Untersuchung von Ursula Bähler liefert eine ausgezeichnete Darstellung eines bisher kaum zur Kenntnis genommenen Aspekts im Leben des auf dem Höhepunkt seiner Karriere und an der Schwelle zum Abstieg stehenden Gaston Paris. Die Studie ist eigentlich nur ein Nebenprodukt des Projekts der Verf., die wissenschaftliche Position in einer großen Synthese darzustellen und wissenschaftsgeschichtlich einzordnen. Angesichts der hier vorgelegten überzeugenden Teilergebnisse darf man auf die Publikation der Ergebnisse des Kernprojekts gespannt sein. P.W. ★ 344 Besprechungen - Comptes rendus 3 Hier muß man allerdings fragen, wie es denn um seinen Wahrheitsbegriff bestellt ist. Für Gaston Paris scheint es in postivistischem Sinne noch so etwas wie eine absolute, einzige «Wahrheit» zu geben; daß «Wahrheit» etwas Relatives sein könnte, scheint für ihn noch undenkbar zu sein.