eJournals Vox Romanica 60/1

Vox Romanica
vox
0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
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2001
601 Kristol De Stefani

Jean-Pierre Chambon/Jean-Paul Chauveau/Sandrine Gastaud-Correia/France Lagueunière/ Pierre Rézeau, Mélanges sur les variétés du français de France, d’hier et d’aujourd’hui (III), Paris (Champion) 2000, 205 p. (Matériaux pour l’étude des régionalismes du français 14)

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2001
J. Lengert
vox6010352
zu werden scheinen. Die Rolle aktionaler Werte für den Futuritätsausdruck wird dabei anhand des Französischen zumindest abschließend illustriert, wenn im Schlußkapitel resümiert wird, daß das Präsens ohne futurisierenden Kontext lediglich bei grenzbezogener Prädikation futurisch lesbar ist, wohingegen sich das futur simple als insgesamt perfektivierend erweise, und das auch in seiner futurischen Funktion. Das futur périphrastique schließlich vereine beide Faktoren, da es statistisch gesehen am häufigsten im Zusammenhang mit einem grenzbezogen-perfektiven Verbalgeschehen auftrete. Die Arbeit von M. Sokol kann als Diskussionsbeitrag zu einem Themenbereich gelten, der es verdient, auch über die Romanistik hinaus rezipiert zu werden. Aufgrund dieses allgemeinen Interesses hätte man sich gewünscht, daß zumindest ansatzweise Forschungsliteratur aus dem Bereich der Indogermanistik einbezogen worden wäre, wo ja gerade das Zusammenwirken von Aktionsart und Aspekt eine ganz zentrale Rolle spielt. Interessante Hypothesen werden zudem auch für eine Neuinterpretation des Sprachwandels der Futurformen vom Lateinischen bis heute vorgeführt, die es durchaus gestatten, auch für andere Bereiche aus ausgefahrenen Erklärungsgeleisen auszubrechen. Insgesamt gesehen ist die Arbeit von Sokol sehr anregend, so daß die geäußerte Kritik im Sinne einer interessierten Auseinandersetzung mit den vorgeführten Ideen und Sehweisen zu sehen ist. Edeltraud Werner ★ Jean-Pierre Chambon/ Jean-Paul Chauveau/ Sandrine Gastaud-Correia/ France Lagueunière/ Pierre Rézeau, Mélanges sur les variétés du français de France, d’hier et d’aujourd’hui ( III ), Paris (Champion) 2000, 205 p. (Matériaux pour l’étude des régionalismes du français 14) Drei Jahre nach dem zweiten Band der Mélanges liegt hier ein weiterer vor, der sich von seinen Vorgängern partiell unterscheidet: Er ist nicht nur lexikalisch orientiert, widmet sich neben der reinen Inventarisierung von Regionalismen auch methodologischen Fragestellungen, ist geographisch divergent, ist sowohl diachron wie synchron ausgerichtet und umfaßt knappe Wortstudien ebenso wie umfänglichere Arbeiten. Ingesamt beinhaltet er sieben Beiträge. J.-P. Chambon behandelt eingangs (7-13) eine wortgeschichtlich-etymologisch unklare mfr. Form aigassadour etc. aus Godefroy, die als Regionalismus der Auvergne identifiziert und als Germanismus zu einem Etymon wa ð gestellt wird. Derselbe Autor nutzt anschließend (15-22, 23-30) die regiolektalen Spracheigentümlichkeiten zur Lokalisierung zweier mittelfranzösischer Farcen aus der Ausgabe von G. Cohen (Tarabin, Tarabas et Triboulle-Ménage und La farce nouvelle de la trippiere) und interpretiert (31-42) in derselben Perspektive zwei parodistische Texte des 16. Jhs. (La vraye medecine qui guarit de tous maux . . . und La medecine de Maistre Grimache). Für den Regionalismenforscher ist der Ertrag an inventarisierten Regionalismen, die jeweils ausgiebig in ihrer Geschichte und Geographie beschrieben werden, begrenzt. Reichhaltiger ist die Untersuchung von J.-P. Chambon/ J.-P. Chauveau (43-72) der anonymen Histoire maccaronique de Merlin Coccaïe von 1606, die ein Inventar von 80 alphabetisch lemmatisierten, ausgiebig kommentierten (Geographie, Geschichte, Quellen) Regionalismen liefert. Der umfangreichste Beitrag stammt von P. Rézeau (73-182), der das bislang nur in einem schwer zugänglichen Auszug 1 und ansonsten in Manuskriptform vorliegende Glossaire breton 352 Besprechungen - Comptes rendus 1 «Extrait du Glossaire breton, ou Recueil des expressions vicieuses, surannées ou rustiques, usitées dans la ci-devant province de Bretagne», Mémoires de la Société Royale des Antiquaires de France 4 (1822): 322-37. (1819) von J.-F. Le Gonidec ediert und damit seine verdienstvolle Editionstätigkeit älterer, für die Geschichte der regiolektalen Varietäten wichtiger Quellen fortsetzt 2 . Ein Zehntel (81-90) des Glossars umfaßt 86 Artikel, so daß von einem für die Region sehr umfänglichen Inventar von ca. 860 alphabetisch lemmatisierten Regionalismen ausgegangen werden kann. Die Mikrostruktur des Glossars ist einfach: Lemma, grammatische Information, Bedeutungsangabe, selten Markierungen. Der Herausgeber hat den Verweis auf einige kleinere zeitgenössische Regionalglossare sowie die Referenz auf das FEW hinzugefügt. Methodische Aspekte diskutiert France Lagueunière (183-96) in einem ursprünglich 1993 verfaßten Text, der im Hinblick auf die Publikation eines umfänglichen gesamtfranzösischen Regionalismenwörterbuchs die Frage nach dem Vorbildcharakter des FEW für ein solches Unterfangen aufwirft - eine praktische Antwort geben jetzt P. Rézeau 1999 und 2001 3 , so daß die Relevanz des von einigem Optimismus hinsichtlich der diesbezüglichen Qualitäten des FEW gekennzeichneten Aufsatzes zweifelhaft erscheint. In Ergänzung zur einschlägigen Arbeit von H. Walter zur regiolektalen Variation des französischen Phonemsystems resümiert Sandrine Gastaud-Correia (197-205) die Ergebnisse einer Umfrage über die vokalische oder halbvokalische Realisierung von / i/ , / y/ und / u/ . Der Band umfaßt aus der Sicht der Regionalismusforschung unterschiedlich gewichtige Beiträge. Vor allem die beiden Arbeiten von J.-P. Chambon/ J.-P. Chauveau und P. Rézeau gilt es aufgrund ihrer Ergiebigkeit hervorzuheben, letztere ist für das bretonische Regionalfranzösisch des 19. Jh. die zur Zeit informativste Quelle. Man kann sicher die eine oder andere Ergänzung im Detail hinzufügen, z. B.: p. 51s. corme ist nicht nur westfranzösisch (hier nach FEW 2), sondern in abweichender Semantik auch Suisse romande (Pier 1926: 147); die Probleme der etymologischen Beurteilung von p. 54 crezieu sorte de lampe spiegeln sich in der Behandlung im afr. Wörterbuch von Godefroy, der die Formvarianten auf drei Artikel verteilt, cf. noch croset, crésu, crosuet etc. in der Suisse romande (Pier 1926: 162); ebendort und in Savoyen ist die hier p. 60 auf den südwest- und zentralfranzösischen Raum begrenzte Form lende œuf de pou belegt (Pier 1926: 326 s. lent) etc. Bei Editionen älterer Glossare stellt sich die Frage, wieweit die Kommentierung der Materialien gehen soll. P. Rézeau hat weitestgehend darauf verzichtet, so daß weder die geographische Ausdehnung einer Wortzone noch eventuelle Problemfälle verdeutlich werden. Ein Beispiel ist à la rebours à rebours , das unter anderem in Belgien («expression populaire», Pohl 1950/ 13: 50), im Elsaß (Salmon 1990: 134) oder in Kanada (Dunn 1880: 157) belegt ist, wo also die Streuung der Belege auch die von Le Gonidec in seinem Glossar hinzugefügte Markierung «il est populaire» stützt 4 . Manch ein Artikel enthält nicht regional spezifisches, von Le Gonidec als normabweichend konzipiertes und daher aufgenommenes Material; hier hätte ein Kommentar den mit der Materie weniger vertrauten Benutzer, z. B. Studenten, 353 Besprechungen - Comptes rendus 2 Cf. Dictionnaire angevin et françois (1746-1748) de Gabriel-Joseph du Pineau. Édition critique d’après Paris, Bibl.nat., nouv.acq.fr. 22097, par P. Rézeau, avec la collaboration de J.-P. Chauveau, Paris 1989 sowie «Le Dictionnaire du langage vicieux et populaire de l’habitant du Bourbonnais (vers 1852) de Jean-Baptiste Conny. Édition critique d’après Moulins, Bibl.mun., ms. 93», in: J.-P. Chambon, Cl. Michel/ P. Rézeau (ed.), Mélanges sur les variétés du français de France, d’hier et d’aujourd’hui (I), Paris 1994: 115-259. 3 P. Rézeau (ed.), Variétés géographiques du français de France aujourd’hui. Approche lexicographique, Paris/ Bruxelles 1999 und id. (ed.), Dictionnaire des régionalismes de France, Paris/ Bruxelles 2001. 4 J. Pohl, Témoignages sur le lexique de quelques parlers français de Belgique, 16 vol., Bruxelles 1950; G. Salmon, «Alsacianismes: néologismes, antidates, attestations, citations (lettres o - r)», Bulletin de la Faculté des Lettres de Mulhouse 18 (1990): 121-40; O. Dunn, Glossaire franco-canadien. Reproduction de l’édition originale de 1880, Québec 1976. helfen können, z. B. p. 86 au parfait parfaitement (in Littré 3, p. 951c) 5 , p. 99 cabosser bossuer , p. 112 mettre dedans tromper etc. Alles in allem bietet dieser Band der Reihe der Matériaux wiederum interessante, in erster Linie für die lexikalische Erforschung der französischen Regiolekte, in minderem Maße auch für Sprachgeschichte, Phonetik, Lexikographie und Textphilologie relevante Beiträge. J. Lengert ★ Patrice Brasseur, Dictionnaire des régionalismes du français de Terre-Neuve, Tübingen (Niemeyer) 2001, lii + 495 p. (Canadiana Romanica 15) Der Autor, als Experte für regiolektale Varietäten des nordwestfranzösischen Raumes wie auch durch Arbeiten zu Varianten des Kanadafranzösischen ausgewiesen 1 , legt hier ein gewichtiges Wörterbuch zu einer bislang in dieser Reichhaltigkeit nicht erforschten regiolektalen Lexik vor. Die Studie besteht im wesentlichen aus drei Teilen: Auf das Siglen- und Transkriptionszeicheninventar (vi-viii) folgt eine Introduction (ix-lii), das Lexique (1-478) und die Bibliographie (478-91), es schließen sich zwei Anhänge zur Korpuszusammensetzung an (492-5). Die Einführung verfolgt diverse Zielsetzungen: Nach einem historischdemographischen Teil vermittelt sie Informationen zur Ethnographie und soziolinguistischen Situation der «Terre-Neuviens», informiert über das Korpus und die Artikelstruktur und gibt daran anschließend eine konzise Darstellung phonetischer (xxviii-xxxviii), morphologischer (xxxviii-xliv) und syntaktischer (xliv-lii) Merkmale der untersuchten Varietät. Hervorzuheben ist die elaborierte, gezielt auf sprechsprachliche Phänomene abhebende Methodik des Autors: Basierend auf der Aufnahme von Ethnotexten und informeller Konversation ist die Materialbasis in einem zweiten Schritt durch eine Enquête (auf der Grundlage des Questionnaire des ALEC) erweitert und vertieft worden. Diese Datenerhebung umfaßt in mehreren Etappen den Zeitraum von 1981-1998. Hinzu kommen sekundäre Belege aus volkskundlichen und linguistischen Vorarbeiten, die zum Teil auch schriftsprachliche Zeugnisse berücksichtigen. Das Hauptaugenmerk ist, wie in der Regionalismusforschung üblich, auf lexikalische Fakten gerichtet, allerdings werden auch zahlreiche wortspezifische phonetische (z. B. p. 104 charcher statt chercher) und grammatische (z. B. ib. charité, s. m. statt s. f.) Merkmale erfaßt; selten werden auch Toponyme berücksichtigt, sofern sie im Verhältnis zum Standardfranzösischen formale Besonderheiten aufweisen. Die Perspektive ist rein differentiell, es sollen also nur die Spezifika des Regiolekts beschrieben werden. Dem Umschlagtext kann man entnehmen, daß das Wörterbuch 2240 Artikel umfaßt, die Auszählung unter B- (37-81) ergibt 219 Artikel, was hochgerechnet sogar etwas mehr als 2300 ansetzen läßt; die Zahl der Regionalismen ist um einiges größer, da nicht wenige Artikel mehrere behandeln. Das Inventar ist somit deutlich reichhaltiger als bei vergleichbaren Sammlungen. Die Makrostruktur ist alphabetisch, wobei formale Varianten auch bei divergentem Anlaut (z. B. p. 24 approcher, procher, proger) zusammengefaßt werden, was durch Verweislemmata aufgefangen wird. Komposita und Phraseologismen werden unter einer zentralen Komponente 354 Besprechungen - Comptes rendus 5 E. Littré, Dictionnaire de la langue française, 4 vol., Paris 1863-72. 1 Um nur drei umfänglichere lexikographische Arbeiten zu zitieren: P. Brasseur, Le parler normand. Mots et expressions du terroir, Paris 1990; id., Le parler nantais de Julien et Valentine (d’après la chronique d’Henri Bouyer), Nantes 1993 sowie P. Brasseur/ J.-P. Chauveau, Dictionnaire des régionalismes de Saint-Pierre et Miquelon, Tübingen 1990 (= Canadiana Romanica 5).