Vox Romanica
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0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
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Kristol De StefaniGerold Hilty, Gallus und die Sprachgeschichte der Nordostschweiz, St. Gallen (VSG Verlagsgemeinschaft St. Gallen) 2001, 238 p.
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Ricarda Liver
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ri: proprietà immanenti della «capacità linguistica» (Sprachvermögen) degli esseri umani, proprietà specifiche dell’input a cui l’apprendente è esposto, «sapere linguistico» previo dell’apprendente; iii) in tutte le varietà di apprendimento vi sono un certo numero di principi strutturali che interagiscono fra di loro, portando a rielaborazioni progressive; iv) le varietà di apprendimento «sind nicht unvollkommene Nachahmungen einer ‹wirklichen Sprache› . . ., sondern selbständige Sprachsysteme» (284), e rappresentano addirittura il ‹caso normale› (mentre le cosiddette lingue standard sono il caso estremo, le varietà finali di un processo di normativizzazione); v) ne consegue che lo studio delle varietà di apprendimento, cioè di tutte le manifestazioni della capacità linguistica degli esseri umani nella loro interezza e non delle sole manifestazioni estreme, le «voll entwickelte Sprachen», dovrebbe costituire il campo centrale della linguistica. Klein formula anche la massima fondamentale che regola il comportamento linguistico di un apprendente, che suonerebbe all’incirca come segue (288): «esprimi esattamente (genau) quello che la tua controparte dovrebbe sapere e che secondo te non sa, a meno che tu non glielo dica! ». La posizione di Klein circa la primarietà dello studio delle varietà e dei processi di apprendimento delle lingue potrà sembrare venata da un certo radicalismo (come presso i rappresentanti di ogni ramo del sapere, anche presso i linguisti è diffusa la convinzione, comprensibilissima ma non per questo condivisibile, che la propria personale area di ricerca sia sempre quella più rilevante e significativa della disciplina . . .), ma ha indubbiamente il merito di porre le questioni in maniera molto chiara e ben fondata. Si presenta ad ogni modo il problema della natura delle varietà di apprendimento di una lingua seconda rispetto a quella delle varietà di apprendimento e sviluppo infantile della lingua materna: il concetto kleiniano di Lernervarietät annulla intenzionalmente ogni differenza, ma si potrebbero benissimo avanzare argomenti, ben noti a chi si occupa di linguistica acquisizionale, a favore di una essenziale diversità fra le une e le altre, pur se nelle une e nelle altre agiscono in buona misura gli stessi o analoghi principi. Nel complesso, dai contributi di questo volume (arricchito da un Sachregister finale), che sono caratterizzati fra l’altro da un’omogeneità nell’approccio e nell’impianto teorico di riferimento insolita in opere collettive, emergono non solo accurate descrizioni di aree di fenomeni sintattico-testuali delle interlingue, interpretati non in maniera «selvaggia» ma con costante appoggio alle ipotesi e ai modelli della teoria linguistica, ma anche generalizzazioni di primario rilievo sia per lo studio dell’acquisizione sia per la linguistica teorica e tipologica in generale; rappresentando quindi un esempio modello di buona linguistica empirica feconda di insegnamenti anche per la teoria. G. Berruto H Gerold Hilty, Gallus und die Sprachgeschichte der Nordostschweiz, St. Gallen (VSG Verlagsgemeinschaft St. Gallen) 2001, 238 p. Gerold Hilty verfolgt in seiner neuesten Publikation das Ziel, die sprachlichen Verhältnisse in der Nordostschweiz zur Zeit des hl. Gallus (7. Jh.) und in den folgenden Jahrhunderten (bis ca. 1200) zu erhellen (15). Es ist ein ganz besonderes Buch, das hier vorliegt. Ein Autor, der in der Fachwelt als strenger Linguist und als Spezialist des romanischen Mittelalters bekannt ist, wendet sich hier einem Thema zu, das einen engen Bezug zu seiner eigenen Biographie hat. Das Geleitwort beginnt mit den Sätzen: «Dieses Buch wurzelt in meiner Herkunft. Es enthält so etwas wie eine geistige Heimkehr» (11). Dieses erklärte Engagement verleiht dem Buch, das in Methode und Stil durchaus von wissenschaftlicher Nüchternheit und Distanz geprägt ist, eine ganz eigene Note. Eine wei- 314 Besprechungen - Comptes rendus tere Besonderheit, die Hiltys Gallusbuch auszeichnet, besteht darin, dass der Haupttext, der weitgehend auf der Überarbeitung früherer Studien des Verfassers zum Thema beruht (15-139), in einer flüssigen, gut lesbaren und auf das Wesentliche reduzierten Diktion gehalten ist. Alle Detailuntersuchungen, die den im Hauptteil vorgetragenen Aussagen zugrundeliegen, sind in 19 jeweils spezifischen Problemen gewidmete Anhänge (142-218) relegiert. Gallus und seine Lebensgeschichte stehen im Zentrum von Hiltys Untersuchungen. Entsprechend sind seine wichtigsten Quellen die Gallusviten, die in drei Texten überliefert sind. - Vita S. Galli vetustissima: Dieser nach Berschin 1975 (cf. Bibliographie) in drei Redaktionsschichten zwischen 680 und 771 entstandene Text ist nur etwa zu einem Viertel erhalten. Er ist in einem «verwilderten Merowingerlatein» abgefasst, im Unterschied zu den späteren Viten, die aus karolingischer Zeit stammen. - Die Gallus-Vita von Wetti: Zwischen 816 und 824 beauftragte Abt Gozbert von St.Gallen den Reichenauer Mönch und Sprachlehrer Wetti mit einer Neufassung der Biographie des hl. Gallus. Berschin 1991 (cf. Bibliographie) bezeichnet die Sprache des Textes als «provinzialen Sonderstil». - Die Gallus-Vita des Walahfrid Strabo: Offensichtlich befriedigte die Version Wettis den Abt Gozbert nicht, denn er erteilte 833/ 34 einen neuen Redaktionsauftrag an den berühmten Walahfrid Strabo, ebenfalls Mönch in Reichenau. Dessen in hochkarolingischer Prosa redigierte Gallusvita fand offenbar ungleich grösseren Anklang als der nur in einer einzigen Handschrift überlieferte Text von Wetti: von der Vita des Walahfrid Strabo sind 75 mittelalterliche Handschriften bekannt! In einigen Punkten wird zudem die Vita des hl. Columban des Jonas von Susa beigezogen. Hilty ist sich der nur bedingten, interpretationsbedürftigen Aussagekraft dieser Quellen natürlich voll bewusst. Historische und archäologische Zeugnisse ergänzen die literarischen Quellen. Vor allem aber - eine weitere Besonderheit dieses Buches - wird ausgiebig und erschöpfend die Namenforschung in die Argumentation einbezogen. Aus den Forschungsergebnissen Hiltys, die im folgenden kurz nachgezeichnet werden sollen, ergeben sich zwei Kernthesen: - Im Bodenseeraum herrschte im 7. Jh. eine germanisch-romanische Zweisprachigkeit. - Gallus stammte nicht aus Irland, wie es die Überlieferung will, sondern aus dem Raum Vogesen/ Elsass. Ich referiere im folgenden verkürzend die wichtigsten Resultate der Kapitel 2-10. - Kap. 2, «Gallus in Luxeuil und das Problem seiner Herkunft» (23-31) In St. Gallen herrschte anfangs 9. Jh. die Auffassung, Gallus sei mit Columban auf den Kontinent gekommen. Entsprechend lauten die Eingangskapitel bei Wetti und Walahfrid. In der Vetustissima fehlt jedoch der entsprechende Teil. Dieser immer noch vorherrschenden Meinung stellt Hilty seine eigene, vorläufig noch nicht näher erhärtete These gegenüber, wonach Gallus nicht aus Irland, sondern aus dem Raum Vogesen-Elsass stammte. Ein Hinweis auf die gallische Herkunft des Heiligen könnte der Name Gallus selbst sein, ferner dessen Flexion auf -onis, -oni etc., die gerade in Ostfrankreich besonders verbreitet war. - Kap. 3, «Tuggen» (32-52) Die Überlieferung berichtet von einem letztlich fehlgeschlagenen Missionsversuch Columbans und seiner Begleiter, darunter Gallus, in Tuggen, das damals am obern Ende des Zürichsees gelegen war. Von dort ziehen die Missionare weiter nach Arbon. 315 Besprechungen - Comptes rendus Das Kapitel befasst sich ausführlich mit den damaligen Siedlungsverhältnissen in Tuggen und mit der Etymologie des Namens, die Hilty auf lat. tofus ‘Tuffstein’ zurückführt, das in Oberitalien in einer Form togo belegt ist. Der Name gehört zu einer Schicht von romanischen Reliktwörtern in den Alpenmundarten der (heute) deutschen Schweiz. - Kap. 4, «Vom Zürichsee zum Bodensee» (53-70) Auch im 4. Kapitel werden die Siedlungsverhältnisse in den betreffenden Gebieten anhand des Namenbefunds erörtert. Vorromanische, romanische und alamannische Schichten werden unterschieden. In Arbon (nach Hilty 58s. zu lat. arbor) treffen die Missionare auf eine ethnisch gemischte christliche Bevölkerung aus Romanen (die inzwischen keine Verbindung mehr haben zum churrätischen Gebiet) und zugewanderten Germanen, teils Alamannen, teils Franken. - Kap. 5, «Bregenz» (71-82) Die Quellen berichten von einer Symbiose von spätrömischem und germanischem Heidentum in Bregenz. Gallus predigt in der entchristianisierten Aurelia-Kirche. Diese Predigt wie auch die in Kap. 8 behandelte Konstanzer Predigt gehört zu den wichtigen Anknüpfungspunkten für Hiltys These, die Muttersprache von Gallus sei romanisch gewesen, daneben habe er auch alamannisch gesprochen. In Kapitel 5 und detaillierter in Anhang 13 (182-87) argumentiert Hilty aufgrund der Quelleninterpretation zugunsten der Auffassung, Gallus habe in Bregenz lateinisch (oder in einer den Zuhörern verständlichen Form von Frühromanisch) und alamannisch gepredigt. - Kap. 6, «Die Flucht nach Grabs» (83-97) Nach der Trennung von Columban, der nach Italien weiterzog (wo er das Kloster Bobbio gründete und 615 starb), suchte sich Gallus im Arboner Forst, an der Steinach, einen geeigneten Ort zur Errichtung einer Kapelle und einer Zelle. Kurz darauf entzog er sich den Ansprüchen des Alamannenherzogs Cunzo, der von ihm die Heilung seiner von einem bösen Geist besessenen Tochter verlangte, durch die Flucht. Mit zwei Jüngern überquerte er den Alpstein und das zu jener Zeit unbesiedelte Appenzellerland. Über ein sumpfiges Waldgebiet südlich des heutigen Dorfes Sennwald erreichten sie Grabs, das damals in romanischem Sprachgebiet lag. Wiederum untermauern Resultate der Namenforschung die Aussagen Hiltys zu den Siedlungsverhältnissen, unter anderem die Herleitung des Ortsnamens Grabs von einer Basis caput rapidae, die Hilty schon 1976 vorgeschlagen und begründet hatte. In Grabs werden Gallus und seine Begleiter von einem Diakon namens Johannes, der einer christlichen Gemeinschaft oberitalienisch-rätischer Prägung vorsteht, freundlich aufgenommen. Hier holt sie aber auch der Arboner Priester Willibald ein, der über die rechtsrheinische Route nach Grabs gekommen war, um Gallus von neuem den Auftrag des Herzogs Cunzo zu überbringen, er möge dessen Tochter Fridiburga heilen. - Kap. 7, «Fridiburga, Johannes und die Bischofswürde von Konstanz» (98-107) Gallus gelingt die Heilung der Herzogstochter, die Bischofswürde von Konstanz, die Cunzo ihm zum Dank verleihen möchte, weist er jedoch zurück. Er ruft den Diakon Johannes von Grabs zu sich, um ihn durch Unterricht in den sieben freien Künsten, in Philosophie und in Bibelexegese auf das Amt des Bischofs vorzubereiten. - Kap. 8, «Die Konstanzer Predigt» (108-17) Nach der Wahl des Johannes zum Bischof von Konstanz hält Gallus eine Predigt, die sich an die Geistlichen und an das Volk richtet und die Heilsgeschichte zum Gegenstand hat. 316 Besprechungen - Comptes rendus Wiederum stellt sich die Frage nach der Sprache, in der gepredigt wurde. Die Antworten fallen je nach Interpretation der Quellentexte höchst unterschiedlich aus. Sicher ist, dass neben Gallus auch der neugewählte Bischof an der Predigt beteiligt war, wobei er die Worte seines Lehrers «auslegte» (Wetti: «antistite preceptoris sui verba interpretante». Walahfrid: «episcopus vero ad utilitatem barbarorum bene prolata interpretando transfunderet»). Es können hier nicht alle von der Forschung vorgebrachten Thesen, die Hilty diskutiert, referiert werden. Seine eigene Auffasung, die hier und in Anhang 17 begründet wird, kommt zum Schluss, dass Gallus alamannisch predigte und Johannes ins Romanische übersetzte. - Kap. 9, «Die letzten Jahre von Gallus, sein Tod und das Geheimnis seiner Herkunft» (118- 24) Gallus verbrachte seine letzten Jahre in einer kleinen Gemeinschaft, der 12 Jünger angehörten, in der Zelle an der Steinach. 629 erreichte ihn eine Gesandtschaft aus Luxeuil, wo der Abt gestorben war, mit der Anfrage, ob er dieses Amt übernehmen würde (cf. p. 24s.). Gallus lehnt ab. Auf Bitten des Priesters Willibald predigt Gallus noch einmal in Arbon. Über die Sprache der Predigt ist nichts überliefert; Hilty nimmt an, dass Gallus sowohl romanisch als auch alamannisch predigte. Die Frage der Herkunft von Gallus wird noch einmal aufgenommen. Zu den schon genannten Argumenten für eine Herkunft aus dem Raum Vogesen-Elsass kommen weitere Überlegungen: - Die Gründe für die Ablehnung der Abtwürde von Luxeuil weisen auf Beziehungen zur Region Vogesen hin (cf. p. 25s.). - Die Reliquien der Aurelia, die Gallus mit sich trug, lassen eine besondere Beziehung zu Strassburg vermuten (cf. p. 76s.) - Die Beherrschung des Alamannischen durch Gallus legt nahe, dass er dem romanischgermanischen Kontaktgebiet entstammte. Hilty betont, dass all diese Argumente die Herkunft des Gallus aus dem Raum Vogesen- Elsass zwar als plausibel erscheinen lassen, aber keine zwingenden Beweise dafür liefern. - Kap. 10, «Ausblick» (125-39) Abschliessend stellt Hilty noch einmal die Sprachsituation in der Nordostschweiz im frühen 7. Jh. dar. Die alten Römersiedlungen Konstanz, Arbon und Bregenz waren noch weitgehend romanisch-alamannisch zweisprachig. Konstanz und Arbon waren schon Sprachinseln in alamannischer Umgebung; hier erlosch das Romanische wahrscheinlich im Laufe des 7. Jahrhunderts. Bregenz war der nördlichste Ausläufer einer zweisprachigen Zone auf der rechten Seite des Rheins, die bis gegen Schaan reichte. Im folgenden wird das Vorrücken der Alamannen nach Süden bis 1200 geschildert, wiederum aufgrund der Resultate der Ortsnamenforschung. Die entscheidende politische Voraussetzung für diesen Prozess ist die Umorientierung Churrätiens nach dem germanischen Norden im 9. Jh. Ein Abriss der Frühgeschichte des Klosters St. Gallen beschliesst die Darstellung. Während die Beziehungen zum romanischen Churrätien anfangs noch eng waren, findet auch hier seit der Mitte des 8. Jahrhunderts eine Umorientierung nach Norden statt. In seiner Hochblüte im 9. Jh. ist das Kloster St. Gallen eines der wichtigsten Zentren deutscher Kultur. Es leben aber noch im 10. Jh. Mönche churrätischer Herkunft im Kloster, wie eine romanisch-deutsche Sprachspielerei, überliefert in den Casus S. Galli, und die sogenannte 317 Besprechungen - Comptes rendus Würzburger Federprobe (Ende 10./ Anfang 11. Jh.), die als ältestes Zeugnis des Rätoromanischen gilt, beweisen 1 . Wie schon eingangs erwähnt besticht das hier vorgestellte Buch durch die klare und nüancierte Diskussion der untersuchten Probleme und die profilierte Darstellung der Resultate. Ein Problem, das im hier vorgegebenen Rahmen nicht weiter vertieft werden konnte, aber den Romanisten, der sich mit dem Übergang vom Spätlatein zum Frühromanischen beschäftigt, ganz vital interessiert, ist die Frage nach der konkreten Beschaffenheit der lateinisch-frühromanischen Predigtsprache von Gallus. Ob man diese Sprache als lateinisch oder als romanisch bezeichnet, ist letztlich eine Frage der Terminologie, die (in anderem Zusammenhang) bis in die Gegenwart zu erbitterten ideologischen Fehden geführt hat. Es ist einsichtig, dass Gallus, wenn er von einem romanischsprachigen Publikum von Laien verstanden werden wollte, sich nicht einer schriftsprachlich-lateinischen Diktion bedienen konnte, sondern eine der romanischen Spontansprache der Zeit mindestens angenäherte Sprache benutzen musste. Ob allerdings diese Sprache mit der gesprochenen Sprache seiner Herkunftsregion (der Vogesen, wenn Hiltys These richtig ist) identisch war, ob sie die in der Bodenseegegend geläufige Varietät, die eher als Protorätoromanisch einzustufen wäre, anzuwenden versuchte, oder ob es sich um eine Art vulgärlateinisch-romanischer Koine handelte, werden wir nie in Erfahrung bringen können. Die Annahme, dass die einzelnen romanischen Sprachregionen (im vorliegenden Fall die rätische und die gallische) zu jener Zeit noch nicht so tiefgreifend differenziert waren, liegt nahe. In dieser Perspektive erweist sich freilich auch die Zuordnung eines so frühen Dokuments wie die Würzburger Federprobe zu einer umgrenzten Sprachregion als problematisch. Auf diesen Text, der als ältestes Zeugnis rätoromanischer Schriftlichkeit gilt, möchte ich zum Abschluss noch kurz eingehen. Gerold Hilty wird es mir hoffentlich verzeihen, dass mich seine Ausführungen in Anhang 19 zu einigen Spekulationen anregen, die bisherige Interpretationen (auch meine eigene) in Frage stellen. An meiner Skepsis gegenüber einer eindeutigen Zuweisung zum rätoromanischen Sprachgebiet halte ich aus den eben angeführten Gründen fest. In einem anderen Punkt bin ich jedoch durch die Lektüre von Hiltys Anhang 19 zu einer Revision meiner bisherigen Auffassung gekommen. Es scheint mir heute völlig abwegig, dass die Zahl 10 eine kleine Menge («un pugno di mosche») bezeichnen könnte. Nach Abschluss des Thesaurus proverbiorum medii aevi (TPMA) 2 lässt sich klar erkennen, dass die Zahl 10 in der mittelalterlichen Sprichworttradition gerade für eine bedeutende, nicht für eine kleine Menge steht. Diese Feststellung führt dazu, die Interpretation von Contini, wonach habe Infinitiv und diege eine Form von debere sein könnten (allerdings nicht von debet, sondern von debeat), neu in Erwägung zu ziehen. Ich möchte aber diese Besprechung nicht mit einem eigenen Beitrag zur Würzburger Federprobe (den ich mir für eine andere Gelegenheit vornehme) 3 abschliessen, sondern mit der erneuten Würdigung des vorliegenden Werkes als eines wertvollen und in seiner Art einzigartigen Beitrags zur Sprachgeschichte und Kultur eines schweizerischen Raumes, in dem sich Germanisches und Romanisches im frühen Mittelalter begegnen. R. Liver H 318 Besprechungen - Comptes rendus 1 Näheres dazu in Anhang 19 (p. 138 fälschlich: Anhang 17) und am Ende dieser Besprechung. 2 Thesaurus proverbiorum medii aevi = Lexikon der Sprichwörter des romanisch-germanischen Mittelalters. Begründet von Samuel Singer. Herausgegeben vom Kuratorium Singer der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften. Vol. 1-13, Berlin/ New York 1995-2002. 3 Cf. in diesem Band p. 178s.