Vox Romanica
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0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
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Kristol De StefaniErnstpeter Ruhe (ed.), Sydrac le philosophe, Le livre de la fontaine de toutes sciences, Edition des enzyklopädischen Lehrdialogs aus dem XIII. Jahrhundert,Wiesbaden (Dr. Ludwig Reichert Verlag), 2000, xvi + 490 p.
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S. Dörr
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FEW 12, 410a); die Definitionen bestehen aus Übersetzungsangeboten und sind daher teilweise problematisch, vor allem dann, wenn mehrere «Teildefinitionen» für einen Beleg dienen sollen, so z. B. agaiteeur ‘Nachsteller, Anstifter’ (wohl eher ‘Nachsteller’); amonnestement ‘Zureden; Verführung’ (wohl ‘Verführung’); anuieuse ‘widerwärtig, verdrußbereit, langweilig’, etc.; es ist inakzeptabel, daß der Leser aus den semantisch verschiedenen Angeboten das ihm passend erscheinende aussuchen soll; außerdem spricht das Kürzel s.d. hinter der Bedeutungsangabe des FEW für eine mangelnde Vertrautheit beim Umgang mit diesem Hilfsmittel (alle Wortformen, Bedeutungen und Belege des FEW sind im Prinzip datiert); zur Bibliographie (447): Tobler-Lommatzsch, Berlin 1955l. Berlin, Wiesbaden 1925-; Wartburg, W. von, FEW Tübingen 1948l. Bonn, Heidelberg, Leipzig, Basel 1922-, auch in solchen Dingen wäre die Benutzung der DEAF-Bibliographie hilfreich und geboten. S. Dörr H Ernstpeter Ruhe (ed.), Sydrac le philosophe, Le livre de la fontaine de toutes sciences, Edition des enzyklopädischen Lehrdialogs aus dem XIII. Jahrhundert, Wiesbaden (Dr. Ludwig Reichert Verlag), 2000, xvi + 490 p. Der Livre de Sydrac le philosophe oder auch Livre de la fontaine de toutes sciences stellt eine der großen Enzyklopädien des französischen Mittelalters dar und ist aufgrund seiner Sprache wie auch seines Inhalts in eine Reihe zu stellen mit dem Livres dou Tresor des Brunetto Latini (ca. 1267, BrunLatC 1 ), der Image du Monde des Gossouin de Metz (ca. 1246/ 47 ImMonde) und dem anonymen Lehrdialog Placides et Timeo (Ende 13. Jh., PlacTimT). Abgehandelt werden in Form eines Dialogs, mit Frage und Antwort, zwischen dem Philosophen Sidrac und dem König Boctus von Bactriane alle Gebiete mittelalterlich enzyklopädischen Wissens. Mittelalterliche Übersetzungen in andere Volkssprachen existieren für das Okzitanische, Italienische (zumindest 4 Versionen), Katalanische, Flämische, Deutsche und Dänische.Auch dies ist als Beleg für die Bedeutung des Textes für die Geistesgeschichte des Mittelalters zu sehen. Überliefert wird er uns im Altfranzösischen in zwei Versionen: in einer kurzen, 613 Fragen umfassenden, und in einer langen, 1225 Fragen aufweisenden Fassung. Die Kurzfassung, auf das 3. Drittel des 13. Jahrhunderts zu datieren, wurde ediert in zwei unpubliziert gebliebenen Dissertationen in Chapel Hill von Sapelor Treanor (SidracT, 1939) und William M. Holler (SidracH, 1972). Nun legt Ernstpeter Ruhe die Edition der langen Version vor (SidraclR), die ebenfalls auf das 3. Drittel des 13. Jahrhunderts zu datieren ist. Als Basishandschrift dient ihm der Kodex London, BL Add. 17914 2 , die er anhand anderer Manuskripte, vor allem Marseille, Bibliothèque Municipale 733, und Oxford, Bodleian Library, Bodley 461 3 , kontrolliert und gegebenenfalls korrigiert (insgesamt sind 19 Kopien und 11 Druckauflagen zwischen 1486 und 1533) 4 erhalten. Da der angekündigte Untersuchungsband zu der Edition noch nicht erschienen ist, fällt es schwer, alle im Text verborgenen Schätze entsprechend zu bewerten. Es finden sich un- 327 Besprechungen - Comptes rendus 1 Alle hier verwendeten Sigel sind die des DEAF, siehe DEAFBiblEl sub www.uni-heidelberg.de/ institute/ sonst/ adw/ deaf/ index.html. 2 Nicht mehr British Museum. 3 Fundus fehlt bei Ruhe. 4 Laut DLF 2 1386 erschien die letzte Druckfassung 1537. ter anderem ein astrologisch-astronomischer Traktat (Fragen 957-1063) 5 , ein Lapidarium (1065-1091) und ein Herbarium (1092-1142). Ruhe nennt als Quellen im Vorwort die Übersetzung I des Elucidarium, Le Miroir du Monde, den Lapidaire de Philippe und die Image du Monde. Die eigentliche Edition, 422 (! ) relativ eng bedruckte Seiten, macht einen sehr zuverlässigen Eindruck und orientiert sich an den nach Meyer/ Roques von Foulet/ Speer vorgegebenen Regeln. Hilfreich für das Textverständnis sind ein Glossar (425-54) 6 , das Verzeichnis der Personennamen (455-58) und ein Thematischer Index (459-90). Mit dieser Ausgabe stellt Ernstpeter Ruhe der Romanistik wie auch der Mediävistik einen Text zur Verfügung, der den einzelnen Disziplinen (von der Philologie bis hin zur Geschichte der Naturwissenschaften) mit Sicherheit zu neuen Erkenntnissen verhelfen wird. Dafür sei ihm schon jetzt gedankt. Dem Erscheinen des Kommentarbandes dürfen wir mit Freude entgegensehen; er wird Anlass für eine ausführliche Würdigung sein. S. Dörr H Gilles Roussineau (éd.), Perceforest. Deuxième partie. Edition critique, vol. 1, Genève (Droz) 1999, lxxviii + 703 p. (Textes Littéraires Français 506) Der im 14./ 15. Jahrhundert entstandene gigantische Roman des Perceforest «est le plus vaste des romans que nous ait laissés le moyen âge» 1 . In dem in sechs Bücher und in insgesamt 531 Kapitel gegliedertem Werk, das in dem einzigen vollständigen Manuskript C einen Umfang von insgesamt 3400 Spalten in Klein-Folio-Format hat, wird die Geschichte Großbritanniens vor der Zeit von König Artus in aller Ausführlichkeit dargestellt. Das Anliegen des anonymen Autors ist es dabei, den Zyklus Alexanders des Großen mit dem des Königs Artus zu verbinden. So beginnt die Darstellung auch mit dem Bericht über die Landung 328 Besprechungen - Comptes rendus 5 Die Zahlen- und Buchstabensymbolik ab 962 ist in altfranzöischen Texten bislang unbekannt (nichts in IntrAstrD, HaginL, CompilEstC; ebenso keine Parallelen in den Enzyklopädien wie Im- Monde, BrunLat, SecrSecr); nichtsVergleichbares in Ab Ma Saˇ r, On historical astrology, hg. von Keiji Yamamoto/ Charles Burnett, Band 2, Leiden-Boston-Köln, 2000, und in den lateinischen Übersetzungen des Liber introductorii maioris ad scientiam judiciorum astrorum durch Johann von Sevilla und Hermann von Kärnten (hg. von Richard Lemay, Neapel 1996). 6 Das Glossar ist umfangreich und gibt zum Teil Verweise auf TL, Gdf, den DEAF und das FEW. Die Definitionen orientieren sich an denen des TL, was zur Folge hat, dass Übersetzungsangebote wie ‘Heller, Pfennig’ (denier) neben Umschreibungen wie ‘Bezeichnung eines Edelsteins’ (balais) stehen. Im Prinzip ist dieses Prozedere aber praktisch. Einige kleinere Anmerkungen: agri, einmal belegt, wird definiert als ‘Odermennig, Ackermennig, Leberkraut’; wenn die Bedeutung nicht präzise erkannt werden kann, sollte man zwischen die Interpretamente zumindest ein oder schieben; aigrun ‘saure Früchte’: nicht pluralisch definieren, außerdem wohl eher ‘Art Gemüse’, cf. FEW 24,96b; arsure ‘Brand’: eher ‘Eifer’, cf. FEW 25,146a ‘ardeur’ (ein Beleg aus ChrPis); cole ‘Galle’ mit einer Vielzahl von Belegen: zu differenzieren in cole neire 96, 140 und cole jaune 96, 140, 370, etc.; ‘Galle’ ist als moderne Definition ohne Bezug zur Humoralpathologie zudem missverständlich; mote ‘Kugel’: Definition nicht adäquat, eher ‘Klumpen’, cf. TL 6,352 (auch motel ‘Klümpchen’); raspé, vin raspé ‘lauer, geringer Wein’: zu korrigieren in ‘Art Wein’, ohne negative Konnotation, cf. HenryŒn 2,260; sodomite ‘der sich widernatürlicher Unzucht hingibt’ (= TL) ist zu literarisch definiert und beschreibt nicht den genauen Sachverhalt; vertu ‘Wunder’ trifft nicht zu für 1065 (von Edelsteinen), hier ‘Wirkungskraft’, cf. TL 11,340,14; zaraont vgl. zaracon plantago indica Hunt- Pl 267. 1 L.-F. Flutre, Études sur le roman de ‘Perceforest’; in: R 70 (1948/ 9): 474.