Vox Romanica
vox
0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2002
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Kristol De StefaniAlan Hindley/Frederick W. Langley/Brian J. Levy, Old French – English Dictionary, Cambridge (Cambridge University Press) 2000, xv + 621 p.
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2002
T. Städtler
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Das Anliegen von Defaux und Mantovani war ein zweifaches. Zum einen wollten sie Jehan Marot aus der weitgehenden Vergessenheit befreien. Dieses Ziel haben sie mit der gekonnten Textedition und den überzeugenden Anmerkungen dazu in vollem Umfang erreicht. Das ist eine beachtenswerte Leistung, die Anerkennung verdient. Zum anderen wollten sie nachweisen, daß der Dichter zu Unrecht als auctor minor eingeschätzt ist. Nach meinem Urteil ist ihnen dieser Nachweis, wie oben dargelegt, nicht gelungen. Aber auch selbst wenn Jehan Marot weiterhin als zweitklassig anzusehen ist, ist es Aufgabe der Philologen, ihm seine Aufmerksamkeit zu widmen. Und das haben hier zwei Spezialisten in weithin souveräner Weise getan 2 . A. Arens H Alan Hindley/ Frederick W. Langley/ Brian J. Levy, Old French - English Dictionary, Cambridge (Cambridge University Press) 2000, xv + 621 p. Seit geraumer Zeit warten alle Interessierten auf ein brauchbares, auf vernünftigen Prinzipien basierendes Handwörterbuch für das Altfranzösische, ein Desideratum, das offensichtlich so leicht nicht einzulösen ist. So ist man gespannt auf jeden der nicht allzu häufigen Versuche in dieser Richtung, in der Hoffnung, endlich ein gelungenes Arbeitsinstrument in Händen zu halten. Über einhundert Jahre Erfahrung im universitären Altfranzösischunterricht [xib] konnten die Autoren bei der Kompilation des hier anzuzeigenden Wörterbuches auf die Waagschale packen - wenn dieses hier schon eingangs resümierend als für zu leicht befunden wird, mag dies als Hinweis dafür genügen, daß viele Dienstjahre allein eine fehlende Wörterbuchkonzeption nicht ersetzen können. Hervorgegangen ist das Druckerzeugnis aus einer Datenbank, die ursprünglich als Unterrichtshilfe konzipiert war und die zu jedem Lemma acht Informationen bereit hielt: das Wort selbst, Verweis auf Text und Textstelle für das Vorkommen des Wortes, Charakterisierung der Textsorte, grammatikalische Funktion des Wortes, geographische Verortung, Text- und Handschriftendatum, sowie schließlich die Bedeutung im Kontext. Wer weiß, wie viele schöne Überraschungen all diese Informationen bereit gehalten hätten - tatsächlich publiziert wurden schließlich Lemma, grammatikalische Bestimmung und Definition. Zustande gekommen sind solcherart rund 60000 Einträge, für ein Handwörterbuch auf den ersten Blick eine stattliche Menge, doch befinden sich darunter (zu) viele definitionslose Verweise auf andere Einträge, die verzichtbar gewesen wären (vgl. etwa im Abschnitt ilec - iluc bei 27 Einträgen 12 Verweise auf das sich anschließende iluec). Im dritten Abschnitt der Einleitung, «How to use the dictionary» [xb], findet sich eine Liste mit Pauschalverweisen (des. des-, hs. u- [Beispiel: hui/ ui], usw.), die man ohne viel Aufwand sinnvoll hätte erweitern können (statt des zweiten Falles etwa: h + Vokal s. Vokal; ergänze us. o-; usw.), um im Wörterbuch selbst Platz für anderes zu schaffen. Dort zu streichen wären Verweise auf ein unmittelbar folgendes (annueté annuité, soventefez soventefoiz, etc.) oder vorangehendes (decoction decoccion, saaz saas, sacrarie sacraire, etc.) Lemma oder etwa zwei von drei aufeinander folgende Formen (z. B. isniaus, isniax, isniel). Zu Recht wird auf goupil verwiesen von guerpil, gourpil, gupil, houpil, vorpil, und vulpil, doch fehlen die noch aparteren horpil, oupil, virpil, etc. (vgl. DEAF G 1073s.). Eine beliebige Zahl zu den Verweisen: Von den 221 mit probeginnenden Einträgen sind 112 Verweise, von denen über 342 Besprechungen - Comptes rendus 2 Folgende Fehler, die ich bemerkt habe, sind zu korrigieren: X N2 «rcceuil» zu «recueil»; XX- XIX «Si Joly aurait pu aller» zu «Si Joly avait pu aller» (ein solch gravierender Fehler dürfte nicht unterlaufen! ); XL «ne suscite pas les réctions» zu «réactions»; CXVI «il exerçait les fonction de» zu «les fonctions»; 601, 6. Zeile von unten «CLXII» zu «CLXI». zwei Drittel aufgrund entsprechender Pauschalverweise hätten entfallen können. Neben diesen «see»-Verweisen gibt es noch die «cf.»-Verweise, die ohne erkennbares System auf dieses und jenes verweisen, oder aber eben auch nicht. Der Hin- und Herverweis zwischen predicator und preecheor ließe vermuten, man fände einen solchen bei entlehnten und erbwörtlichen Formen eines gemeinsamen Etymons - was ja eine gute Idee wäre -, doch gibt es keinerlei hergestellten Bezug etwa zwischen regal und roial oder real. Einen cf.-Verweis gibt es von decrier auf crier (anzumerken ist, daß decrier, aus dem AND - das übrigens in der Bibliographie [xiva] unter den mehrbändigen Wörterbüchern aufgenommen ist! - übernommen, sowieso zu streichen ist; einzige Quelle ist PAbernLumH 1 4730var. 1 , wo zu lesen ist il feseit Greinnur mestrie . . . De . . . repariller Ke . . . de crier), nicht aber von dechanter auf chanter, dafür aber wieder von encontremont auf contremont usw. Rückverweise gibt es jeweils nicht. Von decorer 2 v.tr. ‘slaughter, butcher (of animals)’ wird verwiesen auf cuir, coral (s.v. freilich vier unterschiedliche Einträge - man hat die Wahl), corail (dort nur ein Verweis auf coral) und coraille, ohne jedweden Rückverweis, so daß es dem Benutzer überlassen bleibt, sich Gedanken zu machen, was ihm diese Verweise sagen wollen. Nicht immer nachzuvollziehen sind auch die grammatikalischen Bewertungen der Lemmata. So heißt es zu guesle (als Verweiseintrag zu gorle) «sm and f». Im einzigen bekannten Beleg für diese Graphie, CoincyII15K 61var., steht guesles et frambauz, im Plural und ohne Artikel, so daß die Genusbestimmung offen bleiben muß. Da gorle aber immer maskulin ist - der einzige vermeintliche Beleg für das Femininum ist zu streichen, vgl. DEAF G 1015,16 -, ist nicht einzusehen, warum das in einem nicht zu entscheidenden Fall anders sein sollte. Der Verweiseintrag decicom ist als «conj and prep» markiert, der eigentliche Eintrag deci com aber nur als «conj». Neben der herkömmlichen und in aller Regel genau durchgeführten Unterscheidung in transitive, intransitive, reflexive und unpersönliche Verben gibt es überraschende Misch- oder Kombinationsgenera. Die Kategorie «vir» für endormir ‘go to sleep, fall asleep; grow numb; become dormant’ oder für pasmer ‘faint, swoon’ mag wohl bedeuten, daß die Verben im einen oder anderen Genus (mit derselben Bedeutung? ) verwendet werden, was aber ist neben saignier vi ‘bleed’ saignier vti ‘(med.) bleed (s.o.), pierce vein; wound’? Hier wird die grammatikalische Einteilung ad absurdum geführt, vgl. auch exceder, maugracier, tenebrir, usw. Oben erwähntes gorle liefert ein schönes Beispiel, wie die Definitionen - zumindest teilweise - ungeprüft kompiliert werden. Ist der semantische Gehalt des Wortes mit ‘ceinture dans laquelle on porte son argent’ hinlänglich beschrieben, so liest man bei Hindley et al. als Kumulation von Greimas und AND ‘belt, girdle; moneybelt, purse, wallet, case, game-bag, pouch, satchel’ (vgl. DEAF G 1016,16 mit Hinweisen zur Kritik der gorle-Definitionen). Führt man sich vor Augen, für wen dieses Wörterbuch gemacht sein will - «students of French, philologists, historians, and indeed scholars working in disciplines other than French literature» -, so bekommt man Tränen in die ersteren, stellt man sich diese überwiegenden Nicht-Spezialisten mit Definitionen konfrontiert vor wie zu felon adj. ‘wicked, evil; aloof, haughty; base, harsh, cruel, ruthless, pitiless, vicious; villainous, treacherous, disloyal; deadly, mortal; lawless’. Hier wird klar, wie unverzichtbar beispielhafte Kontexte für die einzelnen Bedeutungen sind, damit man weitere sinnvoll zuordnen kann. Wie ärgerlich das Ignorieren der (nicht? ) benutzten Quellen ist, braucht nicht extra ausgeführt zu werden. Das Überprüfen derselben hätte den Autoren jedoch eine Reihe zumindest zweifelhafter Einträge erspart. So etwa ist torse definiert mit ‘parcel, package, bundle; handful of straw (used to wipe o.s. after defecation)’. Ist man nun skeptisch, ob letztere Bedeutung im Altfranzösischen wirklich belegt sei - laut Einleitung liegt die Zeitgrenze für das Wörterbuch bei «approximately 1350» - und geht der Sache nach, wird man schließlich fündig in Gdf 7,776b und stellt fest, daß es für das Wort in die- 343 Besprechungen - Comptes rendus 1 Die hier verwendeten Sigel sind die des DEAF. ser Bedeutung (neben anderen) nur einen Beleg in 1464 GlLag1499 gibt. Nur in einem Glossar des 15. Jahrhunderts ist atasser als v.tr. belegt (Gfd 1,466a), die Verwendung als v. r. in GuillMarM fehlt dafür. Die Versäumnisse und Irrtümer im Vergleich mit der bereits existierenden Lexikographie sind mit etwas Spürsinn und gutem Willen relativ leicht zu identifizieren. Was für die Autoren freilich am unbefriedigendsten sein muß, ist die Tatsache, daß ihr ureigener, authentischer Beitrag zur Erforschung des Altfranzösischen wegen fehlender Datierungen, Verweise und Belege nicht honoriert werden kann. Wollte man eine lexikographische Fehlertypologie erstellen, man würde hier für alle Punkte fündig. Hinter baudas ‘joy, elation, exhilaration’ vermutet man nicht unbedingt den Eigennamen Bagdad (der Fehler stammt aus Gdf 1,603a), hinter martin ‘idea, project, plan; subject, topic of conversation’ nicht ursprünglich einen Heiligen (eine Erklärung dagegen bei robin ‘youth, assistent’ «from Robin, classic shepherd’s name in Old French lyric poetry»). Das eine oder andere Wort taucht schon einmal zweimal auf, vgl. gole und goule 1 (goule 2 ist ein Verweis auf gole), merle 2 steht bereits komplett unter merle 1 , etc., dafür ist an anderer Stelle zusammengewachsen, was getrennt hätte bleiben sollen, vgl. ventrail ‘(anat.) stomach, gizzard; belly, guts, bowels; ventricle (of heart, brain); chamber, cavity’, wo nach der Zugehörigkeit zu venter (FEW 14,249b) bzw. ventriculus (FEW 14,254b) zu unterscheiden gewesen wäre. Dieser Fehler ist offensichtlich aus TL 11,203 übernommen, er wurde aber bereits hier vor zehn Jahren korrigiert (VRom. 51: 287). Schließlich finden sich auch noch, anderernorts als solche bereits erkannte, Phantomwörter, wie etwa heurespois ‘(ichth.) type of fish’, verlesen für lievrespois, cf. DEAF H 445, oder livon ‘type of wild animal’, das aus Gdf 5,5b übernommen, aber bereits ib. 8,361a korrigiert und in GdfLex nicht mehr aufgenommen ist, usw. Ich breche die Anzeige hier ab, weitere Fehler zu finden wäre leicht, Lobendes zu sagen dagegen schwer 2 . Geben wir uns damit zufrieden festzustellen, daß wir hier ein aufwendig gemachtes Beispiel dafür haben, wie man es nicht machen sollte. Th. Städtler H Brigitte Lépinette, L’enseignement du français en Espagne au XVIII e siècle dans ses grammaires. Contexte historique. Concepts linguistiques et pédagogie. Münster (Nodus) 2000, 381 p. Die Verflechtung von linguistischen Erkenntnissen und didaktischen Überlegungen ist ein wesentliches Merkmal von Grammatiken zur Erlernung einer Sprache, wobei je nach Zielgruppe eine unterschiedliche Gewichtung zu erwarten ist. Im Spanien des 18. Jahrhunderts hatte dies die gleiche Gültigkeit wie in heutiger Zeit. Brigitte Lépinette setzte sich zum Ziel, mit Hilfe eines zentralen Corpus von 12 Grammatiken des 18. Jahrhunderts die Wege der gegenseitigen Einflußnahme von pädagogischen und sprachwissenschaftlichen Erkenntnissen zu ergründen, um auf diese Weise eine adäquate Beurteilung der besprochenen Grammatiken in ihrem sozio-kulturellen und wissenschaftlichen Kontext zu gewährleisten: «nous tenterons de déterminer comment, en quoi et dans quelle mesure l’analyse de la langue française, qui se nourrit de descriptions antérieures, pas toujours pédagogiques, et, la plupart du temps, destinées à des apprenants autochtones, est transformée (pédagogisée) pour des apprenants espagnols, avec leur savoir 344 Besprechungen - Comptes rendus 2 Vgl. die Besprechungen von W. Rothwell FSt 55,583s. (Schlußwort: «no research in, no research out» [585]) und T. Matsumura LIT Tokyo 8,39s. (Fazit: «Ne vaut-il pas mieux alors se passer de ce nouveau produit et consulter directement nos instruments de travail habituels? » [44s.]).
