Vox Romanica
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Francke Verlag Tübingen
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Kristol De StefaniBrigitte Lépinette, L’enseignement du français en Espagne au XVIIIe siècle dans ses grammaires. Contexte historique. Concepts linguistiques et pédagogie. Münster (Nodus) 2000, 381 p.
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Roger Schöntag
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ser Bedeutung (neben anderen) nur einen Beleg in 1464 GlLag1499 gibt. Nur in einem Glossar des 15. Jahrhunderts ist atasser als v.tr. belegt (Gfd 1,466a), die Verwendung als v. r. in GuillMarM fehlt dafür. Die Versäumnisse und Irrtümer im Vergleich mit der bereits existierenden Lexikographie sind mit etwas Spürsinn und gutem Willen relativ leicht zu identifizieren. Was für die Autoren freilich am unbefriedigendsten sein muß, ist die Tatsache, daß ihr ureigener, authentischer Beitrag zur Erforschung des Altfranzösischen wegen fehlender Datierungen, Verweise und Belege nicht honoriert werden kann. Wollte man eine lexikographische Fehlertypologie erstellen, man würde hier für alle Punkte fündig. Hinter baudas ‘joy, elation, exhilaration’ vermutet man nicht unbedingt den Eigennamen Bagdad (der Fehler stammt aus Gdf 1,603a), hinter martin ‘idea, project, plan; subject, topic of conversation’ nicht ursprünglich einen Heiligen (eine Erklärung dagegen bei robin ‘youth, assistent’ «from Robin, classic shepherd’s name in Old French lyric poetry»). Das eine oder andere Wort taucht schon einmal zweimal auf, vgl. gole und goule 1 (goule 2 ist ein Verweis auf gole), merle 2 steht bereits komplett unter merle 1 , etc., dafür ist an anderer Stelle zusammengewachsen, was getrennt hätte bleiben sollen, vgl. ventrail ‘(anat.) stomach, gizzard; belly, guts, bowels; ventricle (of heart, brain); chamber, cavity’, wo nach der Zugehörigkeit zu venter (FEW 14,249b) bzw. ventriculus (FEW 14,254b) zu unterscheiden gewesen wäre. Dieser Fehler ist offensichtlich aus TL 11,203 übernommen, er wurde aber bereits hier vor zehn Jahren korrigiert (VRom. 51: 287). Schließlich finden sich auch noch, anderernorts als solche bereits erkannte, Phantomwörter, wie etwa heurespois ‘(ichth.) type of fish’, verlesen für lievrespois, cf. DEAF H 445, oder livon ‘type of wild animal’, das aus Gdf 5,5b übernommen, aber bereits ib. 8,361a korrigiert und in GdfLex nicht mehr aufgenommen ist, usw. Ich breche die Anzeige hier ab, weitere Fehler zu finden wäre leicht, Lobendes zu sagen dagegen schwer 2 . Geben wir uns damit zufrieden festzustellen, daß wir hier ein aufwendig gemachtes Beispiel dafür haben, wie man es nicht machen sollte. Th. Städtler H Brigitte Lépinette, L’enseignement du français en Espagne au XVIII e siècle dans ses grammaires. Contexte historique. Concepts linguistiques et pédagogie. Münster (Nodus) 2000, 381 p. Die Verflechtung von linguistischen Erkenntnissen und didaktischen Überlegungen ist ein wesentliches Merkmal von Grammatiken zur Erlernung einer Sprache, wobei je nach Zielgruppe eine unterschiedliche Gewichtung zu erwarten ist. Im Spanien des 18. Jahrhunderts hatte dies die gleiche Gültigkeit wie in heutiger Zeit. Brigitte Lépinette setzte sich zum Ziel, mit Hilfe eines zentralen Corpus von 12 Grammatiken des 18. Jahrhunderts die Wege der gegenseitigen Einflußnahme von pädagogischen und sprachwissenschaftlichen Erkenntnissen zu ergründen, um auf diese Weise eine adäquate Beurteilung der besprochenen Grammatiken in ihrem sozio-kulturellen und wissenschaftlichen Kontext zu gewährleisten: «nous tenterons de déterminer comment, en quoi et dans quelle mesure l’analyse de la langue française, qui se nourrit de descriptions antérieures, pas toujours pédagogiques, et, la plupart du temps, destinées à des apprenants autochtones, est transformée (pédagogisée) pour des apprenants espagnols, avec leur savoir 344 Besprechungen - Comptes rendus 2 Vgl. die Besprechungen von W. Rothwell FSt 55,583s. (Schlußwort: «no research in, no research out» [585]) und T. Matsumura LIT Tokyo 8,39s. (Fazit: «Ne vaut-il pas mieux alors se passer de ce nouveau produit et consulter directement nos instruments de travail habituels? » [44s.]). linguistique (grammatical) et leurs habitudes didactiques préalablements acquises. Il s’agira donc de montrer la spécificité de grammaires du français qui servaient à l’enseignement de cette langue étrangère dans le cadre de pratiques pédagogiques propres à l’Espagne du XVIII e siècle» (22). Die Aufdeckung von Inkohärenzen und aus heutiger Sicht Kuriositäten und Auswüchsen der damaligen spanischen Grammatiken zur Erlernung des Französischen zeigt, daß die gelungene Arbeit von Brigitte Lépinette die facettenreichen Interdependenzen von französischer Grammatiktheorie, lateinischem Schulmodell, pädagogischer Neuerung und nicht zuletzt von ökonomischem Interesse durch die vergleichende Corpus-Analyse äußerst gewinnbringend herausstellt. Einige prägnante Beispiele mögen hierbei die Entstehungswege der Grammatiken illustrieren, auf denen natürlich meistens die Grammaire générale et raisonnée de Port-Royal (1660), die Gramática de la lengua castellana von Nebrija (1492) und nicht zuletzt das lateinische Grammatikmodell von Donat und Priscian zu finden sind: Bei der Einteilung der parties du discours richtet sich Abdón Senén Guilla Rubí in seiner Forma gramatical la qual contiene el modo como se ha de aprender a leer y hablar la lengua francesa von 1707 nach dem klassischen Modell (er verwendet also 8 Redeteile), allerdings mit der Berufung auf Nebrija: «dividido para mayor intiligencia en ocho partes de la oración . . . según la enseñanza del mejor maestro de lenguas D. Antonio de Nebrixa» (Guilla Rubí 1707: 14 nach Lépinette 2000: 187). Die Tatsache, daß Guilla Rubí sich auf Nebrija bezieht, könnte man als Referenz auf eine nahe lebende Sprache deuten, wobei er jedoch keineswegs die Gramática de la lengua castellana, die im übrigen eine Einteilung in 10 Redeteile aufweist, zum Vorbild nimmt, sondern die früher erschienene Grammatica, seu Introductiones Latinae, mit ihren klassischen 8 Redeteilen, und zwar mit der eben im Zitat gesehenen Begründung zum besseren Verständnis der Lernenden. Es werden also, gegebenenfalls wider besseres Wissen, die sprachlichen Gegebenheiten nicht in der Zielsprache (hier: Französisch) in angemessener Weise behandelt, sondern aus didaktischen Gründen nach dem schon bekannten lateinischen Vorbild beschrieben, oder anders gesagt: «Responsables d’ouvrages pédagogiques, ils [les auteurs de ces grammaires] jugent sans doute ne pas avoir à entrer dans des considérations linguistiques, finalement théoriques. Il semble ainsi que leur but primordial est l’efficacité dans l’enseignement et que celle-ci serait indépendante de la nature/ présence de l’analyse de la langue cible» (195). Diese Vernachlässigung der adäquaten Betrachtung einer Sprache führt z. B. bei Juan (Tomás) Láurez de Mairán dazu, in seinem Compendio nuevo de Gramática francesa von 1799 die französische Negation pas, aufgrund ihrer Inexistenz im Spanischen, aus didaktischen Gründen als eigenständige partie d’oraison zu präsentieren (194s.). Die Behandlung des Artikels in den romanischen Sprachen war seit dem Beginn ihrer Beschreibung problematisch, da im lateinischen Grammatikmodell diese Wortart natürlich nicht berücksichtigt ist. Pierre Nicolas de Chantreau, dem die maßgeblichen französischen Grammatiker, wie Girard, Wailly oder Condillac und die Grammaire générale et raisonée de Port-Royal bekannt sind, so daß er sich der «modernen» Auffassung des Artikels durchaus bewußt ist, macht in seiner Arte de hablar bien francés o gramática completa trotzdem einen Spagat zwischen alter und neuer Beschreibung. Die Definition des französischen Artikels ist bei ihm eine formelle, d. h. er hat die Funktion Genus und Numerus zu markieren, womit eigentlich eine Referenz auf die Deklination ausgeschlossen ist. Das Wort Kasus taucht in dem Abschnitt über den Artikel auch nicht auf, dennoch ist die Präsentation der französischen Artikel die der traditionellen Anordnung in einer Deklinationsliste. Diese inkonsequente Vorgehensweise erklärt sich klar aus seinen didaktischen Überlegungen zu Beginn der Grammatik: «He suplido . . . los seis casos del latín . . . por cuyo medio han salido las 345 Besprechungen - Comptes rendus reglas mas concisas y adequadas al alcance del entendimiento mas limitado» (Chantreau 1781: x nach Lépinette 2000: 211) 1 . Zum besseren Verständnis ihres französischlernenden Publikums führten Antonio Galmace in seiner Llave nueva y universal para aprender con brevedad y perfección la lengua francesa sin auxilio de maestro von 1748 und Juan Enrique Le Gallois de Grimarest in seiner Nueva Gramática Francesa con un nuevo método para aprender a pronunciar von 1747 eine prononciation figurée ein, die folgendermaßen aussah: «Je vous suis fort obligé: Ze vu sui fortoblige» (Galmace), «Ye vu sui fort oblige» (Grimarest) (161). Es wurde also versucht «des phonèmes de la langue cible (le français) à l’aide d’éléments graphiques normalement destinés à représenter les phonèmes de la langue source» (160), zu transkribieren, was aber aufgrund des unterschiedlichen Phoneminventars bzw. seiner unterschiedlichen graphischen Repräsentation scheitern mußte; so konnten die Autoren keine Nasalvokale angeben, kein i consonne 2 , wie z. B. in Jacques, oder den Laut [ø] in peu, und das Wort bourgeois lösten sie mit Hilfe einer halb-französischen Graphie (burjoè) auf. Der eigentliche Grund des Scheiterns dieser Methode ist jedoch ein anderer: «En effet, ces transcriptions ne changent pas le principe de l’enseignement des sons du français, elles sont seulement un nouvel avatar de l’apprentissage de la lecture des graphèmes codifiés dans cette langue» (170). Die zu Beginn vorgenommene historische Einbettung der Grammatiken bei Brigitte Lépinette erfolgt - abgesehen von der für den weiteren Verlauf der Darstellung natürlich unverzichtbaren Diskussion von grammatischen Bezugsmodellen - vor allem auch soziokulturell, d. h. durch die Beschreibung des Status des Französischen im Spanien dieser Zeit sowie der Situation der Lehrenden und Lernenden. Als interessant hätte sich eventuell auch noch die nähere Auseinandersetzung mit der politischen Konstellation erwiesen, denn schließlich lösten nach dem Spanischen Erbfolgekrieg (1701-1714) die französischen Bourbonen das Haus der Habsburger als Königsdynastie ab, so daß sich eine Verbindung mit dem wachsenden Bedarf der Erlernung des Französischen aufdrängt 3 . Eine Anregung, die sowohl Autorin als auch Verlag betrifft 4 , wäre die etwas sparsamere Verwendung von überlangen Fußnoten und die Vergrößerung des Schriftbildes, welches besonders in den Fußnoten und Zitaten geradezu mikroskopisch klein anmutet. Vielleicht sollte man sich ein wenig an den Überlegungen der behandelten Grammatiker des 18. Jahrhunderts orientieren, die sich, wie öfters erwähnt, Gedanken zu Rezeption und Absatz ihrer Werke machten. R. Schöntag H 346 Besprechungen - Comptes rendus 1 Diese Vorgehensweise ist bis in neuere Zeit verbreitet gewesen. So heißt es beispielsweise in einem Spanischlehrbuch der 50er Jahre noch: «3. Dekliniere: el automóvil, los automóviles: del automóvil, de los automóviles; al automóvil, a los automóviles . . . » (G. Rüben, Wir lernen Spanisch. 1. Teil: Einführung in die spanische Sprache, 4. Aufl., Göttingen 1955: 31). 2 Dies ist eine Bezeichnung von Galmace. Er unterscheidet zwischen i consonne (z. B. Jacques) und u consonne (z. B. val oder ville) (160). 3 Es wird nur vermerkt, daß Philippe V. 1718 ein Edikt von Philippe II. von 1559 aufhob, welches das Studieren und Lehren an ausländischen Universitäten verboten hatte (50). 4 Anzumerken wäre außerdem noch ein Druckfehler (249 unten): *Palgrave anstatt Palsgrave.
