Vox Romanica
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0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
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Kristol De StefaniKarine Boucher/Suzanne Lafage, Le lexique français du Gabon. Entre tradition et modernité, Nice (Institut de Linguistique française – CNRS) 2000, xli + 415 p. (Le Français en Afrique. Revue du Réseau des Observatoires du Français Contemporain en Afrique Noire 14)
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gegangen wird in diesem Zusammenhang auf den Status von verbalen Übergangsformen wie participe présent und participe passé. Abschließend wird das Verhältnis der Adjektive zu spezifischen Determinanten sowie Adverbien diskutiert, letzteres vorrangig anhand der Adjektiv-Adverbien. Kap. VI (227-75) ist der exemplarischen Anwendung der in Kap. IV ermittelten Kriterien auf die Gesamtmenge der fr. Adjektive gewidmet. Auf der Grundlage einer morphologischen Klassifikation in drei Grundkategorien (Primäradjektive, abgeleitete - denominale, deverbale und deadjektivale Adjektive werden jeweils gesondert betrachtet - und nicht abgeleitete Sekundäradjektive) wird nachgewiesen, daß der Prototyp nicht einer dieser Klassen entspricht, sondern alle Typen betrifft, daß er unabhängig von der morphologischen Struktur ist und daß die Zahl der prototypischen Adjektive in den einzelnen Kategorien verschieden verteilt ist. Es überrascht nicht, daß sie in der Kategorie der Primäradjektive besonders gut repräsentiert sind. Kurze «Conclusions» (277-84) lassen die Argumentation des Buches Revue passieren, ein Anhang (287-313) systematisiert mit reichhaltigem Belegmaterial anhand ausgewählter Adjektive deren semantische und morphosyntaktische Charakteristika, es folgt eine umfangreiche Bibliographie (315-32) sowie ein Namens- und Sachindex (333-41). Die Präsentation spiegelt die Reichhaltigkeit der Details, die in Kap. IV-VI des Buches von Goes angesprochen werden, nur unvollkommen wieder. Es gilt daher abschließend, die Vorzüge der Studie hervorzuheben. Es ist dies zunächst die Korpusbasiertheit, die es erlaubt, die Darstellung stets auf konkretem Sprachmaterial zu entwickeln und manche Phänomene auch statistisch zu beschreiben. Es ist dies die klare Struktur der Argumentation, die den eigenen Weg nicht verabsolutiert, sondern ausgewogen hinterfragt. Es ist dies auch die umfängliche Literaturverarbeitung, die zu einer kritischen, aber nie polemischen Auseinandersetzung mit Vorgängern führt. Banalerweise kann in einer so breit angelegten Arbeit nicht alles neu sein, manch alter Wein wird hier in den neuen prototypischen Schlauch gefüllt, in der Gesamtschau des Problems wie in der Diskussion vieler Einzelfragen stellt die Arbeit von Goes aber allemal einen gediegenen und überzeugenden Beitrag zur Thematik dar. J. Lengert H Karine Boucher/ Suzanne Lafage, Le lexique français du Gabon. Entre tradition et modernité, Nice (Institut de Linguistique française - CNRS) 2000, xli + 415 p. (Le Français en Afrique. Revue du Réseau des Observatoires du Français Contemporain en Afrique Noire 14) Vorliegender Band der unter der Leitung von A. Queffélec herausgegebenen Zeitschrift ist, wie schon mancher seiner Vorgänger, zur Gänze einem Wörterbuch einer regionalen Varietät eines der frankophonen Länder Schwarzafrikas gewidmet. Mit S. Lafage hat sich eine seit langem ausgewiesene Spezialistin 1 in Zusammenarbeit mit einer jüngeren, als Expertin für die Region fungierenden Linguistin an die Arbeit gemacht, die lexikalischen Besonderheiten des Fr. im Gabun zu systematisieren. Der Band [im folgenden: LFG] besteht aus drei Teilen, der Einführung (VII-XLI), dem Wörterbuch (1-401) und der Bibliographie (403-15). Die Einleitung gibt zunächst einen übersichtlichen Einblick in die historische, demographische und soziolinguistische Lage des Gabun, bevor auf Entstehungsgeschichte, Typo- 348 Besprechungen - Comptes rendus 1 Cf. von der Autorin (nebst zahlreichen Aufsätzen) Dictionnaire des particularités du Français au Togo et au Dahomey, Abidjan 1975; Français écrit et parlé en pays Ewé (Sud-Togo), Paris 1985; Premier inventaire des particularités lexicales du français en Haute-Volta (1977-1980), Paris 1989. logie der Sprachmaterialien und Präsentation von Makro- und Mikrostruktur des LFG eingegangen wird. Die Perspektive der Autoren ist, so das Vorwort (XXIV-XXVI), durch drei wesentliche methodische Prämissen gekennzeichnet: Sie ist rein differentiell, will also nur im Gabun gebräuchliche Spezifika erfassen (wobei die Materialien durchaus in anderen Regionen Schwarzafrikas beheimatet sein können), sie ist rein deskriptiv, und sie beruht auf einem weiten soziolinguistischen Raster, das keine diasystematischen Begrenzungen kennt. Das Inventar umfaßt folglich ein breites Spektrum, in dem auch Spezifika der Wortbildung, Semantik, Phraseologie bis hin zu wortgebundenen grammatischen Besonderheiten berücksichtigt werden. Es beruht auf einem Korpus, das sowohl die Schriftsprache (literarische, Sach- und journalistische Texte) wie die gesprochene Sprache berücksichtigt, letzteres auf der Basis spontaner Aufzeichnung und der Befragung vor allem jüngerer Sprecher (Studenten). Die Makrostruktur des LFG ist alphabetisch gegliedert, sie besteht laut Vorwort (XXXVIII) aus etwa 2500 Artikeln, wobei die Zahl der Regionalismen deutlich größer ist, da viele Artikel sublemmatisierte Einheiten, vor allem Wortbildungen und Phraseologismen, enthalten. Die standardisierte Mikrostruktur ist einfach. Als Lemma (Fettdruck, Großschrift) fungiert die frequenteste graphische Variante, weitere Varianten werden angegeben. Es schließt sich die grammatische Information an, gefolgt von einem in seiner Reichhaltigkeit im Verhältnis zu vergleichbaren Arbeiten zu europäischen Regiolekten deutlich elaborierteren Markierungsystem, das maximal auf Frequenz, Diamesik, Semantik/ Konnotation, Etymologie, Register/ Soziolekt eingehen kann. Die Bedeutungsdefinition ist seltener synonymisch, positiverweise wird sich überwiegend um informative Paraphrasierungen bemüht (bei Bezeichnungen aus Flora und Fauna tritt der wissenschaftliche Terminus hinzu wie denn generell nicht selten enzyklopädische Informationen bei der Bedeutungsbeschreibung eine Rolle spielen 2 ). Viele Artikel werden mit (chronologisch geordneten) Zitaten versehen, wobei zumeist ein bis zwei Zitatbelege gegeben werden, allerdings auch (und dies gilt vorrangig für sublemmatisierte Einheiten, insbesondere bei Termini der Flora und Fauna) nicht selten auf die wichtige Illustration durch Belege verzichtet wird. In Zitaten versteckte Regionalismen werden zumindest theoretisch durch Asterisk markiert. Jeweils spezifische Siglen können weitere Informationen in die Mikrostruktur einführen: Hinweise auf Synonyma, auf Derivate und Phraseologismen, auf enzyklopädische Phänomene. Komplexere Artikel beschreiben Polyseme oder Wortbildungen/ Phraseologismen jeweils gesondert. Während LFG makrostrukturell gesehen u. E. keine prinzipiellen Probleme aufweist, man im Gegenteil den breitgefaßten Zugang und die daraus resultierende Materialfülle hervorheben muß, sieht es mit der mikrostrukturellen Behandlung anders aus. In Teilen durchaus wenig benutzerfreundlich ist die Artikelgestaltung, die zu sehr durch Bestrebungen zur Kondensation und zu wenig durch Übersichtlichkeit gekennzeichnet ist. Mängel im einzelnen sind: 1º Fortlaufender Artikelblock nach dem Lemma, außer bei Polysemen/ Sublemmatisierungen. 2º Durchgehend fehlende Akzente bei Lemmata. Eines der bewußten Defizite der Autoren, das im Vorwort (XXXVI) jedoch überzeugend mit der Forschungslage begründet wird, ist das Fehlen einer Transkription der Materialien. Insofern sollte auch bei Großschrift zumindest die Angabe die Akzente selbstverständlich sein. Man ist so auf die Zitate angewiesen (cf. z. B. bachee, im Zitat bâchée [39] oder das nur auf den ersten Blick sinnlose Lemma bibove, var[iante] bibove [54], das die Varianten bibove/ bibové kaschiert) beziehungsweise muß bei fehlenden Zitaten die standardfr. Graphie (und Aussprache? ) unterstellen (cf. z. B. liege des antilles [238], zu vermuten liège). 3º Gramma- 349 Besprechungen - Comptes rendus 2 Was manchmal zu problematischen Definitionen führt, cf. z. B. p. 184 s. fièvre jaune ‘maladie provoquée par le virus amaril [! ] . . . déterminant typiquement une hépatonéphrite [! ] grave’. tische Information, Markierungen und Zitate in identischem Kursivsatz. 4º Bedeutungsbeschreibung und Zitat(e) fortlaufend. Es hat sich in elaborierteren Arbeiten zu regiolektalen Varianten eingebürgert, zur Erleichterung von Verweisen Zitate zu numerieren (DRF 2001 ist ein schönes Beispiel hierfür) und selbst wenn dies bei der begrenzten Zahl der Belege in LFG vielleicht nicht notwendig ist, so hätte man sich ein Verweissystem zu eigen machen sollen. So nämlich bleiben sämtliche in anderen Zitaten verborgene Belege dem Benutzer entzogen. Außerdem ist die Kennzeichnung dieser versteckten Materialien mit Asterisk durchaus unvollständig, cf. ohne Markierung z. B. s. avant-centre (35): Ragab, s. bisnesman (58): amener loin, s. bucheron (74): à l’époque etc. 5º Zuweilen fehlt die Bedeutungsdefinition und wird durch Verweise auf Synonyma ersetzt. Dieses unübliche Verfahren nötigt den Benutzer zum Blättern, es ist vor allem dort ärgerlich, wo durch diese Strategie keinerlei Platz gewonnen wird, cf. z. B. s. adjimer (5) und daller (135), die durch den Verweis auf biffer «definiert» werden und man dann s. biffer (55) zwei Synonyma (‘manger, bouffer’) geboten bekommt. Fazit: eine bessere Gestaltung, angefangen bei Graphik/ Symbolen (z. B. erfüllt der winzige Bindestrich zu Beginn sublemmatisierter Elemente seine Gliederungsfunktion nur unzulänglich) wäre leserfreundlicher gewesen. Erwähnt seien noch sonstige, allerdings marginale Formalia: Siglen werden in ihrer Bedeutung nicht geklärt, was meint z. B. «dispon[ible]»? Des weiteren können (allerdings allgemeinverständliche) Siglen nicht aufgelöst werden, cf. (jeweils in der Definition) s. chicote (107) «frcs» oder sind anders als im Siglenverzeichnis, z. B. s. balayage (41) «qqun.» und s. connaitre (121) «qq’un.», dagegen jeweils «qqn.» im Lemma und p. XLI im Sigleninventar. Die Sigle «loc[ution]» erscheint dort überflüssig, wo hier wie s. calebasse (86) Phraseologismen aufgelistet werden, die wenige Zeilen später im selben Artikel behandelt werden, wo es sich also nicht um Verweise handelt, dasselbe gilt für «comp[osition]» z. B. s. caoutchouc (89). Belegzitate aus Zeitschriften (selten aus Buchtiteln) erfolgen ohne Seitenangabe (was aber angesichts der ohnehin kaum gegebenen Überprüfbarkeit sowieso nicht ins Gewicht fällt). Ansonsten ist die Arbeit formal recht gut gemacht. 3 Problematisch ist auch, daß nicht selten Informationen nicht explizit erfolgen, sondern vom Benutzer z. B. aus den Zitaten erschlossen werden müssen. Da diese in ihrer Zahl begrenzt sind, ist somit immer die Gefahr gegeben, daß sie potentielle Informationen nicht komplett widerspiegeln. Beispiele: Das morphologisch auffällige Lehnverb adjouwi (5) wird als «v.intr.» etikettiert, tritt jedoch im Zitat auch als p.p. auf («il est adjouwi»); africaniser (7) erscheint als «v.tr.», wird jedoch in einem der Zitate auch als v.pron. ausgewiesen; die Pluralbildung von arranger-arranger, s.m. (27) ist nur einem Zitat zu entnehmen; die Basis der Pflanzenbezeichnung attangatier (31) wird angegeben, die Wortbildung jedoch nicht explizit erläutert; der präpositionale Phraseologismus aux fins de (34), der im übrigen unmarkiert in TLF 8,903a figuriert, wird in seiner Syntagmatik nicht beschrieben; dasselbe gilt für viele andere Phraseologismen, die Komplemente nach sich ziehen können.Aus den Beispielen von LFG geht nur aux fins de + inf. hervor, TLF nennt auch aux fins de + subst.; nur bon pour, s.m. (64) wird lemmatisiert, eines der Zitate enthält substantiviertes bon als (okkasionelle oder fixierte? ) Variante («il fait parfois des ‘bons’ à quelques clients») etc. Die Lemmatisierung komplexer Einheiten (Komposita, Phraseologismen) ist nicht befriedigend gelöst, vor allem in bezug auf den Umgang mit Phraseologismen. Anstatt diese, 350 Besprechungen - Comptes rendus 3 Aufgefallene Druckfehler auf p. 1-100: s. aofien (21): s’investit ] s’investir; s. bagarreur (40) Satzzeichen! » am Zeilenbeginn; s. banza (47): distanceen ] distance en; s. baron (48): il es ] est, un bouteille ] une; s. baton (50): musiqie ] musique; s. biomes (58): ses clics et ses clacs ] ses cliques et ses claques; s. bolet (63): desseché ] desséché; s. braquer (71): pnt ] ont; s. capita (90): {.] ] [.] etc. ebenso im Rest des Buches, cf. z. B. cites web ] sites (411). wie heute üblich, unter der semantisch zentralen Komponente zu lemmatisieren, wird oft die initialalphabetische Lemmatisierung gewählt, dies jedoch uneinheitlich. So stehen s. donner (150) sieben Phraseologismen, die jeweils dem Strukturtyp Verb + [einfache/ erweiterte] nominale Gruppe folgen. Davon werden vier an Ort und Stelle beschrieben (z. B. donner les enfants), die anderen drei treten nur als Verweislemmata auf und man erfährt Näheres unter dem entsprechenden nominalen Lemma (z. B. donner les nouvelles s. nouvelles). Der Sinn dieser Aufteilung entzieht sich dem Leser. Verweise werden teils gegeben (so s. attraper [32] der Verweis auf grossesse für die Kollokation attraper la grossesse), teils nicht (so fehlt s. tête [372] der Verweis auf se cogner la tête [116], während ibid. sehr wohl auf arranger la tête [27] verwiesen wird). Prekär wird diese Uneinheitlichkeit, wenn Phraseologismen (partiell irrigerweise? ) doppelt lemmatisiert werden und dann in den betreffenden Artikeln unterschiedliche, ja widersprüchliche Informationen gegeben werden. Zwei Beispiele: Der Phraseologismus à la coutume wird s. a (10) als «fréq., tjrs connoté (en bien ou en mal)» markiert, s. coutume (129) nur als «usuel», außerdem mit leicht abweichender Bedeutungsbeschreibung; s. au (33) wird au clairon mit «fréq., (de l’argot militaire), oral surtout, mésolecte, basilecte, fam.» markiert und allgemein mit ‘en buvant au goulot’ definiert, s. clairon (112) dagegen als «fréq., oral surtout, pop., péj.» markiert und die Semantik deutlich spezifischer umschrieben, ‘en parlant d’une bouteille de boisson alcoolisée, la vider complètement en buvant au goulot’. Ein anderer Fall ist der fixierte Vergleich dur comme caillou, der s. dur (155) als «fréq. fam.» markiert wird, dagegen s. caillou (84) - im übrigen in der Form être dur comme caillou - unmarkiert steht. Anhand solcher Divergenzen läßt sich natürlich nicht generalisierend auf das ganze Buch schließen, aber es vermittelt schon den Eindruck einer gewissen Beliebigkeit, wenn z. B. ein und derselbe Regionalismus mal als «familier», mal als «populaire» markiert wird. Auch die Korrektheit diachronischer Markierungen kann LFG nur abgenommen werden, wenn z. B. barrière de pluie (49) als «vieilli» markiert wird, aber mit einem Beleg von 1994 eines fünfundzwanzigjährigen Informanten versehen wird (ist die Sache oder die Bezeichnung veraltet oder beides? ). Es spricht für die Qualitäten des LFG, daß «vergessene» Regionalismen unserer Beobachtung nach nicht ins Gewicht zu fallen scheinen. Dennoch einige Anmerkungen zu potentiellen Kandidaten zu Beginn von LFG, die hier allerdings nicht weiter beurteilt werden können: s. activisme (5): die im Zitat belegte Suffixbildung multipartisme fehlt in der Makrostruktur, dagegen verzeichnet LFG (274) multipartiste; s. argent (26): was ist die Bedeutung von ligne in «il va s’installer une ligne»? (vermutlich ‘électricité’, ist diese Metonymie fixiert? ); s. attraper (32): ist prison ferme als Kompositum zu werten? ; s. condor (121) ist der transitive Gebrauch von pulluler in «les condors pullulent le quartier» fixiert? (GR 7,900b und TLF 14,35a nur «v.intr.»; handelt es sich um einen Druckfehler für «dans le quartier»? ). Desgleichen sind nur wenige Lemmata in ihrem Status als Regionalismus problematisch, z. B. bic ‘stylo’ (54), das auch in Frankreich nicht unbekannt ist (TLF Ø, aber GR 1,965b «fam.») oder bilharziose (56), das als Fachterminus («Méd.») in GR 1,988a-b notiert wird (auch hier stellt sich die Frage, ob die Bezeichnung oder nicht vielmehr das bezeichnete Phänomen regional typisch ist? ). Zuweilen dürfte es sich eher um Frequenzunterschiede als um systematische Divergenzen zwischen beiden Varietäten handeln, was dann aber im Artikel explizit gemacht werden müßte. Abschließend einige durchaus selektive Detailbemerkungen, die vorrangig auf die defizitäre historische Komponente von LFG abheben 4 : poser un acte (5) wird in GR 7,623b als 351 Besprechungen - Comptes rendus 4 Benutzte Literatur außer FEW, GR und TLF: R. G. de Beaucoudrey, Le Langage normand au début du XX e siècle, Paris [1911]; J.-P. Colin/ J.-P. Mével, Dictionnaire de l’argot, Paris 1990; G. Delesalle, Dictionnaire Argot-Français & Français-Argot, Paris 1896; D. Dontchev, Dictionnaire du Belgizismus und Kanadianismus ausgewiesen, vielleicht macht sich im konkreten Fall der belgische Einfluß des benachbarten Kongo/ Zaire bemerkbar; à la coutume (10) ist wahrscheinlich ein binnenfr. Regionalismus, wird als solcher jedenfalls im 19. Jh. im Centre nachgewiesen (Jaubert 1864-69: 193); à suffisance (30) ist ein Archaismus (FEW 12,405b; TLF 15, 1061b «vieilli»); bagne ‘voiture’ (40) als apokopierte Variante von fam. bagnole oder als Archaismus/ Dialektismus zum Typus banne (FEW 1,325a-b)? ; bastonner (49) stammt aus dem Argot (Colin/ Mével 1990: 41s; TLF 4,258a); der Phraseologismus ne pas faire beau (51) ist wohl als negierte Variante zu dem Archaismus il fait beau + inf. zu werten («archaïque ou très littéraire», Rey/ Chantreau 1988: 73); die Verwendung von beaucoup (51) als Adjektivmodifikator ist ein Archaismus («au XVII e s.», TLF 4,329b), muß aber in seiner Existenz im Afrikafr. vielleicht als Regionalismus gewertet werden, vermutlich aus dem Midi (cf. z. B. für die Provence Martel 2 1988: 38 «souvent employé»); chance que ‘heureusement que’ (101) könnte in Bezug stehen zu de chance que, das z. B. in der Normandie nachgewiesen ist (Beaucoudrey 1911: 113); s. cœur (115) und s. corossol (123) nicht pg. corazâo/ corazaô de boï, sondern recte coraç-o-de-boi; court ‘de petite taille’ (128) ist ein Archaismus (unmarkiert in TLF 6,364b; cf. GR 2,1018a «ne s’utilise que stylistiquement où dans des emplois spéciaux»); kurioserweise ist der Phraseologismus être dedans ‘être dans le coup’ (138) auch im Regiolekt der Antillenregion beheimatet (Guadeloupe, Martinique être dedans ‘être de la partie, être en cause’, Telchid 1997: 59), was vielleicht auf einen Archaismus schließen läßt; die schwankende Numeralkomponente in dem Phraseologismus deux pelés et trois tondus ‘très peu de monde’ (144; auch Rey/ Chantreau 1988: 702 notiert quatre/ trois pelés . . .) ist vielleicht auf einen Archaismus zurückzuführen (Furetière 1690 il n’y avait que deux tondus et un pelé, Duneton 1989: 564); die Variante djaf(fe)/ djaf(f)er (149) zu fr.fam./ argot jaffe/ jaffer (cf. TLF 10,630a) ist vielleicht dialektalen Ursprungs, cf. ostfr. Belege (Franche-Comté, Schweiz) in FEW 5,35a; avoir sa/ la dose ‘être ivre’ (151) ist eventuell ein Archaismus des Argot (Delesalle 1896: 95), wird aber von Dontchev 2000: 130 noch als Element des heutigen fr.populaire/ argotique verzeichnet, wäre demnach auch in Frankreich geläufig; écolage ‘frais d’études . . .’ (159) ist ein Archaismus (FEW 11,301b), der sich z. B. auch im Regionalfr. Belgiens und der Suisse romande gehalten hat; en ce moment ‘à ce moment là’ (164) ist ggfs. ein Archaismus (unmarkiert in GR 6,528b; dagegen TLF 11,981a «vx.», u.a. mit einem Zitat von G. Sand 1855); Angaben wie s. estagnon «de l’occitan» (170) sind irreführend, man darf unterstellen, daß es sich nicht um einen direkten Provenzalismus, sondern um eine Übernahme aus dem Regionalfr. des Midi handelt (cf. TLF 8, 177b «région.»); p. 174 und p. 310 lemmatisiertes par exprès (im übrigen auch hier divergent markiert, mal als «fréq.», mal als «dispon.») ist ein Archaismus, der sich in Frankreich ebenfalls regiolektal gehalten hat, so im Lyonnais (Salmon 1995: 69); heure de temps (211) ist ein Archaismus, der heute in Frankreich als Regionalismus in mehreren Regionen über- 352 Besprechungen - Comptes rendus français argotique, populaire et familier, Monaco 2000; DRF = P. Rézeau (éd.), Dictionnaire des régionalismes de France. Géographie et histoire d’un patrimoine linguistique, Bruxelles 2001; C. Duneton, La puce à l’oreille. Anthologie des expressions populaires avec leur origine, Nouvelle édition, revue et augmentée, Paris 1989; W. Gottschalk, Die sprichwörtlichen Redensarten der französischen Sprache. Ein Beitrag zur französischen Stilistik, Kultur- und Wesenskunde, Heidelberg 1930; H. F. Jaubert, Glossaire du Centre de la France. Supplément, Réimpression de l’édition de Paris 1864-1869, Genève 1970; G. Lebouc, Le belge dans tous ses états. Dictionnaire de belgicismes, grammaire et prononciation, Paris 1998; C. Martel, Le parler provençal. Régionalismes du français de Provence, Paris/ Marseille 2 1988; A. Rey/ S. Chantreau, Dictionnaire des expressions et locutions, Nouvelle édition revue et augmentée, Paris 1988; G.-L. Salmon, Dictionnaire du français régional du Lyonnais, Paris 1995; S. Telchid, Dictionnaire du français régional des Antilles. Guadeloupe - Martinique, Paris 1997; E. Villa, Nouveaux Gasconismes corrigés ou Tableau des principales expressions usitées dans la partie méridionale de la France, 2 vol., Montpellier 1802. lebt hat (DRF,963s.); long ‘de grande taille’ (241) ist auch in Frankreich nicht unbekannt (TLF 10,1348a «rare, fam.»); marier ‘épouser’ (256) ist im fr. populaire Frankreichs weit verbreitet (GR 6,259b «régional . . . ou pop.»); mouche à miel ‘nom donné à de petites abeilles sauvages . . .’ (270) ist ein schönes Beispiel für die semantische Adaptation eines Dialektismus/ Regionalismus (FEW 6/ 3,253a-b); die Variante pêle et mêle (313) des standardfr. pêlemêle verdeutlicht die Problematik der Zuschreibung von Regionalismen zu älteren Sprachständen: FEW 6/ 2,163a verzeichnet zwar afr. pelle et melle und noch mfr. (1580) pesle et mesle, aber die chronologische Distanz verbietet es, von einem Archaismus auszugehen. In Ermangelung dialektaler Belege muß es sich wohl um eine eigenständige Variante handeln; pils, s.f. (318) ‘nom de la bière locale’ (die Bedeutung muß man leider s. regab [343] nachschlagen) erinnert auf den ersten Blick an dtsch. Pils, es handelt sich aber um einen aus dem Kongo/ Zaire übernommenen Belgizismus (Lebouc 1998: 105 pils, s.f. ‘bière blonde . . .’; binnenfr. nur pilsen, TLF Ø, aber GR 7,407b); rester ‘habiter’ (345) ist ein in mehreren Regionen Frankreichs beheimateter Regionalismus (DRF,884s.); eine Charakterisierung wie s. schooler ‘aller à l’école’ (353) «de l’anglais» ist verkürzt, da im Engl. to school eine andere Bedeutung (‘enseigner’) hat, neben der Hybridbildung wäre auch der Bedeutungswandel zu erläutern; schtrasse ‘surnom donné autrefois à l’Administration coloniale . . .’ (353) ist durch gleichzeitige Aphärese und Apokope von administration zu erklären und entspricht somit vom Bildungstyp dem binnenfr. Argotwort strasse ‘chambre’ (Colin/ Mével 1990: 598); être bien situé ‘avoir une bonne position sociale’ (358) ist vielleicht eine Lehnbildung nach engl. (to be) well situated (to + inf.); urgemment ‘d’urgence’ (383) ist vielleicht ein Archaismus (FEW 14,62a mit mfr. und frühnfr. Belegen sowie «seit 1872»; TLF 16, 840b «rare», mit einem Zitat von H. de Balzac 1832); ne voir que les étoiles ‘voir trente-six chandelles’ (392) geht wohl von fr. voir les étoiles ‘divaguer, babiller’ aus (1786-1907 belegt, Gottschalk 1930: 6), semantisch näher ist ein regionalfr. Beleg aus der Gascogne («Il a vu les étoiles» ‘les [36] chandelles’, Villa 1802/ 1: 328). Daß es sich vermutlich um einen Archaismus handelt, zeigt die Existenz desselben Phraseologismus im Antillenraum: Guadeloupe, Martinique (voir des étoiles ‘voir 36 chandelles’, Telchid 1997: 76s.). Um ein Fazit zu ziehen: Es sind gerade die nicht «auffälligen» Elemente, d. h. die nicht leicht als Entlehnungen aus autochthonen Sprachen zu identifizierenden Regionalismen, die in ihrer Herkunft zu wenig berücksichtigt werden. Lehnbildungen werden selten als solche identifiziert (z. B. se battre contre sept [51]), aus Varietäten des Französischen stammende Besonderheiten ebensowenig benannt (eine Ausnahme ist z. B. faire faraud «régionalisme français» [177]). Aber auch bei den Afrikanismen (die im übrigen durchgängig nur auf ihre Herkunftssprache zurückgeführt werden, nie mit Angabe des konkreten Etymons) wird häufig (willkürlich? ) auf die Angabe der Etymologie verzichtet. Man darf vermuten, daß den Autoren des LFG manches durchaus bewußt ist, aber die Diachronie vernachlässigt worden ist. In dieser Perspektive ist symptomatisch, daß in der Bibliographie Werke wie GLLF, GR, TLF oder FEW fehlen. LFG wirft u. E. zwei Hauptprobleme auf, die in den Defiziten der lexikographischen Methodik ebenso wie in der begrenzten Berücksichtigung der Diachronie liegen. Aber es gilt auch die Vorteile hervorzuheben: Aktualität des Sprachmaterials, Reichhaltigkeit des Inventars, diasystematische Vielfalt unter Berücksichtigung gerade der gesprochenen Sprache, ausgiebige Markierungspraxis, informative Beschreibung der Semantik. LFG wird daher trotz seiner alles in allem hinter den Vorzügen zurücktretenden Mängel zu einem unverzichtbaren Nachschlagewerk für die beschriebene Region werden. J. Lengert H 353 Besprechungen - Comptes rendus
