eJournals Vox Romanica 62/1

Vox Romanica
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Francke Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2003
621 Kristol De Stefani

Franko-Italienisch: ein sprach- und literaturgeschichtliches Kuriosum

121
2003
Peter  Wunderli
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Franko-Italienisch: ein sprach- und literaturgeschichtliches Kuriosum 1 La littérature franco-italienne et le franco-italien constituent un phénomène curieux et unique dans l’histoire des langues romanes. D’après Holtus, le corpus comprend 65 textes datant d’une période qui va du début du xiii e au début du xv e siècle - un corpus qui peut être légèrement réduit ou élargi selon la définition que l’on applique, mais dont l’envergure générale peut être considérée comme garantie. La plupart des œuvres appartiennent au genre des épopées ou chansons de geste, mais il existe aussi des textes qui se définissent différemment. En ce qui concerne les textes épiques, on peut distinguer trois types: des copies de textes français exécutées en Italie; des textes français modifiés et adaptés par des Italiens; des créations originales italiennes (écrites pourtant dans une langue qui prétend être le français), mais qui utilisent les motifs traditionnels de la chanson de geste et les arrangent d’une nouvelle manière dans le sens de la spéculation épique d’Alfred Adler. Ces textes sont marqués par le fait qu’ils appartiennent à un autre contexte socio-culturel que les chansons françaises: la société féodale n’est plus intacte, mais en pleine décadence ou a même déjà fait place à la grande bourgeoisie; le cadre géographique n’est plus la France, mais l’Italie du Nord, ce qui entraîne aussi une révalorisation des Lombards, l’introduction de nouveaux lieux de référence avec leurs traditions spécifiques (p. ex. Vérone). Et surtout les protagonistes sont refonctionnalisés: Roland devient un personnage d’identification parfait qui possède toutes les qualités imaginables, tandis que Charlemagne, Olivier et Turpin jouent un rôle de plus en plus effacé. D’un point de vue linguistique, chaque texte présente ses caractéristiques propres; une norme de référence générale n’existe pas. Les copistes, les remanieurs et les auteurs mélangent le français et l’italien individuellement et en fonction de toute une série de facteurs: leurs connaissances du français, du toscan et des dialectes de l’Italie septentrionale; leurs lectures de textes en ancien français et leur compétence orale du français contemporain; leurs mécènes et le public cible; le sujet et le texte en question; la position chronologique dans l’histoire du franco-italien; etc. Le mélange des deux langues ressemble souvent à une sorte de jeu de société et on pourrait aussi parler (dans le sens d’Adler) d’une spéculation linguistique. Ainsi le franco-italien ressemble à un phénomène prototypique à plusieurs dimensions: français - italien; oralité - scripturalité; mélange fortuit - mélange voulu, etc. La littérature franco-italienne et le franco-italien s’avèrent ainsi être non seulement des phénomènes curieux, mais aussi et surtout des phénomènes sui generis. 0. Wir sind heute zusammengekommen, um den 70. Geburtstag von Max Pfister zu feiern - ein bedeutender Anlaß, denn er gilt einem großen Romanisten und dessen imposantem Lebenswerk. Sein Name wird unauflöslich mit seinem magnum opus, dem LEI (Lessico Etimologico Italiano) verbunden bleiben, genauso wie derjenige Walther von Wartburgs mit dem FEW (Französisches Etymologisches Wörterbuch) verbunden ist. Und Wartburg hat für Max Pfister in vielerlei Hinsicht Vorbildfunktion gehabt, denn er hat bei ihm als Assistent, als Redaktor und schließlich als Bandredaktor gearbeitet und sein Handwerkszeug als Etymologe (das er aus Zürich natürlich schon mitbrachte) ergänzt und verfeinert. Aber er 1 Festvortrag gehalten anläßlich des 70. Geburtstags von Max Pfister am 22. April 2002 in Saarbrücken. wollte Wartburg nie kopieren, und er ist methodisch und technisch weit über ihn hinausgegangen. Das ändert nichts daran, daß sie beide das große «Etymologenduo» des 20. Jahrhunderts bilden. Angesichts der engen und vielfältigen Gemeinsamkeiten zwischen Max Pfister und Walther von Wartburg nimmt sich das, was mich mit ihm verbindet, doch eher bescheiden aus. Wir haben beide in Zürich studiert. Wir haben uns beide im Wintersemester 1967/ 68 an der Philosophischen Fakultät i 2 habilitiert und sind auf das Sommersemester 1968 zu Privatdozenten ernannt worden. Und wir haben unsere erste Lehrveranstaltung als Privatdozenten (SS 1968) gemeinsam durchgeführt: es war ein Proseminar zum Altokzitanischen bzw. Altprovenzalischen. Der weitere Weg führte uns beide dann nach Deutschland - Max zuerst nach Marburg, mich nach Freiburg; und beide haben wir schließlich die Universität noch einmal gewechselt und dann der Verlockung weiterer Berufungen widerstanden. Forschungsmäßig überschneiden sich unsere Arbeiten v. a. im Bereich der Altokzitanistik, die schon in der Dissertation von Max Pfister einen Schwerpunkt darstellte 3 . Während Max Pfister sich mit phonetischen, morpho-syntaktischen und lexikalischen Problemen befaßte, galt mein Interesse v. a. der Textphilologie 4 . Aber auch ein Textphilologe sieht sich ständig mit den gleichen Problemen konfrontiert, mit denen sich mein Freund vertieft befaßte, und so kam es denn auch zu zahlreichen, außerordentlich fruchtbaren Gesprächen und vielen langen Diskussionen. Zu unseren gemeinsamen Interessen gehört auch das sogenannte Franko-Italienisch. Es steht sicher nicht im Zentrum der Forschungsaktivitäten von Max Pfister, aber es ist ihm auch nicht fremd, denn er wurde mit dem Problem schon in seiner Habilitationsschrift konfrontiert: Das vielleicht wichtigste Manuskript des Girart de Roussillon, die Handschrift O (Oxford, Bodleiana 19539 [Can. Misc. 63]), ist wohl in Oberitalien entstanden und muß deshalb als Repräsentant dieses Phänomens gelten 5 . Ich selbst kam erst etwas später zum Franko- Italienischen, und zwar über die Ausgabe des Aquilon de Bavière; die Problematik beschäftigt mich bis heute sowohl aus linguistischer wie aus literaturgeschichtlicher Sicht. Wenn ich dieses Thema gewählt habe, dann vor allem deshalb, weil es in geradezu idealer Weise die Hauptarbeitsgebiete von Max Pfister verbindet: die Galloromanistik (Französisch und Okzitanisch) und die Italianistik, weil es in beispielhafter Weise ihre Begegnung, Beeinflussung und Durchdringung illustriert. 1. Was ist nun das Franko-Italienische, was ist franko-italienische Literatur? Es handelt sich um ein literatursprachliches Phänomen, das ein eigenes Textkorpus produziert hat und das in seiner Art einmalig ist. Es läßt sich in Oberitalien lokalisieren und kann als vom Anfang des 13. Jh.s bis gegen Ende des 14. Jh.s vital an- 2 Peter Wunderli 2 Die i rührt daher, daß es in Zürich damals eine zweite «philosophische Fakultät» gab: die mathematisch-naturwissenschaftliche Fakultät hieß Philosophische Fakultät ii. 3 Cf. Pfister 1960a, ferner Pfister 1958 und 1960b. 4 Cf. z. B. Wunderli 1969a, 1969b. 5 Cf. Pfister 1970: 9. gesehen werden. Die einschlägigen Texte - Günter Holtus listet deren 65 auf 6 , die als Bearbeitungen oder oberitalienische Neuschöpfungen gelten können, und die Liste kann noch verlängert werden, wenn man auch mehr oder weniger getreue Kopien einer transalpinen Vorlage dazuzählt - sind zu einem erheblichen Teil noch nicht publiziert oder liegen nur in einer veralteten und/ oder qualitativ unzulänglichen Edition vor. Aus literaturgeschichtlicher Perspektive kann man das Phänomen (sehr summarisch) als die Rezeption der altfranzösischen Epenstoffe, der matière de France, in Oberitalien beschreiben. Diese Rezeption schließt allerdings z. T. erhebliche Modifikationen der Modelle ein. Was die Inhalte angeht, so tendieren die chansons de geste dazu, auch Themen aus der arthurischen Welt, der matière de Bretagne, zu integrieren; ähnliches gilt, wenn auch in geringerem Umfang, für Elemente aus der historiographischen, didaktischen, religiösen usw. Literatur, so daß man vor dem Hintergrund dieses «Stoffgemischs» von einem umanesimo cavalleresco in Oberitalien hat sprechen können 7 . Aus linguistischer Sicht handelt es sich beim Franko-Italienischen um eine literarische Kunstsprache, die nur in einem begrenzten Zeitraum und in einem begrenzten Gebiet Geltung gehabt hat. Die Abgrenzung dieses Idioms (oder vielleicht wäre ein Plural besser: dieser Idiome) gegenüber den verwandten oberitalienischen und französischen Varietäten stellt sowohl in zeitlicher als auch in räumlicher Hinsicht das (bis heute nicht wirklich gelöste) Hauptproblem der franko-italienischen Forschung dar. Es war nie primäres Kommunikationsinstrument, nie Alltagssprache, nie Muttersprache; auf literarische Texte im weiteren Sinne beschränkt, war es immer eine Art Zwitter, einerseits Ersatz für eine aus verschiedenen Gründen nicht für literaturfähig gehaltene Primärsprache (einen oberitalienischen Dialekt), andererseits aber auch (mehr oder weniger approximatives) Imitat eines idealen/ idealisierten Modells (des Französischen). Die Sprache der franko-italienischen Texte situiert sich so auf einer Skala, die durch die Pole italienischer/ galloitalienischer Dialekt - Französisch/ französische Dialekte begrenzt wird, und deren Konstituenten teils durch die orale Praxis, teils durch die «Wanderung» altfranzösischer Texte in Oberitalien bekannt waren. 2. Nur schon diese erste Skizze birgt gewisse Probleme in sich. Da ist zuerst einmal die Frage zu beantworten, wie es denn zu dieser Mischsprache gekommen ist. Am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jh.s schien alles klar zu sein: Man erklärte die Mischsprache schlicht durch die Unfähigkeit der Autoren, ein einigermaßen korrektes Französisch zu schreiben. So zögert z. B. Antoine Thomas, der durchaus verdienstvolle Autor der auch heute noch gebrauchten und auch brauchbaren Ausgabe der Entrée d’Espagne, die Französischkenntnisse des Verfassers seien «erbärmlich (déplorables)», und als Reaktion auf meine Ausgabe des Aquilon de 3 Franko-Italienisch: ein sprach- und literaturgeschichtliches Kuriosum 6 Cf. Holtus 1998: 711-16. 7 Cf. Ruggieri 1955, 1962; Folena 1963. Bavière hat mir Robert Martin geschrieben, daß «la langue en est vraiment déroutante».Aber die Theorie mangelnder Französischkenntnisse ist alles andere als unproblematisch. Einmal läßt sich leicht zeigen, daß es unter den Bearbeitern und Verfassern durchaus welche gibt, die diese Sprache hervorragend beherrschten, so z. B. Brunetto Latini oder Raffaele da Verona, und Entsprechendes läßt sich auch von Niccolò da Verona behaupten; trotzdem «produzieren» sie laufend französisch-italienische Mischformen. Dann ist es aber auch keineswegs generell so, daß im Laufe der Zeit die Italianismen generell zunehmen - vielmehr scheint der Italianisierungsgrad in Abhängigkeit vom Bildungsstand des Zielpublikums zu variieren: bei einem wenig gebildeten Rezipientenkreis ist er hoch, bei gebildeten Adressaten dagegen niedrig. Diese Einsichten haben zu einer Neubeurteilung des Franko-Italienischen geführt; man sieht es nicht mehr als «tentativo più o meno riuscito di imitazione della lingua francese» an, was impliziert, daß «le due componenti francese e italiana e i loro sottosistemi sono uniti in maniera non sistematica», sondern vielmehr als «un prodotto di un adattamento intenzionale della lingua e della forma francesi alla situazione dell’Italia settentrionale». Dieser Perspektivewechsel schafft eine vollkommen neue Situation, die Günter Holtus folgendermaßen charakterisiert (Holtus 1981: 153): . . . allora il complesso di testi franco-italiani può essere visto come esempio di una mescolanza linguistica che è condizionata da diversi fattori, come la conoscenza del francese da parte dell’autore o del compilatore, la valutazione del pubblico, il prestigio del modello francese, il desiderio di mantenere le caratteristiche formali della tradizione dei generi letterari, ed infine la nascita e i primi sviluppi di una tradizione letteraria autoctona e di lingue scritte regionali. Der Grad der Französischkenntnisse fällt damit nicht vollkommen aus der Bewertung des Phänomens heraus, aber er wird ein Faktor unter anderen, wobei dem Zielpublikum eine entscheidende Rolle zukommt. Ein zweites Problem (dessen Bedeutung man allerdings nicht übertreiben sollte) ist die Bezeichnung dieser Mischsprache. Im 19. Jh. sprach man ohne weitere Debatte von Franko-Italienisch, franco-italien, franco-italiano usw. Doch je tiefer man in die Erforschung dieses Phänomens eindrang, je exakter die Kenntnisse und v. a. die Interpretationen einzelner Erscheinungen wurden, desto weniger vermochte die traditionelle Bezeichnung zu befriedigen. Denn in der Tat: Die italienischen Elemente in unseren Texten sind nicht einfach «italienisch» (und schon gar nicht standard-italienisch), sie sind vielmehr in aller Regel deutlich dialektal markiert, d. h. v. a. venezianisch, lombardisch, aber z. T. auch ligurisch, piemontesisch usw. Deswegen hat man in der jüngeren Vergangenheit oft auch von Franko-Venezianisch, Franko-Lombardisch usw. gesprochen, und für gewisse Erscheinungen, ja sogar für gewisse Texte mag eine solche Bezeichnung auch durchaus adäquat sein. Andererseits ist es aber auch so, daß die dialektalen Elemente in einem franko-italienischen Text keineswegs zwingend aus ein und derselben Quelle stammen müssen, ja die Untersuchungen von Günter Holtus (Holtus 4 Peter Wunderli 1979) haben gezeigt, daß in ein und demselben Text oft die unterschiedlichsten Dialekte als Referenzidiome zum Tragen kommen - die Autoren und Bearbeiter, ja selbst die Schreiber bedienen sich dort, wo sie das Nötige finden, was letztlich zeigt, daß das Franko-Italienische nur noch bedingt an eine direkte dialektale Quelle gebunden ist und eine Eigendynamik entwickelt hat. Sollten wir also bei der Bezeichnung Franko-Italienisch bleiben? Das ist zumindest eine mögliche Lösung, die allerdings einen nicht zu übersehenden Nachteil hat: Sie legt den Akzent auf Italienisch und suggeriert so, daß die französischen Elemente zweitrangig sind. In der Regel sind die Verhältnisse aber gerade umgekehrt: die Entrée d’Espagne, die Werke von Niccolò da Verona, der Aquilon de Bavière usw. sind primär einmal französisch, durchsetzt mit italienischen Einschlüssen. Aus diesem Grunde hat man vorgeschlagen, franco-italien durch italo-français zu ersetzen (Palermo 1965, 1972). Aber diese Lösung hat den Nachteil, daß sie z. B. den späteren Versionen des Huon d’Auvergne, die dominant italienisch sind, nicht mehr gerecht wird. Wir brauchen deshalb einen neutralen Terminus. Man könnte (nach dem Vorbild von franglais und spanglish) an so etwas wie franital denken - nicht schön, aber adäquat. 3. Wenden wir uns nun dem literarischen bzw. literaturgeschichtlichen Aspekt unseres Themas zu. Den Kern des franko-italienischen Korpus bilden eindeutig die Heldenepen, die chansons de geste. Hier nur einige Texte, wobei keine Vollständigkeit angestrebt wird 8 . An erster Stelle sind sicher die franko-italienischen Bearbeitungen der Chanson de Roland zu nennen (V4, V7, Châteauroux); dann die Chanson d’Aspremont, die Prise de Pampelune, die Bataille d’Aliscans 9 , Gui de Nanteuil, Renaut de Montauban und Bués d’Aigrement, Foulque de Candie und Guillaume d’Orange, die Entrée d’Espagne, die Guerra d’Attila, Aye d’Avignon, Huon d’Auvergne, Garin le Loherain, die Mort de Charlemagne, Anseïs de Carthage, Aquilon de Bavière, usw. Neben dem Rolandslied kommt hierbei den in der Sammelhandschrift V13 enthaltenen Texten zentrale Bedeutung zu (Bovo d’Antona, Berta de li pe grandi, Karleto, Berta e Milon, Enfances Ogier, Rolandin, Chevalerie Ogier, Macaire) 10 . Es ist zu unterstreichen, daß es sich z. T. um Texte handelt, für die es eine französische Vorlage gibt, z. T. aber auch um solche, die als oberitalienische Neuschöpfungen zu gelten haben (z. B. die Entrée d’Espagne, der Aquilon de Bavière), die allerdings im Sinne von Alfred Adlers «epischer Spekulation» auf bekannte französische Themen, Episoden, Motive usw. zurückgreifen und diese neu kontextualisieren und damit umwerten. Bei den an eine eigentliche Vorlage gebundenen Texten können die Eingriffe der Kopisten und Bearbeiter von minimal bis sehr tiefgreifend gehen; sie lassen sich nicht auf einige wenige Typen reduzieren, sondern höchstens auf einer von Null ausgehenden und nach oben offenen Skala einordnen. 5 Franko-Italienisch: ein sprach- und literaturgeschichtliches Kuriosum 8 Für das vollständige Inventar cf. die Literaturangabe in N6. 9 Cf. die Ausgabe von Holtus 1985. 10 Cf. die Ausgabe von Rosellini 1986. Obwohl die chansons de geste den (eindeutig dominanten) Kern der franko-italienischen Literatur darstellen, ist diese keineswegs auf die Gattung der Heldenepik beschränkt (die überdies in sich heterogen ist und von in traditionellen assonierenden Laissen verfaßten über gereimte bis hin zu in Prosa redigierten Texten reicht). Neben den Heldenepen 11 ist auch die matière antique vertreten, z. B. mit dem Roman de Troie, dem Roman de Troie en prose, der Pharsale und dem Roman d’Hector et Hercule. Aber auch die matière de Bretagne, d. h. die arturische Thematik, ist mit Méliadus, Faramon et Méliadus, den Prophécies de Merlin und der Folie Lancelot recht gut repräsentiert. Dazu kommt dann noch die (parodistische) Renart-Thematik, die mit Rainaldo e Lesengrino die episch-höfische Tradition aufs Korn nimmt. Doch auch die Grenzen des in einem engeren Sinne literarischen Bereichs werden überschritten. Da wären zuerst einmal religiös inspirierte Texte wie die Heiligenleben Santa Maria Egiziana und La vie de Sainte Catherine d’Alexandrie zu nennen, aber auch die Passion du Christ (in zwei anonymen Fassungen und derjenigen von Niccolò da Casola) sowie die (nur bedingt hierher gehörenden) Galloitalischen Predigten. Die didaktische Literatur ist mit Li livres dou tresor von Brunetto Latini, Les quatre âges de l’homme von Philippe de Novare und Le régime du corps von Aldobranino da Siena vertreten. Für die (Pseudo-)Reiseliteratur steht Le devisament dou monde (Il Milione) von Marco Polo, und zur (pseudo-)historiographischen Literatur sind die Estoires de Venise von Martin da Canal, die Mémoires von Philippe de Novare, Les Assises de Jerusalem et de Chypre, die Lettres du Saint-Sépulcre und die Documents Chypriotes des Archives du Vatican zu zählen. Wenn auch eindeutig von den epischen Stoffen dominiert, so deckt die frankoitalienische Literatur doch praktisch das ganze Gattungsspektrum der Epoche ab 12 . Wie kommt es nun zu diesem eigenartigen Phänomen, daß eine fremde Literatur weitestgehend in der fremden Sprache in einem anderen Kulturraum rezipiert wird? Hierfür dürften v. a. ein generischer und ein spezifischer Faktor verantwortlich sein. Der generische Faktor, der allerdings nur in der Anfangsphase der romanischen Literaturen eine relative Gültigkeit beanspruchen kann und bereits im Laufe des 13. Jh.s an Wirksamkeit verliert, besteht in einer mehr oder weniger festen Bindung zwischen Gattung und Sprache 13 . So ist z. B. Lyrik prinzipiell provenzalisch bzw. okzitanisch. Davon zeugen auch die italienischen Troubadours, die altokzitanisch schreiben: Lanfranco Cigala, Bartolomeo Zorzi, Alberto Malaspina, Bonifazio Calvo, Sordello usw. Sieht man von einigen (seltenen) Italianismen in den jeweiligen Texten und von der Canzone veneta provenzaleggiante ab, ist es im lyrischen Bereich nie zu einer gemischtsprachlichen Tradition gekommen. Die Epik 6 Peter Wunderli 11 Cf. auch Wunderli 1982: xis. und N2. 12 Selbst lyrische Texte wie z. B. die Canzone veneta provenzaleggiante fehlen nicht ganz. 13 Diese Bindung ist allerdings nur tendenziell; frühe Durchbrechungen sind deshalb nicht ausgeschlossen. (sowohl die matière de France wie die matière de Bretagne) war prinzipiell französisch, unterschied sich aber formal (assonierende Laissen / vs./ paarweise gereimte Achtsilber 14 ). Die didaktische Literatur (im weiteren Sinne) schließlich war lateinisch.Warum kommt es nun gerade im epischen Bereich (die Didaxe wird erst später assimiliert) zur Entstehung einer Mischsprache? Die gemeinsame Migration gewisser literarischer Stoffe, ihrer Form und ihrer Originalsprache, ebenso wie ihre Verankerung in einem fremden Kulturraum ist hinsichtlich des zweiten Faktors von Henning Krauss überzeugend in einem literatursoziologischen Rahmen erklärt worden (Krauß 1980: 5s.). Das Phänomen ereignet sich (oder kann sich ereignen) immer dann, wenn eine bestimmte soziale Gruppe nicht mehr oder noch nicht in der Lage ist, ihre eigene Weltsicht und ihre ideologischen Zielsetzungen im Rahmen einer literarischen Gattung oder eines Gattungssystems in kohärenter Weise zu artikulieren. In Oberitalien ist man zwischen dem Beginn des 13. und dem Ende des 14. Jh.s im Hinblick auf die Assimilation einer gegebenen literarischen Gattung gleich mit beiden soziokulturellen Konstellationen konfrontiert. Wir haben zu Beginn der franko-italienischen Tradition eine soziale Gruppe, die nicht mehr in der Lage ist, ihr eigenes Gattungssystem zu schaffen und durch dieses ihre Weltsicht zum Ausdruck zu bringen: Es handelt sich um den hier schon im Laufe des 12. Jh.s weitgehend entmachteten und in die Bedeutungslosigkeit abgeglittenen Feudaladel, der Heldenepen aus Frankreich kopieren läßt, weil ihr Inhalt ein Nostalgieobjekt darstellt und eine Art verlorenes Paradies nachzeichnet 15 . In der zweiten Phase der franko-italienischen Tradition, die v. a. durch Bearbeitungen und oberitalienische Neuschöpfungen charakterisiert ist, sehen wir uns dagegen mit einer zunehmend aktiven Haltung gegenüber den überlieferten Stoffen konfrontiert: Das aufsteigende Bürgertum, das noch nicht fähig ist, sich ein eigenes Gattungssystem zu schaffen, eignet sich sukzessive die traditionellen Stoffe und Formen an, modifiziert sie und paßt sie den eigenen Bedürfnissen an bzw. bringt sie in Einklang mit der eigenen Weltsicht und den eigenen ideologischen Zielen. Dabei spielt natürlich auch der psychologische Faktor, daß Aufsteiger es der herrschenden oder vorgängig herrschenden Klasse (auch in literarischer Hinsicht) gleichtun wollen, eine Rolle. So weicht die ursprünglich rein rezeptive Haltung zunehmend einem kreativen Umgang mit der Tradition: Die Kopien treten vor den Bearbeitungen zurück, und diese weichen schließlich den Neuschöpfungen 16 . Doch damit ist die Entwicklung noch keineswegs abgeschlossen. Man beginnt schließlich auch, die überkommenen Modelle hinter sich zu lassen: Das Französisch der Texte wird zunehmend italianisiert und 7 Franko-Italienisch: ein sprach- und literaturgeschichtliches Kuriosum 14 Diese Form wurde in Oberitalien dann bald durch die Prosa ersetzt. 15 Für eine detailliertere Darstellung cf. Krauß 1980: 7s. 16 Natürlich ist dieses Entwicklungsmuster stark vereinfachend: es gleicht dem Generationenmuster, benennt die Schwerpunkte und stellt keineswegs in Abrede, daß es zu gewissen Zeitpunkten auch minoritäre, einen früheren Zustand fortschreibende oder einen späteren vorwegnehmende Phänomene gibt. weicht schließlich dem Italienischen; die Laisse wird durch die Alexandrinerstrophe oder den fortlaufenden Paarreim, dann durch die ottava rima und z. T. auch durch die Prosa ersetzt. Alle diese Veränderungen zeugen von der sozio-kulturellen Entwicklung des Bürgertums, vom Wachsen seines Selbstbewußtseins und seinem Durchsetzungsvermögen: Während am Anfang eine einfache Imitation des Adels stand, findet es in zunehmendem Maße zu eigenen Ausdrucksmitteln, um seine Weltsicht und seine ideologischen Ziele zu artikulieren. Und selbstverständlich betrifft dieser Wandel nicht nur die formale Seite der Werke, sondern auch ihren Inhalt.Am Ende der langen Entwicklung wird ein neues literarisches System stehen, das sich um eine spezifisch bürgerliche Gattung organisiert: die Novelle. In Anlehnung an das Gesagte kann man mit Viscardi 1941: 37s. (und Bertoni 1907: ixs.) die franko-italienischen Epen (und die in ihrem Sog stehenden restlichen Texte) in drei Kategorien einordnen, deren Grenzen allerdings fließend sind: sie haben eher prototypischen als taxonomischen Charakter: 1. Texte bzw. Manuskripte, die nichts weiter als in Oberitalien entstandene Kopien von französischen Originalen darstellen, wenn auch eine mehr oder weniger große Zahl von Italianismen nicht fehlt. Manchmal beinhalten diese Versionen auch punktuelle Modifikationen des Stoffes oder sogar eine Beifügung; diese Eingriffe sind aber immer von äußerst begrenzter Tragweite. In diese Kategorie gehören die Bataille d’Aliscans, die Chanson d’Aspremont, der Anseïs de Carthage usw. 2. Texte, die eine recht freie Bearbeitung einer französischen Vorlage darstellen und in die auch (umgedeutete) Passagen aus anderen Quellen oder der kreativen Phantasie des Bearbeiters entsprungene Ergänzungen eingebaut sind. Zu dieser Gruppe gehören der Buovo laurenziano, der Buovo udinese, dann aber v. a. die in der Sammelhandschrift V13 enthaltenen Texte (Bovo d’Antona, Berta da li pé grandi, Karleto, Berta e Milon, Rolandin, Enfances Ogier, Chevalerie Ogier, Macaire, usw.). 3. Neuschöpfungen italienischer Autoren, die (im wesentlichen) französisch schreiben, und die ihre Inspiration, ihre Stoffe und Motive aus der Tradition der französischen Epik beziehen: die Entrée d’Espagne, die Prise de Pampelune, Huon d’Auvergne, Attila, der Aquilon de Bavière, usw. Dieser (das Heldenepos repräsentierende) Kern der franko-italienischen Literatur hat dann Werke aus anderen Bereichen (wenn auch in deutlich geringerer Zahl) nach sich gezogen: aus der matière de Bretagne, aus dem Bereich des antikisierenden Romans, aus der religiösen und didaktischen Literatur usw. Konstitutiv für die franko-italienische Literatur bleibt aber die chanson de geste. 4. Die franko-italienische Epik bleibt nun aber thematisch nicht einfach in dem durch die französische Tradition vorgegebenen Rahmen, sie wird vielmehr in zunehmendem Maß modifiziert und weiterentwickelt. Dies soll an der Person von Roland im Aquilon de Bavière kurz skizziert werden. Dieser späte Text der Tradi- 8 Peter Wunderli tion ist zwischen 1379 und 1407 verfaßt worden, stellt schon fast einen roman fleuve dar (er umfaßt in der modernen Ausgabe rund 850 Druckseiten), und er hat eine unikale Struktur (er ist in Prosa redigiert und mit einem [italienischen] Prolog und Epilog in ottava rima versehen) 17 . Als letztes Werk der franko-italienischen Tradition resümiert er gewissermaßen die inhaltliche Entwicklung von zwei Jahrhunderten. Roland erscheint hier insofern in einem neuen Licht, als er in kritischen Situationen das Opfer von fürchterlichen Wutanfällen wird, die ihn blind auf alles einschlagen lassen, das ihm in den Weg kommt; er verausgabt sich dabei derart, daß er in der Folge mehrere Tage krank und vollkommen bewegungsunfähig ist 18 . Im einzelnen zeigen diese Anfälle folgende Symptome: - Sie beginnen wie ein heftiger Wutausbruch, und diese Charakteristik bleibt konstant bis zum Abklingen. - Der Wutanfall ist begleitet von heftigem Aufeinanderschlagen oder Knirschen mit den Zähnen, und zwar sind diese spastischen Erscheinungen derart heftig, daß man das dabei entstehende Geräusch in einem weiten Umkreis hören kann. Das Ganze macht den Eindruck, als zerkaue Roland seine Wut und seinen Schmerz. - An einigen Stellen wird darauf hingewiesen, daß der Anfall von schrecklichem Augenrollen begleitet sei. - Ein ebenfalls sporadisch erwähntes Symptom ist ein heftiges Schnauben und Keuchen. - Gleichzeitig tritt weißer Schaum vor seinen Mund. - Ein eher sekundäres Symptom scheint ein gewisser Hitzestau zu sein. - In diesem Zustand höchster Erregung entwickelt Roland geradezu übernatürliche Kräfte, die ihn zu den unglaublichsten kriegerischen Leistungen befähigen: er spaltet z. B. Reiter und Ross mit einem Schwerthieb. - Seine Raserei erreicht einen derartigen Grad, daß er nicht mehr in der Lage ist, Freund und Feind zu unterscheiden und beide gleichermaßen niedermacht. Diese Symptome sind derart schrecklich, daß selbst seine Freunde glauben, Roland sei während den Anfällen vom Teufel besessen. Nicht minder aufschlußreich sind die Symptome nach dem Abklingen des Anfalls: - Roland beginnt, heftige Schmerzen zu verspüren. - Er ist weitgehend unfähig, sich zu bewegen. - Sein ganzer Körper ist mit schwarzen Flecken, mit Hämatomen übersät. - Zu seiner Wiederherstellung ist eine Behandlung mit Salben und längere Bettruhe nötig. 9 Franko-Italienisch: ein sprach- und literaturgeschichtliches Kuriosum 17 Cf. Wunderli 1982. 18 Cf. hierfür und das folgende Wunderli 1985a. Die folgende Zusammenfassung basiert auf rund 15 Textstellen, cf. Wunderli 1985a: 111 N12. Was der Autor des Aquilon, Raffaele da Verona, in diesen Passagen liefert, ist die ausgefeilte und differenzierte Beschreibung von epileptischen Anfällen, die derjenigen bei Hippokrates in nichts nachsteht. Und diese Art von Darstellung des christlichen Musterhelden wird im 16. Jh. auch von Ariost in seinem Orlando furioso übernommen 19 . Doch wie verträgt sich Epilepsie mit einem Musterhelden? 20 In der Tat ist im westeuropäischen Volksglauben diese Krankheit ein Unglück, ja eine Gottesstrafe. Aber es gibt auch eine bis in die Antike zurückreichende östliche Tradition, die die Epilepsie nicht negativ bewertet, sondern in ihr eine heilige Krankheit im positiven Sinne sieht, eine göttliche Heimsuchung, die den Betroffenen auszeichnet; nicht umsonst werden z. B. Propheten häufig als Epileptiker dargestellt. Bezeichnungen wie «heilige Krankheit», «heiliges Weh», «das Höchste» zeugen davon, daß diese Tradition auch in den germanischen Raum Eingang gefunden hat - ganz abgesehen vom Veneto und der Lombardei, die generell über die Einfallspforte Aquileia immer für östliche Einflüsse offen waren. Und daß Rolands Anfälle (zumindest von den Klügeren und Weitsichtigeren) positiv gesehen werden, bezeugen die Worte von Bonifazius von Pavia, nachdem Roland in einem derartigen Anfall seinen (unverletzlichen) Gegner Candiobras zur Strecke gebracht hat: Voiremant, . . . Deu est cum luy: autrement non poroit fer ce ch’il oit feit. (Aquilon 691/ 1s.) Es kann also kein Zweifel daran bestehen, daß Roland im Aquilon als von Gott Auserwählter gelten muß - und das geht weit über seine Rolle in der altfranzösischen Epik hinaus. Dieser Befund wird durch eine Reihe weiterer Modifikationen des Rolandbildes gestützt 21 . Im altfranzösischen Rolandslied gilt noch die einfache Formel: Rollant est proz e Olivier est sages. (Roland 1093) Roland ist der Haudegen, der blindwütig drauflos drischt, der immer gefragt ist, wenn es um kämpferische Spitzenleistung geht; wenn es aber darum geht, dem Gegner mit Klugheit entgegenzutreten, ihn zu überlisten, dann ist sein Gefährte Olivier am Zuge. Von einer derartigen «Arbeitsteilung» kann nun im Aquilon keine Rede mehr sein: Roland ist sowohl tapfer als auch klug, und damit wird Olivier praktisch zur Bedeutungslosigkeit verdammt, zu einer strukturell eigentlich überflüssigen Figur. Und nicht viel besser geht es Karl: Ursprünglich ist er die Inkarnation von Reich/ Vaterland und Christentum, aber im Aquilon muß er diese beiden Attribute nun Roland überlassen. Es ist sein Neffe, der die Kontinuität und den Erfolg des Reiches garantiert, er ist es, der als Senator von Rom und als Anführer und nomineller Bannerträger der Chevaliers de la Glixe, der päpstlichen 10 Peter Wunderli 19 Cf. Wunderli 1985a: 121s. 20 Cf. Wunderli 1985a: 127s. 21 Cf. Wunderli 1984 und 1985: 125s. Miliz, den Schutz und die Verteidigung des Christentums gegenüber den zahlreichen heidnischen Angriffen gewährleistet. Auch Karls Rolle wird so zweit- oder gar drittrangig. Doch damit nicht genug: Roland vereinigt nicht nur die wesentlichen weltlichen Tugenden in sich, er «entmachtet» auch Turpin, den Erzbischof von Reims, im theologischen Bereich. Turpin darf zwar noch Routine-Handlungen wie Taufen, Messe lesen usw. ausführen, aber alle wesentlichen Funktionen übernimmt Roland. Er ist es, der durch einen festen und unbeugsamen Glauben ausgezeichnet ist, während der blasse Turpin sich oft als schwach und ängstlich erweist. Dies hat dann auch zur Folge, daß Turpin zwar noch als theologischer Ratgeber von Roland fungieren darf, im übrigen aber dessen Befehle weitgehend widerspruchslos akzeptiert. Wenn es um theologische Diskussionen (v. a. mit den beiden heidnischen Anführern Candiobras und Hannibal) geht, dann ist Roland der Wortführer: Er ergreift die Initiative zur Diskussion, er ist es, der die entscheidenden Argumente vorträgt und so seine Diskussionsgegner derart in die Enge treibt, daß sie bestenfalls noch Schadensbegrenzung betreiben können. Und damit nicht genug: Die Jungfrau Maria erwählt ihn zum bevorzugten Gesprächspartner und erscheint ihm in den entscheidenden Momenten im Traum. Er ist somit nicht nur zum militärischen und politischen Führer der Christen, sondern auch zu ihrer geistigen und geistlichen Leitfigur geworden. Dieses Phänomen ist im übrigen nicht auf den Aquilon beschränkt, es zeichnet sich vielmehr schon in älteren Texten, u. a. der Entrée d’Espagne ab 22 . Wie ist nun diese Idealisierung zu erklären? Es scheint mir eindeutig zu sein, daß die dargestellte Entwicklung durch den «Sitz im Leben» der franko-italienischen Literatur, d. h. den oberitalienischen Raum im 13. und 14. Jh. bedingt ist. Hier hatte der Feudaladel bereits im 12. Jh. definitiv abgedankt und jegliche Bedeutung verloren. Anstelle des Feudalsystems war eine Fülle von Kleinstaaten getreten: Stadtstaaten, Fürstentümer, von Despoten usurpierte Staatengebilde usw., die meist aus Existenzangst mit irgendwelchen außeritalienischen Mächten verbündet waren, diese Allianzen aber auch ständig wechselten. Dazu kommt noch, daß sich der Papst bzw. der Kirchenstaat massiv in dieses diffuse Interessenkonglomerat einmischte. Die römischen Kaiser deutscher Nation waren diesem Interessengemenge nicht gewachsen und versagten vollständig. Sie verloren deshalb auch jeglichen Kredit und jeden Einfluß. Dies erklärt, warum die Königsfigur in den Epen vollkommen entwertet und oft in einem sehr negativen Licht dargestellt wird. Dies erklärt aber auch gleichzeitig, warum Roland idealisiert wird: In Italien (und v. a. in Norditalien) entsteht das Bedürfnis nach einer neuen Identifikationsfigur, was zur Projektion eines idealen Herrschers führt, der in sich alle Qualitäten vereinigt, die die realen Monarchen nicht aufweisen. Es kann deshalb nicht erstaunen, daß Roland zur Inkarnation der Tapferkeit und der Weisheit hochstilisiert wird. Und wenn man noch in Rechnung stellt, in welchem Ausmaße Italien unter den endlosen Auseinandersetzungen zwischen Kaiser und Papst gelitten hat, dann 11 Franko-Italienisch: ein sprach- und literaturgeschichtliches Kuriosum 22 Cf. Wunderli 1984: 774s. kann es auch nicht überraschen, daß der Comte de Clermont zum Vertrauten des Papstes und zum führenden christlichen Theologen gemacht wird: Auf diese Weise werden alle Antagonismen zwischen weltlicher und kirchlicher Gewalt überwunden; Roland ist die ideale Projektion eines perfekten Gleichgewichts vor dem Hintergrund der trostlosen Situation einer zutiefst zerrissenen Region. Ähnliche Visionen hatte auch Dante im Convivio und v. a. in De Monarchia - allerdings nicht in Bezug auf Roland, sondern in Bezug auf Heinrich vii. (den Luxemburger), und v. a. ist seine Lösung derjenigen der Epen diametral entgegengesetzt: Dante plädiert für eine strikte Trennung von weltlichem und kirchlichem Bereich, während die Epen die Lösung des Interessenkonflikts gerade in der Fusion der beiden Bereiche sehen. 5. Schließlich ist für die franko-italienische Literatur noch ein weiteres Phänomen typisch, das ich die «stoffliche Integration» nennen möchte. Diese betrifft allerdings nicht die in Oberitalien gefertigten Kopien, wenn es auch in der «klassischen» chanson de geste z. T. bereits Elemente wie zukunftsweisende Träume, Interventionen von Erzengeln, von Maria oder selbst Gottes gibt, die als Anknüpfungspunkte für eine Ausweitung der Heldenthematik dienen können. Diese Ausweitung wird nun in den oberitalienischen Bearbeitungen und Neuschöpfungen fast schon systematisch betrieben. Auch hierfür möge wieder der Aquilon de Bavière als Beispiel dienen 23 . An erster Stelle steht die Fusion der Heldenthematik mit der matière de Bretagne, also der arturischen Welt. Dies schlägt sich schon in der Form des Aquilon nieder, der nicht wie die übrigen franko-italienischen Epen in Versform verfaßt ist, sondern in Prosa, untergliedert in Bücher und Kapitel - in der Form also, die in Oberitalien für die arturischen Stoffe charakteristisch ist. Inhaltlich schlägt sich die Stoffintegration im Rückgriff auf magische oder verzauberte Landschaften, Täler, Strände usw. nieder, die immer an entscheidenden Stellen der Handlungsentwicklung auftreten. Bretonischen Ursprungs ist auch die Jenseitsreise von Roland, auf der er seine Großmutter Gaiete trifft und sie aus dem Fegefeuer erlöst. Die Figur des Arztes und Zauberers Malzis 24 entspricht weitgehend dem arturischen Merlin. Und schließlich wird auch noch Galahad, der Sohn von Lancelot bemüht, der im entscheidenden Schlußkampf zwischen Christen und Heiden vom Himmel herniedersteigt und die schon fast verlorene Schlacht zu Gunsten der Christen wendet. Auch die antiken bzw. antikisierenden Stoffe schlagen sich massiv im Aquilon nieder. Neben zahllosen kleineren Reminiszenzen, die Elemente aus den homerischen Epen und aus der Aeneis aufnehmen, ist es v. a. die ausgedehnte Expedition der Christen nach Persien (Val Perse), die sich an den Alexanderroman anlehnt. 12 Peter Wunderli 23 Ebenso gut hätte (wenigstens für den inhaltlichen Bereich) auf die Entrée d’Espagne zurückgegriffen werden können, wenn auch die Tendenz zur Integration nicht ganz so ausgeprägt ist. 24 Cf. auch schon Maugis im Renaut de Montauban; vgl. Wunderli 1996: 71s. Eine wichtige Rolle spielen in dem Kampfgeschehen ferner auch die Amazonen, die mit dem Admiral von Karthago gegen die Christen kämpfen. Und schließlich spielt auch die Figur des unverletzbaren Helden in der Form von Candiobras eine zentrale Rolle, ist er doch - neben Hannibal/ Aquilon - der wichtigste Kämpe auf heidnischer Seite. Die religiöse und didaktische Literatur schließlich ist vertreten in den bereits erwähnten langen theologischen Debatten zwischen Roland einerseits, Joxafat, Candiobras und Hanibal andererseits, wobei die durch Roland vorgetragenen Argumente in Bezug auf die Trinität, die unbefleckte Empfängnis usw. durchaus dem zeitgenössischen Argumentationsstand entsprechen. Darüber hinaus dokumentiert der Text ausgedehnte (wenn auch aus heutiger Sicht überholte) geographische Kenntnisse des europäischen, asiatischen und afrikanischen Raumes, die auf Marco Polo und verwandte Texte zurückgehen dürften 25 , weiter ausgedehnte philosophische Kenntnisse. Und daß der Autor sich auch in der medizinischen Literatur auskannte, ist bereits durch seine Darstellung der Epilepsie belegt worden. Derartige stoffliche Verschmelzungen sind nun allerdings nicht auf Oberitalien beschränkt, sie finden sich vielmehr auch in Frankreich (Wunderli 1999b: 34s.). Erste Zeugen im 13. Jh. sind u. a. der Huon de Bordeaux und die Berte aux grans piés von Adenet le Roi; und die Tendenz wird fortgeschrieben in den mises en prose des 14. und 15. Jahrhunderts. Allerdings muß gesagt werden, daß in Frankreich das Integrationsstreben nicht so früh einsetzt und nicht so massiv ist, daß es wie in Oberitalien zu einem Gattungscharakteristikum hätte werden können. Wie ist nun die Sonderstellung des oberitalienischen Raumes zu erklären? Auch hier denke ich, daß die Veränderung des Sitzes im Leben eine entscheidende Rolle spielt. Die Heldenepik war in Oberitalien ein ursprünglich vom Adel getragener Stoff, der aber in zunehmendem Maße vom gehobenen und mittleren Bürgertum übernommen und mit eigenen Ideologie-Elementen angereichert wurde. Zu diesen ideologischen Elementen gehört nun auch ein ausgeprägtes Streben nach umfassender Bildung. Und da in Oberitalien der Aufstieg des Bürgertums sich nicht nur früher vollzog als in Frankreich, sondern auch von viel durchschlagenderem Erfolg gekrönt war, kann es nicht überraschen, daß auch die Stoffintegration rascher und umfassender erfolgte. In Oberitalien, wo die Grenzen zwischen Adel und Bürgertum fließend geworden waren, wo der Adel Leistung erbringen mußte, um zu überleben, und wo Leistung oft adelte, entsteht die bildungsorientierte Renaissancekultur als Produkt einer weitgehend bürgerlich-adeligen Oberschicht, die in ihrer Literatur ihr Bildungsstreben in allen Bereichen gespiegelt wissen will. 6. Nach der literaturgeschichtlichen Darstellung der franko-italienischen Problematik wenden wir uns nun den linguistischen Aspekten zu, die normalerweise als «Interferenzen» dargestellt werden. Dieser Terminus ist allerdings nur bedingt zutreffend, denn unter Interferenz versteht man normalerweise ‘eine mehr oder 13 Franko-Italienisch: ein sprach- und literaturgeschichtliches Kuriosum 25 Cf. hierzu auch Wunderli 1993. weniger zufällige, keineswegs angestrebte Beeinflussung einer Sprache A (Zielsprache) durch eine Sprache B (Quellsprache) aufgrund isolierter oder struktureller Ähnlichkeiten im ausdrucksseitigen, inhaltsseitigen oder beiden Bereichen’. So bekommt z. B. das fr. réaliser ‘verwirklichen’ unter dem Einfluß des engl. to realize 26 ‘wahrnehmen’ zusätzlich auch diese zweite Bedeutung; fr. investir ‘angreifen, attackieren’ und ‘in eine Funktion einführen’ bekommt unter dem Einfluß von engl. to invest auch noch die Bedeutung ‘[Geld] anlegen, investieren’ usw. Natürlich gibt es dieses Phänomen auch im Franko-Italienischen (v. a. in den Kopien), aber es ist im Endeffekt nicht charakteristisch für die Situation des Franko-Italienischen. Hier haben wir es vielmehr meist mit einem dezidierten Willen zur Sprachmischung zu tun mit dem Ziel, etwas zu produzieren, das sowohl Ähnlichkeiten mit dem Italienischen, v. a. aber mit dem Französischen hat und gleichzeitig mit keiner der beiden Sprachen identisch ist. Beide Sprachen können als Quellsprachen angesehen werden und sind in diesem Sinne gleichrangig, wenn auch quantitativ ihr Anteil stark variieren kann in Abhängigkeit von den Präferenzen des Bearbeiters/ Autors, seinen ideologischen Zielen, seinem Zielpublikum, dem Entstehungszeitpunkt usw. Wie wir sehen werden, kann man die Mischung auf jeden Fall nicht einfach nur auf eine ungenügende Kompetenz der Bearbeiter/ Autoren in der einen oder anderen oder gar beiden der involvierten Sprachen zurückführen. Der Begriff der Interferenz bedarf im Falle des Franko-Italienischen also einer Neudefinition: Interferenz bedeutet hier ‘Beitrag von zwei (oder mehr) Quellen zur Schaffung eines tertium, das eine eigenständige Schöpfung (Sprache) sein will’. Und in der Tat sind am Franko-Italienischen auch nicht nur das Französische und italienische Varietäten beteiligt, sondern auch das Latein, ja z. T. sogar das Okzitanische. Wichtig ist zu unterstreichen, daß diese literarische Kunstsprache nie standardisiert worden ist und nie eine stabile Norm gekannt hat. Es scheint so etwas wie allgemeine «Mischungsprinzipien» und Phänomene zu geben, die sich in vielen Texten finden 27 , die aber keineswegs ausreichen, um das Franko-Italienische exhaustiv zu beschreiben; sie sind bestenfalls dazu geeignet, eine Art «Familienähnlichkeit» 28 zwischen den verschiedenen Exemplaren der Erscheinung zu begründen, denn jeder Text hat seine eigene, individuelle und unverwechselbare Physiognomie. Diese spezifische Charakteristik des Franko-Italienischen bleibt natürlich nicht ohne Konsequenzen für die linguistische Interpretation der unser Korpus ausmachenden Exemplare. Die Tatsache, daß es sich im wesentlichen um ad hoc-Schöpfungen des Bearbeiters oder Autors handelt, zwingt dazu, seinen Kenntnissen der involvierten Quellsprachen bzgl. ihrer Entwicklung und ihres jeweils aktuellen Zustandes eine entscheidende Rolle zuzuweisen. Die Identifikation dieser Quel- 14 Peter Wunderli 26 Das natürlich ursprünglich eine Entlehnung aus dem Französischen ist! 27 Für eine Liste solcher Phänomene cf. Fiebig 1938: xxxvis. und Holtus 1979: 18s. 28 Für den Begriff der Familienähnlichkeit cf. Wittgenstein 1977: 56s. len ist indessen alles andere als einfach, denn die verschiedenen auffälligen Phänomene verweisen meist nicht direkt und eindeutig auf ihren Herkunftsort; sie erfordern vielmehr eine umsichtige und subtile Interpretation, die sich v. a. vor voreiligen und allzu kühnen Schlüssen hüten muß. Im folgenden werde ich wiederum exemplarisch auf den Aquilon de Bavière zurückgreifen. 7. Interferenzerscheinungen (in unserem Sinne) finden sich sowohl auf graphophonetischer, morpho-syntaktischer als auch lexikalischer Ebene. Dabei gilt es zu unterstreichen, daß diese Ebenen nicht immer fein säuberlich von einander zu trennen sind und sehr oft überlappen bzw. in einander greifen. In zahlreichen Fällen ist deshalb die Zuordnung zum einen oder anderen Bereich relativ willkürlich. 7.1. Traditionell ist der grapho-phonetische Bereich die bevorzugte Domäne für die Feststellung des franko-italienischen Charakters eines Textes. Diese Bevorzugung ist nicht unproblematisch. Zwar ist es richtig, daß in all den Fällen, wo das Merkmal ein-eindeutig ist, die grapho-phonetischen Kriterien die am einfachsten zu handhabenden darstellen - nur gibt es leider sehr wenig ein-eindeutige Fälle. Morpho-syntaktische und v. a. lexikalische Kriterien sind in der Regel schwieriger zu fassen, liefern aber meist aussagekräftigere Ergebnisse. Die Probleme im grapho-phonetischen Bereich sind von sehr unterschiedlicher Komplexität; sie gehen von divergierenden graphematischen Lösungen in den involvierten Sprachen bis zu äußerst komplexen Beziehungen zwischen den beiden phonologischen Systemen und den graphematischen Entsprechungen ihrer Einheiten 29 . Hierfür einige Beispiele 30 : - Eines der einfachen Beispiele ist die Wiedergabe des Phonems / k/ , d. h. des stimmlosen palatalen Verschlußlautes. Die Graphie k ist zwar in franko-italienischen Texten nicht unbekannt, aber selten; im Aquilon ist sie praktisch inexistent, und auch qu (vor palatalem Vokal) fehlt weitestgehend. Die Normallösung vor velarem Vokal und vor / a/ ist eine Graphie c: contes, contrea, compagnie, cavaller usw. Schreibungen mit qu wie quand oder quatre bilden die Ausnahme; es handelt sich wohl um einen toskanischen Einfluß, wo qu allerdings nicht für das Phonem / k/ steht, sondern für den Nexus / kw/ . Vor palatalen Vokalen haben wir normalerweise eine Schreibung ch, z. B. che, marchis, usw. Wir haben es hier mit einem rein graphischen/ graphematischen Phänomen zu tun, das zwei unterschiedliche Traditionen ins Spiel bringt. Die oberitalienische Tradition wird mit großer Regelmäßigkeit bevorzugt, wohl um für den Leser eine vertraute «Atmosphäre» zu schaffen. - Die Dinge werden in unserem zweiten Beispiel bereits komplizierter, das die fr. Graphie ch betrifft, die ursprünglich die Affrikate / tS/ , später dann den Reibe- 15 Franko-Italienisch: ein sprach- und literaturgeschichtliches Kuriosum 29 Cf. Holtus 1990: 211-17. 30 Für das Folgende und ausführlichere Dokumentation cf. Wunderli 1999a: 127s. laut / S/ wiedergibt. Die graphematische Lösung des Französischen findet sich nur ganz selten, z. B. in duchese. Entsprechend der phonologischen Situation in Oberitalien, wo die Entsprechung zu fr. / S/ eine Affrikate / tS/ oder / ts/ ist, finden wir meist die üblichen Graphien für diese Region, d. h. eine Graphie ç vor nichtpalatalen Vokalen, c vor palatalen Vokalen, also: einerseits Çarle, aber cival, cere, ricemant, cef. Daneben findet sich auch noch die Graphie z relativ häufig, z. B. in zambre, zonse, rizemant usw. - gewissermaßen als Variante für ç. Einen Sonderfall stellt ciascun dar; die Graphie spricht für eine Orientierung an der Situation im Toskanischen, aber eine oberitalienische Lautung hinter der toskanischen Graphie läßt sich nicht ausschließen. - Eine ähnliche Situation finden wir für die stimmhafte Entsprechung von / tS/ , d. h. / dZ/ oder / dz/ , der im Fr. der gleichen Epoche ein / Z/ entspricht. Die fr. Graphien sind j und g (vor palatalem Vokal), und diese Lösungen fehlen auch in unserem Text nicht, wenn sie auch relativ selten sind: Jerusalem, jor, jornee usw.; gi ‘je’, ginoille, ginoilons etc. Diese Graphien sind jedoch marginal. Die eindeutig dominierende Graphie ist gi, und dies auch vor e: coragie, giant, giantil, gior, gietoit, mesagier, congié usw. Der Ursprung dieser eigenartigen Schreibung ist nicht einfach zu ermitteln; er liegt vielleicht bei afr. Graphien wie mangier, congié etc., wo g vor einem Diphthong ie steht, der auf lat. a in einer offenen Tonsilbe nach Palatal zurückgeht, wobei der Diphthong im Französischen um die Mitte des 14. Jh.s zu / e/ reduziert wurde. In jedem Fall ist gi eine typisch franko-italienische Graphie. Überdies ist eine relativ häufige Graphie für unser Phonem die Schreibung z, die den Lautstand und die graphische Tradition des Venezianischen widerspiegelt: borzois, saze, messazer, zor etc. Es stellt sich nun die Frage, wie diese graphematische Situation zu interpretieren ist, und v. a. was für eine phonetisch-phonologische Realität sich hinter diesen Graphien verbirgt. Die Äquivalenzen gior/ jor/ zor, messagier/ messazer usw. könnten zur Annahme führen, es gebe einen einheitlichen Lautwert hinter diesen Graphien, den es zu ermitteln gelte. Wir dürfen aber nicht vergessen, daß das Franko-Italienische nie eine gesprochene Sprache, sondern immer nur ein schriftlich-literarisches Kunstprodukt war auf der Basis von alt- und mittelfranzösischen Anleihen in Verbindung mit der Tradition der oberitalienischen Varietäten. Die Suche nach einer phonetisch-phonologischen Realität dürfte deshalb eine falsche Fragestellung sein: Wir haben es nicht mit einer wohldefinierten sprachlichen Varietät zu tun, die verschriftet werden mußte, sondern mit der ad hoc-Kreation eines literarischen Ausdrucksinstruments, wobei auf eine Mehrzahl von (mehr oder weniger eng) verwandten romanischen Varietäten als (gleichrangige) Quellen zurückgegriffen wird. Wir haben es somit mit der graphischen Ausschlachtung von lexikalischen und morphologischen Äquivalenzen im Rahmen der multilingualen und multilektalen Kompetenz der Autoren, Bearbeiter und Kopisten zu tun. Wenn man eine phonetisch-phonologische Entsprechung für die verschiedenen Graphien finden will, dann kann diese wohl nur der Lautstand des der je- 16 Peter Wunderli weiligen graphematischen Tradition entsprechenden phonologischen Systems sein. - Interessant ist auch die Situation bei der Wiedergabe von stimmlosem und stimmhaftem / s/ bzw. / z/ in intervokalischer Stellung. Bei der stimmlosen Sibilante finden wir zahlreiche Fälle, wo der Reibelaut wie im Französischen mit ss wiedergegeben wird: lassés, duchesse, assauvement usw. Daneben findet sich aber auch eine Graphie mit einfach s, das im Alt- und Mittelfr. normalerweise zur Wiedergabe der stimmhaften Konsonanz dient: puisance, asauvement, duchese etc. Damit ist das Inventar der möglichen graphischen Realisierungen allerdings noch lange nicht erschöpft. V. a. finden wir sehr häufig eine Schreibung c vor palatalen Vokalen wie in riceus, place, facés usw. Diese Schreibung ist in der Regel jedoch begrenzt auf Fälle, die auf eine afr. Affrikate / ts/ zurückgehen, die im 13. Jh. dann zu / s/ reduziert wurde. Schließlich findet sich auch noch die Graphie ç, und zwar nicht nur vor o und u, sondern auch vor e: abraçe, alegreçe etc. Es handelt sich hierbei eindeutig um eine typisch norditalienische Graphie. Überraschend ist, daß wir in der gleichen Funktion, in identischen phonologischen Kontexten und selbst in den gleichen Lexien auch die Graphie z finden: troizant (neben troicent), fazés (neben facés), manazoit, alegreze, rezuit, cazer etc. Auch hier haben wir es mit einer typisch oberitalienischen Graphie zu tun, deren phonologischer Wert identisch mit dem von ç sein dürfte. Im Bereich der stimmhaften Sibilante (/ z/ ) scheint die Graphie z praktisch inexistent zu sein (cf. immerhin guize statt des üblichen guixe). Geläufig sind dagegen einerseits die für das Französische typische Wiedergabe mit s, andererseits die venezianische Lösung mit x: damoiselles, gloriose, devisera, empoisonnés; texor, maxon, paexant, orexons, bruxer, vixion usw. Die beiden verschiedenen Traditionen scheinen somit friedlich zu koexistieren. Bleibt noch zu unterstreichen, daß wir nicht nur für / s/ in intervokalischer Stellung sowohl die Graphien s als auch ss gefunden haben, sondern daß die beiden Schreibungen auch bei der Wiedergabe von / z/ koexistieren, cf. z. B. soi dessarmerent. Die Unterscheidung von stimmlosem und stimmhaftem s scheint somit wenig tragfähig und eher künstlich zu sein; dies entspricht weitgehend der Situation in den oberitalienischen Varietäten. - Wenn wir uns dem Bereich der Vokale zuwenden, möchte ich zuerst die Wiedergabe von / o/ in der Anlautsilbe und von betontem / o/ in geschlossener Silbe behandeln. In beiden Fällen kennt das Afr. um 1200 noch den mehr oder weniger originalen Laut; erst im Laufe des 13. Jh.s macht sich ein Wandel von / o/ zu / u/ bemerkbar. In unserem Text dominiert eindeutig die Graphie o: in der Anlautsilbe haben wir z. B. corozos, por coi, portant, fornis, tornés usw.; in geschlossener Tonsilbe finden wir tote, molt, boce, jor, cort etc. Einen Problemfall stellt das Possessivum dar, das z. B. (3. Pers.) als soe, soa usw. erscheint. Es könnte sich um eine Graphie für das afr. soue handeln, aber im 13. Jh. war in Frankreich soue schon durch analogisches sienne ersetzt worden. Es ist deshalb wahr- 17 Franko-Italienisch: ein sprach- und literaturgeschichtliches Kuriosum scheinlicher, daß wir es mit einer Ausdehnung der graphischen Gewohnheiten für fr. Formen auf genuin italienische Elemente zu tun haben. Andere Graphien in diesem Bereich sind ou und u, z. B. tout, hou (lat. ubi); super, sue usw. Beide Graphien sind aber selten; ou ist die geläufige fr. Graphie gegen Ende des 13. Jh.s, und u steht für die italienische Tradition der Wiedergabe von / u/ . Es bleibt noch die Frage, warum die Graphie o die «normalen» Graphien im Fr. und It. der gleichen Epoche so eindeutig dominiert. Man könnte vorerst einmal denken, daß o einfach einen archaischen Zug des Afr. darstelle, der auf der ausgedehnten Lektüre von Texten der klassischen afr. Epoche beruhe. Eine derartige Interpretation stünde aber im Widerspruch mit anderen Phänomenen, die eindeutig eine gute Kenntnis des gesprochenen zeitgenössischen Französischen dokumentieren. Wenn man etwas genauer hinschaut, stellt man fest, daß die Graphien mit o sich v. a. dort finden, wo das Italienische (und v. a. das Toskanische) ein Phonem / o/ in der gängigen Lautung aufweisen. Die Situation ist also viel komplizierter, als man auf den ersten Blick annehmen könnte: Graphophonetische Tradition des klassischen Afr., aktueller Phonetismus der gesprochenen italienischen Varietäten und italienische Schreibgewohnheiten fallen zusammen und führen zu einer eindeutigen Präferenz von o. - Wir finden eine ähnliche Situation für die Resultate von lat. langem betontem / o/ in offener Silbe, das in Oberitalien normalerweise erhalten bleibt, in Frankreich dagegen schon im 6. Jh. zu / ou/ diphthongiert, gegen Ende des 12. Jh.s dann zu / eu/ wird, um später einer Monophthongierung unterworfen zu werden. Graphisch wird der Diphthong in der klassischen Epoche des Afr. überwiegend mit o wiedergegeben, und erst im 13. Jh. setzt sich die Graphie eu durch. Wenn der Aquilon den mittelfr. Lautstand wiedergeben würde, müßte man eine Graphie eu erwarten, die je nachdem / œ/ oder / ø/ repräsentieren kann. Aber weit gefehlt: Die normale Graphie ist o. Der typischste Fall ist die nominale Endung -or (-eur): segnor, meillor, menor, monsegnor, auctor, impereor, honor usw. Das Phänomen findet sich aber auch weit über diese Nominalendung hinaus, z. B. in lor, für die Demonstrativa cestor und cellor, sowie für zahlreiche weitere Formen, wo man eigentlich eine Schreibung eu erwarten würde: pros, corozos, dos, merveilos usw. In fast all diesen Fällen haben das Italienische und seine oberitalienischen Varietäten eine Lautung / o/ , die graphisch mit o wiedergegeben wird. Auch in diesem Fall scheint die Koinzidenz von italienischer grapho-phonetischer Tradition und klassischer afr. Schreibtradition dafür verantwortlich zu sein, daß die Schreibung o praktisch uneingeschränkt dominiert. Es muß überdies darauf hingewiesen werden, daß sich ein analoges Phänomen (wenn auch mit reduzierter Regelmäßigkeit) auch für die Resultate von kurzem / o/ in offener Tonsilbe findet, z. B. in cors ‘coeur’, und dies, obwohl im klass. Afr. die Graphien uo und ue geläufig sind neben o. Die uns interessierenden italienischen Varietäten kennen die Diphthongierung ebenfalls, doch findet sich im nördlichen Veneto eine sekundäre Reduktion von / wo/ zu / o/ , so daß auch hier 18 Peter Wunderli eine Konvergenz von zwei unterschiedlichen Traditionen angenommen werden kann. - Ein etwas anders gelagerter Fall sind die diphthongischen Schreibungen ai und ui des Fr., die im Italienischen unbekannt sind und nirgends eine Stütze finden. Es handelt sich um Fälle wie lassés, maxon, mans, destrute usw., die fr. laissés, maison, mains, destruite entsprechen. Hier liegt offensichtlich eine Orientierung an der it. Tradition (lasciare, mansione, mano, distrutto) vor. Daß es sich um eine starke Tendenz mit expansiver Kraft handelt, zeigen auch die Fälle von matre und mastre (fr. maistre), wo das It. Formen wie maistro und maestro kennt. - Das letzte Phänomen, das ich hier aus dem grapho-phonologischen Bereich erwähnen will (obwohl es noch viele andere gäbe, die diskussionswürdig sind), ist ein recht eigenartiger Fall. Es handelt sich um Schreibungen wie veragie (fr. vrai), giogie (fr. joie), progiere (afr. proiere ‘prière’), agiés (fr. ayez), pagieray (fr. payerai) und v. a. um die Imperfekt- und Konditionalendungen der 3. Pers. sg./ pl., die Formen ergeben wie dixogient, porogie, trovogie, aurogie, vologie usw. Die Graphie gi scheint in all diesen Fällen das Phonem / i/ in intervokalischer Stellung bzw. dessen phonetische Variante [j] (Halbvokal) zu repräsentieren. Wie erklärt sich diese eigenartige Schreibung? Wir haben bei der Behandlung der Wiedergabe von konsonantischen Phänomenen gesehen, daß es so etwas wie eine Äquivalenz i (= j) = gi = z für die Wiedergabe der Phoneme / Z/ des Fr., / dZ/ des Toskanischen und des Lombardisch-Venezianischen gibt. Da die Graphie i neben ihrem konsonantischen Wert auch eine vokalische Funktion hat (/ i/ ), ist die Gleichung i = gi auch auf diesen Bereich ausgedehnt worden und hat so zu einer typisch franko-italienischen Vokalgraphie geführt. 7.2. Wenden wir uns nun dem morpho-syntaktischen Bereich zu. Ich werde hier nicht auf den «banalen» Fall der Unstabilität von -s eingehen, der natürlich erhebliche Konsequenzen für die Numerus- und Kasusmarkierung hat. Ebenso lasse ich die Behandlung des sog. omnipersonalen se außen vor, die zu weit führen würde 31 . Auch hier muß ich mich überdies auf einige wenige, besonders auffällige Erscheinungen beschränken. - Was den Artikel bei maskulinen Substantiven angeht, so finden sich die Formen li/ ly (Rectus) und le (Obliquus) natürlich in ihren angestammten afr. Funktionen, doch fehlen auch Fälle mit le in Subjektsfunktion nicht, z. B. Le dux de Baviere vient in Alemagne . . . (6/ 20) Das läßt schon vermuten, daß das Zweikasussystem des Afr. nicht mehr richtig funktioniert, und dieser Verdacht wird durch die Situation beim Obliquus erhärtet: Zwar gibt es durchaus «traditionelle» Fälle wie de le venim, guastant le pais, in le dormir, da part l’impereor usw., aber sie vermögen nichts daran zu än- 19 Franko-Italienisch: ein sprach- und literaturgeschichtliches Kuriosum 31 Cf. hierzu Wunderli 1989. dern, daß die Form li/ ly für den Obliquus mindestens dreimal so häufig ist und somit getrost als die Normalform bezeichnet werden kann: por ly roi de France, fil li roi Pipim, li terent . . . li striver, le baston de li meillor cavaller, a ly roy, cum ly dragon, asaltast li lion, de li quens usw. Das Zweikasusystem funktioniert also tatsächlich nicht mehr, das Mittelfranzösische hat gewissermaßen das Italienische im Hinblick auf dessen Abbau eingeholt. Und warum dominiert in Oberitalien li in allen Positionen, während sich im Fr. le durchsetzt? Vermutlich handelt es sich um eine Beeinflussung durch den im It. dominierenden Artikel il, der der Form li ähnlicher ist. Eine ähnliche Situation finden wir bei den Demonstrativa cist/ cest und cil/ cel, wo eine deutliche Tendenz zur Generalisierung der i-Formen festzustellen ist. Hier dürfte es sich allerdings weniger um einen direkten Einfluß von il handeln, als vielmehr um eine Angleichung an die Situation im Bereich des Artikels. - Ein für das Franko-Italienische typischer Fall ist die fast systematische Verwechslung der Relativa que und qui, die normalerweise unter der italianisierten Form che erscheinen. Die Zahl der Beispiele ist fast endlos: . . . e furent in Aspromont compagnon de cil che tant fu complis de vertus che porta a son temp le baston de li meillor cavaller che soi trovast . . . 6/ 29s. Li dux guarde e voit la place plaine de giantil home e de borzois e paexant che furent venus por luy veoir. 7/ 3s. E pois tornerent a la cort che estoit bandie molt ricemant. 7/ 15 Der Gebrauch von che in diesen Kontexten scheint einen flagranten Italianismus darzustellen, denn das Italienische unterscheidet im Bereich des Relativums nicht zwischen Subjekt und Objekt. Es muß aber darauf hingewiesen werden, daß diese Erscheinung im Alt- und Mittelfranzösischen nicht ganz unbekannt, wenn auch relativ selten ist. Die Situation im Fr. kann so als Stütze oderAusgangspunkt für die Generalisierung des it. Gebrauchs gedient haben. Wir haben somit eher eine Konvergenz von zwei ähnlichen Tendenzen als einen kruden Italianismus; italienisch ist v. a. die Ausschließlichkeit von che in Subjektsfunktion. - Wenn wir uns nun der Verbalmorphologie zuwenden, so gilt es zuerst auf einige Besonderheiten bei der 2. Pers. sg. von avoir und der 2. Pers. sg. des Futurums hinzuweisen (dessen Endungen etymologisch ja auf avoir zurückgehen). Nicht allzu häufig wird die fr. Form as durch (it.) ai ersetzt bzw. die Endung -as durch -ai: Ai Trivigant, dist il, faus e deslogial, coment ai pous ofrir che sogie sconfit por ceste giant! 79/ 21s. Atend un petit, dist Cordoés, e verai in quel guixe moi confeseray! 107/ 2 Auf diese Weise werden die Formen der 1. und 2. Pers. sg. identisch, was aber kaum je zu Interpretationsproblemen führt. Überdies haben wir auch noch eine 20 Peter Wunderli Art Kompromißlösung gefunden, nämlich (-)ais, die eine Art Synkretismus von as und ai darstellt: Cordoés, Cordoés, se tu non vois desdire ce che ais dit e fere homagie a l’amirant, mon pere, il toi convint confesser a Machomet e a cist brand. 106/ 41s. Fille, dist li castelan, ne toi doter, che Macomet toi aidera se non serais colpable del peché. 192/ 39s. In beiden Fällen haben wir es mit einer klaren Anlehnung an die italienische Tradition zu tun, die entweder unmodifiziert übernommen wird oder aber die Schaffung einer neuen, noch nicht existierenden Form ermöglicht, die beide Quellen gewissermaßen in sich vereinigt. - Ein weiteres auffälliges Phänomen im Aquilon ist die fast regelmäßige Verwechslung der Formen der 3. Pers. sg. und der 3. Pers. pl., die in beiden Richtungen (Sg. Pl., Pl. Sg.) möglich ist. Interessant ist auch festzustellen, daß der Numerussynkretismus bei der 3. Pers. sich nicht nur für Formen findet, wo im Mittelfr. durch den (phonetischen) Verlust von -nt die beiden Formen identisch geworden sind (z. B. beim Indikativ Präsens, dem Konjunktiv I, dem Imperfekt), sondern auch in Fällen, wo die beiden Formen morphologisch verschieden bleiben. Hier zuerst einige Beispiele für eine Verbform im Plural in Verbindung mit einem Subjekt im Singular: . . . che volonter ausse feit a vos ce che avés feit a moi. Mes fortune non l’ont consentus. 35/ 13s. Ans veit quant le cival poit aller, e son scuer vont aprés. 45/ 23s. In den nächsten Beispielen haben wir ein Subjekt im Plural mit einem Verb im Singular; dieser Fall ist erheblich häufiger als der vorhergehende, der eher ungewöhnlichen Charakter hat: Matre, se les ovres seguira a l’ardimant, nos aurons honor. 25/ 35 . . . et ausi s’acorda tot ses compagnon. 56/ 26 Dites moi, chi sont li duy chevaler che combat cors a cors in cil plans? 104/ 16s. . . . che ceus che civaucent de nuit, les zaitis civaus remant darer e mant se perdont por ces selves . . . 128/ 2s. Das letzte Beispiel zeigt, daß auf ein Verb im Sg. auch unmittelbar ein Verb im Pl. folgen kann, und dies ist selbst dann möglich, wenn die beiden Verben vom gleichen Subjekt abhängen: E tantost comanda a sa dame e a tot sa masnie che insirent de nef et allast a cort de l’amirant. 1/ 31s. 21 Franko-Italienisch: ein sprach- und literaturgeschichtliches Kuriosum Wenn auch die «korrekten» Beispiele viel häufiger sind, bleibt doch die Tatsache, daß die Frequenz der Konfusionsfälle groß genug ist, um die Annahme zu rechtfertigen, daß die Unterscheidung von Sg. und Pl. bei der 3. Person des Verbs etwas Artifizielles ist und nur die graphische Ebene betrifft; auf der phono-morphologischen Ebene sind die Formen identisch. Diese Situation läßt natürlich an einen venezianischen Einfluß denken; im Venezianischen fallen die beiden Formen regelmäßig unter derjenigen des Singulars zusammen.Wir sollten aber nicht vergessen,daß auch im Mittelfranzösischen sich die Formen der 3. Pers. Sg. und Pl. auf lautlicher Ebene für die meisten Paradigmen nicht mehr unterscheiden aufgrund des Verstummens von -nt. Die Situation im gesprochenen zeitgenössischen Französischen könnte erneut eine Art Plattform für die Generalisierung des venezianischen Synkretismus gebildet haben. - Auffällig ist weiter oft die 3. Pers. pl. des passé simple/ passato remoto. Zu den dominanten Formen der Verben auf -er ist nichts weiter zu sagen: tornerent, porterent, intrerent usw. entsprechen in jeder Hinsicht den afr. Formen. Daneben finden sich vereinzelt auch Schreibungen mit einem an die italienische Tradition angeglichenen Tonvokal in der Endung: intrarent, trarent usw., die aber ebenfalls kaum eines Kommentars bedürfen. Interessanter sind die Formen der Verben auf -ir(e): Zwar entsprechen dormirent, partirent, oïrent usw. durchaus den mittelfr. Gegebenheiten, und das Gleiche gilt auch für viele Formen von unregelmäßigen Verben wie furent, vindrent etc. Daneben finden sich aber auch Fälle, wo eine Form auf -irent durch eine Form auf -erent ersetzt, d. h. das -ir-Paradigma an das -er-Paradigma angeglichen worden ist: combaterent, responderent, und Entsprechendes findet sich auch bei unregelmäßigen Verben: verent (für virent), ferent (für firent), referent (für refirent), terent (für tin[d]rent) usw. Es dürfte sich hier um typisch franko-italienische Neuschöpfungen handeln, die sich an der geläufigsten Form des passé simple, derjenigen auf -erent, orientieren und so die spezifischen Gegebenheiten des französischen und toskanischen Systems (in Oberitalien ist das passato remoto so gut wie unbekannt) und die typische Durchlässigkeit des Franko-Italienischen in Bezug auf die «Quellsysteme» ausnutzen, um so zu einer größeren Regelmäßigkeit innerhalb des Paradigmas zu gelangen. - In diesem Bereich sei schließlich noch ein letztes Phänomen diskutiert, das erneut die 3. Pers. pl. betrifft; es handelt sich um eine große Zahl von Beispielen, in denen offensichtlich die Formen von Futurum und passé simple/ passato remoto vertauscht werden. Der häufigere Fall ist der, wo eine Form des «Futurums» anstelle eines «p. s.» verwendet wird, d. h. eine Endung -(e)ront die Stelle von -(e)rent einnimmt: Quand ciascun auront manzé et beu segond sa usanze, lé zambres furent aprestés . . . 18/ 35s. . . . E ciste vite teront ogni jor. Mes autremant i furent bien servis. 20/ 3s. 22 Peter Wunderli Die Fälle, wo eine Form des «Futurums» mit der Endung -(e)rent auftritt, sind seltener, aber immer noch hinreichend belegt: E allor fist fer une crie por le camp che a la mie nuit, quand oirent ses grailes soner, ciascun soit aprestés de lor armes a seguir l’insagne de l’amirant. 61/ 36s. Chi sont ceus carpenter e mastres che vorent laborar davant le castel? Certemant nul! Que scorte farés vos a ceus che caveront les fosse? . . . 237/ 4s. Wie ist diese eigenartige Situation zu erklären? Es scheint mir unmöglich zu sein, sie direkt aufgrund der Verhältnisse im Venezianischen oder Toskanischen zu begründen. Aus diesem Grunde müssen wir erneut den Blick auf die graphophonetischen Entsprechungen von Französisch und «italienischen» Varietäten lenken. Und in der Tat: eine Entsprechung des Typs e/ o ist häufig für den unbetonten Vokal in Endungsformen der 6. Person: Präsens parlent/ parlono, perdent/ perdono; passé simple/ passato remoto parlerent/ parlarono, furent/ furono, partirent/ partirono usw. Daß diese Entsprechung eine Realität in unserem Text darstellt, geht auch aus dem oben zitierten Beispiel (128/ 2s.) hervor, wo das Präsens perdent unter der Form perdont erscheint. Auf dieser Basis können wir bereits die Formen des p. s. erklären, die eine Endung -(e)ront aufweisen: Wir haben es mit einem «Italianisierungsversuch» zu tun, der die graphische Äquivalenz e = o in Endungen der 6. Pers. ausschlachtet. Problematischer sind dagegen die «Futurformen» auf -rent (für -ront). Hier haben wir es mit einem betonten Vokal zu tun, und in diesem Bereich gibt es keine französisch/ italienische Äquivalenz vom Typus e/ o. Die einzige Erklärungsmöglichkeit scheint mir die folgende zu sein: Die beiden Endungen sind für das passé simple austauschbar geworden (parleront/ parlerent, oiront/ oirent usw.); diese rein graphische (und nur graphische) Äquivalenz ist in der Folge dann irrtümlicherweise auf das Futurum übertragen worden, wo wir es aber nicht mit einem unbetonten, sondern mit einem betonten Vokal zu tun haben. 7.3. Es bleibt uns noch, einige Beispiele aus dem lexikologischen Bereich zu liefern. Hierbei kann es sich allerdings nur um eine geradezu lächerlich bescheidene Auswahl handeln angesichts des immensen Materials, über das ich für den Aquilon verfüge oder wie es Günter Holtus für die Entrée d’Espagne publiziert hat (Holtus 1979). - Beginnen wir mit einem relativ einfachen Fall. Es handelt sich um die französischen Lexien puis, puisque und depuis, die in unserem Text normalerweise als pois, poische und depois erscheinen. Man könnte hier spontan natürlich an eine rein graphische Äquivalenz vom Typus u = ou = o denken, wie wir sie bereits diskutiert haben. Eine derartige Erklärung ist aber aus zwei Gründen unbefriedigend: Einmal haben wir es nicht mit einem Phonem / u/ oder / o/ zu tun, sondern mit dem Phonem / y/ . Und dann gibt es eine Interpretation, die mir bedeutend adäquater zu sein scheint. Fr. puis geht auf eine lat. Form postea oder besser *po- 23 Franko-Italienisch: ein sprach- und literaturgeschichtliches Kuriosum stius zurück, das it. poi dagegen auf eine Form pos ( post). Wir dürften es mit einer lexikologischen Substitution zu tun haben, die die typisch französische Form durch die typisch italienische ersetzt, und dies nicht nur in isolierten Einheiten, sondern auch in solchen, die lexikologisch oder syntagmatisch verbunden sind. - In unserem Text findet sich oft por an Stellen, wo man im Französischen eigentlich ein par erwarten würde: . . . li orgoil e la puisanze del fort rois Agolant por la puisanze de Deu pere fu destrute in le pais de Calavrie in la contrea d’Aspramont por ly roi de France . . . 6/ 12s. . . . il fist cere riant e la prist por mans: . . . 7/ 7s. Depois veit in Ungarie, e insimant la gasta, e torne por Italle aveninant le pais. 7/ 39-8/ 1 Allerdings fehlen auch Beispiele nicht, wo por einem fr. pour entspricht, und es muß sogar gesagt werden, daß dies der Normalfall ist. Um die Korrespondenzen por = par zu erklären, könnte man darauf verweisen, daß im Italienischen lat. per und lat. pro in einer einzigen Form per zusammengefallen sind, während sie im Fr. als par und por (pour) getrennt bleiben. Dieses Faktum spielt sicher eine gewisse Rolle bei der Erklärung der Situation in unserem Text, aber wenn es sich um den einzigen wirksamen Faktor handeln würde, könnte man schwer erklären, warum der Autor por und nicht par wählt. Aber es ist auch noch ein anderer Faktor in Rechnung zu stellen, der das Französische betrifft: Im Alt- und Mittelfranzösischen sind Beispiele für eine Vertauschung von par und por/ pour relativ gut belegt. Ich denke, daß die Überlagerung der fr. und it. Situation eine ausreichende Erklärung für die Situation im Aquilon liefert. - Nicht uninteressant ist die Behandlung des Ortsnamens Aspremont, der z. T. unmodifiziert übernommen wird. Dies ist jedoch die Ausnahme. In Aspramont haben wir eine rein graphische Anpassung an das Italienische: Da fr. e in unbetonter Position im Italienischen einem a entspricht, wird diese Umsetzung gewissermaßen mechanisch vorgenommen, obwohl dabei eine unkorrekte Bildung entsteht - das erste Bildungselement entspricht einem femininen Adjektiv, während das Substantiv maskulin ist. In Aspromont dagegen wird den rein graphischen Entsprechungen nicht Rechnung getragen: Der Name wird gewissermaßen neu gebildet mit einem Adj. aspro, das dem Genus des Substantivs entspricht. Dieses Beispiel illustriert, daß der Kompromiß zwischen den beiden Quellsprachen auf unterschiedlichen Ebenen des Systems gesucht werden kann und der Autor/ Bearbeiter/ Kopist je nach persönlichem gusto die eine oder andere Lösung bevorzugt. - Nicht uninteressant ist auch die Behandlung von fr. agenouiller, das innerhalb von zwei Zeilen in zwei grundverschiedenen Formen erscheint: inginocchier, in- 24 Peter Wunderli ginoilent; überdies findet es sich auch noch als zinoila. Im ersten Fall haben wir eine praktisch unveränderte italienische Form, in der einzig die Infinitivendung an die französischen Gegebenheiten angepaßt worden ist (-are -ier).Auch das dritte Beispiel gehört letztlich in diese Kategorie; das Problem des Präfixes wird einfach durch eine vollständige Tilgung gelöst; der palatale Konsonant erscheint unter einer typisch norditalienischen Graphie (z), während die Endung des p. s./ p. r. dem französischen System entspricht. Das zweite Beispiel dagegen repräsentiert einen ausgewogeneren Kompromiß: Das Präfix und die Vokalgraphie i (= e) und o (= ou) sind italienisch, die Endung und v. a. der Stamm dagegen sind der fr. Tradition verpflichtet. - Im Falle von striver ‘étrier’ haben wir eine Lösung, die das Französische favorisiert: Der Stamm ist nicht das it. staffa, sondern ein Kompromiß zwischen den beiden fr. Formen estrief und estrier; das Fehlen des prothetischen edagegen entspricht wieder der italienischen Tradition. So liefert auch der lexikologische Bereich eine Bestätigung für unsere These, daß man im Fall des Franko-Italienischen nicht einfach von Interferenzen (im traditionellen Sinn) sprechen kann, sondern daß es sich um eine gezielte Schöpfung eines tertium, eines neuen artifiziellen Idioms handelt, in dem von Fall zu Fall die beiden wichtigsten Quellsprachen unterschiedlich stark repräsentiert sind: Wir haben eine Skala, die vom fast «reinen» Französisch zu einem fast «reinen» Italienisch geht, wobei jede dazwischen liegende Position möglich ist. 8. Kommen wir zum Schluß unserer gezwungenermaßen fragmentarischen Darstellung. Ich hoffe, sie hat deutlich gemacht, daß das Franko-Italienische und seine Literatur in der Tat einen spezifischen und einmaligen Charakter haben. Dies gilt im literaturgeschichtlichen Bereich aufgrund des neuen Sitzes im Leben, der grundverschieden von dem der altfranzösischen Epik ist: Nicht mehr ein Feudalsystem und eine höfische Gesellschaft bestimmen die literarischen Inhalte und ihre ideologische Orientierung, sondern ein aufstrebendes Großbürgertum, das unter der staatlichen Zersplitterung und dem Dauerkonflikt zwischen weltlicher und kirchlicher Macht leidet; es projiziert deshalb in seine literarischen Produkte eine neue Leitfigur hinein, die über allen Konflikten steht und ihm im Rahmen einer Art pax cisalpina die Realisierung seiner enzyklopädischen Bildungsideale ermöglicht. Was die sprachliche Seite angeht, so haben wir nicht eine Interferenzsituation im klassischen Sinn, sondern vielmehr die gezielte Schaffung eines artifiziellen, auf zwei (oder mehr) Quellen beruhenden tertium, das sowohl dem elitären großbürgerlichen Bildungskonzept (das auch die Kenntnis fremder Sprachen einschließt) als auch der oberitalienischen Verortung seines Geltungsbereichs Rechnung trägt. Die Wahlmöglichkeit zwischen fremden und autochthonen Lösungen existiert auf allen sprachlichen Ebenen: der graphischen, der graphisch-phonologischen, der morphologischen, der syntaktischen, der semantischen und der lexikologischen. Dabei sind die kruden Italianismen sicher der am wenigsten interessante Fall; viel 25 Franko-Italienisch: ein sprach- und literaturgeschichtliches Kuriosum faszinierender sind die Kompromißlösungen. Dabei kann je nachdem auf das klassische (durch die literarische Tradition vermittelte) Altfranzösisch als auch auf das zur Zeit gesprochene Mittelfranzösisch zurückgegriffen werden, wobei v. a. solche Lösungen bevorzugt werden, die in der einen oder anderen der ober- oder mittelitalienischen Varietäten eine Stütze finden. Und schließlich gibt es auch noch die Fälle, wo eine vollkommen neue, in keiner der Quellen bezeugte Form entsteht wie z. B. die Graphie gi für / i/ (bzw. [j]), eine 2. Pers. sg. wie ais oder verais usw. Es gilt aber nochmals zu unterstreichen, daß sich daraus nirgends ein homogenes und kohärentes System ergibt; wir haben es vielmehr mit Einzellösungen zu tun, wobei die Wahl von einer Okkurrenz zur nächsten wechseln kann. Die Kopisten und Autoren scheinen mit den Lösungsmöglichkeiten zu spielen und zu versuchen, ihrem Text aufgrund der möglichen Äquivalenzen ein möglichst buntes und immer wieder überraschendes Gepräge zu geben. Aus all diesen Gründen halte ich es nicht für übertrieben, das Franko-Italienische weniger als ein Kuriosum denn als ein Phänomen sui generis zu betrachten. Düsseldorf Peter Wunderli Bibliographie Adler, Alfred 1963: Rückzug in epischer Parade, Frankfurt/ M. Adler, Alfred 1975: Epische Spekulanten. Versuch einer synchronen Geschichte des altfranzösischen Epos, München Bertoni, Giulio (ed.) 1907: Attila. Poema franco-italiano di Nicola da Casola, Friburgo Folena, Gianfranco 1963: «La cultura volgare e l’umanesimo cavalleresco nel Veneto», in: Vittore Branca (ed.), Umanesimo europeo e umanesimo veneziano, Firenze: 142-58 Hackett, W. 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