eJournals Vox Romanica 62/1

Vox Romanica
vox
0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2003
621 Kristol De Stefani

Marcel Burger, Les manifestes: paroles de combat. De Marx à Breton. Paris (Delachaux et Niestlé) 2002, 352 p.

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2003
V.  Atayan
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310 Besprechungen - Comptes rendus quisition, l’interférence et les traditions discursives ainsi que les différentes structures cognitives. Les chapitres les plus importants sont à mon avis ceux qui présentent les attitudes linguistiques (p. ex. les complexes d’infériorité ou l’insécurité linguistique), parce qu’ils complètent l’image donnée par les chiffres et les historiques. De plus ils donnent la mesure des problèmes identitaires liés au fait de parler une langue qui est la langue officielle d’un autre pays. Pöll rend également compte du phénomène de l’alternance codique, même si le cadre de l’ouvrage ne lui permet pas d’entrer dans les détails. En guise de conclusion, Pöll se prononce sur les problèmes que pose la démarche différentielle, sur la nécessité d’une perspective sociolinguistique et sur la question de l’unité de la langue. La bibliographie abondante (26 pages), regroupée par chapitres, permet au lecteur intéressé de s’informer davantage sur la francophonie et sur les différentes variétés françaises. Comme le souligne Françoise Gadet dans sa préface, cet ouvrage contribue «à un mouvement de reconnaissance de la variété des français» (8). Elle semble regretter que la rare diversité de la langue française soit «une fois de plus» mise en lumière par un francisant étranger (9). Quoi qu’il en soit, je suis convaincue que l’ouvrage parvient «à transmettre aux lecteurs et lectrices un peu de cette curiosité pour la diversité et la pluralité linguistiques qui . . . anime [son auteur] depuis plusieurs années» (198), objectif que rappelle Pöll à la fin de son ouvrage. S. Behrent H Marcel Burger, Les manifestes: paroles de combat. De Marx à Breton. Paris (Delachaux et Niestlé) 2002, 352 p. Im vorliegenden Werk beleuchtet Marcel Burger unter verschiedenen Gesichtspunkten die Textsorte Manifest. Ziel der Arbeit ist es einerseits, diese Textsorte zu untersuchen und ihre relevanten Merkmale zu ermitteln, andererseits, sie in ihrer Geschichte und Tradition zu erfassen und insbesondere den mit dem Aufkommen der Avantgarde in der Intentionalität der Manifeste erfolgten Paradigmenwechsel zu beschreiben. Im ersten Teil des Buches (Les manifestes en général - Kap. 1-3) entwickelt der Autor nach einer Begriffsbestimmung und pragmatischen Einordnung der Textsorte eine auf der pragmatischen und kommunikationsgerichteten Textanalyse basierende Untersuchungsmethode, mit deren Hilfe eine Analyse der in Frage kommenden Texte in ihrem historischen und gesellschaftlichen Umfeld adäquat durchgeführt werden kann. Auf dieser Basis werden im zweiten Teil (Les manifestes en particulier - Kap. 4-7) verschiedene traditionelle und avantgardistische Manifeste analysiert und die wichtigsten text- und handlungsbezogenen Dimensionen der Textsorte in einem Analyseschema erfaßt. Nach diesem Schema wird schließlich im dritten Teil des Werks (Manifeste du surréalisme - Kap. 8) das Manifest von André Breton aus dem Jahre 1924 eingehend untersucht. Die Gestaltung der drei Teile soll auch eine unabhängige Rezeption nach besonderen Interessen des Lesers ermöglichen. Im ersten Kapitel (19-38) gibt der Verfasser einen allgemeinen Überblick über die auffälligen Eigenschaften von Manifesten. Nach einer Betrachtung des Begriffs manifeste aus lexikographischer Sicht beschreibt er Manifeste als Texte, die auf eine krisenerschütterte Welt reagieren und die Realität dieser Krisen zum einen zu fassen, zum anderen durch die Handlung der Manifestschreibung selbst zu verändern versuchen. Die schriftliche Form ermöglicht dabei eine tiefere Reflexion nicht nur bei der Verfassung, sondern auch bei der Aufnahme und verleiht dem Text eine symbolische Macht. Als Ausdruck des Bürgersinns 311 Besprechungen - Comptes rendus erheben Manifeste einen besonderen Legitimitäts- und Wahrheitsanspruch. Die Identität der Verfasser wirkt sich in einem ganz besonderen Maße auf den Erfolg des Textes aus, aber auch umgekehrt: Die Verfassung eines Manifests ist häufig ein Akt der Identitätsstiftung für die Autoren. Diese Komplexität bedingt auch die besonderen stilistischen Ausprägungen der Textsorte. Im zweiten Kapitel (39-77) wird der Gesamtrahmen der activité manifestaire beschrieben. Die Verankerung der Manifeste in der Realität wird durch einen doppelten Bezug - zu einer Krise in der Aktualität und einer geforderten Lösung in der Zukunft - erfaßt. Das Manifest als (kommunikative) Handlung wird dabei aus einer interaktionistischen und konstruktivistischen Sicht untersucht. Es läßt sich dabei eine Abgrenzung zwischen der sozialen Praxis der activité manifestaire und der konkreten Tätigkeit der Manifestschreibung vornehmen. Das dritte Kapitel (79-116) liefert einen Überblick über die Texteigenschaften und Textualitätsphänomene der Manifeste. Dabei wird zuerst die Definition des caractère manifestaire eines Textes Schritt für Schritt präzisiert. Bei der Betrachtung der Textualitätsphänomene werden die illokutive Zielsetzung und die Identifikations- und Erfolgsbedingungen dieser kommunikativen Handlung bestimmt und eine v. a. von den Arbeiten der Genfer Schule inspirierte mehrdimensionale Analyse eines Textabschnitts durchgeführt, um dessen illokutionäre, hierarchische und thematische Struktur sowie dessen Verankerung in der realen und in der Text-Welt zu ermitteln. Nach diesem Raster werden im vierten Kapitel (119-47) politische Manifeste analysiert, wobei v. a. auf die Déclaration des droits de l’homme et du citoyen von 1789 und das Kommunistische Manifest von 1848 eingegangen wird. In beiden Texten stellt der Verfasser die manifesttypischen kritischen und programmatischen Orientierungen fest. Bei der Deklaration wird eine detailliertere Mikroanalyse der hierarchischen Struktur der Präambel vorgenommen. Die einzelnen Teiltexte des Kommunistischen Manifests werden hingegen makrostrukturell bezüglich ihrer formalen Beschaffenheit und Funktion im Gesamttext untersucht. Dabei lassen sich zwischen den beiden Ebenen interessante Parallelen feststellen. Einer vergleichbaren Analyse von literarischen Manifesten aus dem 19. Jahrhundert ist das fünfte Kapitel (149-79) gewidmet. Der Realitätsbezug wird hier in der Interaktion zwischen dem literarischen Werk und den Manifesten im Rahmen der allgemeinen Krise der Literatur gesehen. Einzelanalysen der Vorworte von Hugo und des Symbolismusmanifests von Moréas zeigen strukturelle Ähnlichkeiten zwischen literarischen und politischen Manifesten. Im sechsten Kapitel (181-210) werden Manifeste der Avantgarde analysiert. Daraus lassen sich die wichtigsten Eigenschaften der Bewegung gewinnen, nämlich ihr Selbstverständnis als eine neue Generation, ihr Postulat der Subjektivität als absoluter Maßstab und ihre grundsätzliche Kompromißlosigkeit. Im Unterschied zu politischen und traditionellen literarischen Manifesten bilden die Manifeste der Avantgarde selbst ihren eigenen Bezugspunkt. Durch Ablehnung und wiederholte Neudefinition aller Normen konstruiert sich die Avantgarde selbst als einen ständigen Bruch. Aus diesem Blickwinkel werden die diskursiven und psychosozialen Bedingungen der Entstehung dieser Manifeste analysiert und insbesondere ihr Appellcharakter betont. Im siebten Kapitel (210-46) werden die theoretischen Ergebnisse der Arbeit zusammengefaßt und zu einem allgemeinen Analyseschema weiterentwickelt. Dabei werden die Texte im Sinne einer social discourse analysis zu sozialen Handlungen in Beziehung gesetzt, um konventionelle Elemente der activité manifestaire festzustellen. Als wichtigste Faktoren werden die psychosoziale Einstellung, die Erwartungen in bezug auf Manifeste, die Zuordnung zu einer manifestartigen Textsorte und das einzelne Projekt des Manifests definiert. 312 Besprechungen - Comptes rendus Die auf einer totalen Ablehnung basierende Einstellung der Avantgarde führt zur Entstehung von drei Manifesttypen: Gründungs-, Erhaltungs- und Selbstauflösungsmanifeste. Eine Abgrenzung zwischen traditionellen und avantgardistischen Texten erlaubt in Kombination mit dem thematischen Bereich eine Klassifikation der Manifeste. Bei der Analyse des Manifeste du surréalisme im achten Kapitel (249-321) bezieht der Verfasser verschiedene Dimensionen mit ein. In bezug auf die situationellen Faktoren werden der Referenzkontext und die Erwartungen an das Manifest ermittelt und seine Verankerung im Projekt des Surrealismus berücksichtigt. Die Analyse der Dimensionen der Textualität bringt Erkenntnisse über die Funktion einzelner Segmente und ihre Position in der gesamttextuellen Hierarchie 1 . Im Rahmen der informationellen Dimension des Textes wird eine Untersuchung der thematischen Entwicklung des Textes vorgenommen, während die äußerungspragmatische Analyse Aussagen über die Identität der im Text zu Wort kommenden Subjekte ermöglicht. Schließlich erfolgt eine ausführliche Darstellung der strategischen Dimension des Manifests, in der das Zusammenspiel verschiedener Komponenten zur Erreichung von Zielen des Manifests offengelegt wird. Die 18 Seiten starke Bibliographie beinhaltet neben den relevanten sprachwissenschaftlichen Werken gesonderte Unterkapitel À propos de manifestes, d’avant-gardes et de littérature und À propos du surréalisme. Als die theoretisch-methodische Stärke des vorliegenden Werks sei die Kombination der mehrdimensionalen Textanalysen mit einer genauen Einordnung des Untersuchungsgegenstandes in sein historisches Umfeld hervorgehoben. Erst dadurch können nämlich die Faktoren, welche die Beschaffenheit und die Entwicklung einer Textsorte bedingen, vollständig erfaßt werden. Wünschenswert wären sicherlich wenn auch nicht vollständige, so doch etwas detailliertere Darstellungen der linguistischen Einzelanalysen gewesen, denn die Bestimmung der jeweiligen Analyseeinheiten und deren Zuordnung zu den einzelnen Klassifikationskategorien sind ohne diese Einzelheiten nicht immer direkt nachvollziehbar. Insgesamt ist das Buch sowohl für Leser zu empfehlen, die sich für die Textsorte Manifest interessieren, als auch für Forscher, die textsortenbezogene Untersuchungen durchführen, da sie hier wertvolle Anregungen finden können. V. Atayan H Frank-Rutger Hausmann, «Vom Strudel der Ereignisse verschlungen». Deutsche Romanistik im «Dritten Reich», Frankfurt a. M. (Vittorio Klostermann) 2000, xxiii + 741 p. (Analecta Romanica 61) Mit dem hier zu besprechenden Buch legt Frank-Rutger Hausmann, zweifellos einer der besten Kenner der Geschichte der Deutschen Romanistik in der Zeit des Nationalsozialismus, ein Werk vor, das als Summe seiner langjährigen Beschäftigung mit diesem Thema betrachtet werden kann 1 . Dabei stimmt nachdenklich, dass selbst ein gestandener, in allen Bereichen der Romanistik hochqualifizierter Wissenschaftler wie Hausmann sich eingangs immer noch zu legitimieren verpflichtet fühlt, warum er sich auch mit der Disziplinengeschichte und nicht ausschliesslich mit der «eigentlichen» Forschung auseinandersetzt (xviii-xix). Die Tatsache, dass gerade in vielen geisteswissenschaftlichen Fächern die Vorbehalte gegenüber der Aufarbeitung der eigenen Fachgeschichte immer noch stark verbreitet sind, gehört zu den Paradoxa der modernen Wissenskultur, und so scheint der 1 An dieser Stelle sei auf einen Zuordnungsfehler in der Abbildung 6 (274) hingewiesen, in der das ségment procédural 4 dem ségment délibératif 5 untergeordnet werden sollte. 1 Für eine Liste seiner vorgängigen Publikationen zum Thema cf. Fussnoten, p. 27-28.